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Einleitung.

I. Abschnitt.

Das Christenthum oder die Erscheinung Jesu Christi als Thatsache der Weltgeschichte.

Die Erscheinung Jesu Christi ist eine Thatsache der Welt

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geschichte: alle Lehren, welche von ihm aus sich über den Erdkreis verbreitet haben; alle Thatsachen und Ereignisse, welche in seinem Leben hervortreten, und mit seinen Lehren in der innigsten Beziehung stehen, seine ganze Persönlichkeit also, bezeichnen den Anfangspunct einer Periode der Weltgeschichte, welcher als solcher zwar vorüber gegangen. ist, aber in seiner Erscheinung theils mit früheren Weltbegebenheiten, theils mit den folgenden dadurch bedingten Ereignissen und Schicksalen des Menschengeschlechtes in wechselseitigem Zusammenhange stehet. Dieser Grundsaß, so einfach und unleugbar er erscheint, so wichtig ist er zur richtigen Auffassung der christlichen Religion überhaupt, und insbesondere zu unserer Zeit zur Aufhellung und Beseitigung von Mißverständnissen, welche in ihren åußersten Extremen sich begegnen mußten, um die Wahrheit jenes Grundsatzes einleuchtend zu machen. Was als Thatsache der Geschichte in die Reihe der Weltbegebenheiten eingreift, das ist geschehen, und es hängt hier nicht von unserer subjectiven Auffassungsweise ab, ob und wie es geschehen fey; vielmehr kann und muß unsere Auffassungsweise nur durch die Berichte über das Geschehene bestimmt werden. Die Beurtheilung des Geschehenen beschränkt und bewegt sich daher einzig auf dem Gebiete historischer Forschung:

der Werth, die Glaubwürdigkeit der schriftlichen Urkunden einerseits, welche die Wirklichkeit des Geschehenen bezeu gen, der Zusammenhang desselben andererseits mit frühe ren, sowie die Einwirkung auf spätere welthistorische Er. eignisse (gleichsam die lebendigen Urkunden im geschichtlichen Leben der Menschen), diese allein bestimmen unsere Ansicht über das Ob und Wie des Geschehenen. Wäre die Auffassung des Historischen als solchen bedingt durch unsere subjective Meinung von dem, was geschehen seyn könnte und sollte, ohne Berücksichtigung dessen, was nach den Zeugnissen der Geschichte entweder geschehen seyn soll oder wirklich geschehen ist: so würde die Geschichte Geschichte zu seyn aufhören; die Thatsachen selbst würden in den Hintergrund und ein leeres Råsonnement würde an deren Stelle treten.

Die Heiligkeit dieses Gesetzes ist von jeher von den Historikern anerkannt worden: es gilt aber nicht bloß für denjenigen Theil der Geschichte der Menschheit, welcher sich mit Bildung und Veränderung ihres bürgerlichen oder Staats-Lebens beschäftigt; auch auf dem Gebiete des wis senschaftlichen und religiösen Lebens der Menschen treten Erscheinungen hervor, welche in die Reihe des Ganzen eingreifen, und denen sowohl schriftliche als factische Urfunden in dem Gange der Geschichte Wirklichkeit beyzule. gen nöthigen. Je wichtiger dergleichen Erscheinungen für das Leben der Menschen geworden, je mehr eine bestimmte Auffassung derselben in einer langen Reihe von Jahren oder Jahrhunderten Gültigkeit und Bedeutung gewonnen hat, desto vorsichtiger hat die historische Forschung zu verfahren in der Würdigung der Urkunden, um nicht durch mehr fubjective Entscheidung der geschichtlichen Wahrheit zu nahe zu treten. Bleibt auch die Forschung völlig freygegeben (denn nur dadurch vermag die Wahrheit an den Tag zu kommen), so handelt es sich doch hier zugleich um Ueberzeugungen, um Ansichten, von deren Wahrheit oder Unwahrheit das religiöse Leben, der Glaube unzähliger und zwar größtentheils meist solcher Menschen abhängt,

bey denen allerdings Zweifel und Einwürfe leichten Eine gang finden, aber ohne ein entschiedenes Resultat darzu. bieten, nur ein Schwanken der Meinung, mit ihm eine weiter um sich greifende Zweifelsucht, und endlich bey manchen eine Gleichgültigkeit gegen allen auf bestimmten Wahr. heiten und Thatsachen ruhenden Glauben herbeyführen.

Die historische Forschung also ist es, welche auf dem Gebiete des religiösen Glaubens und Lebens der Menschen über die Wahrheit oder Unwahrheit von Erscheinungen zu richten hat, denen man geschichtliche Bedeutsamkeit oder Wirklichkeit beylegte. Dadurch werden die Anfoderungen mensch licher Vernunft in Sachen historischer Forschung, nichts ohne Grund für wahr zu halten, zufrieden gestellt: denn die Gründe, nach welchen die Wahrheit geprüft und erwiesen werden muß, können hier nur geschichtliche seyn. Erscheint der Vernunft eine erzählte Thatsache an sich nicht glaub. würdig und unwahrscheinlich: so reicht zum Beweis nicht die apriorische Ansicht hin; sie hat sofort durch Würdigung der Berichte, durch Prüfung der Thatsachen selbst im Zu sammenhange mit den übrigen, historisch gewissen Bege,' benheiten darzuthun, daß das, was geschehen seyn solle, nicht so, wie es erzählt und geglaubt werde, geschehen seyn könne. Dagegen überschreitet die Vernunft die Grenzen der historischen Kritik, sobald sie, entweder nach philosophischen Grundsäßen, denen sie absolute Gültigkeit beylegt, oder nach Erfahrungs-Grundsätzen, welche sie aus dem derzeitigen gewöhnlichen Gange menschlicher oder natürlicher Begebenheiten abstrahirt hat, die Unmöglichkeit einer geschichtlich überlieferten und hinreichend verbürgten Thatsache folgern, und daher deren geschichtliche Wahrheit oder Wirklichkeit in Zweifel ziehen wollte: denn es bleibt gedenkbar einerseits, daß die philosophischen Grundsäße, denen fie folgt, noch nicht bis zu demjenigen Grade der Evidenz und Allgemeingültigkeit erhoben sind, den sie haben müssen, um sichere Folgerungen darauf zu gründen; ande, rerseits, daß wir in der Kenntniß des gefeßmäßigen Ganges menschlicher und natürlicher Ereignisse noch nicht alle

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Gesetze und Kräfte kennen, durch welche die Möglichkeit gewisser Begebenheiten bedingt werden konnte.

Eine Thatsache der Weltgeschichte ist die Erscheinung Jesu Chrifti: feine Lehren, sein Leben und die mit demsel ben verbundenen Ereignisse sind nicht allein urkundlich dar gestellt in den apostolischen Schriften, sondern sie stehen auch in Verbindung mit einer Reihe früherer und spåterer Begebenheiten. Läßt sich also darthun, daß diese Urkuns den historisch glaubwürdig sind, daß, wenn die historische Kritik die Glaubwürdigkeit in Zweifel ziehen wollte, fie dadurch in weit größere Widersprüche und Unwahrscheinlichkeiten verfallen würde: so hat die Vernunft, inwiefern die Erscheinung Jesu Christi zum Gebiete historischer Forschung gehört, ihrer Pflicht Genüge geleistet, und sie würde gegen sich selbst handeln, und alle Erkenntniß des Geschehenen unmöglich machen, wenn sie von subjectiven Vorausseßungen ausgehen, und auf umgekehrtem Wege nach diesen das Geschehene willkührlich darstellen und auffaffen wollte. Auf der anderen Seite, wenn sich durch geschichtliche Gründe (d. h. durch andere glaubwürdige Berichte, durch Verglei chung anderer gehörig verbürgter Thatsachen, durch innere. wesentliche Widersprüche in den Erzählungen selbst), nicht aber aus willkührlichen Vorausseßungen, auf dem Wege historischer Kritik also, erweisen ließe, daß die neutestamentlichen Schriften nur von den Augenzeugen und Berichter. stattern falsch aufgefaßte, oder nach jüdischen Irrthümern und Vorurtheilen falsch beurtheilte, ja vielleicht durch spåtere eigenmächtige Deutung und Zusammenstellung entstellte Lehren und Thatsachen enthielten: so würden wir die Erscheinung Jesu Chr. entweder in das Gebiet geschichtlicher Mythologie verweisen, oder offenbare Täuschung und Betrug vorausseßen und daher für immer (ehe sich nicht beffere Urkunden darbieten) auf eine Geschichte der Erschei nung J. Chr., als des Gründers unserer Religion, Verzicht leisten müssen.

Bis dahin hat es auch die angebliche historische Kritik der evangelischen Urkunden wirklich kommen lassen, obschon

man der Folgerung absichtlicher Täuschung und des Be: trugs auszuweichen suchte. Alle Gründe dieser Kritik lau. fen darauf hinaus: es ist nicht möglich, daß dieses oder jenes Ereigniß geschehen, daß dieß oder jenes als wahre Lehre J. Chr. verstanden werden, daß das Christenthum auf jenen Lehren und Thatsachen, welche die Schrift enthält, beruhen kann: also kann' diesem Allen, um unserer Vernunft willen, nicht geschichtliche Wahrheit beygelegt werden; das Erzählte gründet sich auf falsche jüdische Auffassungsweise, auf mythische Ausschmückung u. s. w. Diese Ansicht lassen wir jedoch so lange auf sich beruhen, bis aus anderweitigen historischen Gründen erwiesen seyn wird, daß die Augenzeugen wirklich sich geirrt haben, und daß die Berichterstatter nicht vollen Glauben verdienen, und legen daher den neutestamentlichen Urkunden noch historisches Ansehen bey.

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Dieses historische Ansehen wird durch den Umstand noch mehr gesichert, als die Thatsachen und Lehren des. Evangeliums theils mit dem Alten Testamente in geschicht licher Beziehung stehen, theils aber auch durch den Glauben der ersten Jahrhunderte, vorzüglich mit Rücksicht auf die Thatsachen der evangelischen Geschichte, bestätiget werden. Es würde der Wunder erstes und höchstes seyn, die Ausbreitung einer solchen Täuschung, eines verschuldeten oder unverschuldeten Betrugs zur Belehrung und Erlösung der Menschheit unter der Leitung einer allweisen Vorschung für möglich zu halten; denn so wahr es auch ist, daß die Einführung des Christenthums, als allgemeiner Menschenreligion, sich an die Verhältnisse der Menschen, durch die und unter denen seine erste Ausbreitung nur beginnen fonnte, anschließen mußte: so wenig konnte und durfte doch dieses durch offenbare Täuschung geschehen, wodurch der Endzweck desselben sofort håtte vereitelt und die Apostel, als seine ersten Verkündiger, möglicher Weise als Betrogene oder Betrüger dargestellt werden können. Werfen wir hier unseren Blick auf die Auferstehung J. Chrifti. Nach dem, was die evangelische Geschichte berichtet, ist

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