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fängt zu handeln. Es war weit harmloser, als wir nur planten, und das Handeln den Anderen überließen. Daher die ungeheuere Entrüstung, die uns von allen Seiten her ent= gegentönt".1)

Für die Regierung aber konnte die Einnahme der Kiao Tschau-Bucht nicht gelegener kommen, als gerade jezt. Sie diente nun als vollendete Thatsache für die Marine-Vorlage. Himmel und Hölle waren für dieselbe schon aufgeboten. Aus den Berufskreisen zur See gingen die Werbetrommler in den Bersammlungen herum. Die Sprecher und ihre Reiseengel für Handel und Industrie konnten nun zeigen, daß es sich bei der Marine Rüstung nicht nur um das alte Europa, sondern um den ganzen Erdenrund handele. Den Anfang der Treiberei hatten die neuen Minister mit ihren Besuchen in Friedrichsruh gemacht. Obwohl Bismarck mit dem Glückwunsch zum Geburtstag vom Hofe heuer übergangen worden war, kam zuerst Prinz Heinrich zur Aufwartung und dann der Kaiser selbst zum Besuch. So viel aber allerseits verlautete, war der alte Schöpfer des Reichs zu der erwarteten Beifallsbezeugung nicht zu bewegen. Er hielt nur an seinem unverbrüchlichen Grundsatz fest: womit Rußland einverstanden jei, damit sei auch er einverstanden.

Darauf bezieht sich auch wohl die Aeußerung des Kaisers bei der Begrüßung in Graudenz, deren Veröffentlichung man übrigens in Rußland, aus Rücksicht auf Frankreich, lieber hätte unterbleiben jehen. Der Kaiser jagte nämlich: Er hoffe, daß es zu einer Bedrängniß der Festungsstadt Graudenz nie kommen werde; mit etwas erhobener Stimme und fast jedes Wort betonend, sezte er hinzu: denn unser Nachbar im Osten, ein lieber und guter Freund von mir, hat dieselben politischen Ansichten wie ich".2)

1) Berliner „Kreuzzeitung" vom 22. Dezember 1897. 2) Berliner „Germania“ vom 23. Dezember 1897.

Ein besonders günstiger Zufall war dann der Anlaß, in dessen Folge der Handel mit Rußland in's Leben treten und in die That umgesetzt werden konnte, und zwar unmittelbar vor der überraschenden Einrückung der Russen in der chinesischen Hafenbefestigung Port Arthur auf der Halbinsel Liaotung, dem Schlüssel zum Golf von Petschili. Den Anlaß zur Beschlagnahme von Kiao-Tschan gab nämlich die Ermordung zweier katholischen Missionäre in der Provinz Shantung; sie stellte sich also als die Folge der von dem deutschen Reich an die Regierung in Peking gestellten Entschädigungs - Forderung dar. Nun sind allerdings derlei Vorfälle in China seit Jahren nichts Seltenes gewesen,1) und die europäischen Mächte waren zum Schuße ihrer Angehörigen rechtlich verpflichtet; aber ein so barsches Vorgehen wie hier, ist dabei doch nie vorgekommen. Und wenn man dasselbe mit dem Namen eines „Kreuzzugs beehren will, so konnte es nicht ausbleiben, daß der Zug anderwärts anders betitelt wurde.

Die Ermordung der zwei Missionäre in dem Bezirk der Confucius-Wallfahrt in Shantung hat so unerwartet stattgefunden, daß der Bischof Anzer kurz zuvor unbesorgt zum zweiten Male nach Berlin abreisen konnte, wo er mit hohen Ehren empfangen wurde. Die ermordeten Väter gehörten der Steyler Missionsgesellschaft an. Dieselbe war in der Culturkampfs-Zeit von P. Janssen zu Steyl in HolländischLimburg gegründet worden, also im Ausland, weil sie im deutschen Reich nicht zugelassen wurde. Wenn die Ermordeten zufällig Jesuiten gewesen wären, so hätte der Tsungli-Yamen, der oberste Rath, dem „Sohne des Himmels“ auf

1) „Die Christen-Massacres in China und die Missionen; die antidynastischen Geheimbünde“ s. „Hiftor.polit. Blätter". 1895. Band 116. S. 604.

dem Throne, beibringen können, daß diese Menschen ja im eigenen deutschen Vaterlande als staatsgefährlich verurtheilt und verbannt seien. Früher standen sämmtliche katholische Missionen in China vertragsmäßig unter französischem Schuße ; erst den Bemühungen des Bischofs Anzer war es zu verdanken, daß das deutsche Reich seine Angehörigen unter sein Protektorat nahm, so daß jezt in der Provinz Shantung neben den deutschen Missionären die italienischen Francisfaner unter französischem Schuße stehen.1)

In den überschwänglichen Reden, welche im Hafen zu Kiel zwischen dem Kaiser und seinem Bruder vor der Abfahrt des von dem Prinzen commandirten Geschwaders nach China gewechselt wurden, verlautete indeß nichts von einem besonderen religiösen Beweggrunde. Der Kaiser erwähnte zwar den Anlaß der Intervention, aber allen", sagte er, „seien sie Priester oder Kaufleute, möge flar werden, daß der deutsche Michel einen mit dem deutschen Reichsadler geschmückten Schild fest auf den Boden gestellt hat, und sollte je einer es unternehmen, uns an unserem guten Rechte zu kränken, dann fahre darein mit gepanzerter Faust“. Aus der Antwort des Prinzen ist insbesondere die Stelle anders ausgelegt worden: „Mich zieht nur Eines: das Evangelium Euer Majestät geheiligter Person im Auslande zu schüßen, zu predigen Jedem, der es hören will und auch denen, die es nicht hören wollen". Damit meinte aber der Prinz offenbar den unfehlbaren Willen des Kaisers und seine eigen

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1) Sehr zur Unzeit ist gerade jeßt durch eine Zuschrift in der Münchener Allgemeinen Zeitung", angeblich aus Ordenskreisen, mit der Ueberschrift,,Tedeschi et Fratri" eine peinliche Spannung zwischen den beiden Nationen behauptet worden, welche der hochwürdige General-Superior P. Janssen aus Steyl, hoffentlich mit Recht, entschieden in Abrede stellt. „Köln i s che Volkszeitung“ vom 30. Dezember 1897.

willigen Widerstreber. Das deutete er auch an mit dem Worte: Euer Majestät erblühte die Kaiserkrone mit den Dornen". An andere Dornen dachte er nicht.

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Das, was der Kaiser will, hat er unmißverständlich gesagt, und damit zugleich die unausweichliche Schaffung einer Weltflotte begründet, ob nun die zwei Missionäre erschlagen waren oder nicht. „Es ist weiter nichts, als die erste Bethätigung des neugeeinten und neuerstandenen Deutschen Reichs in seinen überseeischen Aufgaben. Dasselbe hat in erstaunenswerther Entwicklung seiner Handels- Interessen einen solchen Umfang genommen, daß es meine Pflicht ist, der neuen deutschen Hansa zu folgen. Die erste Vorbedingung, das Deutsche Reich ist geschaffen, die zweite Vorbedingung, der deutsche Handel blüht und entwickelt sich. und er kann sich nur gedeihlich und sicher entwickeln, wenn er unter des Reiches Gewalt sich sicher fühlt. Reichsgewalt bedeutet Seegewalt, und Seegewalt und Reichsgewalt bedingen sich gegenseitig, so daß die Eine ohne die andere nicht bestehen kann“.

Die beiden Reden erregten allerdings allerlei Kopfschütteln, wenn es sich auch nur im Flüstern zu äußern wagte. Es war schon der absolutistische Ton, welcher anstieß. Selbst das Hauptorgan des Nationalliberalismus in Berlin wagte, auf die Gefahr hin, die Zahl der Hunderte der MajestätsBeleidigungsprocesse in Preußen zu vermehren, den Wunsch zu äußern, es möge für solche öffentliche Reden allerhöchster Personen der Rath von Männern beigezogen werden, welche auch den Muth einer eigenen Meinung hätten. Das hochorthodoxe Junkerblatt in Berlin aber hatte seine Meinung zum vorhinein verkündet, welche auf den Schlußsaß auslief: „Reichthum ist eines der unentbehrlichsten, gewaltigsten Kriegsmittel der Zukunft; er sichert den Nationen die Ernährung und zäh andauernde Widerstandskraft im Kampfe.

Die ethischen Momente allein thun es leider heute nicht mehr." 1)

„Angeregt durch die lebhafte Strömung, welche die Beschäftigung mit der Flottenfrage, die Bemühungen, über ihre Bedeutung sich klar zu werden, in der öffentlichen Meinung hervorgerufen, hat das deutsche Volk sich wieder auf seine Bedeutung in der Welt, auf seine wirthschaftliche und politische Zukunft besonnen, begriffen, daß ein Versäumniß im rechtzeitigen Zugreifen für die Sicherstellung so großer Interessen, wie sie z. B. zur Zeit im fernen Osten in Frage stehen, den Anfang vom Niedergang bedeuten würde. Trefflich hat in der Flottendebatte der Staatssekretär des Auswärtigen dem Empfinden und Sehnen aller Deutschen mit dem Worte Ausdruck gegeben, daß wir auch unseren Plaß in der Sonne haben wollen. Dies erfrischende, gewiß erfolgreich für unsere Flotte werbende Wort wird hoffentlich all den Schaden beseitigen, welchen die Verblendungsmittel: Uferlosigkeit,,Seesport, Paradeflotte',,Steuerdruck u. a. angerichtet haben. Dies um so mehr, da die Ueberzeugung sich mächtig Bahn bricht, daß für unsere alljährlich gewaltig zunehmende Bevölkerung uns der Raum zu knapp, der Rock zu eng wird, die Mittel für Arbeit und Beschäftigung, für Lebenshaltung und Ernährung allmählich immer unauskömmlicher werden, daß wir, um Abhilfe zu finden, immer mehr über unsere Grenzen. hinaus, immer mehr hinaus auf die See müssen, daß jenseits des Meeres die Quellen fließen. aus welchen unser Handel, unsere blühende, gewaltig entwickelte Industrie die Mittel schöpfen können, um unser Nationalvermögen zu mehren, um die wachsenden Viillionen unseres Volkes zu erhalten und zu ernähren!"

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Noch vor eilf Jahren waren alle Vertreter der Regierung darin einig zu versichern, daß Niemand an eine Weltpolitik denke, die ausgearbeiteten Flottenpläne sich stets

1) Berliner Kreuzzeitung" vom 11. Dezember 1897.

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