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XII.

Die Neugestaltung der Wiener k. k. theologischen Fakultät.

Im Anschluß an Dr. Trura's Maurer-Biographie.

Am 19. November 1894 starb in der niederösterreichischen Stadt Deutsch-Altenburg (in nächster Nähe des alten Carnuntum) einer der hervorragendsten österreichischen Schriftsteller und Geschichtsforscher, der Pfarrer Josef Maurer. Einer der liebenswürdigsten Charaktere des deutschen Klerus in Desterreich ist mit ihm von hinnen geschieden. Eine große, fast allzu große Bescheidenheit in der Beurtheilung der eigenen Leistungen ließ, wie das beim Niederösterreicher so oft der Fall ist, seine Verdienste lange nicht in dem Maße hervortreten, als es im Interesse der Wissenschaft und des Vaterlandes vielleicht wünschenswerth gewesen wäre. Die Leser der Histor.-polit. Blätter" sind dem Namen Maurer wiederholt begegnet; folgende Auffäße stammten aus der Feder des Verewigten: „Die Theilnahme des Cardinals Leopold Grafen Kollonitsch an der Papstwahl des Jahres 1689", Bd. 97 (1886), S. 178-198; „Die Subsidien des Papstes Innocenz XI. zur Führung des Krieges gegen die Türfen", Bd. 98 (1886), S. 569 ff., 673 ff., 744 ff.; Cardinal Johannes Simor“, Bd. 99 (1887), S. 290-314; „Ein Gelehrter auf dem Kaiserthron (Leopold I.)", Bd. 101 (1888), S. 36-48; endlich „P. Marco d'Aviano. Eine biographische Skizze", Bd. 102 (1888), S. 176-200 und

287-300. Es sei darum jemandem, der selbst noch das Vergnügen hatte, Pfarrer Maurer kennen und schägen zu lernen, freundlichst gestattet, dem zu früh uns entrissenen Gelehrten einige Worte warmer Erinnerung zu widmen.

Veranlassung hiezu bietet ein soeben erschienenes, sehr jorgfältig gearbeitetes Lebensbild Maurers, das wir dem unermüdlichen Eifer des Herrn kaiserl. Rathes Dr. Hans Maria Truxa verdanken.1) Das verdienstvolle Werk liegt bereits in zweiter Auflage vor: der ersten widerfuhr die hohe Ehre, von Sr. k. und k. apostol. Majestät Kaiser Franz Josef I., sowie auch von Sr. Heiligkeit Papst Leo XIII. in huldvollster Weise entgegengenommen zu werden. Für alle näheren Einzelheiten aus Maurers Leben verweise ich ein für allemal auf das genannte Buch und beschränke mich auf allgemeine Skizzen.

I.

Der romantisch gelegene uralte Markt Asparn an der Zaya (bei Mistelbach, Niederösterreich) ist Maurers Geburtsort. Eine ganz merkwürdige Gegend! Mammutzähne hat man dort gefunden, paläolithische und neolithische Steinwerkzeuge und Ueberreste von Thongefäßen, eine Bronzesichel, Eisengeräthe, so daß also sämmtliche Perioden der prähistorischen Zeit vertreten sind. Im Mittelalter hatte Asparn eine wechselvolle Geschichte. Auch der gegenwärtige Besizer der „Herrschaft“ Asparn trägt einen befannten Namen: es ist Fürst Victor von Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst, Herzog von Ratibor.

1) Der österreichische Geschichtsforscher, Schriftsteller und Dichter, Pfarrer Josef Maurer. Ein Vorbild literarischen Wirkens und ächt priesterlichen Lebens. Zugleich ein Beitrag zur vaterländischen Literaturgeschichte. Von Dr. Hans Maria Truxa, kaiserl. Rath 2c. Mit 1 Porträt und 6 Abbildungen. Zweite vermehrte und verbesserte Auflage. Wien, Selbstverlag des Verfassers (II Bezirt, Waschhausgasse 1). 1897.

Hier also, in einer zu historischen Studien lebhaft anregenden Umgebung, erblickte Josef Maurer am 16. Januar 1853 das Licht der Welt. Seine Eltern waren der wohlhabende Grundbesizer Michael Maurer und dessen Gattin Magdalena, geb. Stacher. Josef war der jüngste von drei Söhnen, deren ältester, Franz, das Besigthum seiner Eltern übernahm und heute noch als Wirthschaftsbesizer in Asparn lebt, während der zweitgeborene, Michael, in früher Jugend dahinstarb.

Es sei gestattet, einen Augenblick bei der ersten Ausbildung Maurers stehen zu bleiben, da sie für die spätere Thätigkeit und Arbeitsweise des Forschers grundlegend ist.

Damals war das Schulwesen in Desterreich im Verhältniß zu den heutigen Verhältnissen noch sehr zurückgeblieben; feine prächtigen Schulpaläste mit einer größeren Anzahl sorgfältig vorgebildeter Lehrer gab es noch, sondern die Einrichtungen waren, nach unseren Begriffen gemessen, außerordentlich primitive. An der zweiklassigen Volksschule von Asparn also mußte sich Maurer die schweren Künste des Lesens, Schreibens und Rechnens aneignen; für die dritte und vierte „Normalklasse“ wurde er vom Lehrer Gschweidl privatim vorbereitet.

Seine Mittelschulbildung erhielt Maurer an dem Josefstädter Gymnasium; Josefstadt heißt nämlich der achte von den damaligen zehn (jezt neunzehn) Bezirken der k. k_ReichsHaupt- und Residenzstadt Wien. Maurer besuchte diese Anstalt als Zögling des fürst-erzbischöflichen Knabenseminars, das seither nach der Stadt Cber-Hollabrunn verlegt worden. ist. Unter den Professoren Maurers — sie gehörten alle dem um Desterreichs Schulen hochverdienten und jezt erfreulicherweise neu aufblühenden Piaristenorden an – zählt Dr. Truxa einige bekannte Namen auf, so den Mathematiker Karl Feyerscil, den Dichter und Schriftsteller Karl Landsteiner (jcht Propst in Nikolsburg), den Philologen Franz Kraus (jezt Pfarrer bei St. Johann in der Praterstraße, Wien 11.),

den Historiker Karl Haselbach. Von lezterem dürfte Maurer wohl die ersten und nachhaltigsten Anregungen zum Studium der Geschichte erhalten haben.

Am 12. Juli 1873 erhielt Maurer nach Absolvirung der acht Jahrgänge das Zeugniß der Reife (Maturitätszeugniß) und besuchte darauf durch vier Jahre die k. k. theologische Fakultät der Universität Wien als Zögling des fürst-erzbischöflichen Alumnates. Am 25. Juli 1877 wurde er zum Priester geweiht, und zwar durch den Generalvikar (jezt auch Erzbischof von Selymbria und Wirkl. Geheimer Rath Sr. Majestät) Dr. Eduard Angerer. Dieser Tag blieb ihm unauslöschlich im Gedächtniß eingeprägt, wozu auch die tiefergreifende Ansprache des hochw. Herrn Weihbischofs mächtig beitrug. Der freundliche Leser nehme es einem, der selbst das Glück hatte, sämmtliche heilige Weihen durch Se. Excellenz zu empfangen, nicht übel, wenn hier des mächtigen und nachhaltigen Eindruckes gedacht wird, den auf das jugendliche Herz immer wieder die liebevollen, wahrhaft väterlichen Worte machen, welche der greise Bischof bei Gelegenheit der Ordinationen zu sprechen pflegt. Der viel verehrte und auch viel mißverstandene Greis, der nunmehr seit einundzwanzig Jahren sich als Generalvikar seinen. Diocesanangehörigen in des Wortes vollster Bedeutung opfert, wird gewiß darin seinen schönsten Lohn finden, daß seine beredten Mahnungen nicht ohne Frucht bleiben, und daß die Lebenden wie jene, welche vom Herrn bereits abberufen sind, in dankbarem Gebet seiner gedenken.

In der Pfarrkirche St. Pankratius zu Asparn an der Zaya, seinem Geburtsort, brachte Maurer am 2. Aug. 1877 sein erstes heil. Meßopfer dar. Die übliche Primizpredigt hielt P. Zachäus Sommer, Guardian des Minoritenklosters in Wien. Die Freude der Eltern und Geschwister läßt sich denken. Wie immer bei solchen Anlässen, war eine ungezählte Menge gläubigen Volkes von allen Seiten zusammengeströmt; Asparn selbst war beflaggt und prangte in lieblichem Blumen

schmucke. Mit heiligem Eifer begann Maurer alsbald seine ersten Berufsarbeiten in Seelsorge und Schule als Cooperator der Pfarre Groß-Rußbach (Decanat Pillichsdorf).

II.

Von einem Historiker 1) verlangt man eine ganze Reihe von speciellen Kenntnissen in der Fachliteratur und ihrer Bedeutung, in der kunstgemäßen Art, die Quellen zu behandeln und zu benützen u s. w., furzum das, was man gemeinhin die historische Methode nennt, wie man beim Philologen von philologischer, beim Naturforscher von exakter Methode zu reden pflegt.2)

Diese Methode kann man sich aber unmöglich in gediegener und den heutigen Anforderungen entsprechender Weise aneignen ohne die leitende, stets verbessernde Hand des Lehrers. Wer war Maurers Lehrer?

Dr. Truxa erzählt (S. 94): „Maurers erster Geschichtsprofessor am Piaristengymnasium in Wien, der wegen seiner Strenge bekannte Dr. phil. Karl Haselbach, gewahrte schon an dem Schüler im Untergymnasium hervorragende Talente für dieses Fach, die er bei jeder sich darbietenden Gelegenheit anerkannte, wie denn auch Maurer durch alle acht Klassen bis zur Maturitätsprüfung in Geschichte die Noten ausgezeichnet“ oder „vorzüglich“ erhielt“.

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1) Im Folgenden habe ich die richtige Ansicht des Berliner Correspondenten des Wiener „Vaterland“ (Morgenbl. 19. Dez. 1897, Beiblatt II, S. 1) adoptirt: „In der Politik noch mehr als im privaten Leben hat von jeher der Saß Geltung beansprucht, daß in kritischen Lagen schrankenlose Offenheit das beste Mittel ist, der Gefahr zu begegnen."

2) Das anerkannt klassische Werk für den Historiker ist zur Zeit Bernheims Lehrbuch der historischen Methode“. Ich habe freilich einmal unglaublich, aber waht! — einen deutschen Professor der Kirchengeschichte gefunden, der dies Buch noch nie in seinem Leben gesehen hatte.

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