Obrazy na stronie
PDF
ePub

I.

Die nationale Litteratur.

a) Die Poesie.

1. Publilius Optatianus Porfyrius.

783. Die Gedichtsammlung des Publilius Optatianus Porfyrius. Wir haben bereits oben § 512 gesehen, dass in die römische Poesie Verskünsteleien eindrangen. Auch hier waren die Griechen die Lehrmeister der Römer; denn bei den Alexandrinern fanden die Versspielereien eine eifrige Pflege und die griechische Anthologie liefert uns viele Beispiele dieser Art von Poesie. Bei den Römern liegt uns das merkwürdigste Beispiel dieser Verirrung in dem Dichter Publilius Optatianus Porfyrius vor. Wir sind nur mangelhaft über seine Lebensschicksale unterrichtet. Höchst wahrscheinlich ist er identisch mit dem Manne, der im Jahre 329 und 333 die Stadtpräfektur bekleidete. Jedenfalls war er, da ihn der Kaiser in einem Briefe mit frater carissime" anredet, ein Mann in hochangesehener Stellung. Aus seinen Gedichten erfahren wir, dass er unter Constantin in die Verbannung gehen musste; leider teilt er uns nicht mit, warum die Strafe des Exils über ihn verhängt wurde und welcher Ort ihm für dasselbe angewiesen war. Er begnügt sich hier mit allgemeinen Andeutungen; er will ungerecht verurteilt sein und in seinem Exil will er nicht die nötigen Materialien gefunden haben, um seiner Gedichtsammlung eine prächtige Ausstattung geben zu können. 1) Um seine Zurückberufung aus dem Exil zu bewirken, nahm er zu seiner Kunst seine Zuflucht; er erinnerte sich, dass Constantin einst seine dichterischen Versuche mit Wohlgefallen aufgenommen. Als nun Constantin das zwanzigste Jahr seiner Regierung festlich beging, schrieb der Dichter eine Sammlung von 20 panegyrischen Gedichten und überschickte sie dem Kaiser. Der Dichter täuschte sich nicht in seiner Berechnung. Constantin war über die dichterischen Künsteleien des Porfyrius hocherfreut, begnadigte ihn und richtete sogar ein Schreiben mit zierlichen, geschraubten Phrasen an den Dichter. Die zwanzig von dem Kaiser so beifällig aufgenommenen Gedichte wurden von Porfyrius auch in die Oeffentlichkeit hinausgegeben; es ist nicht zu ver

1) Als besonders schmerzlich erscheint ihm die Trennung von seinem Sohn; vgl. 1, 15.

wundern, dass er auch das gnädige Handschreiben des Kaisers miterscheinen liess, denn dasselbe musste ja sein Werk dem Publikum ungemein empfehlen. Allein der eitle Versifikator ging noch einen Schritt weiter; er hatte einst an den Kaiser ein Dankschreiben gerichtet für die bisherige gnädige Aufnahme seiner Gedichte und den Kaiser darin zugleich gebeten, ein neues Werk von ihm hinzunehmen. Auch dieses Schreiben brachte er zur Kenntnis des Publikums. Selbstverständlich musste infolgedessen der Dichter auch aus seinen früheren Schätzen manches mitteilen; er fügte daher noch sieben Gedichte hinzu, welche in unserer Sammlung die Nummern 21-27 bilden. Diese Sammlung wird ergänzt durch anacyclische Verse, welche in der Anthologie des Codex Salmasianus stehen und dort ausdrücklich dem „Porfirius" beigelegt werden, ferner durch einige Fragmente, welche bei Fulgentius sich finden. 1) Aus der Aufnahme der anacyclischen Verse in die genannte Anthologie hat man die Vermutung gezogen, dass der Dichter ein Afrikaner war; denn in jener Sammlung sind, abgesehen von den grossen nationalen Dichtern, nur Werke afrikanischer Dichter vereinigt.

Für die Schreibung Porfyrius spricht das Gedicht 21, wo der Name Publilius Optatianus Porfyrius künstlich eingewoben ist.

Ueber das Exil sprechen sich die Verse 2, 31 aus:

Respice me falso de crimine, maxime rector,
Exulis afflictum poena.

Vgl. noch 20, 22. Auf die Traurigkeit des Ortes, in dem er sich im Exil befindet, weist hin 1, 8. Die Begnadigung ergibt sich aus den Schlussworten des kaiserlichen Briefes: Tu cum tibi videas operis tui gratiam, quam ex meis petiveras auribus, non perisse, et proventu praesentis temporis exultare debebis et non indebitam laudem ingenii exercitatione captare.

Ueber die Widmung der Panegyrici. Die Gedichtsammlung wurde dem Constantin zu seinen Vicennalien, welche im Jahre 325 gefeiert wurden, dediciert; vgl. die Verse 9, 35:

Sancte pater, rector superum, vicennia laeta
Augusto et decies crescant sollemnia natis!

und 16, 35: Virtutum meritis vicennia praecipe vota.

Die Dedikation erfolgte sicherlich vor der Ermordung des Crispus durch seinen Vater Constantin, welche im Jahre 326 stattfand; vgl. Burckhardt, Die Zeit Constantins d. Gr., Leipz. 1880, p. 335; denn sonst würde der Dichter des Crispus nicht in auszeichnender Weise Erwähnung gethan haben; vgl. 5, 30; 5, 33; 9, 24. In dem Briefe des Kaisers an Porfyrius liegt kein Anzeichen vor, dass die Begnadigung mehrere Jahre später, nach Ueberreichung der Gedichtsammlung, erfolgte. Es scheint daher, dass Hieronymus sich täuschte. wenn er die Zurückberufung mit den Worten: Porfyrius misso ad Constantinum insigni volumine exilio liberatur (2 p. 192 Sch.) z. J. Abr. 2345 = 328 setzt.

Ueber die ausser dem Panegyrikus von Porfyrius verfassten und dem Constantin überreichten Gedichte vergleiche seinen Brief an den Kaiser, wo wir lesen (p. 3, 2 M.): „quippe cui (Constantino) satis abundeque suffecerat carmen quod artioribus Musarum inligaveràm vinculis“ - und weiterhin (p. 3, 9): „da veniam et quae nunc quoque pietatis tuae favore ausus sum versibus inligare, dignanter admitte: audaciae meae fomitem auctoritatis tuae clementia suscitavit." Auch 1, 1 erwähnt er Gedichte, die früher in glänzender Ausstattung in die Hände des Kaisers gelangten.

In dem zweiten Teil der Gedichtsammlung erscheint ein Bassus, von dem der Dichter sagt (21, 14): „Sed rursum Bassus nunc prodere carmen imperat.“ Ueber diesen Bassus vgl. Lucian Mueller in seiner Ausgabe p. IX.

Die versus anacyclici stehen im Cod. Salmasianus; vgl. Anthol. lat. ed. Riese No. 81; Baehrens, Poet. lat. min. 4 p. 268.

784. Charakteristik. Porfyrius ist nicht als Dichter, sondern lediglich als Versifikator zu würdigen. Seine Gedichte sind nichts anderes als

1) Mythol. 2, 1 (p. 40 Helm). De continentia Vergiliana p. 100 H.

Spielereien; er wendet sich nicht an den Geist des Lesers, sondern grösstenteils an dessen Auge. Seine Poesie ist daher fast nur architektonischer Natur. Viele seiner Gedichte stellen Quadrate dar, indem so viele Verse aneinandergereiht sind, als jeder Vers Buchstaben enthält. Diese Quadrate bilden natürlich auch Acrosticha und Telesticha. Aber damit gibt sich der Verseschmied noch nicht zufrieden. Auch die Diagonalen sind für sich lesbar; ausser den Diagonalen heben sich noch andere geometrische Gebilde heraus; selbst das Monogramm Christi ist dem Kaiser zuliebe eingewoben. Nicht bloss lateinische Sätze, sondern sogar griechische werden auf diese Weise hervorgezaubert. Seine Meisterstücke liefert aber Porfyrius, wenn er durch seine Produkte Gegenstände nachbildet. So stellt uns Gedicht 9 eine Palme dar, Gedicht 20 eine Wasserorgel, Gedicht 26 einen Altar und Gedicht 27 eine Hirtenflöte. Ausser den architektonischen Kunststücken hat Porfyrius noch andere Künsteleien in Anwendung gebracht, er baut Verse, die vom letzten Wort an gelesen, wieder dasselbe Metrum ohne Aenderung des Sinnes ergeben (vgl. 13). Aus

wird so:

Justis serene populis, favente mundo

Mundo favente populis serene iustis.

Ein ganzes Schock von Wunderlichkeiten hat der Verskünstler im Gedicht 15 zusammengehäuft. Die ersten vier Verse werden so gebaut, dass der erste aus lauter zweisilbigen, der zweite aus lauter drei-, der dritte aus lauter vier- und der vierte aus lauter fünfsilbigen Worten besteht. In dem fünften Vers erhalten wir einen sogenannten Keulenvers. Derselbe entsteht dadurch, das fünf Worte aneinandergereiht werden, von denen das erste ein einsilbiges, das zweite ein zweisilbiges, das dritte ein dreisilbiges u. s. f. ist. Der siebente Vers gibt uns alle acht Redeteile. Eine Reihe von Versen ist so gebaut, dass sie rückwärts gelesen wieder einen Satz mit anderem Metrum ergeben. So wird aus dem Hexameter (Vs. 11): Est placitum superis tunc haec in gaudia mundi

rückwärts gelesen folgender Pentameter:

Mundi gaudia in haec tunc superis placitum est. Natürlich musste der Dichter bei solchen Spielereien den Leser eigens aufmerksam machen, d. h. eine Gebrauchsanweisung beilegen, wie dies bei Gedicht 13, 15 und 25 in prosaischer Form geschehen. Bei den architektonischen Produkten mussten durch Mennig die Künsteleien veranschaulicht werden; doch werden sie hie und da auch im Text1) angedeutet. Doch genug von den Seltsamkeiten. Verwunderlich ist es nur, dass ein Mann so unendlichen Fleiss auf solche Abgeschmacktheiten und Nichtigkeiten verwenden konnte; noch verwunderlicher aber ist, dass solche Thorheiten am Hofe beifällige Aufnahme fanden. Was den Inhalt anlangt, so kann derselbe der ganzen Sachlage nach nur ein dürftiger sein. Dem Panegyriker fliesst überdies der Stoff leicht zu. Merkwürdig ist die Mischung des christlichen und heidnischen Elements. Man sieht deutlich, dass die lateinische Poesie ihren Wort- und Phrasenschatz aus der Blütezeit aufgespeichert hatte, von dem der Dichter nicht abweichen.

1) Ged. 16; 17.

konnte. Es zeigen sich daher bei Porfyrius sowohl in der Sprache wie im Metrum nur wenig Spuren seiner Zeit. Selbstverständlich mussten die technischen Schwierigkeiten oft dunkle und geschraubte Ausdrucksweise herbeiführen.

Ueber Porfyrius vgl. Lucian Mueller im Prooemium seiner Ausgabe und dessen Aufsatz in „Nord und Süd“, 1878, Bd. IV p. 84. Weiterhin Burckhardt, Die Zeit Constantins d. Gr., Leipz.2 1880.

Die handschriftliche Ueberlieferung. Massgebend sind folgende Codices: der Bernensis 212 s. IX/X, Eporadiensis 70 s. X, Philippicus 1815 s. X, Vaticanus Reginensis 733 s. X. Vgl. L. Havet, Revue de philol. 1 (1877) p. 282; Götz und Löwe, Leipz. Stud. 1 (1878) p. 377.

Ausgaben. Poemata vetera ed. Pithoeus, Paris 1590 (Leyden 1596); die Ausgabe von Marcus Welser von 1595 (Marci Welseri opuscula, Nürnberg 1682); Migne 19, 391; die neueste Ausgabe ist die von Lucian Müller, Leipzig 1877, wozu zu vgl. Fröhner, Philol. Supplementbd. 5 (1889) p. 74.

2. Rufius Festus Avienus.

785. Die Lehrgedichte des Avienus. In einer Weihinschrift auf die etruskische Göttin Nortia, die wahrscheinlich einem Standbild beigegeben war, stellt sich uns der Dichter vor, den wir nach der Paraphrase des ersten Verses als Rufius1) Festus Avienus bezeichnen müssen. Es besteht kein ernstlicher Grund, an der Identität des didaktischen Dichters mit dem der Inschrift zu rütteln. Aus dieser Inschrift ersehen wir, dass Avien sein Geschlecht auf den Stoiker C. Musonius Rufus zurückführt. Wir hören, dass seine Heimat Volsinii in Etrurien ist, woher auch der genannte Stoiker stammt, und begreifen es demnach, dass er ein Verehrer der etruskischen Schicksalsgöttin Nortia war. Wir lesen ferner, dass sein Wohnort Rom war, und dass er auch in der Staatslaufbahn auf eine hohe Sprosse stieg, indem er zweimal das Prokonsulat erlangte. Ueber sein Privatleben vernehmen wir, dass ihm ein reicher Kindersegen beschieden war. Einer seiner Söhne, Placidus, fügte der hexametrischen Inschrift des Vaters nach dessen Tode zwei Distichen hinzu, worin er verkündet, dass Juppiter dem Vater eine freundliche Aufnahme gewähren und dass ihm der Chor der Götter die Rechte entgegenstrecken werde.

Von den Werken des Dichters scheint die Aratübersetzung das berühmteste gewesen zu sein; wir schliessen dies daraus, dass Hieronymus diese Uebersetzung erwähnt, ferner daraus, dass sein Sohn Placidus in seinen Distichen das genannte Gedicht des Vaters verwertet hat. Es war keine leichte Aufgabe, die Avien zu lösen hatte, als er sich zur Bearbeitung Arats2) entschloss. Es lagen bereits zwei Uebersetzungen der römischen Welt vor, die Ciceros (§ 176) und die des Germanicus (§ 363). Von dem Jugendwerk des Kaisers Gordian (238--244), der ebenfalls den Arat ins Lateinische übertragen hatte, wollen wir dabei ganz absehen, 3) Von seinen Vorgängern musste sich also Avien, wenn er bei dem Publikum Anklang

1) Vgl. Mommsen, Hermes 16 (1881) p. 605 Anm. 1.

2) Ueber denselben vgl. die Litteratur zu § 363 p. 18.

3) Hist. Aug. Gordian. 3, 2 (II p. 31 Peter) adulescens cum esset Gordianus .... poemata

scripsit, quae omnia extant, et quidem cuncta illa quae Cicero, id est Marium et Aratum et Halcyonas et Uxorium et Nilum. quae quidem ad hoc scripsit, ut Ciceronis poemata nimis antiqua viderentur.

finden wollte, irgendwie abheben; er wählte das Mittel der Erweiterung, wodurch am leichtesten sein Werk einen gewissen originellen Zug erhalten konnte. Seine Uebertragung gewann dadurch einen um das Doppelte grösseren Umfang; denn über 700 Verse konnte der Uebersetzer als sein Eigentum bezeichnen. Den Stoff, den er zu seinen Erweiterungen brauchte, fand er in nächster Nähe; die Handschrift des griechischen Dichters war nämlich mit reichen Scholien ausgestattet, die nur der Einfügung in die Uebertragung harrten.

Als Avien an der Hand Arats die Sternenwelt dichterisch bearbeitet hatte, fasste er den Plan, auch die Erde dem Leser in poetischem Gewande vorzuführen. Eigenes wollte er auch hier nicht geben. Wiederum griff er zu einer griechischen Vorlage, zu der in hexametrischen Versen geschriebenen Periegese des Dionysius. Dieser Dichter war ein Alexandriner und lebte zur Zeit Hadrians. In versteckten Akrosticha seines Gedichtes hat er selbst diese beiden Thatsachen verzeichnet. Dieses Gedicht nahm also der Römer vor und bearbeitete es in freier Weise. Vergleichen wir den Umfang des Originals und der Uebersetzung, so enthält die Uebersetzung über 200 Hexameter mehr als das Original; doch schliesst er sich an Dionysius enger an als an Arat. Ein starkes geographisches Interesse drängte den Avien nicht zu dem Werke; er wollte nur seine dichterische Kraft bethätigen, der Stoff ist ihm dabei ziemlich gleichgültig. Was ihm nicht passend erscheint, lässt er weg; an anderen Orten fügt er wieder Eigenes hinzu, kurz er schaltet frei mit dem Original, und fast möchte man glauben, dass er den Schein erwecken wollte, sein Gedicht sei eine selbständige Arbeit. Den Verfasser des Originals nennt er in seiner Uebersetzung niemals, erst in dem auf die Periegese folgenden Gedichte, der ora maritima, erscheint der Name des Dionysius. Auch Priscian hat, wie wir später sehen werden, die Periegese des Dionysius bearbeitet; allein er verfolgt ein anderes Ziel als Avien, da er ein geographisches Schulbuch geben will.

An die Descriptio orbis schloss Avien eine Küstenbeschreibung, ora maritima. Sie begann ursprünglich mit Britannien und schloss mit den Küsten des Pontus Euxinus. Allein von diesem Werk ist uns nur der erste Teil in 713 Versen erhalten, der von Britannien an den Küsten Galliens und Spaniens entlang bis zur Südküste Frankreichs reicht und mit Massilia abbricht. Das Werk ist in jambischen Senaren geschrieben. Da Avien in den beiden vorausgegangenen Stücken den Hexameter im Anschluss an sein Original gebrauchte, wird man auch die Wahl des Jambus mit dem Original in Verbindung bringen müssen, d. h. seine Vorlage wird schon in jambischen Senaren abgefasst gewesen sein. Die Annahme, dass Avien erst seinen Stoff aus verschiedenen Werken zusammensuchte, muss gänzlich abgewiesen werden. Obwohl der Dichter bei der Erwähnung von Gades sich auf Autopsie beruft, so ist er doch keineswegs als Geograph anzusehen; er ist nichts als ein Uebersetzer, und die geographischen Blössen, die er sich gibt, bekunden dies nur zu sehr.1)

1) Vgl. F. Marx, Rhein. Mus. 50 (1895) p. 327.

« PoprzedniaDalej »