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BEITRÄGE zur TEXTESKRITIK

DES

CORNELIUS NEPOS

VON

GEORG OSTHELDER,

k. Studienlehrer.

PROGRAMM

DER

K. STUDIENANSTALT KAISERSLAUTERN

FÜR

DAS SCHULJAHR 1878 79.

KAISERSLAUTERN.

BUCHDRUCKEREI von J. KAYSER,

1879.

Lav 4.384

JUN 241884

I.

Alc. 2, 1. Educatus est in domo Pericli (privignus enim eius fuisse dicitur), eruditus a Socrate. Socerum habuit Hipponicum, omnium Graeca lingua loquentium ditissimum, ut, si ipse fingere vellet, neque plura bona eminisci*) neque majora posset consequi, quam vel natura vel fortuna tribuerat.

Die Handschriften haben neque plura bona reminisci, was jedenfalls verderbt ist, da mit dem Begriff „sich erinnern" - und in anderer Bedeutung kommt reminisci nicht vor hier nicht auszukommen ist. Heusinger brachte zuerst dafür eminisci in Vorschlag, das auch von den meisten Herausgebern gebilligt und von Halm in den Text aufgenommen wurde. Nipperdey jedoch zieht statt des nur in den Glossen der späteren römischen Zeit vorkommenden eminisci das gebräuchlichere comminisci vor.

Doch erregt die Stelle auch so noch Bedenken. Nachdem durch den vorausgehenden Bedingungssatz (si ipse fingere vellet) der Begriff des Ausdenkens bereits gegeben ist, kann ich mir eine Gegenüberstellung von eminisci (oder auch comminisci) und consequi nicht recht denken. Wenn, wie hier, zwei Begriffe einander entgegengestellt werden, so müssen sie doch irgend welche Berührungspunkte zusammen haben, müssen auf gemeinsamem Boden stehen und die Grenzen dieses Bodens, innerhalb deren der Gegensatz sich bewegen darf, sind durch das vorausgehende fingere bereits angedeutet, damit ihre Aehnlichkeit oder Verschiedenartigkeit auch wirklich hervortreten kann. Aber welche Beziehung haben eminisci und consequi zu einander? Selbst im Deutschen, wo man viel weniger Gewicht darauf legt, die einzelnen Ausdrücke zu treffender Parallele zuzuspitzen, fällt doch sofort das Schiefe einer derartigen

*) Den angezogenen Stellen aus Cornelius Nepos ist der Text der kritischen Ausgabe von Halm zu Grunde gelegt.

zu

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Gegenüberstellung in die Augen: Wenn es auch seiner Einbildungskraft selber anheimgegeben wäre, sich sein Glück zu gestalten, er hätte weder mehr Gaben des Glückes ausfindig machen, noch grössere erlangen können, als ihm das Leben wirklich gewährte." Was hier verfehlt ist, ist leicht zu merken. Man kann zwar sagen: Wenn er sich selber die Gaben des Glücks hätte auswählen wollen, er hätte nicht mehr noch grössere ausfindig machen können." Und wiederum kann man ebenso gut sagen: „Wenn er sich selber die Gaben des Glückes hätte auswählen wollen, er hätte nicht mehr noch grössere erlangen können." Aber nimmermehr kann man beide Verba gegenseitiger Gegenüberstellung verbinden und sagen: Wenn er sich selber die Gaben des Glücks hätte auswählen wollen, er hätte weder mehr ausfindig machen, noch grössere erlangen können. Entweder musste, wenn der Autor den 2 Objecten (plura bona und majora) entsprechend auch 2 Prädikate anwenden wollte, auch zum zweiten neque ein Verbum treten, das mit eminisci verwandt ist, wie z. B. cogitatione assequi, d. i. sich vorstellen (welcher Begriff in consequi selbstverständlich nicht liegen kann), oder es musste beim ersten neque an Stelle des eminisci ein Verbum gewählt werden, das zu consequi in geeignete Parallele tritt. Denn entweder versetzt sich der Schriftsteller bei beiden Sätzen mit neque in die Zeit, da er das Glück in Gedanken bestimmt (fingit), oder in die Zeit, in der seine eigenen Gedanken zur Wirklichkeit werden, in der er die ausgedachten Gaben des Glückes empfängt. Ein Drittes aber gibt es nicht, wenn nicht die Concinnität der gegenübergestellten Glieder verletzt werden soll.

Man mag vielleicht sagen: eminisci passt mehr zur Zahl der Glücksgüter (plura bona), consequi mehr zur Grösse (majora). Denn die Anzahl der Güter, die dem Menschen erreichbar sind, findet ihre letzte Grenze in der Phantasie selber (eminisci), insofern man keine weiteren aussinnen oder mehr überhaupt sich nicht denken kann. Dagegen bezüglich der Grösse der Glücksgüter (z. B. der Grösse des Reichthums) gibt es für die Phantasie überhaupt kein Ende: hier muss also die Grenze in den Schranken irdischer Möglichkeit (consequi) gesucht werden.

Es scheint mir das die einzig mögliche Erklärung zu sein,

durch die sich eine Gegenüberstellung von eminisci und consequi zur Noth noch rechtfertigen liesse.

jedenfalls gesuchte -

Wenn man aber auch gegen die Erklärung selber nichts ein wenden wollte, so ist doch nicht zu verkennen, dass dieser Gedanke durch die Worte obigen Textes äusserst ungeschickt ausgedrückt wäre. So wie der Satz einmal lautet, muss ja der Begriff des „Aussinnens" aus dem vorausgehenden Bedingungssatz (si fingere vellet) zu beiden Sätzen mit neque nothwendig hinzugedacht werden. Wenn aber consequi im zweiten dem eminisci im ersten disjunctiven Gliede wirksam entgegengestellt sein soll, so müsste doch der Begriff eminisci im zweiten Glied mit neque mehr oder minder ausgeschlossen sein. Oder mit anderen Worten, wenn für die Grösse der Glücksgüter die letzte Grenze in den Schranken irdischer Möglichkeit liegt, so kann sie nicht in der Phantasie liegen. Wie kann aber bei der Grösse der Güter (neque majora posset consequi) der Begriff des „Aussinnens" oder der „Phantasie" ausgeschlossen sein, da er doch schon grammatisch aus dem vorausgehenden fingere (das mit eminisci ziemlich gleichbedeutend ist *) nothwendig ergänzt werden muss. Und wiederum, was bedurfte es beim ersten Glied im Gegensatz zum zweiten der nochmaligen Wiederholung des Begriffes „Aussinnen"? War es angezeigt, diesen Begriff noch besonders zu urgiren, da ja gewiss Alcibiades, wenn es denn doch gegolten hätte, auch manche sich hätte aussinnen können, die ihm keine Wirklichkeit oder irdische Möglichkeit bieten konnte?

Hier kommt nun vor Allem der folgende Vergleichungssatz mit quam in Betracht. Schon die äusserlich scharfe Gegenüberstellung der beiden vel im Vergleichungssatz und der beiden neque im hypothetischen Folgerungssatz macht es wahrscheinlich, dass der erste Begriff mit vel (vel natura) auf den Inhalt des crsten Satzes mit neque, der zweite Begriff mit vel (vel fortuna) auf den Inhalt des zweiten Satzes mit neque sich zurückbezieht. Für diese Annahme spricht auch die Bedeutung des Wortes consequi. Denn consequi heisst etwas erlangen, was man sich wünscht oder erstrebt, mag man nun in den Besitz desselben durch die Hilfe des Glückes gelangen oder durch eigene Thätigkeit. **) *) cf. Doederlein, lat. Synonyme, 5. Thl. p. 200. **) cf. Doederlein. lat. Synonyme, 3. Thl. p. 148.

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