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ber schrieb er von neuem in Betreff dieser Schrift an Atticus, und wir sehen aus dem Briefe (ad Attic. XVI, 11, 2), dass er die beiden ersten Bücher vollendet hat und mit dem dritten beschäftigt ist. Das Ganze wird demnach noch vor Ende des Jahres 44 erschienen sein. Dass dies die Abfassungszeit der Schrift war, geht auch aus den mannichfachen Anspielungen auf Zeitereignisse hervor, die sie enthält. Cicero preist die Mörder Caesars (III, 4, 19), klagt, dass Caesars Macht auch mit seinem Tode nicht aufgehört habe (II, 7, 23), und schilt auf Antonius, dass er den Senat durch Bewaffnete besetzt halte (III, 1, 1), was zu der Zeit geschah, als Ciceros zweite Philippica erschien.

Die Eintheilung der Schrift in drei Bücher wurde durch den Stoff selbst gegeben (s. unten). Die dialogische Form, die er doch in andern philosophischen Schriften angewandt hatte, wählte Cicero hier nicht. Sie schien ihm in ethischen Vorschriften des Vaters an den Sohn, wo nicht verschiedene Meinungen gegen einander abgewogen werden, unpassend. In Bezug auf den Titel hatte Atticus Zweifel gehegt, ob de officiis eine entsprechende Uebersetzung des Griechischen περὶ τοῦ καθήκονTog sei, da ja zaxov eigentlich das Schickliche, sich Geziemende bedeutet. Cicero entgegnet ihm (ad Atticum l. c.) non dubito quin xanov offieium sit, nisi tu quid aliud, sed inscriptio plenior de officiis, und in einem andern Briefe XVI, 14 mihi non est dubium, quin quod Graeci nadĥnov nos officium. Id autem quid dubitas? quin etiam in rempublicam praeclare caderet. nonne dicimus consulum officium, senatus officium? Praeclare convenit, aut da melius. Seinem Sohne Marcus beschloss Cicero das Buch zu dediciren (ad Attic. XV, 13b. προςgovovμev Ciceroni. Qua de re enim potius pater filio?). Marcus Cicero ward im J. 689 (65) geboren (ad Attic. I, 2). Sein Vater sorgte, dass er von den tüchtigsten Lehrern in den Wissenschaften unterrichtet wurde (ad Quint. Fr. II, 4, 2. 14, 2. III, 3, 4), und schrieb zunächst für ihn die Schrift de partitione oratoria. Im Bürgerkriege schloss sich Marcus an Pompejus an und führte wohl nur dem Namen nach, aber zur Zufriedenheit des Oberfeldherrn eine Abtheilung Reiterei (de off. II, 13, 45). Später wollte er bei Caesar in Spanien Dienste nehmen (ad Attic. XVII, 2), sein Vater aber zog es vor, ihn 709 (45) nach Athen zu schicken, damit er dort unter Leitung des Kratippus, der damals Haupt der peripatetischen Schule war, Philosophie studire. Hier lebte Marcus in vertrautem Umgange mit Philosophen (ad Fam. XII, 2) und unter mannichfa

chen Vergnügungen und Ausschweifungen, bis er sich im folgenden Jahre dem Heere des Marcus Brutus anschloss und als Anführer eines Theils der Reiterei bei Philippi mitkämpfte. Er entkam aus der Niederlage seiner Partei und begab sich zu S. Pompejus nach Sicilien. Von den Triumvirn später begnadigt verwaltete er noch 724 (30) das Consulat. Er besass weder den Ehrgeiz und energischen Fleiss, noch die Enthaltsamkeit seines Vaters, was für diesen um so mehr ein Antrieb sein musste, ihm eine Schrift über die Pflichten zu dediciren. Die mehrfachen eindringlichen Ermahnungen Ciceros an seinen Sohn (III, 2, 5 und zu Ende des Buchs) deuten an, dass er mit der Aufführung desselben nicht zufrieden war, und dasselbe bestätigen gleichzeitige Briefe (ad Attic. XIII, 1. XIV, 15. ad famil. XVI, 21).

Cicero ist zu sehr Römer, um nicht der praktischen Thätigkeit vor der wissenschaftlichen entschieden den Vorzug zu geben. Wenn er daher auch den hohen Genuss anerkennt, der aus der Wissenschaft entspringt (Tusc. V, 24, 68ff.), so behauptet er doch, der Grundtrieb der menschlichen Natur ginge mehr auf praktische Thätigkeit als auf das Wissen, und in ihr habe man auch den Zweck des Lebens zu sehen, denn das Wissen sei unvollständig und mangelhaft, wenn nicht das Handeln darauf folge (de off. I, 6, 10. I c. 43. de fin. V c. 20 ff.). Der Zweck der Philosophie ist ihm also die rechte Weise des Handelns und die Bedingungen eines glückseligen Lebens zu erforschen. Demgemäss rühmt er vor Allem Sokrates, weil dieser zuerst die Philosophie in die rechte Bahn gelenkt habe (Tusc. V, 4. 10), und in seinen eignen philosophischen Abhandlungen treten Dialektik und Physik gegen die Ethik in den Hintergrund und werden ebenfalls nur im praktischen Interesse besprochen, die eine als Grundlage der gesammten Philosophie und als namentlich für den Redner wichtig, die andre insofern sie eine nothwendige Ergänzung der Ethik ist. In der Ethik dagegen hat Cicero selbst am meisten gedacht und sich eine eigne Ueberzeugung gebildet, wenn es ihm auch sowohl an der Genialität, eine neue Grundanschauung aufzustellen, als auch an der zur Durchführung eines Systems nöthigen philosophischen Bildung gebricht. Seine Ueberzeugung spricht sich namentlich negativ in der Verwerfung der epikureischen Lustlehre aus, während er zwischen Stoikern und Peripatetikern schwankt, wo diese beiden Schulen auseinander gehen. Sehen wir nun von den unbedeutenderen der auf Ethik bezüglichen Schriften ab, wie de amicitia und de senectute, so erkennen wir sogleich den Zusammenhang, der zwischen den

übrigen stattfindet. In den Büchern de finibus prüft Cicero die Lehren der Epikureer, Stoiker, Peripatetiker über das Grundprincip der Ethik, die Frage über das höchste Gut, und legt so die Basis für spätern Aufbau. In den Tusculanen wird namentlich der psychologische Theil der Ethik behandelt, wobei mehr eklektisch als skeptisch und polemisirend auf Stoiker und Peripatetiker zurückgegangen wird. Die Bücher de officiis behandeln den paränetischen Theil der Ethik, die Einzelvorschriften über Moral, und lehnen sich somit an die Bücher de finibus an. In welchem Verhältniss endlich der commentarius de virtutibus, den Charisius II p. 200 ed. Keil (vgl. Augustin. de trinit. XIV, 11) erwähnt, zu diesen Schriften gestanden habe, lässt sich nicht genauer bestimmen. Eine Ergänzung zu ihnen bildete er jedenfalls.

Cicero bekennt sich zwar als Anhänger der durch Karneades erneuerten Akademie zu dem Satze, 'man könne nichts bestimmt wissen', doch es würde ganz falsch sein, wollte man ihn deshalb für einen Skeptiker im eigentlichen Sinne erachten. Der Zweck seiner Skepsis ist nicht die Unmöglichkeit jeglichen Erkennens zu beweisen, sondern durch den Zweifel das heraus zu finden, was unter den widerstreitenden Ansichten der Philosophen die meiste Wahrscheinlichkeit für sich hat, und so sich zugleich vor schimpflichem Irrthum und der thörichten Anmassung zu hüten, die da Bestimmtes behauptet, wo doch Gewissheit unmöglich ist (II, 2, 8. Acad. II, 3, 7). An die Stelle des bestimmten Wissens tritt ihm daher das Wahrscheinliche, probabile. Hiermit, meint er, müssen wir uns in allen rein theoretischen Fragen begnügen, es sei denn, dass in einzelnen derselben, wie in der Frage über die Existenz der Götter, das angeborne Bewusstsein so stark ist, dass die Wahrscheinlichkeit zur Gewissheit wird (Tusc. I, 16, 36 deos esse natura credimus). Diese theoretischen Fragen sind ja aber auch nur nebensächlich im Vergleich zu den praktischen, und um uns vor Irrthum bei unsern Handlungen zu hüten, genügt die Auffindung des Wahrscheinlichen vollständig, wie dies schon Karneades lehrte (Acad. II, 31 ff.). Theils nämlich das angeborne Rechtsgefühl, theils das Augenscheinliche, mit dem wir es hier zu thun haben, macht es möglich, hier das Wahre vom Falschen mit Bestimmtheit zu scheiden. Unbegründet musste daher Cicero auch der Einwand erscheinen, dass er als Skeptiker kein Recht habe über die Pflichten positive Lehren vorzutragen (II, 2, 7), und um so unbegründeter, als er gerade in den Schriften über Ethik mehr als in den andern die Skepsis fallen liess.

Von einem positiven Standpunkt verwirft er hier die Lehren Epikurs und bespricht die Principien der Stoiker und Peripatetiker, und namentlich in der speciellen Moral gönnt er der skeptischen Betrachtung gar keinen Raum. Er legt vielmehr in diesem Theile der Ethik ein bestimmtes System zu Grunde, aber führt dieses nicht mit Consequenz durch, sondern mildert es, wo es das praktische Interesse verlangt, und ergänzt es mit Zusätzen aus andern Systemen, selbst wenn diese mit den aufgestellten Principien nicht ganz übereinstimmen. Charakteristisch ist nämlich für ihn, dass er, freilich nach dem Vorgange des gleichzeitigen Akademikers Antiochus, zwischen den einzelnen Philosophenschulen zu vermitteln und die Gegensätze zu verwischen strebt. So lässt er nicht blos den Unterschied zwischen der skeptischen neueren Akademie und der Schule Platos unbeachtet (de nat. deor. I, 5, 11), er behauptet auch die Differenz zwischen Platonikern und Peripatetikern betreffe nur Unwesentliches (I, 1, 2 nostra legens non multum a Peripateticis dissidentia, quoniam utrique Socratici ut Platonici esse volumus. vgl. de fin. V, 3,7). Ja selbst die Stoiker sollen Alles von den Akademikern und Peripatetikern entlehnt, und nur den Namen geändert haben (de fin. V, 8, 22. 25,76), oder wenn auch der Unterschied zwischen ihnen und den Peripatetikern anerkannt wird, so soll doch diese Differenz auf die specielle Moral keinen Einfluss ausüben (de fin. V, 26, 77f. de off. III, 7, 33). An andern Stellen indess hebt Cicero den Unterschied zwischen Peripatetikern und Stoikern hervor (Acad. I c. 10), ohne den Widerspruch zu beachten, in den er dadurch mit sich selbst tritt.

Von den damals in Rom herrschenden philosophischen Systemen war Cicero mit seiner ganzen Anschauung dem epikureischen Feind, gegen das er nicht selten sogar ungerecht ist (s. z. III c. 33) und mit mehr rhetorischem Pathos als philosophischen Argumenten ankämpft (de fin. 1. II). Es blieb ihm also die Wahl zwischen dem stoischen, peripatetischen und akademischen, welches damals, durch den erwähnten Antiochus umgearbeitet, eine Vermittlung zwischen Peripatetikern und Stoikern zu bilden suchte. An den Peripatetikern missbilligt er namentlich, dass sie in der Lehre von den Affecten dem Zorn und der Furcht eine natürliche Berechtigung zugestanden und sie nicht ganz ausrotten wollten (s. z. I, 25, 88). Antiochus ist auch in der Ethik nicht ohne Einfluss auf ihn geblieben, wie die Bücher de finibus zeigen. Im Allgemeinen aber entschied, er sich, was die Ethik anbetrifft, für die Stoiker, nicht so, dass er blos ihre An

sichten auseinandersetzen, sondern dass er aus ihren Quellen so viel, als ihm in jedem einzelnen Falle gut schien, schöpfen wollte (de fin. I, 2, 6. de off. I, 2, 6). Denn es dünkte ihn grossartiger und erhabner mit den Stoikern zu sagen, dass das moralisch Gute stets und allein nützlich sei, als mit Andern anzunehmen, dass es tugendhafte Handlungen gebe, die nicht nützlich, und nützliche, die unmoralisch seien (de off. III, 4, 20). Indess mit allen Consequenzen der Stoiker kann er sich doch nicht einverstanden erklären. Vieles ist zu schroff und widerstreitet der herrschenden Sitte und dem natürlichen Gefühle, von dem er sich mehr als von seinen philosophischen Principien bestimmen lässt. Verhasst sind dem vornehmen Römer alle cynischen Rohheiten, von denen sich auch die Stoiker zum Theil nicht freigehalten haben (s. z. I, 35, 128). Dass der weise Mensch auch unter Schmerzen glücklich und von äussern Schicksalen ganz unabhängig sein soll, scheint ihm zwar erhaben, widerspricht aber doch zu sehr seinem Gefühl, als dass er nicht auch hier den Peripatetikern Zugeständnisse machen sollte (de fin. V, 26. 77f. Tusc. III, 13, 30.). Und vor Allem scheint ihm der Satz der Stoiker absurd, dass alle Unweisen und solche sind doch dem Stoiker eigentlich alle Menschen gleich schlecht und thöricht (de fin. IV, 28, 77), dass alle Vergehen von gleichem Gewicht sind: den ersten Satz ignorirt er in den Büchern über die Pflichten gänzlich und die Vergehen aus Uebereilung erklärt er für minder strafbar als die überlegten und vorbereiteten (s. z. I, 8, 25). Wenn andrerseits schon die Stoiker der praktischen Thätigkeit vor der theoretischen Vorzug gegeben hatten, so betont Cicero diesen Vorzug auf das Stärkste (I, 6, 10. c. 43f.). Auch die Stoiker wollten, dass sich der Weise wenigstens in dem Staate an der Verwaltung betheilige, wo ein Fortschritt zum Bessern sichtbar sei; Cicero nennt es Kleinmuth und Vernachlässigung der Pflichten gegen das Vaterland, wenn die, welche die Kräfte dazu haben, sich nicht mit allem Eifer dem Staatsdienst hingeben (I, 21, 72).

Da Cicero die Principien der stoischen Ethik in seinen Büchern über die Pflichten nirgends im Zusammenhange bespricht, obschon er vielfach darauf Bezug nimmt, so müssen wir dieselben hier in ihren Hauptpunkten kurz angeben, indem wir die Fragen, welche zu der vorliegenden Schrift nicht in unmittelbarer Beziehung stehen, bei Seite lassen, so weit dies mit dem Ganzen verträglich ist. Die gesammte Ethik der Stoiker wird, wie Cicero selbst sagt (de fin. I, 4, 11), durch die Frage nach

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