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Aus der Vorrede zur ersten Auflage.

Luther erklärt die Predigt für das vornehmste Stück im ganzen Gottesdienste: bis auf den heutigen Tag hat die Predigt diese von dem Reformator ihr angewiesene Stellung in dem Gottesdienste der evangelischen Kirche behauptet und sie wird nimmer auf diesen Ehrenplatz Verzicht leisten dürfen. So lange als die Gemeinde des Herrn noch nicht im höheren Chore versammelt ist vor dem Angesichte des dreieinigen Gottes, so lange als die Kirche noch eine streitende ist, sind die nur im Gebet, in der Anbetung Gottes feiernden Gottesdienste noch nicht in der Ordnung. Die Gemeinde ist jetzt noch nicht der Art, dass sie als eine vollkommene sich darstellen könnte: das Zion des Neuen Testamentes ist noch zu bauen: und die Predigt soll vornehmlich diesen Bau treiben.

Der Grund, auf welchen die Gemeinde auferbaut werden soll, ist der Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist. Die Predigt kann daher, so sie anders erbaulich sein will, nur Verkündigung des ewigen persönlichen Wortes sein, welches im Anfange war, und zwar als Gott bei Gott war, welches in dem Laufe der Zeiten durch den Mund der Propheten geredet hat und in der Zeitenfülle selbst in unser Fleisch gekommen ist, um sich durch Wort und Werk zu offenbaren als das Leben und Licht der Welt und seinen heiligen Geist über seine auserwählten Zeugen auszugiessen. An das Wort Gottes ist die evangelische Predigt gebunden: denn das sich offenbarende Wort, der Logos Gottes, hat sich urkundlich in der heiligen Schrift niedergelegt. In das Wort hat die evangelische Predigt sich zu versenken, das Wort hat die evangelische Predigt aus

zulegen: das Wort ist der Same, aus welchem wie der Thau aus dem Schoosse der Morgenröthe die Kinder Gottes geboren werden sollen.

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Die predigende Kirche hat sich desshalb immer mit ausgesprochener Vorliebe mit der Erforschung und Auslegung des Wortes Gottes beschäftigt. Die Kirche der Väter war eine predigende Kirche: Gottes Wort lief da in den Gemeinden in der rechten Weise und führte Kräfte der zukünftigen Welt den Völkern entgegen, welche unter dem Banne der Sünde und des Todes lagen. Daher weist aber auch diese Kirche Namen auf, welche, so lange die Schrift getrieben wird, in erster Reihe immer stehen werden einen Origenes, Chrysostomus und Augustinus. Die Kirche des Mittelalters war keine predigende Kirche: Gregor der Grosse, der letzte Abendländische Kirchenvater, hatte ihr durch sein Sakramentarium das Gepräge aufgedrückt. Schriftausleger erscheinen noch aber es ist ein Epigonengeschlecht, welches selten einen eignen kleinen Gedanken bringt, es schneidet lieber, was es nicht gesäet hat und häuft in Katenen und Glossen Weizen und Spreu ohne Sichtung zusammen. Gottes Wort ward durch die Reformation erst wieder auf den Leuchter gestellt: Luther hatte die unvergängliche Kraft dieses Wortes an seinem eignen Herzen erfahren; was er thun konnte, that er, dass Gottes Wort wieder eine Macht werde in der Gemeinde. Er fand treue Gehülfen. Das Reformationszeitalter weist wiederum Namen auf, welche nicht mehr erbleichen werden. Luther und Calvin stehen in erster Linie, an sie reihen sich Melanthon, Beza u. A. Seit dieser Zeit ist die Exegese in der evangelischen Kirche stets mit entschiedener Vorliebe getrieben worden; selbst jenes Jahrhundert, welches seine Aufgabe darin erkannte, die neuen, schöpferischen Gedanken, welche die Reformation aus der h. Schrift zu Tag gefördert hatte, in einen eng verschlungenen, scharf abgespitzten Bau zu schaffen, um gegen Freund und Feind sie sicher zu stellen, hat der Exegese nicht den Scheidebrief gegeben.

Der grösste Dogmatiker jener Zeit ist zugleich der grösste Exeget unter seinen Zeitgenossen: ich meine den Johann Gerhard.

Die Schriftauslegung hat, nachdem Bengel wie ein leuchtendes. Meteor, im Grossen und Ganzen nicht verstanden, an dem Himmel des vergangenen Jahrhunderts seinen Lauf vollendet hatte, in unsrem Jahrhunderte wieder einen erfreulichen Aufschwung genommen. Sie hat sich gleichsam in zwei Ströme getheilt: es gibt heutzutage anerkannter Massen eine grammatisch-kritischhistorische und eine sogenannte theologische Auslegung. Die Theilung thut nicht gut: eine theologische Auslegung ohne jene grammatisch - historisch - kritische führt einen Hausbau auf, der keinen soliden Grund hat, und eine grammatisch-historisch-kritische Auslegung ohne theologische bleibt wie ein Wurm auf dem Boden und beschäftigt sich mit blossen Schalen. Eine Vereinigung beider Auslegungsweisen verspricht aber das Heil noch nicht für den evangelischen Prediger, da die theologische Auslegung es fast ausnahmslos verschmäht, den in seiner Heilsbedeutung erkannten Text praktisch zu verwenden und für das christliche Leben in dem einzelnen Christenmenschen und in der Kirche fruchtbar zu machen.

Der Verfasser des vorliegenden Werkes sucht hier eine vielfach gefühlte Lücke unsrer theologischen Litteratur nach dem Masse seiner Kraft und Zeit auszufüllen: er will das Wort der h. Schrift und aus sehr nahe liegenden Gründen hat er die evangelischen Perikopen sich ausgewählt mit allen Mitteln, welche die Auslegungswissenschaft an die Hand gibt, erläutern und zugleich verwerthen. Er will das Alles hier bieten, was zu einem allseitigen Verständniss des Textes nothwendig ist, zugleich aber will er auch Fingerweise geben, wie der Text zu behandeln ist. Bengel's Wort stand ihm vor Augen: te totum applica ad textum, et textum totum applica ad te. Um das Ziel annähernd zu erreichen denn freimüthig muss ich bekennen, dass ich, wo der erste Theil vollendet vor mir liegt, recht tief fühle, wie

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weit ich hinter dem mir gesteckten Ziele zurückgeblieben bin ist keine Arbeit gescheut worden: die Schriften der Kirchenväter und der Reformatoren sind fleissig durchgegangen worden und haben eine schöne Ausbeute gewährt, die neuere Litteratur ist aber darüber nicht vernachlässigt worden. Hin und wieder ist selbst in den Vorhof der Heiden der Griechen und Römer hineingegangen worden, um dort ein testimonium der anima naturaliter christiana für die ewigen Wahrheiten des Wortes Gottes zu erheben. Es schien eine solche stellenweise Illustrirung der heiligen Schrift gerade für die praktischen Bedürfnisse unsrer Tage sehr zweckgemäss.

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Was Baco von der rechten Exegese fordert, dass sie eine Emanation des Textes sei, suchte der Verfasser nach Möglichkeit zu leisten. Er wollte nicht eine Sammlung von allerlei zerstreuten Bemerkungen geben: der Text selbst sollte in Fluss gesetzt werden und doch seine geschlossene Einheit behalten.

Dem praktischen Bedürfnisse des praktischen Geistlichen, dem dieses Werk dienen will, wollen die mitgetheilten Dispositionen eine Befriedigung gewähren. Sie sind knapp gehalten, aus dem Texte herausgewachsen und wollen nur die Meditation auf die rechten Bahnen lenken.

Die vorgeschickte Einleitung bedarf keiner Entschuldigung, da man die evangelischen Perikopen nicht gut wird behandeln können, ohne die Geschichte, wie die leitende Idee des ganzen Perikopensystems zu erkennen und sich über ihren Werth verständigt zu haben. Einzelne dunkle Punkte konnten endlich ein Mal urkundlich in's Klare gebracht werden, wie z. B. die Voll-endung der Perikopenreihe der Trinitatiszeit.

Der Herr aber, dessen Ehre diese Evangelien alle verkündigen, wolle seinen Segen auf dieses Werk legen, dass es an seinem Theile auch seines hochgelobten Namens Ehre fördere!

Herborn, September 1868.

A. Nebe.

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