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Geschichtliche Beurteilung des Calvinismus.

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C. Luther näher als Zwingli steht 1). C. selbst hat Zwinglis Sakramentslehre für profan" erklärt (C. R. XXXIX, 438). Die Einsetzungsworte sind nach C. metonymisch zu fassen, wie etwa die Beschneidung ein Bund, der Fels Christus, die gesetzlichen Opfer Sünungen genannt werden, aber: non figurat tantum ceu nuda et inanis tessera, sed vere etiam exhibet (ib. 21). Das ist C's Abendmalslehre. Auch sie bezeugt an ihrem Teil die Abhängigkeit des religiösen Verständ nisses von Luther.

10. Die Bedeutung Calvins für die DG. besteht darin, daß seine Auffassung des Christen- und Kirchentums in klassischer Vollendung das Verständnis der Reformation in der Schweiz und im südwestlichen Deutschland ausdrückt. An die weite Verbreitung, die dieser Typus allmählich gewonnen hat, kann hier nur im Vorbeigehen erinnert werden). Der feste Zusammenhang, der zwischen C's Verständnis der centralen Ideen des Christentums und den Intentionen Luthers besteht, bedarf nach der obigen Darstellung keiner besonderen Beleuchtung. Man darf durch den confessionellen Streit des nächsten Jarhunderts sich die Tatsache nicht verdunkeln lassen, daß die beiden im Protestantismus zur Herrschaft gelangten Typen der Anschauung der reformatorischen Lehre, nämlich der Typus Luther-Melanchthon und der Typus Butzer-Calvin, in wesentlicher Übereinstimmung sich befinden im Verständnis des Glaubens und der Werke, der Rechtfertigung und Versönung, der Buße und Heiligung, in der Anerkennung des altkirchlichen Dogmas, sowie in der Zurückweisung des katholischen Pelagianismus und Hierarchismus. Daneben sind die Differenzen nicht zu übersehen. Es ist aber, soviel ich urteilen kann, nicht richtig, diese Differenzen auf eine originelle religiöse Conception auf dem Boden der reformirten

1) Hiemit wird zugleich das Verhältnis der Butzerischen und der späteren Theorie Melanchthons zu Luther beleuchtet. Luthers friedliches Urteil über C. und seine Abendmalslehre s. bei Stähelin, C. Leben I, 226 f. Übrigens hat L. bis zuletzt an seiner Lehre festgehalten, hinsichtlich der bekannten angeblich an Melanchthon gerichteten Äußerung s. Köstlin, Luther II, 627 f. und Stud. u. Krit. 1875, 373 ff. sowie Diestelmann, Die letzte Unterredung L's mit Mel. üb. d. Abendmalsstreit.

2) C's Einfluß als Theologe auf seine Kirche überragt die entsprechenden Einwirkungen Melanchthons und selbst Luthers, denn man kann sagen, daß seine Theologie die Kirchenlehre der reformirten Kirche geworden ist, fast alle späteren Bekenntnisse geben seine Formeln wieder, wir können daher kurz über sie hinweggehen. C. hinterließ nicht fragwürdige Münzen wie Melanchthon, aber auch nicht unausgemünztes Gold wie Luther,

Christenheit zurückzufüren. Vielmehr begreifen sie sich für die rein geschichtliche Betrachtung ausreichend aus der Fortwirkung und Erhaltung von Idealen und Lehren der vorreformatorischen Zeit auf dem Boden der sog. reformirten Kirche. Dies gilt 1) von dem Absehen und Umfang der reformatorischen Aufgabe, die eine straff durchzufürende, an bestimmte biblische Ordnungen sich schließende Reform des sittlichen Lebens und eine genaue Revision und Umgestaltung des Kirchentums in sich schließt. 2) Hiebei kommen die von Gott verfügten kirchlichen Ämter in Aktion, ein Bund zwischen der weltlichen Gewalt und der Kirche ist herzustellen, der eine Unterordnung der ersteren unter die Satzungen der letzteren mit sich fürt. 3) Das praktisch giltige Lebensideal weist nicht selten Verwandtschaft mit der mittelalterlichen Verneinung der Welt und des Natürlichen. auf. 4) Die Schrift als das für die Reform maßgebende Gesetzbuch ist von Gott wörtlich inspirirt; das eine wie das andere ist, wie wir sehen, die Anschauung des ausgehenden MA. (oben S. 153. 155 f. 176 ff.). 5) Die Auffassung der Sakramente hängt mit Erasmus' Gedanken zusammen und erinnert an die scotistisch - nominalistische Theorie. 6) Die Differenz im Abendmal beruht zuhöchst auf dem Festhalten an der augustinisch - scholastischen Idee von der an einen himmlischen Ort gesetzten Leiblichkeit Christi. 7) Auch der Determinismus, der sich aus dem Gottesbegriff ergibt, ist keine neue Errungenschaft, sondern ist der gemeinsame Coëfficient einer Anzal abendländischer Reformbewegungen seit Augustin. An die thomistischen und scotistischen Elemente, die dabei mitunterlaufen, sei nur kurz erinnert.

Grade in diesem Gottesgedanken mehr in dem praktischen ungeschriebenen Hintergrund als in den theoretischen Formeln liegt der Grund der Eigentümlichkeit der reformirten Auffassung, hier setzt deshalb auch die Differenz zu der lutherischen Anschauung ein. Gott ist für die reformirte Frömmigkeit der allmächtig waltende Herr1), die Weltentwicklung ist das Produkt seines souveränen Willens, das Ziel derselben seine Ehre oder Verherrlichung. Alles Sein und Geschehen in der Welt, alles Individuelle und Natürliche ist jenem Zweck unterworfen, Gehorsam wird der Inhalt des Lebens,

1) Z. B. Heidelb. Kat. Niemeyer S. 398: Was verstehestu durch die fürsehung Gottes? Die allmechtige und gegenwertige krafft Gottes, durch welche er himmel und erde sampt allen Creaturen gleich als mit seiner hand noch erhelt und also regiert.

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das Natürliche wird gebogen und gebrochen unter der Wucht des „Gesetzes", der Staat und die Gesellschaft sind die Organe zur Durchfürung des Gesetzes. Es ist etwas Unmodernes" in diesem grandiosen Gebilde der Energie des Gehorsams, des Fanatismus der Unterwerfung. Man empfindet, wenn man das System als Ganzes auf sich wirken läßt, immer wieder etwas von den Stimmungen der augustinischen und der mittelalterlichen Frömmigkeit. Diese Empfindung wird von der Geschichte der reformirten Christenheit oft in überraschender Weise bestätigt. Eine Mauer heiligen Ernstes trägt diese Geschichte, und eine Wolke willensgewaltiger Zeugen umgibt sie. Aber das Evangelium, wie es bei Paulus und Johannes vorliegt, finden wir heller und klarer bei Luther als bei Calvin. Der Gott Calvins ist der die Welt durchherrschende Allmachtswille, der Gott Luthers ist die allmächtige Energie der in Christo offenbaren Liebe: dort daher Machtwirken auch im Herzen, Unterwerfung, Gesetz, Dienst; hier die innerliche Überwindung durch die Macht der Liebe, freie Hingabe, ungezwungene Kindesliebe. An sich schließt das eine das andere nicht aus, der Ton und die Accente bewirken die Unterschiede, die unleugbar vorhanden sind. Von der praktischen Energie der reformirten Ideale nicht immer hielt die Praxis Schritt mit ihnen mag das lutherische Kirchenthum lernen; wenn aber in einem Zeitalter der evangelischen Christenheit der Glaube hindämmert, und die Liebe erkaltet, und es scheint, als wenn das Evangelium den Modernen" nicht mehr genüge", dann wird die Rettung nicht zu suchen sein bei Calvin, sondern in der Rückkehr zum Glauben und Evangelium Luthers 1). Die evangelische Christenheit hat von ihrem Luther noch viel zu lernen.

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§ 80. Der Sieg der calvinischen Abendmalslehre.

Niemeyer. Collect, confessionum in ecclesiis reformatis, 1840. Hundeshagen, Conflikte des Zwinglianism., Luthertums u. Calvinism. in d. bern. Landeskirche, 1842. Pestalozzi, Bullinger. 1858 S. 229 ff. 373 ff. Stähelin, Calvin II, 91 ff.

1. Das harte Urteil Luthers über Zwingli in dem „kurzen Bekenntnis vom h. Sakr." 1545 veranlaßte Bullinger dazu, die

1) Ich vermag daher nicht zuzustimmen, wenn es K. Müller (Symbolik 540) als gewiß" erscheint, daß in der evang. Christenheit der Zukunft „der Geist der allgemeinen ev. reform. Kirche überwiegen wird", da Luthers

Zwinglische Abendmalslehre in schroffster Form wieder aufleben zu lassen (Warhaftes Bekenntnis der Diener der Kirche zu Zürich). Nun hatte sich um dieselbe Zeit in der Berner Kirche eine Reihe von Streitigkeiten erhoben, indem der Rat von den Geistlichen Zustimmung zur Züricher Abendmalslehre forderte. Calvin griff in die Bewegung ein, da er nicht wenig Anhänger im Berner Land zälte. Unter seinem Einfluß kam im J. 1549 der Consensus Tigurinus zu Stande, der die zwischen Bullinger und Calvin verabredete Abendmalslehre zum Ausdruck bringt 1).

2. Der Consensus nähert die Lehre zwar äußerlich Zwinglis Formen an, ist aber, auf die Substanz gesehen, calvinisch. Die Sakramente sind Erkennungs- und Erinnerungszeichen (art. 7). Allein diese Zeichen sind nicht leer, sondern werden von Gott mit besonderen Wirkungen begleitet. Mit den Abendmalszeichen empfängt der Christ auch wirklich Christum mit allen geistlichen Gaben (9); genauer gilt das nur von den Erwälten (16. 17). Eine leibliche Gegenwart Christi ist abzuweisen (21. 24); die Einsetzungsworte sind figurate zu verstehen (22).

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3. Die reformirten Bekenntnisse sind bei C's Lehre stehen geblieben. Die Sakramente sind efficacia signa gratiae (39 Art. 35). Demgemäß tritt mit dem Empfang von Brot und Wein eine Mitteilung der Gnade ein, nicht nur indem wir vergewissert werden des Opfers Christi am Kreuze, sondern auch so: dass er selbst meine seel mit seinem gecreutzigten leib vnd vergossnen blut so gewiss zum ewigen leben speise vñ trencke als ich auss der hand des Dieners empfange das brod (Heidelberg. Kat. Niemeyer S. 409). Die Gläubigen per spiritum sanctum percipiunt etiam carnem et sanguinem domini et pascuntur his in vitam aeternam (Confess. Helv. poster. a. 21). Leib und Blut Christi werden also wirklich empfangen, aber durch eine Einwirkung des Geistes vergegenwärtigt, im Glauben von der Seele. Das ist immer der Gedanke. Wenn z. B. die Conf. Gallic. a. 36 lehrt: nos nutrire et vivificare sui corporis et sanguinis substantia, so

Leistungen für die Kirche „wesentlich schon im 16. Jarh. aufgenommen worden" sind. Übrigens hat auch Müller anerkannt, daß in gewissem Sinn das reformirte Christentum dem Katholicismus näher stehe als das Luthertum (S. 387 A.).

1) Diese Urkunde nennt E. Stähelin (Calv. II, 121) „die feierliche Akte, durch welche die zwinglische und calvinische Reformation sich für immer zu der einen großen reformirten Kirche vermälten".

$81. Die späteren reformirten Bekenntnisse.

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wird dies a. 37 dahin erläutert, daß Leib und Blut Speise und Trank der Seele sind, wie Brot und Wein des Leibes (vgl. Westminster Conf. c. 29, 7; 39 Art. 28. Conf. Belg., Scot. I Niemeyer p. 386. 352). Das ist die calvinische Lehre.

§ 81.

Die evangelischen Grundgedanken in den späteren
Bekenntnissen der reformirten Kirchen.

Vgl. Niemeyer a. a. O. K. Müller, Symbolik 1896, S. 415 ff. 445 ff.

1. Die späteren reformirten Bekenntnisse weisen durchweg auf die Anregungen des calvinischen Geistes zurück (vgl. Conf. Gallicana 1559. Conf. Czengerina 1557. Conf. Belgica 1566. Die 39 Art. 1562. Conf. Scoticana prior 1560. Die Confessio Helvetica posterior 1566. Der Heidelberger Katechismus 1563. Die Westminster Conf. 1646. Declaratio Thoruniensis 1645). Unter diesen Bekenntnissen haben die größte Autorität erlangt der Heidelberger Kat., die Westminster Conf. und die Helvetica post.

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2. Die evangelischen Grundgedanken kommen in diesen Schriften zu klarem Ausdruck. Um der Genugtuung und des Gehorsams Christi willen vergibt Gott denen, die an Christum glauben, die Sünden und sieht sie für gerecht an: Gott ohn alle meine verdienst, auss lauter gnaden, mir die vollkomme gnugthuung, gerechtigkeit und heiligkeit Christi schencket vnd zurechnet, als hette ich nie keine sünde begangen noch gehabt und selbst allen den gehorsam rollbracht, den Christus für mich hat geleistet, wenn ich allein solche wohl hat mit glaubigen hertzen anneme (Heidelb. Kat. S. 405 f. cf. Helv. 15. 16. Conf. West. 8, 11, 1. 3) 1). Den Glauben bewirkt Gott durch den h. Geist in den Erwälten mediante praedicatione evangelii et oratione fideli (Helv. post. 16. Westm. Conf. 14, 1). Der Glaube ist nicht allein ein gewisse erkantnuss, dadurch ich alles fur war halte was vns Gott in seinem wort hat offenbaret, sonder auch ein hertzliches vertrauen (Heid. Kat. 396), es ist die überzeugte Zustimmung zu der göttlichen Warheit propositae in scripturis et symbolo apostolico (Conf. Helv. 16). Indem der Glaube den Inhalt der Schrift als war annimmt propter authoritatem ipsius inibi loquentis dei, faßt er in sich sowol den Gehorsam gegen die Gebote als die Annahme der Verheißungen und das Ausruhen in Christo

1) Über die Erbsünde und die voluntas serva s. Helv. 8. Gall. 10. 11. Scot. 3. Heidelb. K. 393. Belg. 15. 39. Art. 9. 10. Westm. C. c. 6 u. 9.

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