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Ueber Jesus von Nazareth, den Stifter der christlichen Religion.

I. Abschnitt.

Ueber die Natur und Persönlichkeit Jesu im
Allgemeinen.

Die Erscheinung des Jesus von Nazareth, abgesehen von

dem christlich religiösen Standpuncte, stehet in der Weltgeschichte, theils in ihrem Verhältnisse zur Vergangenheit, theils in ihrem Eintritte, theils in ihrem Einflusse auf die Zukunft, so einzig da, daß keine ähnliche Begebenheit in der Geschichte der Menschheit ihr an die Seite gestellt werden kann. Erwägen wir nur, daß von einem Manne aus niedrigem Stande, ohne alle äußeren Mittel und zwar zu einer Zeit, da die Menschheit sowohl im Juden - als Heidenthume ins äußerste Verderben gefallen war, der Entschluß gefaßt wurde, eine sittliche und religiöse Reformation, welche sich nach und nach auf die ganze Menschheit erstrecken sollte, zu beginnen; bedenken wir ferner, daß er diesen Entschluß dadurch ausführte, daß er zwölf Månner aus gleichem Stande zu Schülern, Gefährten und Zeugen dessen wählte, was er lehrte und that, und finden endlich durch den Erfolg bestätiget,' daß auf diese Weise wirklich Juden, und Heidenthum gestürzt und eine sittlich religiöse Reformation der Menschheit begründet worden ist: so muß schon in reingeschichtlicher Hinsicht die Person desjenigen, welcher ein so außerordentliches Werk beginnen und ausführen konnte, unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen;

noch mehr aber aus chriftlich religiösem Gesichtspuncte, in wiefern Er der Stifter unserer Religion ist, und wir uns noch nach seiner Person Christen nennen. Wer war je ner, der so Großes vollendet? Wie hat er sich selbst dar. gestellt? Was haben die Zeugen seines Lebens von ihm berichtet? Was lehren sie von dem Grunde seiner Erschei nung? Geben sie uns Aufschluß, wie er geworden ist, was er wurde: Reformator des Menschengeschlechts?

Der Grund der Erscheinung eines Menschen, in sofern er einwirkt in der Geschichte, im engeren oder weiteren Kreise, liegt zunächst in den wesentlichen Eigenthümlichkeiten seiner geistigen Natur, in feinen Anlagen und dem dann durch Entwickelung derselben unter äußeren Verhältnissen fich bildenden Charakter. Den Inbegriff der Eigenthüm-. lichkeiten, wodurch der Mensch durch äußere Verhältnisse zu anderen Menschen, durch Stand und Charakter, von diesen unterschieden wird, umfassen wir mit dem Ausdrucke: Person oder Persönlichkeit. Wir könnnen daher einen jeden Menschen, um uns den Grund seiner Erscheinung zu erklären, betrachten seiner Person nach. Wäre es jedoch zweifelhaft, ob einer, der so Großes vermochte, wirklich Mensch gewesen; hat sich vielleicht schon der Glaube geltend gemacht, daß er nicht menschliche, sondern göttliche Natur gehabt: so fragen wir dann auch mit Recht, welche Natur ihm zukomme. Die Natur des Menschen nämlich bestehet in dem Inbegriffe der Eigenthümlichkeiten und Kräfte, wodurch der Mensch sich von anderen geschaffenen Wesen unterscheidet, und durch innere und äußere Entwickelung geeignet wird, einen besonderen Charakter oder Persönlichkeit anzunehmen. Die Person desselben bestehet in dem Inbegriffe von Eigenthümlichkeiten, welche dem Menschen in feinen äußeren Verhältnissen zu anderen Menschen wesentlich zukommen, wodurch er sich mithin von anderen Menschen unterscheidet. Allen Menschen ist Eine Natur (die menschliche) gemeinsam; aber schon durch die Verschiedenheit der in dieser Natur gegebenen (natürlichen) Anlagen, ferner durch die Verschieden.

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heit der inneren und äußeren Entwickelung dieser Anlagen, endlich durch die Verschiedenheit der äußeren Verhältnisse, unter denen jeder als Mensch zu anderen Menschen geboren wird und sich entwickelt, sind die Menschen in ihrer Persönlichkeit durch Charakter, Stand, Lebensweise, Bil dung u. f. w. unendlich verschieden, und es ist hier kaum deukbar, daß einer dem anderen vollkommen gleich sey.

Betrachten wir nun den Menschen aus dem Gesichts, puncte des religiösen Glaubens, so erkennen wir in ihm nicht ein bloßes Erzeugniß der äußeren Natur, sondern ein Geschöpf Gottes, welches zwar dem physischen Theile seines Wesens nach ganz den Geseßen der äußeren Natur, ordnung in seinem Entstehen, Ausbilden und Vergehen unterworfen ist, aber seinem geistigen Wesen nach von Gott Anlagen und Kräfte empfangen hat, wodurch er einen hö heren Endzweck zunächst unter den Wesen seines Gleichen (im bürgerlichen, häuslichen, wissenschaftlichen Leben), dadurch aber den höchsten Endzweck seines Daseyns für ein künftiges Leben erreichen soll. Die geistigen Anlagen des Menschen sind daher Gaben Gottes, damit sie der Mensch ausbilde zur Erreichung seines Endzweckes unter den Menschen in diesem, sowie zur Vorbereitung seiner selbst auf ein künftiges Leben. Die Ausbildung und Benußung die.. fer Anlagen, da deren wesentlicher Vorzug vor anderen Wesen in der intellectuellen und sittlichen Freyheit besteht, hångt theils von den Menschen selbst, theils von äußeren Verhältnissen ab. Betrachten die Menschen die erhaltenen Anlagen und geistigen Kräfte, als Gaben Gottes, die nach dem Willen desselben ausgebildet und benutzt werden sollen, so werden sie theils durch Erziehung theils durch weise Benutzung aller äußeren Verhältnisse dahin trachten, daß jeder sich, was sein irdisches Leben betrifft, vorbereite zu einem Berufe, zu dem er Anlagen vorhanden findet, und daß er in diesem Berufe das Mittel erkenne, sich auf seinen höchsten Beruf als Mitglied einer geistigen Ord. nung der Dinge vorzubereiten. Dieß ist das Princip aller bürgerlichen und religiösen Erziehung.

Gott hat also durch die Anlagen, welche jedem Menschen gegeben werden, durch die Verhältnisse, unter denen fie geboren werden, weislich gesorgt, daß jeder im Stande sen, seinen Lebenszweck zu erreichen. Erkennen die Menschen diese göttliche Anordnung, so werden sie sich bewußt werden theils ihrer allgemeinen menschlichen theils ihrer besonderen Bestimmung (durch besondere Anlagen), wozu sie Gott auf Erden berufen hat; und indem sie mit Gewissenhaftigkeit und Vertrauen auf Gott zu diesem ihren Berufe sich vorbereiten und in demselben wirken, unter der Leitung der göttlichen Vorsehung auch das Ziel desselben, so weit es Vorbereitung ist auf ein künftiges Leben, vollkommen erreichen. In dem irdischen Leben selbst treten zwar dem sich seines Berufes in religiöser Hinsicht bewußt gewordenen Menschen tausendfältige Hindernisse in den Weg durch die Schuld der Nebenmenschen und mehrfache davon ab, hängende Umstände, um das sofort erreichen und wirken zu können, wozu er Kraft und Beruf in sich fühlt: der Glaube an Gottes Vorsehung erhält jedoch den Frommen bey frohem Muthe; denn es gehet nichts des Guten verloren, das der Mensch in seinem Berufe wirkt, möge es auch eine Zeitlang verkannt und verleum, det werden; und die Hoffnung eines anderen Lebens nach dem Tode bürgt ihm, daß er jenes höchste Ziel auf diesem Wege sicher erreichen werde.

Die Geschichte der Menschheit bestätiget die Richtig. keit dieser Behauptung, durch Ausbildung, Leben und Schicksale der ausgezeichnetsten Menschen, welche sie uns vor Augen stellt, und noch erkennbarer würde diese durch Gott getroffene Ordnung werden, wenn wir den Gang der Bildung und Entwickelung solcher Menschen nach ihren Anlagen und Verhältnissen immer genau zu verfolgen im Stande wåren. Keines Menschen Leben aber ist für die Menschheit wichtiger geworden, als das Leben des Jesus von Nazareth, und es würde in einer Hinsicht zu bedauern seyn, daß diejenigen, welche uns Nachrichten über das Leben dieses Mannes gegeben haben, auf jenen Ge

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genstand weniger ihr Augenmerk richteten, um ihn mehr in seinem Wirken nach den wichtigsten Erscheinungen desselben zu schildern, wenn uns nicht sein Leben selbst, sowie einige bestimmte Aeußerungen seiner Schüler, hierüber einen befriedigenden Aufschluß gewährten. Stellen wir daher zusammen, was uns die neutestamentlichen Quellen über die Natur und Persönlichkeit Jesu berichten, und berücksichtigen zugleich die Verhältnisse, unter denen er geboren wurde und sich bildete: so läßt sich vielleicht aus dem Standpuncte des religiösen Glaubens das Räthsel seiner Erscheinung erklären.

II. Abschnitt.

Von der Natur Jesu insbesondere.

Befremdend möchte es erscheinen, daß gerade diese Untersuchung an die Spiße unserer Darstellung über Jesus von Nazareth als Erscheinung auf dem Gebiete der Weltgeschichte, wie sie von den Verfassern der neutestamentlichen Schriften aufgefaßt und berichtet worden, gestellt wird. Beachtet man aber, wie sich im Laufe der Jahrhunderte in der Mitte der christlichen Kirche Vorstellungen von dem Stifter unseres Glaubens nach und nach ent wickelt und geltend gemacht; wie diese sich erweitert haben zu einem Lehrsysteme von der Natur und Persönlichkeit desselben, wodurch das Wesen und der Endzweck seiner Erscheinung auf Erden in einem ganz anderen Lichte sich zeigen, als er selbst, als seine Apostel je gedacht haben mögen; wie endlich über Gültigkeit und Bedeutsamkeit diefes mit bewundernswürdiger Consequenz ausgesponnenen Lehrsystems noch mehrfacher Zwiespalt obwaltet: so zeigt dieß die Nothwendigkeit, zurückzugehen auf das, was die heiligen Schriften von der Natur Jesu berichten. — höchst lehrreich ist es dabey, geschichtlich den Gang zu verfolgen, wie sich nach und nach jene Vorstellungen bildeten: denn dicß zeigt uns, wie der menschliche Geist, dem die Erschei

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