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Wäre Maurer nicht Geistlicher geworden, hätte er jeden falls an der philosophischen Fakultät neben den historischen und philologischen Vorlesungen das historische und philologische Seminar besucht, um nach mehrjähriger Vorbildung an das „Institut für österreichische Geschichtsforschung“, gleichfalls an der philosophischen Fakultät der f. f. Universität Wien, überzutreten. Unter Seminar versteht man nämlich an der Universität ein mit Bibliothek, Arbeitszimmer u. s. f ausgestattetes, unter Leitung der betreffenden Fachprofessoren stehendes Institut, in dem die Mitglieder zu eigener selbständiger Forschungsarbeit herangebildet und zu diesem Zwecke mit allen Hilfsmitteln wissenschaftlicher Methode (Literatur, Arbeitsweise u. s. w.) vertraut gemacht werden, stets im innigsten Contakt mit den Lehrern und unter deren Führung.

Hätte der junge Maurer als Theologe sich speciell dem Bibelstudium widmen wollen, so hätte er das exegetische Seminar besuchen und dessen Uebungen mitmachen müssen; ebenso für specielle Ausbildung in der Dogmatik das dogmatisch-apologetische Seminar und vorher das philosophische. Wollte er also für Kirchengeschichte sich ausbilden, so mußte er naturgemäß das Seminar für Kirchengeschichte besuchen und sich an den fogenannten Seminarübungen" der einzelnen kirchengeschichtlichen Fächer unter Leitung der betreffenden ordentlichen Professoren (für ältere Kirchengeschichte, für mittelalterliche und neuere Geschichte, für christliche Literaturgeschichte, für Dogmengeschichte, für Geschichte der christlichen Ethik, für christliche Archäologie, für christliche Kunstgeschichte) betheiligen, natürlich außer den für alle Theologen geltenden Obligatcollegien.

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Ja, wenn es in Wien solche Seminare nur gäbe, Seminare gab es freilich und wissenschaftliche Institute; aber nur nicht an der theologischen Fakultät.

Ich verweile bei diesem Punkte gerne etwas länger; denn die theologische Fakultät ist eben im Begriff, für alle

Hiftor..relit. Blätter CXXI (1898.)

Fächer - bloß ein Profeffor soll abgelehnt haben solche Seminarien einzurichten und damit endlich dem längst dringend ausgesprochenen Wunsche aller Freunde der theologischen Studien zu entsprechen. Unzählig waren die Hindernisse, welche sich bisher diesem Beginnen entgegen= stellten; jezt ist post tot discrimina rerum endlich die selige Stunde der Erlösung vom schwerlastenden Zauberbann ge naht. Die Seminarien wären bereits eingerichtet, wenn nicht der Finanzminister des Cabinets Badeni, Herr Ritter von Bilinski, die nöthigen Geld mittel verweigert hätte. Glücklicherweise haben sich die Verhältnisse zum Besseren gewendet, so daß demnächst die Idee der Seminare verwirklicht sein wird. Die Angelegenheit ruht erfreulicherweise in der Hand des ebenso thatkräftigen als wissenschaftlich ausgezeichneten Defans Prof. Dr. Wilhelm Anton Neumann, eines Wieners was mich als Landsmann mit doppeltem Stolz erfüllt und Cisterziensers des weltbekannten Stiftes Heiligenfreuz. Auch im österreichischen Unterrichtsministerium war die Lage noch nie so günstig wie eben jezt. Allerdings hat die katholische Sache und auch die theologische Wissenschaft mit dem kürzlich in Ruhestand getretenen Sektionschef Alfons R. v. Heinefetter einen ebenso überzeugungstreuen als energischen Freund verloren, der als Chef des Cultusdepartements sich glänzende Verdienste erworben hat und zugleich durch seine bezaubernde Liebenswürdigkeit und seine feinen Formen nicht minder als durch seine staunenswerthen juristischen Kenntnisse Freund und Feind zur Hochachtung zwang. Doch darf aus den Mittheilungen des Wiener „Vaterland" wohl erschloffen werden, daß Heinefetters Nachfolger, der frühere Professor für Kirchenrecht in Wien Dr. Hussaret Ritter von Heinlein, sich in ähnlichem Sinne dem wahren Wohl der Kirche stets willfährig zeigen wird. Ueberdies ist ja auch die Wiener theologische Fakultät selbst durch den früheren Professor des Bibelstudiums A. B., Prälat Hofrath Dr. Zschokke, dessen bekannte Gelehr

samkeit und dessen Umsicht und Taft bei der Behandlung auch der schwierigsten Fragen ich nicht erst zu rühmen brauche. im Ministerium vortrefflich vertreten. Hiezu kommt noch der außerordentlich günstige Umstand, daß nicht ein dem wissenschaftlichen Leben fernstehender, in seinen verstaubten Akten aufgewachsener Beamter, sondern ein Mann der Wissenschaft, den vor wenigen Jahren noch das Professorencollegium der Wiener philosophischen Fakultät zu den ihren zählen durfte, die sogenannte Revision der Universitätsangelegenheiten und somit den entscheidenden Einfluß hat, Se. Excellenz der Geheime Rath Sektionschef Dr. Wilhelm Ritter von Hartel. Was soll ich von ihm sagen? Die ganze wissenschaftliche Welt fennt ja diejen Namen, und der verehrte Lehrer ist wahrhaftig nicht erst auf Worte der dankbaren Erinnerung seines Schülers angewiesen. Wie freundlichernst klang uns einst im philosophischen Seminar das aufmunterude: Bene de hac re disputasti!", oder das zurechtweijende: Tuum erat, etiam de hac re sententiam tuam aperire!", oder das fragende: „Quid sentiunt viri docti?" Und die gütig-tröstende Antwort, als ich einmal zu ihm fam, in der Hand eine fern von Wien gedruckte kleine Abhandlung, die ich wegen Eile und Entfernung vom Druckort nicht hatte selbst corrigiren können, und in der man mir einige unliebsame Druckschler hatte stehen lassen: „ das ist ein Wiißgeschick, unter dem wir alle leiden" u. s. w. O wenn sie ewig grünen bliebe, die schöne Zeit des philosophischen und des archäologisch historischen Seminars! Und doch beinahe wollte ich, Ritter von Hartel hätte nicht im Cultus-, sondern im Finanzministerium das entscheidende Wort, dann würden die paar tausend Gulden für neue Professuren und für Seminareinrichtungen an der theologischen Fakultät in Wien wahrhaftig rasch bewilligt! Allein ich will nicht ungerecht werden; auch der gegenwärtige Herr Finanzminister, Se Excellenz Dr. Böhm Ritter von Bawerf, steht ja noch heute im Lektionskatalog der Wiener Universität unter

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jenen Professoren, die zur Zeit nicht lesen; also ist auch von dieser Seite das beste Entgegenkommen zu hoffen, um so mehr, als gegebenen Falls auch Se. Excellenz der Herr Ministerpräsident, Dr. Gautsch Freiherr von Frankenthurn, als ehemaliger Unterrichtsminister sein Ansehen in die Wagschale legen wird. Daß Se. Excellenz der neue Minister für Cultus und Unterricht, Graf Baillet-Latour, die Reorganisation der Wiener theologischen Fakultät kräftig fördert, ist gar keine Frage; Se. Excellenz gilt als Vertreter conservativer Traditionen und wird sich darum die Gelegenheit gewiß nicht entgehen lassen, das Werk Leo Thuns nun auch in Bezug auf die theologischen Fakultäten zu ergänzen, ganz abgesehen davon, daß diese Reorganisation zu sehr einem der dringendsten und längst empfundenen Bedürfnisse entspricht, als daß nicht jede Partei, ob conservativ oder liberal oder christlich-social, sich dafür einseßen müßte. Uebrigens gilt ja Se. Excellenz mit Recht als so hervorragender Kunstkenner und Kunstförderer, daß Herr Dekan Professor Neumann bloß um je eine neue ordentliche Lehrkanzel für christliche Kunstgeschichte und christliche Archäologie sammt den beiden entsprechenden

Seminarien natürlich

-

Daß

zu bitten braucht, und Se Excellenz wird sofort, aus Freude hierüber, auch alle übrigen Seminare und neuen Professuren gerne erwirken. Se. Eminenz Cardinal Fürst-Erzbischof Dr. Gruscha diese Bestrebungen mit allen Kräften fördert, darf ich als bekannt voraussehen; hat doch noch vor einigen Wochen Se. Eminenz den Schreiber dieser Zeilen mündlich des hohen Interesses für die theologische Wissenschaft versichert und gestanden, die Zeit seiner eigenen Professur zur schönsten seines Lebens zu rechnen. Die Lage der Verhältnisse ist also die denkbar günstigste, wie noch nie seit 1870; „lerne nur das Glück ergreifen!"

Wenn wir also mit Zuversicht der zeitgemäßen Umbildung der Wiener theologischen Fakultät und damit der

Errichtung der höchst nothwendigen Seminarien entgegensehen dürfen, so kann um so weniger ein Blick in die Vergangenheit unerwünscht sein.

Als 1873 Maurer seine theologischen Studien begann, gab es nicht nur kein kirchenhistorisches Seminar, sondern es war noch kaum Aussicht auf derlei vorhanden.

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Nicht als ob man den Mangel seminaristischer Fachbildung nicht empfunden hätte. Den fühlt ja jeder Geistliche, der später an der philosophischen Fakultät studirt. Erst vor ganz kurzer Zeit erzählte mir1) ein geistlicher Mittelschulprofessor, der zugleich Philosophiedoctor ist: Wenn man von der theologischen Fakultät es handelt sich hierbei nicht um die Wiener, sondern eine andere an die philosophische übertritt, verliert man vor dem Betrieb der theologischen Wissenschaft überhaupt die Achtung Diese Theologie ist nichts als eine Aneinanderreihung von Einzelheiten, zu selbständigem Studium erfährt man nicht die geringste Anleitung. Und Schuld daran ist die Art und Weise, wie die Professuren besetzt werden. Da wird z. B. die Professur für Geschichte ausgeschrieben. Herr Dr. X., der sich nie mit Kirchengeschichte abgegeben hat, lernt schnell, dank seinem guten Gedächtniß, möglichst viel aus Hergenröther auswendig und meldet sich zur Concursprüfung, die er natürlich am besten besteht. Jezt ist er Professor für Kirchengeschichte." So arg war es denn an der Wiener theologischen Fakultät nie; denn hier wirkten Professoren und Erzbischof stets im Sinne der Hebung der Studien, und es war nicht ihre Schuld, wenn jezt noch z. B. die Lehrfanzel für thomistische Dogmatik (seit 27 Jahren!) unbesezt ist.) Das in diesem Jahre zu feiernde Regierungs

1) Relata refero; ich muß natürlich dem betreffenden Herrn die Berantwortung für das Historische seiner Auffassung überlassen Ceterum censeo

2) Ich weiß sehr wohl, daß der systematisirte Gehalt des ordentlichen Professors für thomistische Dogmatik zu anderen Zweden

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