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Im Widerstreit gegen diese drei Weltmächte verläuft die äußere Geschichte der katholischen Renaissance unseres Jahrhunderts. Im Kampf gegen die Aufklärung hat sie sich machtvoll erhoben, im Kampf gegen den Liberalismus sich dann siegreich entfaltet, auch im Kampf gegen den Socialismus beginnt sie sich nun zu bewähren. Was diesen drei Weltmächten gemeinsam ist, gibt der neuen Epoche der äußeren Kirchengeschichte ihre Eigenart. Seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts ist eine der Kirche und dem Christenthum aufs Aeußerste feindselige öffentliche Meinung geschaffen worden, die international ist und von Anfang an die Staatsregierungen sich dienstbar zu machen suchte, was ihr glänzend gelang. Es erwies sich dieses um so wirkjamer, als es theoretische und praktische Staatsallmacht war. welche der Aufklärung und dem Liberalismus das politische, sociale und wirthschaftliche Leben unterwarf. Das Hauptmittel zur Herstellung und Verbreitung dieser Europa durchdringenden öffentlichen Meinung war erstens das Schriftthum; gewiß nicht das fachwissenschaftliche, sondern das popularisirende, von den schweren Bänden der Encyclopädie bis zum heutigen socialdemokratischen Flugblatt, und zweitens das Theater mit seiner für die moderne Bildung immerfort wachsenden Bedeutung, durch die es Lehrfanzel und Cultus: stätte wurde und an die Stelle der Religion treten sollte. (Vergl. D. Strauß, „Von unseren großen Dichtern" im „Alten und neuen Glauben").

Genau von der Mitte des XVIII. Jahrhunderts ab ist unseres Erachtens die Epoche dieser neuen Weltmacht anzuschen. Von dieser Zeit an beginnt nämlich die Aufklärung öffentliche Meinung zu werden. Nun sprang sie freilich nicht unvermittelt aus dem Boden, noch viel weniger fiel sie vom Himmel. Aber die frühere Geschichte der Aufklärung, auch Bayle, der in seinem großen Lexikon die Bibel der Aufklärung schuf, gehört ganz in die Geschichte der Philosophie, nicht in die vom socialen Standpunkt aus aufgenommene

Welt und Kirchengeschichte. Bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts waren die Aufklärer ein Einfluß, noch keine Macht. Einzelne Gelehrte waren Freidenker, die Freidenker noch keine Partei. Ein sehr eingeweihter Zeitgenosse, Condorcet,1) und ein moderner Forscher, Aubertin,2) haben u. A. das mit Recht hervorgehoben.

Aber nur die aufgeklärten und liberalen Staatsallmachten fonnten die irreligiöse öffentliche Meinung zu wirklicher Weltmacht erheben. Judem der Geist der Aufklärung und des Liberalismus die Gesetzgebung auf allen Gebieten erfüllte, hat er ein Weltreich erobert, und indem ihm alle Schulen gehörten, sind die heranwachsenden Generationen ihm hörig geworden. Seit Diocletians Tagen oder dem Augenblick Julians war schwerlich ein ähnlicher Gegner aufgetreten. Doch fahren wir fort, die Uebereinstimmungen und Zusammenhänge der drei Weltmächte genauer darzulegen.

Es ist schon oft bemerkt worden, daß der Liberalismus die Aufklärung des dritten Standes, der Socialismus die Aufklärung oder der Liberalismus des vierten Standes ist. Das heißt sie haben zwar in verschiedenen Gesellschaftsflaffen die Hauptmasse ihrer Anhänger, sind aber sonst eines Geistes und bewegen sich in einer Richtung. Sie sind beseelt von religionfeindlichem, kirchenstürmerischem Geist und gehen aus auf die Lockerung und Lösung der Abhängigkeit der Individuen und der socialen Verbände von aller religiösen Wahrheit und allem religiösen Gesez. Sie stehen aber nicht bloß im ideellen Zusammenhang der Uebereinstimmung, sondern auch im genetischen Zusammenhang von Prämissen und Schlußfolgerungen, von Ursache und Wirkung. Man fann ebensowohl sagen: der Liberalismus ist der Sohn der Aufklärung, genauer der jüngeren Aufklärung, und der

1) Im Leben Voltaire's. Moland's Ausgabe von V.'3 Oeuvres complètes 1 (1883) 255.

2) L'esprit public au XVIII, s. S. 270 u. a.

des

zwei

Socialismus der Sohn des Liberalismus, genauer radikaleren Liberalismus und der Enkel der Aufklärung. Die französische Aufklärung schied sich nämlich in Richtungen, die wir die ältere und die jüngere Aufklärung nennen können. Als Hauptvertreter der älteren wird Voltaire, der jüngeren Rousseau anzusehen sein. Beide Richtungen sind nicht bloß Geistesmächte gewesen, sondern auch sociale Gewalten geworden; haben sie doch den aufgeklärten Despotismus hervorgebracht; die eine den der Fürsten, die andere den der großen Revolution. Die ältere Aufklärung starb allmählig ab, ohne direkte Nachkommenschaft zu hinterlassen, in ihrem Greisenalter hieß sie manchenorts vormärzlicher Absolutismus. Die jüngere Aufklärung aber gebar den Liberalismus. Dieser erbte von seiner Muhme der älteren Aufklärung nicht bloß einen ungeheuren literarischen Nachlaß, sondern weist auch vielfach auffallende Züge der Familienähnlichkeit mit ihr auf. Der liberale Journalismus des XIX. Jahrhunderts z. B. sieht oft genug gerade aus wie ein deklassirter Neffe Voltaire's. Der Liberalismus spaltete sich gleichfalls in mehrere Richtungen. Man kann aber auch da zwei Hauptgruppen unterscheiden: die Halben und die Ganzen. Auch hier verblich die eine Gruppe, ohne Söhne zu hinterlassen. Aber die andere, der radikalere Liberalismus zeugte den Socialismus.

Literarisch spiegelten sich diese Zusammenhänge seltsamer Weise in zwei bekannten Büchern. Der Typus des liberalen Professors und Bourgeois, David Strauß, behandelte biographisch den Typus des aufgeklärten literarischen Aristo: fraten: Voltaire, und der bedeutendste philosophische Vorläufer des Socialismus, Feuerbach, den bedeutendsten philosophischen Vorläufer der Aufklärung: Bayle.

Die Uebereinstimmung der drei Weltmächte in religionfeindlichem Geist und der ursächliche Zusammenhang zwischen ihnen darf aber nicht die bedeutenden Unterschiede übersehen. lassen, die zwischen ihnen obwalten. Sociale Erscheinungen

wie die genannten sind vielgestaltig, und es kann deshalb eine flüchtige Skizze ihnen nicht allseitig gerecht werden. Was aber bei culturhistorischer Betrachtung des in den letten 150 Jahren wider die Kirche und das Christenthum von der Aufklärung, dem Liberalismus und Socialismus geführten Kampfes zumeist in die Augen fällt, ist eine fortschreitende Steigerung des individuellen und socialen Abfalls von Gott, eine fortschreitende Lösung der religiösen Bande. Diese Steigerung vollzieht sich erstens extensiv, indem immer weitere Kreise davon erfaßt, zweitens intensiv, indem immer weiter gehende Folgerungen aus der Läugnung religiöser Wahrheiten gezogen werden.

Die Aufklärung herrschte vornehmlich von den Thronen aus, an den Höfen, unter dem Adel, in den Kreisen der Schriftsteller, welche mit dieser vornehmen Welt eine wechselseitige Lobes- und Lebensassecuranz eingegangen waren. In der jüngeren Aufklärung weht freilich schon stark demokratische Luft. Aber zwischen 1762 und 1789 etwa waren die Gegenjäße vor der Oeffentlichkeit noch verschleiert, umsomehr, als in den vornehmen aufgeklärten Kreisen philanthropisches, humanitäres Coquettiren mit dem „armen Volk" beliebt wurde, wie irgend eine neue Feinheit der Kleidermoden.

Der Liberalismus herrschte vornehmlich im wohlhabenden Bürgerthum der großen Städte; in der Welt der höheren Beamten, der Universitätsprofessoren, Künstler, Schriftsteller und Industriellen. Er wurde allmählig, je mehr Erfolge er hatte, in politischer und wirthschaftlicher Beziehung immer conservativer. Es erfaßte ihn ein Zug zur Höhe, unwiderstehliches Sehnen nach der Region der oberen Zehntausend, es fehlte nicht viel, so hätten die Commerzienräthe ihn monopolisirt. In einer für die ganze Richtung verhängnißvollen Verbindung nannten und nennen sich die Hauptvertreter des Liberalismus Männer von Bildung und Besiz, und in der That sind die Geldproßen immer und überall die Fettaugen gewesen, die in der liberalen Suppe obenauf

Qifter.polu. Blätter CXXI. (1898)

schwammen. Die trugen denn auch die Hauptschuld daran, daß der im Alter und in der Fülle gemäßigt und behäbig werdende Liberalismus ohne Nachwuchs blieb, daß sein Gezweige dürr wurde und abstarb, mit Ausnahme des Schößlings, der, in die Arbeiterwelt und in das Proletariat verpflanzt, den Socialismus trieb.

Hat in dieser extensiven Ausdehnung der Grundgedanke der drei Weltmächte, der der Kirche und dem Christenthum feindliche Geist, immer breitere Schichten der Gesellschaft durchdrungen, so vollzog sich zugleich eine intensive Steigerung. Die Fürsten der Aufklärung suchten einreißendem Hang zu Holbach'schem Atheismus sich entgegenzustemmen, etwa wie man durchgehende Pferde aufzuhalten sich bemüht. Daß die eigentlichen Heroen zumal des philosophischen Liberalismus grundsägliche Gottlosigkeit für die unbefangenste, würdigste Weltanschauung hielten, dürfte wohl schwerlich zu läugnen sein. Daß der Socialismus den Atheismus für die einzig richtige und im Zukunftsstaat mögliche Weltanschauung hält, hört man auf allen Gassen.

Die französische Aufklärung hat als den Hauptgegen stand ihres Ansturmes die geoffenbarte Religion angesehen, wider die Kirche und das Christenthum gekämpft. Hierin ging sie so auf, daß sie in Beziehung auf die Weltanschauung vorwiegend zerstörend erscheint. Die einzige groß an= gelegte und auf Generationen hinaus erfolgreiche positive Schöpfung der Aufklärungszeit, Rousseau's contrat social, ist schon einer der Ausgangspunkte des werdenden Liberalismus.

Dagegen ist die Epoche des Liberalismus in der Geschichte der Philosophie die große Bauperiode gottentfremdeter Weltanschauungen. Da fehlt es nicht an positiven Schöpfungen im Gegensatz zu den leidenschaftlichen Einreißern und "Zermalmern“ der Aufklärung. 1) Man braucht nur Kant,

1),,Les écraseurs", wie sie vom „,écrasez l'Infâme" genannt wurden,

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