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greifen die Bestrebungen der praktisch, augustinisch oder mystisch, denkenden Theologen und der humanistischen Frömmigkeit ineinander. In diesem Sinn eignet auch dem Humanismus ein „vorreformatorischer" Zug. Aber so ernst man reformiren wollte, so sehr fürchtete man die Reformation mit ihrem „Tumult". Das hat Erasmus immer wieder, als es ernst wurde, ausgesprochen. Daraus versteht sich die Tragik seines Lebens. Innere und äußere Gründe hemmten ihn, vorwärts zu schreiten, als die neue große Bewegung einherflutete, und er konnte auch nicht zurück 1). Das war sein Mosesloos, zu sterben im Lande Moab 2).

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3. Daher sind positiv wirksame theologische Ideen vom Humanismus nicht ausgegangen. Trotz aller Kritik der Kirche und ihrer Lehre, trotz des weltfreudigen Sinnes er hat zumal in Italien nicht selten zum brutalsten Egoismus und zum gemeinen Genießen gefürt behielten die alten religiösen Ideale ihre Kraft, und in der Not des Lebens oder Sterbens tastete das Herz wieder nach ihnen. Das zeigt sich an den Fortschrittsmännern: „Heidnisch gelebt und christlich gestorben, so hielten es gar viele Vertreter der neuklassischen Kultur“ (Bezold 1. c. S. 212). Aber man kann Änliches auch wieder an Erasmus studiren. Es war manches vom „modernen Menschen" an ihm, aber er blieb doch in seinem ehe- und berufslosen Leben ein Mönch höherer Ordnung. Und auch seine religiösen Gedanken, zumal in der vorreformatorischen Zeit, greifen über die Religiosität des MA. nicht hinaus. Es ist, kurz gesagt, die Frömmigkeit der imitatio Christi, die er empfiehlt. Haec tibi sit. . regula, ut totius vitae tuae Christum velut unicum scopum praefigas, ad quem unum omnia studia, omnes conatus, omne otium ac negotium conferas. Christum vero esse puta non vocem inanem, sed nihil aliud quam caritatem, simplicitatem, patientiam, puritatem, breviter quidquid ille docuit... Ad Christum tendit qui ad solam virtutem fertur (Enchirid. 4 p. 25). Theologie gehört aber nicht in die DG. 3)

Eine Darstellung seiner Ebensowenig kann dieselbe

1) S. bes. die schöne Darstellung von Lezius, Zur Char.... d. Erasm. S. 46 ff.

2) Vgl. Luthers Urteil über ihn bei Köstlin, Luther I4, 688 f.

3) Im Einzelnen bietet Erasmus viel Wichtiges, z. B. die Bemerkung über die abgestufte Autorität der ntl. Schriften (opp. V, 92. 1049), die Bibel ist dictante spiritu sancto geschrieben (V, 274), seine Kritik des Homousios (V, 1090), des Bußsakramentes (ib. 167. 944. 1046), seine gesetzl. Fassung der observatio sabbati (V, 1190 f.), seine symbolische Fassung des Abendmals (III,

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die Lehre seines Freundes Colet, der sich ernst mühte Paulus zu verstehen, darstellen 1). Der Grundtrieb ist immer der gleiche. Christus kam vom Himmel herab, um uns die Welt und ihre Güter verachten und Friede, Liebe und Eintracht betätigen zu lehren und diese Lehre durch sein Beispiel zu bewären. Nam eius vita doctrina est omnem humanam excellens (Beatus Rhenanus an Zwingli in Zwingli opp. VII, 58). Dazu gehört aber der Glaube an die doctrina evangelica, die niedergelegt ist in der Schrift, dem apostolischen Symbol und den Vätern (Erasm. V, 8. 1162. 162. I, 653).

Das ist die Dogmengeschichte des MA. Einen Augenblick über kann man meinen, die Entwicklung sei um mehr als ein Jartausend zurückgeworfen. Die Sprüche der Schrift, das Apostolicum, die Väter und die Dogmen der alten Kirche scheinen allein beharrlich geblieben zu sein im Wechsel der Geschichte. Es gab weite Kreise, in denen man so empfand. Aber die Geschichte kehrt nie blos zurück. Andere Mächte standen auf dem Plan, und auch sie lebten, und sie haben ihre Lebenskraft bis heute bewärt. Es war ein complicirtes Spiel der Kräfte, auch das Alte und Verachtete war Kraft. Drei Gruppen haben wir im ausgehenden MA. zu unterscheiden sie waren mannig

521 f. 892 ff. 1028. 1891; V, 1019), die Bestimmung der fides als fiduciam collocare in deo (V, 105. 777. 798. 1079. 1147. 1166 u. o.). Eine ausfürliche Darstellung fehlt noch, s. Stichart u. bes. Lezius a. a. O.

1) Mir liegen seine Opuscula theologica ed. Lupton, London 1876, vor. Zumal im Comm. zum Römerbrief ist sein Bemühen paulinisch zu sein zu spüren. Er betont stark die iustitia fidei sola (p. 209): hac fide Christi sola intratur in regnum caelorum, fideles iusti sunt, fides Christi iustitia est (p. 230) und das gratis: per gratiam credunt homines et per gratiam credentes iustificantur (p. 251). Der göttl. Wille allein ist der Grund der Rechtfertigung (p. 254). Nun ist aber der Glaube genauer zu bestimmen als fides Christi cum imitatione eiusdem et repraesentatione (p. 241. 272) oder: fides iustificans importat in suo significatu imitationem Christi et cooperationem cum illo (p. 248). Darnach ist der Satz zu verstehen: hac (sc. fide) credentes iustificantur, ut bene agant in caritate... Credentes, si imitentur Christum Jesum, deus hanc iustitiam coronabit (p. 261 f. cf. p. 186: facti iusti per deum, ut iuste vivamus). Colet hat also wesentlich in der Weise des Thomas gelehrt (oben S. 103 f.). Gott gießt dem Sünder die Gnade ein, die zuerst wie Glaube und dann Liebe und gute Werke hervorbringt. Im Übrigen hat er, wie auch Erasmus, sich nicht einer besonderen scholast. Schultheorie angeschlossen.

facher Combinationen untereinander fähig. 1) Der vulgäre Katholicismus, die offizielle Kirchlichkeit; sie verschmäht nicht die Hilfe der Modernen" (d. h. der Nominalisten), aber sie beginnt sich mit Vorliebe auf die alte Theologie" des 13. Jarh. zu stützen. 2) Die "negative" kritische Theologie der Nominalisten, die fides implicita machte sie hoffähig. 3) Die mystischen, augustinischen, humanistischen Strömungen; ihnen schien die Zukunft zu gehören, denn sie wollten der Reform und dem Fortschritt" dienen. Welche dieser Richtungen und unter

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welchen Combinationen und Concessionen hätte den Sieg errungen? Es lont sich der Frage nachzudenken. Die Zukunft brachte derartiges, den humanistischen Nominalismus der Socinianer, den Augustinismus der Jansenisten, den Thomismus der Modernen. Aber eine vierte Geistesmacht trat in das Spiel der Kräfte ein, das Evangelium oder die Reformation. Durch sie trat ein Neues auf, die alten Probleme wurden verschoben, die Fragen verändert.

Drittes Buch.

Die Fortbildung des Dogmas durch die Reformation und die entgegengesetzte Lehrfixirung des Katholicismus.

Erster Abschnitt.

Die Entstehung des protestantischen Lehrbegriffes.

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Erstes Kapitel.

Die Lehre Luthers.

§ 65. Luthers dogmengeschichtliche Stellung.

E) und zwar in der 1. Aufl. ; (de W.

=

Luthers Werke werden im Folgenden citirt nach der Weimarer Ausg., soweit dieselbe erschienen (= W), ferner nach der Erlanger Ausg. (deutsche Werke de Wette, Luthers Briefe 6 Bde. 1825 ff.); opp. ex. und var. arg. bez. die opera exegetica und varii argumenti der Erl. Ausg.; Gal. ist der große Comm. zum Galaterbr. in derselben Ausg. Vgl. Köstlin, M. Luther 2 Bde. 1, 1889. Kolde, M. L. 2 Bde., 1883 ff. Köstlin, Luthers Theologie 2 Bde. 1863. Th. Harnack, L's Theol., 1862-86. Lommatzsch, L's Lehre v. eth. rel. Standp. aus, 1879. Luthardt, Die Ethik Luthers 2. A., 1875. Plitt, Einleitung in d. Augustana I, 1868. Möller-Kawerau, KG. III., 1894. Ritschl, Rechtf. u. Vers. I, 141 ff. Thomasius, DG. II, 330 ff. Loofs, DG. 345 ff. Harnack. DG. III3, 726 ff., vgl. Kübel, Neue kirchl. Ztschr. 1891, 13 ff. Hering, Die Mystik L's im Zshg. s. Theol., 1879. Lipsius, L's Lehre v. d. Buße, 1892. Thieme, Die sittl. Triebkraft des Glaubens, 1895. Schäfer, L. als Kirchenhistoriker, 1897.

1. Es fehlt den Zeitaltern der Krisis gewönlich nicht an Gedanken und Möglichkeiten. Es gab auch jetzt viele Möglichkeiten. Aber welche unter ihnen hätte die große Krisis lösen können, die sich

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Er besaß die wunderbare

des Dogmas wie des sittlichen und sozialen Lebens bemächtigt hatte? Sie alle wuchsen ja als Ganzes nicht hinaus über die mittelalterl. Frömmigkeit. In die dumpfe Schwüle und die bange Erwartung dieser Tage ist ein Mann getreten, der all den Möglichkeiten ein Wirkliches gegenüber zu stellen gewußt hat. Er ist hingegangen durch sein Zeitalter wie ein Dämon und hat zu Boden getreten, was ein Jartausend verehrt hatte. Und wieder grünte und blühte es auf seinen Fußstapfen von neuem Leben. Es war der Wundermann" der neuen Zeit, Martin Luther (geb. 1483). Er war ein Genie one gleichen und hatte doch eine „einfache Seele". Gabe, was die Zeit empfand und bedurfte, in sich in voller Klarheit nach- und mit zu erleben. Aber er besaß doch in seinem religiösen Genie eine einsame und einseitige Kraft, welche die Zeitgenossen wie mit einer höheren ihnen fremden Gewalt ein Stück Weges oder ganz nach sich zog. Er war zum Handeln und zum Herrschen geboren" (Dilthey, Archiv f. Gesch. d. Philos. V, 356 f.). Seine Kraft war sein Glaube, den er gefunden in dunkeln, furchtbaren Anfechtungen. Die Gewißheit des evangelischen Heilsglaubens, den er persönlich errungen, rief er hinaus in sein Zeitalter mit der wunderbaren Anschaulichkeit des Selbsterlebten, mit der Wucht und der Vielseitigkeit des religiösen Genius, mit dem heiligen Zorn des Propheten. Im Rückblick auf sein Leben urteilt er selbst: Gott hat mich hinan geführet wie einen Gaul, dem die Augen geblendet sind, dass er die nicht sehe, so zu ihm zurennen, und dass selten ein gut Werk aus Weisheit oder Fürsichtigkeit fürgenommen werde oder geschehe, ess musse alles in einem Irrsal oder Unwissenheit geschehen (E 57, 31 f.). Man hörte ihn. Von den scholastischen Spekulationen fürte er zurück auf den Boden der geschichtlichen Offenbarung, vom Dogma zum Glauben. Die Reformation, seit lang erwogen, hier wurde sie Wirklichkeit, und anders als irgend jemand es gedacht. Aber nur allmählich ist es gelungen die leitenden Motive deutlich zu erfassen, ihre Consequenzen zu ziehen und kritisch zu verwerten, die fremdartigen Schalen abzustoßen. Es wäre vermessen zu wünschen, daß jene große Zeit selbst alle Consequenzen herausgearbeitet hätte, welche die neuen Prinzipien in sich bargen.

2. Es ist von größter Bedeutung, daß die besonderen religiösen Erlebnisse Luthers im Kloster in den Ramen des Bußsakramentes, sowie der besonderen Schätzung des mönchischen Lebens fallen. Die für ihn maßgebende Bußpraxis war nicht die der Attrition, sondern

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