Obrazy na stronie
PDF
ePub

durch Standhaftigkeit und Frömmigkeit, glücklich über. wunden (Hebr. 4, 15.)*). War dieß möglich, wenn er nicht wahre menschliche Natur hatte?

Und werfen wir ferner unser Augenmerk auf seinen Charakter, wie er sich ausspricht in Wort und Handlung, in sittlicher, wie in religiöser Beziehung: so erkennen wir, wie wahr Paulus gesagt habe, daß er als Mensch erfunden worden sey in seinem äußeren Wesen (Phil. 2, 8.: Ev ozýμari). Alle Eigenthümlichkeiten des menschlichen Herzens, alle Gefühle desselben beurkunden seine Reden und Handlungen: Mitleid und Freude (Joh. 11, 33. 19, 25. 26. u. a.), Furcht bey herannahender Gefahr (Joh. 12, 27. Matth. 26, 37. 38.), Hoffnung im Vertrauen auf Gott (Matth. 26, 42.), Kampf und Ueberwindung in Erfüllung dessen, was er als Pflicht, als Willen Gottes erkannt hatte (Hebr. 5, 6 fg.), gerechten Zorn und Unwillen über Bosheit und Thorheit (Joh. 2, 15. 16. Matth. 12, 39. 16, 23.), Schmerz und Traurigkeit in Erduldung der Leiden (Matth. 27, 46.). Wir mögen ihm begegnen, wo wir wollen, im Umgange mit seinen Schülern, als Lehrer des Volks, als Freund, Wohlthäter und Tröster der Leidenden, oder umgeben und verfolgt von dem Eigennuße und der Bosheit seiner Feinde überall, selbst im Augenblicke des nahen Todes und noch am Kreuze erblicken wir in ihm einen Charakter, dem Erfüllung seiner Pflicht, Ausdauer und Standhaftigkeit in seinem Berufe, Liebe zur Wahrheit und Sorge für das Wohl der Seinigen, dabey aber unerschütterliches Vertrauen auf den Beystand Gottes in jeder Lage seines Lebens das Höchste und Heiligste war. Dadurch ist er uns geworden das vollendete Muster so wie einer menschlich sittlichen Voll. kommenheit (1 Petr. 2, 21 fg. Joh. 13, 15.), so eines

*) Man vgl. überhaupt die vortreffliche Abhandlung von UIImann über die Unsündlichkeit Jesu, in den fheolog. Studien und Kritiken 1. Bd. 1. St. S. 1 fs. Auch die Abhandl. von Usteri ebendas. II. Bd. 3. Hft.

menschlich vollkommenen religiösen Lebens (Hebr. 5, 6-9. 2, 10 fg.), wie wir seines Gleichen in der Geschichte der Menschheit nirgend weiter finden. Welch' eine Tiefe und Fülle des innigsten, erhebendsten, mensch, lich religiösen Gefühls, welch' eine Zuversicht zu der Hülfe des Allmächtigen (Hebr. 5, 7.) spricht sich in seinen Gebeten aus, und ergreift und rührt das Innerste jedes religiösfühlenden Menschenherzens! (Joh. 17. 11, 41. 42. 12, 27. 28. Matth. 27, 46. 26, 39. 42. 11, 25. u. a.) Für. wahr, Er, der so betete, der der Stärkung durch das Gebet, der Erhebung und Ermuthigung des Herzens in einsamer Stunde (Matth. 14, 23. 26, 36. Luc. 6, 12. u. a.) bedürfte, und von Gott erhöret wurde (Hebr. 5, 7. aisaxovoveis ảnò tñs evλaßɛías): er war, mußte Mensch seyn, wie wir sind, gleicher Natur mit uns theilhaftig!

Demzufolge ist es unleugbare, in den deutlichsten Aussprüchen und Berichten enthaltene Lehre der heiligen Schrift, daß Jesus von Nazareth, feiner Natur nach, bloßer Mensch war. Wie unendlich wichtig diese Lehre für den Glauben und das Leben der Christen sey, das hat schon Paulus (Róm. 8. Phil. 2.), und der Verfasser des Briefs an die Hebråer. (Cap. 2. 4. 5.) treffend ange deutet, und wird später nåher erörtert werden. Dagegen läßt es sich durch keine einzige, gleich deutliche und unzweydeutige Stelle beweisen, daß die Apostel ihren Herrn für die zweyte Person der Gottheit, für Gott felbst ge halten, daß sie ihm eine doppelte Natur, eine wahre göttliche und menschliche, beygelegt, oder ihn für einen Gottmenschen (Dɛárdowños) gehalten haben sollten. Wie es denn eben so unerweislich ist, daß die Apostel, vorzüglich Johannes und Paulus, sey es aus Hinneigung zu Philosophemen oder aus jüdischen Meinungen, eine höhere Ansicht über Natur und Wesen Jesu begründet haben sollen; davon jedoch spåter.

Die philofophirende Vernunft kann die Vernunftmåßigkeit dieser Schriftlehre nicht in Anspruch nehmen, und nicht nur der seither bestehende theologische Rationa

lismus stimmt mit dieser schriftgemåßen Ansicht vollkom, men überein*), sondern auch die Lehre der Kirche hat immer behauptet, daß Jesus Christus, als wahrer Mensch, eine wahrhaft menschliche Natur gehabt habe **).

III. Abschnitt.

Von der Persönlichkeit Jesu insbesondere.

So gewiß es ist, daß Jesus nach der Ansicht der Apostel Mensch war, wie alle übrigen, eben so unleugbar geht aus allen ihren Schriften hervor, daß sie ihm eine Persönlichkeit beylegen, wie sie keinem anderen Menschen zukommen kann. Diese Persönlichkeit bestehet nämlich in den Eigenthümlichkeiten, wodurch er theils rücksichtlich seines Berufes, theils rücksichtlich seines davon abhängenden besonderen Charakters von anderen Menschen unterschieden wird. Der Beruf Jesu, oder der Zweck seiner Erscheinung auf Erden, war, wie aus allen seinen Handlungen und Lehren, und insbesondere aus dem Evangelium des Johannes hervorgeht (der abfichtlich seinen Herrn in feinem eigentlichen höheren Berufe (6, 39. 4, 34. 12, 49.) wirksam darstellt), die gesammte Menschheit (Joh. 3, 16.) theils durch seine Lehre (Joh. 8, 31 fg.) über Gott und ihre Bestimmung (17, 3 fg. 1 Joh. 5, 20.), theils durch sein Leben und seine Schicksale, insbesondere seinen Tod (10, 15 fg.), von der Unwissenheit und Sündhaftigkeit zu befreyen (Joh. 1, 29. 9. 12, 46 fg. 3, 19 fg. Matth.

*) Wegscheider, Instit. theol, dogm. §. 121.: Si quis historiam vitae Jesu Christi etc. ad justam veritatis historicae trutinam exigere velit, intelligat necesse est, Jesum fuisse hominem, nec nisi humana sorte esse perfunctum. Eckermanns Glaubenslehre. III. Bd. G. 367 fg. Henke lineam. §. 97.

**) Er wird Vere homo, perfectus homo in den Symbolen ge: nannt. Es wird ihm eine natura vere humana beygelegt. Aug, Confess. Art. 3. Form, concord. art. 8. u. a.

[ocr errors]

20, 28. 18, 11. 1 Joh. 1, 7.), fie dadurch zur Einheit des wahren religiösen Glaubens und Lebens (10, 16. Matth. 28, 19. 1 Tim. 2, 3 fg.) zu führen, und so ihnen die Gewißheit ewiger Seligkeit zu gewähren (17, 3.). Indem nun Jesus diesen Beruf in seinem ganzen Umfange, wiefern er sich auf Lehre und Leben bezieht (Joh. 3, 11 fg. 34 fg. 4, 34. 5, 30. 43. 6, 39. 7, 16. 17, 6.), als einen wahrhaft göttlichen, nicht aus eigener Willkühr hervor, gegangenen bezeichnet, und sich deshalb einen göttlichen Gesandten nennt, werden ihm Prädicate beygelegt, die sich theils mehr auf seinen Charakter als eines göttlichen Gesandten, theils mehr auf seinen Beruf, als Lehrer der Wahrheit, Begründer der Seligkeit, Stifter eines neuen Verhältnisses der Menschen zu Gott, beziehen, nothwendig jedoch, wie Charakter und Beruf überhaupt, in gegenseitiger Beziehung stehen.

Das erste dieser persönlichen Prädicate ist das des Xoloros oder Messias, welches sich Jesus selbst in den bestimmtesten Ausdrücken beylegt, und zwar auf eine Weise, daß es die festeste Ueberzeugung vorausseßt, womit er sich für den von den Juden erwarteten, in den Propheten verheißenen Christus hielt, Matth. 16, 16-18. Joh. 10, 24. 25. Joh. 4, 25. 26. 5, 39. 46. 17, 3. Er wird auch wirklich von den Juden als solcher anerkannt, Joh. 6, 69. 9, 35-38. 11, 27. 12, 13. Matth. 21, 9., und von den Aposteln einstimmig dafür erklärt, Act. 2, 36. 4, 10. 5, 42. 10, 38. 28, 31. 1 Joh. 2, 22. 3, 22. Wie wesentlich dieses Prådicat der Person Jesu zukommt, deutet die in den biblischen Sprachgebrauch übergegangene Verbindung ber Begrife on Χριστὸς Ἰησοῦς — ̓Ιησοῦς ὁ Χριστός an ó "Inoous Xoirós, wozu es feiner Beyspiele bedarf.

Es kann aber aus feinem Grunde in Zweifel gezogen werden, daß Jesus mit der vollesten Ueberzeugung sich jenes Prådicat beygelegt habe. Nicht bloß hatte er sich, auch unaufgefodert (Joh. 4, 25. 26. 9, 37.), den Christus genannt, und von seinen Schülern (Matth. 16, 16.), so wie von der Volksmenge (21, 9.), diese Bezeichnung an

genommen, ohne dieselbe im mindesten abzulehnen, oder eine Berichtigung in dieser Hinsicht beyzufügen; er bekennet selbst, nachdem man ihn verschiedener Ursachen wegen angeklagt, und vor Gericht gezogen hatte, auf die Frage, ob er sey der Christus der Sohn Gottes (Matth. 26, 63.), mit entschiedenen Worten, daß er dieser wirklich sey (Luc. 22, 70. Matth. 26, 64.). In diesem Augenblicke, wo sein Leben in Gefahr stand, und er auch wegen seines Geständnisses als ein Religionsspåtter zum Tode verurtheilt wurde, wäre es Pflicht gewesen, wenn er derjenige, für ben er sich ausgegeben hatte, nicht wirklich war, offen zu widerrufen, und die Wahrheit zu gestehen. So aber stirbt er, um die Wahrheit seines Bekenntnisses durch seinen Tod zu verbürgen, und dieses Bekenntniß ist von unendlicher Wichtigkeit: denn es enthält den gründlichsten Beweis, daß, wenn sich Jesus die Würde des Christus. zueignete, hier weder eine Accommodation, noch eine Selbsttäuschung angenommen werden kann. Und dieß erheischt nun, die gegen die messianische Würde Jesu erhobenen Zweifel näher zu beleuchten.

Was zunächst die Annahme einer Accommodation betrifft, so ist im Allgemeinen keinesweges in Zweifel zu stellen, daß sich Jesus wirklich accommodirt hat: er als Lehrer der Menschheit, zunächst unter Juden und im jůðischen Staate, mußte auf die bestehenden öffentlichen und Privatverhältnisse, mußte auf die Vorurtheile seiner Zeit genossen und insbesondere seiner Schüler auf eine Weise Rücksicht nehmen, daß er der Wahrheit immer mehr Eins gang verschaffte, daß er ihre Herzen dafür empfänglich machte, und ihnen Zutrauen zu seiner Person einflößte. Die Evangelien geben die wiederholten Beweise, mit wel cher Weisheit und Nachsicht er die Vorurtheile seiner Schüler vom Reiche Gottes und allen damit in Verbin. dung stehenden Erwartungen (man verg'. Matth. 18, 1 fg.) nach und nach zu berichtigen und zu beseitigen, wie er dieselben in seinen Parabeln auf ichtigere Vorstellungen nach und nach zu leiten suchte. Ist der Lehrende fest

« PoprzedniaDalej »