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Einleitung.

776. Heidentum und Christentum. Durch das Mailänder Toleranzedikt des Jahres 313 war das Christentum der offiziellen Staatsreligion als gleichberechtigt an die Seite gestellt worden. Die Tragweite dieses Dokuments war eine ungeheuere, da der römische Staat es aufgab, sich mit dem Kultus, auf dem er ruhte, weiterhin zu identifizieren. Zwar verschwand dieser nicht plötzlich, allein sein Untergang war besiegelt, die Verbindung des römischen Imperium mit dem Christentum nur noch eine Aufgabe der nächsten Zeit. Schon bei Constantin (324-337) bricht diese Idee durch; denn dadurch, dass er sich in die Streitigkeiten der Christen einmischte und ihre Schlichtung herbeiführte, betrachtete er das Christentum als eine Staatssache. Stückweise bröckelte das Heidentum ab, die Parität war nur ein Schein, das Christentum wurde immer mehr ein lebendiger Faktor im römischen Staatsleben. Während Constantin eine direkt aggressive Haltung gegen die nationale Religion im allgemeinen vermied und auf die Selbstzersetzung des Heidentums rechnete, verfolgten seine Nachfolger Constans und Constantius (337-361) eine Religionspolitik, welche den heidnischen Kultus gänzlich beseitigen sollte. Eine Reaktion trat unter Julian (361–363) ein. Obwohl in der christlichen Religion unterrichtet, hatte er doch niemals ein inneres Verhältnis zum Christentum gewonnen, sein Geist lebte in der hellenischen Welt und in der neuplatonischen Philosophie, und als der Druck der äusseren Verhältnisse von ihm genommen war, legte er Hand ans Werk und suchte das ihm unsympathische Christentum aus dem römischen Staate auszumerzen. Mit rohem Zwang wollte er im grossen Ganzen nichts zu thun haben;1) die Christenverfolgungen hatten das System der brutalen Gewalt für alle Zeiten verurteilt. Die Mittel der Ueberzeugung und der Ueberredung erschienen ihm zunächst der geeignetste Weg zu sein, das grosse Werk durchzuführen; so schrieb er ein Buch gegen die Christen, in dem er die Verkehrtheit der neuen Religion darzuthun suchte. Allein auch stärkere Mittel verschmähte er nicht; mit scharfem Blicke erkannte er, dass der

1) Eutrop. 10, 16, 3 religionis Christianae insectator, perinde tamen, ut cruore abstineret. Hieronym. z. J. 2378 = 361 (2 p. 196 Sch.) Juliano ad idolorum cultum converso blanda

Handbuch der klass. Altertumswissenschaft, VIII, 4.

persecutio fuit inliciens magis quam impellens ad sacrificandum, in qua multi ex nostris voluntate propria conruerunt.

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Hebel bei der Schule einzusetzen sei und jede Christianisierung verhütet werden müsse. Er gab daher im Jahre 362 ein Gesetz, durch welches er die Anstellung der öffentlichen Lehrer in seine Hand nahm. 1) Diese Massregel bedeutete nichts anderes als den Ausschluss der christlichen Grammatiker und Rhetoren von der Schule. Dass er auch die Christen aus den andern öffentlichen Aemtern hinausdrängte, ist nicht verwunderlich. Mehr zu tadeln ist, dass er durch Zurückberufung der verbannten Bischöfe die Streitigkeiten in den christlichen Gemeinden wieder anfachte, um damit dem neuen Glauben Abbruch zu thun. Mit der Zurückdrängung des Christentums ging Hand in Hand das eifrige Bestreben des Kaisers, das Heidentum zu erneuern und ihm frische Lebenssäfte zuzuführen. Die Kulthandlungen wurden prunkvoll gestaltet, um eine Anziehungskraft auf die Menge auszuüben. Das innere Wesen des hellenischen Götterglaubens sollte mit Hilfe der neuplatonischen Philosophie gekräftigt werden; selbst christliche Einrichtungen und Sitten verschmähte Julian nicht, wenn sie geeignet waren, den alten nationalen Kultus zu stärken und zu heben. Allein so rein und edel auch die Absichten des merkwürdigen Mannes waren: den Pulsschlag der Zeit fühlte er nicht; auch wenn seine Regierung länger gedauert hätte, würde sein Unternehmen doch fehlgeschlagen sein. Die Rolle des Heidentums war ausgespielt, dem Christentum allein gehörte die Zukunft.

Auf Julian folgte wieder ein christlicher Kaiser, Jovian (363-364); der Reaktion des Heidentums gegen das Christentum war damit ein Ende gemacht, das Christentum wurde wieder in den Vordergrund gestellt, das Heidentum aber schonend behandelt. Diese Politik, die Toleranz, befolgten auch die Kaiser Valentinian (364-375) und Valens (364-378), die ebenfalls beide Christen waren, der erste nicänischen, der zweite arianischen Bekenntnisses. Freilich ganz streng wurde die Toleranz nicht durchgeführt; so hören wir, um nur ein Beispiel anzuführen, von dem Verbot aller Opfer mit Ausnahme der Rauchopfer. 2) Allein im grossen Ganzen waren die Herrscher der Ansicht, dass man den nationalen Kultus ruhig dahinsiechen lassen könne; sogar ein gewisser Indifferentismus tritt zu Tage. 3) Die Christianisierung des römischen Staates machte weitere Fortschritte unter dem Sohne Valentinians, dem Kaiser Gratian (367-383). Der christliche Glaube wirkte in ihm als lebendige Kraft und zwar in einem Grade, dass die Toleranz dabei unmöglich wurde. Neben der

1) Cod. Theodos. 13, 3, 5 magistros studiorum doctoresque excellere oportet moribus primum, deinde facundia; sed, quia singulis civitatibus adesse ipse non possum, iubeo, quique docere vult, non repente nec temere prosiliat in hoc munus, sed iudicio ordinis probatus decretum curialium mereatur, optimorum conspirante consensu; hoc enim decretum ad me tractandum referetur, ut altiore quodam honore nostro iudicio studiis ciritatum accedat. Vgl. dazu Amm. Marc. 22, 10, 7 illud autem erat inclemens, obruendum perenni silentio, quod arcebat docere magi

stros rhetoricos et grammaticos ritus christiani cultores.

2) Liban. in der Rede für die Tempel 1 p. 163 (τὸ θύειν) ἐκωλύθη παρὰ τοῖν ἀδελ φοῖν, ἀλλ' οὐ τὸ λιβανωτόν.

3) Amm. Marc. 30, 9, 5 inclaruit (Valentinianus) quod inter religionum diversitates medius stetit nec quemquam inquietavit neque, ut hoc coleretur, imperàvit aut illud: nec interdictis minacibus subiectorum cervicem ad id, quod ipse coluit, inclinabat, sed intemeratas reliquit has partes ut repperit.

katholischen Kirche sollte keine andere christliche Sekte bestehen, und wie einst die heidnischen Kaiser gegen die Christen vorgingen, so ging ein christlicher Kaiser gegen andersgesinnte Christen vor. Weniger Strenge erforderte der Kampf gegen das Heidentum, seine Kraft war schon zu gebrochen, es erschien dem christlichen Imperium nicht mehr sonderlich gefährlich. Ohne Bedenken konnte der Kaiser es wagen, aus den Attributen der kaiserlichen Gewalt die Würde des pontifex maximus auszuscheiden. Noch einmal flammte die Liebe zum alten nationalen Kultus auf, als der Altar der Victoria aus der Kurie entfernt wurde; damit war ein durch die Zeiten geheiligtes Symbol der ehrwürdigen Roma vernichtet worden. Die vornehmen Männer des alten Glaubens bäumten sich auf, und es spielte sich der Kampf, als Gratian im Jahre 383 ermordet war, in die Regierung Valentinians II. (375-392) hinüber. Symmachus war es, der seine berühmte Bittschrift an den kaiserlichen Hof richtete; es ist der letzte würdige Notschrei, den das niedergeworfene Heidentum pochend auf seine grosse Vergangenheit zu erheben wagte. Aber auch die Stimme des Christentums liess sich in diesem Streit vernehmen; der grosse Ambrosius richtete zwei Streitschriften gegen Symmachus und führte mit Meisterschaft die Sache des Christentums. So sehen wir das grossartige Schauspiel eines Kampfes, in dem sich zwei Weltanschauungen begegnen. Auch an einem Nachspiel fehlte es dem Kampfe nicht; sobald sich nur irgend eine günstige Gelegenheit einstellte, erhob die heidnische Partei in Rom die Forderung, dass der Altar der Victoria in der Kurie wiederhergestellt werde. Am günstigsten stand ihre Sache unter dem Usurpator Eugenius (392-394), den der mächtige germanische General Arbogastes nach Hinmordung Valentinians II. (15. Mai 392) auf den Thron erhoben hatte. Eugenius, obwohl Christ, glaubte, durch ein freundliches Verhältnis zu hervorragenden heidnischen Männern seinen schwachen Thron zu stützen; allein der 5. September des Jahres 394 machte auf dem Schlachtfelde von Aquileja seiner Herrschaft und seinem Leben ein Ende. Damit war der Traum der nationalen Partei verflogen; der Alleinherrscher des grossen Reiches, Theodosius der Grosse (379-395), liess über seine Religionspolitik keinen Zweifel aufkommen. Er bekämpfte den Götterglauben durch energische Massregeln 1) und warf das Heidentum völlig zu Boden; auf der anderen Seite hob er die Kirche dadurch, dass er durch sein Vorgehen gegen die Arianer die Einheit der katholischen Kirche erhielt und ihr aus. dem Heidentum stets wachsenden neuen Zugang verschaffte. Die Zersetzung des Heidentums machte seitdem von Tag zu Tag grössere Fortschritte, und dasselbe wurde schliesslich in die Diaspora gedrängt. Auf dem Lande fristete es da und dort noch ein kümmerliches Leben; die in der Kirche erwachende Missionsthätigkeit suchte auch hier aufzuräumen. In der Folgezeit schien noch hie und da ein Hoffnungsstern im Heidentum aufzuleuchten; so stützten sich die Usurpatoren gern auf die heidnischen

1) In der Verordnung von 391 (Cod. Theodos. 16, 10, 10) heisst es: nemo se hostiis polluat, nemo insontem victimam caedat, nemo delubra adeat, templa perlustret, et

mortali opere formata simulacra suspiciat. Es folgen dann die Strafbestimmungen. Noch schärfer ist die Verordnung vom 10. November 392 (Cod. Theodos. 16, 10, 12).

Elemente. Der Empörer Gildo in Afrika bedrückte die Kirche; auch der von Alarich im Jahre 409 auf den Thron erhobene Attalus weckte die Hoffnung der heidnischen Partei in Rom. Allein das waren vorübergehende Erscheinungen, die Kraft des Heidentums war für immer gebrochen. In den beiden Hälften des Reichs, im Ostreich unter Arcadius, im Westreich unter Honorius, hat die Staatsgewalt den nationalen Kultus aus dem öffentlichen Leben ausgeschieden und schliesslich denselben nicht einmal im Privatleben geduldet. Von den hieher gehörigen Gesetzen sei nur eines vom Jahre 408, ein anderes von 416 erwähnt. Durch das in Rom erlassene Gesetz von 408 werden die Einkünfte der Tempel eingezogen und dem allgemeinen Unterstützungsfonds überwiesen. Damit wird der nationale Kultus als öffentliche Institution unmöglich gemacht. Die Tempelgebäude werden als Staatseigentum erklärt, Altäre und Götterbilder sollen beseitigt werden; Festmahlzeiten mit heidnischen Riten sind verboten. Was aber für das Edikt besonders charakteristisch ist, liegt darin, dass die Bischöfe bei Zuwiderhandlungen gegen das Gesetz eingreifen können und dass säumige Richter mit Strafe belegt werden. 1) Das zweite unter Theodosius II. veröffentlichte Gesetz untersagt die Zulassung der Heiden zum Militär-, Verwaltungs- und Justizdienst.) Durch diese Verordnung ist der höchste Grad der Intoleranz erreicht, die Göttergläubigen sind jetzt zu Staatsbürgern zweiter Klasse degradiert; nicht mehr eine strafbare Handlung, sondern eine Gesinnung wird durch das Gesetz getroffen. Jetzt musste der Abbröckelungsprozess des Heidentums rasch dem Ende zueilen. Im Osten des Reiches vollzog er sich im allgemeinen leichter als im Westen; die hereinbrechende Flut der germanischen Völker trug auch das Ihrige zur Ausrottung des Heidentums bei, da die römische Vergangenheit und damit der römische Nationalkultus ihnen fremd war. Charakteristisch ist es, dass die gesetzgeberische Gewalt jetzt manchmal nötig hatte, die Heiden gegen die Christen zu schützen. Gab es auch noch einzelne heidnisch gesinnte Leute, das Heidentum zählte nicht mehr als Faktor des Staatslebens; immer mehr ging die Regierungspolitik dahin, den katholischen Glauben als den alleinigen zu dulden und die ketzerischen und die heidnischen Elemente auszusondern. Klar und deutlich liegt dies in der justinianischen Gesetzgebung vor. Mit der Intoleranz gegen das Christentum hatte das römische Imperium begonnen, mit der Intoleranz gegen das Ketzer- und Heidentum hat es geschlossen.

Litteratur. Lasaulx, Der Untergang des Hellenismus und die Einziehung seiner Tempelgüter durch die christlichen Kaiser, München 1854; Richter, Das weström. Reich unter den Kaisern Gratian, Valentinian II. und Maximus, Berl. 1865; F. Chr. Baur, Die christliche Kirche vom Anfang des 4. bis zum Ende des 6. Jahrhunderts, Tübingen2 1863; V. Schultze, Gesch. des Untergangs des griechisch-römischen Heidentums, 1. Bd. (Staat und Kirche im Kampfe mit dem Heidentum), Jena 1887; 2. Bd. (Die Ausgänge), Jena 1892; G. Boissier, La fin du Paganisme, 2 Bde., Paris 1891; Ebert, Allgem. Gesch. der Litt. des Mittelalters 12 (Leipzig 1889) p. 105; Arneth, Das klassische Heidentum und die christliche Religion, 2 Bde., Wien 1895. Ueber eine Festordnung von Campanien aus d. J. 387 vgl. Mommsen, Epigraphische Analekten (Ber. über die Verh. der sächs. Ges. der Wissensch. 1850 p. 69); Voigt, Drei epigraphische Konstitutionen Constantins des Gr., Leipz. 1860, p. 35.

1) Cod. Theodos. 16, 10, 19.

2) Cod. Theodos. 16, 10, 21 qui profano pagani ritus errore seu crimine polluuntur,

hoc est gentiles, nec ad militiam admittantur nec administratoris vel iudicis honore decorentur.

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