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Kirche bereits gewöhnt, ihre vormalige Polemik gleichfalls allmälig vergessen hatten, stellt sich uns neben dem Hervortreten des Naturalismus jener wunderliche Rococogeschmack dar. Man war in Frankreich zwar dem bei weitem überwiegenden Theil der Nation nach, der katholischen Kirche treu geblieben; aber auch hier war in den höheren Kreisen der Gesellschaft das mittelalterliche Leben in und mit dem Heiligen gewichen, und um die dadurch entstandene Lücke wieder auszufüllen, hatte man die abhanden gekommenen Heiligen durch jene franzöftrten Götter und Göttinnen des heidnischen Olymps zu ersehen gesucht. Die innere Unwahrheit, welche das hohle und theatralische Prunkwesen jenes Zeitalters charakteristrt, hatte, indem man sich über die eine Lüge mit einer zweiten täuschen wollte, jene Vorliebe, sich in die Zustände eines idyllischen Schäferlebens hineinzuträumen, zur Folge gehabt. Die Nacktheit der Frivolität sollte mit der Nacktheit der Unschuld entschuldigt werden, ja wo möglich dafür gelten. Künstler dagegen, die sich bei ihrem natürlich fräftigen Sinn mit den lügnerischen Gestalten einer theatralischen Schäferund Unschuldswelt nicht befreunden konnten, hatten sich lieber in die Dorfschenken, und in die Kreise des derben Landvolks geflüchtet, um hier, wenn auch keine Daphnis und Phyllis, keinen Damon und Menalcas, wie sie bei den Hoffesten figurirten, so doch wenigstens natürliche und mit keinem Theaterprunk gleißende Gestalten zu finden. Andere hatten fich andern Theilen der Genremalerei, der Landschafts-, Thier- oder Blumenmalerei oder der Darstellung von Frühstücksbildern oder sogenannten Stilleben zugewendet, und nur bei Wenigen tritt, wie bei Hogarth, eine moralische Tendenz hervor, durch welche ihre Bilder eine nähere Beziehung zu dem religiösen Leben erhielten.

Die Malerei ging somit, indem sie sich mehr und mehr von dem Inhalt des kirchlichen und christlichen Leben entfernte und der Darstellung weltlicher Gegenstände zuwandte, Hand in Hand mit der Entwickelung auf dem theologischen und kirchlichen Gebiet. Der Rationalismus, wie er sich in den Zeiten der Aufklärungssucht darstellte, war in dogmatischer Hinsicht genau genommen nichts anderes, als eine Rückkehr zu der Orthodorie des alten Judenthums. Wie damals der Hohepriester, so ergrimmte auch hier der Rationalist im Herzen, wenn er Chriftum den Sohn des lebendigen Gottes nennen hörte. Streng und starr, wie nur der orthodoreste Jude, hielt er an dem Jüdischen Monotheismus fest, und vom Christenthum ließ er genau nur soviel gelten, als sich auch jener ganz wohl gefallen lassen konnte. Daher ist es kaum als ein bloß zufälliges Zusammentreffen anzusehen, wenn er auch in Beziehung auf kirchliche Bilder und Bilderwerke dem Juden in seiner Abneigung glich, und die Werke der mittelalterlichen christlichen Kunst, in

denen er nur traurige Denkmäler der finstersten Barbarei und des crassesten Aberglaubens sah, am liebsten zerstörte und vernichtete.

Bekanntlich war es gegen Ende des vorigen und zu Anfang des gegenwärtigen Jahrhunderts, da dieser Rationalismus, der sich für die allein wahre Religion aufgeklärter und denkender Freunde einer vernünftigen Gottesverehrung und für den wahren und echten Protestantismus ausgab, in den Kreisen der Vornehmeren und Gebildeteren fast ausschließlich dominirte, also eben die Zeit, da es bei den nach Italien kommenden deutschen Künstlern fast herkömmlich geworden war, zur katholischen Kirche überzugehen. Man hat dies gewöhnlich als eine Verirrung bezeichnet, die aus einer krankhaft erregten Künstlerphantaste abzuleiten sei, und die Schuld meist auf die mystisch-katholistrende Richtung einiger Dichter und Schriftsteller fener Zeit geschoben. Aber damit ist die Erklärung nicht gegeben, sondern nur weiter hinausgeschoben. Denn woher, muß man wiederum fragen, die mystisch-katholistrende Richtung jener Schriftsteller?

Beide Erscheinungen des katholisirenden Mysticismus, der artistische wie der politische, sind vielmehr aus dem Widerwillen gegen die Trockenheit und Nüchternheit des Rationalismus hervorgegangen. Dieser hatte damals nicht bloß in der Theologie, sondern auch in dem kirchlichen Gottesdienst und der religiösen Praxis der Protestanten eine solche Geltung erlangt, daß Rationalismus und Protestantismus vollkommen identisch schien. Man bekannte sich entweder als Protestant zur Evangelischen Kirche, und gehörte dann unweigerlich jener eisigen Zone an, in der die zarter fühlenden Herzen erfroren und die Blüthen christlicher Andacht und Innigkeit erstarben, oder man wollte aus ihr erlöft sein, und dann schien kein anderes Mittel übrig, als der Uebertritt zur Römisch-katholischen Kirche.

Es war dies in doppelter Hinsicht ein Irrthum. Die Maler lernten auf der einen Seite durch ihren Confessionswechsel um nichts besser, seelenvoller und inniger malen, und auf der andern war das, was ste aus der Evangelischen Kirche fortscheuchte, ein Element, das gar nicht in sie hineingehörte. Aber es hatte nun einmal in ihr Plaß gegriffen. Den Fremdling, den sie hätte abweisen sollen, hatte sie nicht nur geduldet, sondern selbst Herr im Hause werden lassen, und es ist ja wohl öfter vorgekommen, daß der Sohn vom Hause seinen Plag räumte, wenn ein ihm aufgedrungner Stiefvater das Regiment übernahm und in dem Hauswesen alles änderte und das Oberste zu unterst kehrte.

Das Regiment dieses Fremdlings ist gegenwärtig ziemlich zu. Ende, und nicht bloß auf dem Gebiet der Wissenschaft und des praktischen Lebens, auch auf dem der Kunst hat sich ein christlicherer Sinn geltend gemacht. Die Kunstwerke des christlichen Mittelalters, früher vom Ratio

nalismus als Producte des crassesten papistischen Aberglaubens verschrieen, später von einem alterthümelnden Mysticismus überschäßt, finden in neuerer Zeit eine immer gerechtere Würdigung als Denkmäler des christlichen Lebens jener alten Zeit und als hochwichtige Zeugnisse für die Entwickelungsgeschichte nicht bloß der künstlerischen, sondern auch der theologischen Bildung. Es gilt nicht mehr für ein Merkmal höherer Geistesbildung, fte zu bespötteln oder mit vornehmer Geringschägung zu ignoriren; vielmehr fühlt man immer allgemeiner das Bedürfniß, wiederum genauer und besser verstehen zu lernen, was uns in den Bildwerken der Kirchen aus älterer Zeit so vielfach vor die Augen tritt, und ist dies der Fall, so bedarf die nachfolgende Darstellung in Beziehung auf die Wahl des Gegenstandes wohl kaum einer Entschuldigung. Ueber den historischen Entwickelungsgang der bildenden Künste überhaupt und der Malerei insbesondere und über die theoretischen Grundsäge, durch welche der Künstler bei der äußeren Darstellung seiner geistigen Anschauungen sich leiten lassen muß, findet derjenige, welcher neben dem eigenen Studium der Kunstwerke aus den verschiedenen Zeitaltern, auch Bücher zu Rathe ziehen will, in den bekannten und zum Theil ganz meisterhaften Schriften über diesen Gegenstand genügende Belehrung. Aber des nahen Wechselverhältnisses, in welchem der Künstler durch seiye Kunst zur theologischen Wissenschaft und zur Kirche steht, wird in der Regel nur im Vorübergehen gedacht, und doch darf er mit Recht darauf Anspruch machen, daß auch dieses gebührend anerkannt und gewürdigt wird. Gesteht er mit dankbarer Anerkennung ein, welche Verdienste sich die Kirche durch ihren Schuß und ihre Pflege um seine Kunst erworben hat, dann darf auch sie den Einfluß nicht verleugnen oder ignoriren, den die Leistungen dieser Kunst auf den Entwickelungsgang der theologischen Wissenschaft gehabt hat; und je klarer beide Theile sich ihres engen Verbandes und Wechselverhältnisses bewußt werden, desto leichter werden sie sich zu einem gemeinschaftlichen Wirken vereinigen und desto eher zwischen dem im Protestantismus hin und wieder geltend gemachten einseitig spiritualistischen Element des Judaismus und dem im Katholicismus oft vorherrschend gewordenen einseitig sinnlichen (ästhetischen) Element des Heidenthums die rechte Mitte finden, welche das Wesen des Christenthums ausmacht, das auch in dieser Beziehung das Wort von der Versöhnung vredigt.

I. Der Bilderdienst im Heidenthum.

Lange Zeit hindurch war es die Herrschende Ansicht, daß die ersten

Menschen, nur um Weniges über dem Thiere stehend, nach und nach erst aus dem thierähnlichen Zustand zu einem höheren Geistesleben erwacht und sich ihrer intellectuellen Anlagen und Fähigkeiten bewußt ge= worden wären, und man fand einen eigenen Genuß darin, sich in möglichst umständlicher Weise zu veranschaulichen, wie sie wohl durch die Naturbetrachtung zuerst zu ganz dunkel aufdämmernden Ahnungen und von diesen nach und nach zu deutlicheren Vorstellungen von einem göttlichen Wesen gekommen sein mögen.

Je tiefer man jedoch in neuerer Zeit in die Urgeschichte der ältesten Völker und ihrer geistigen Entwickelung einzudringen versucht und je sorgfältiger man namentlich die frühsten Spuren ihrer religiösen Bildung verfolgt hat, desto weniger hat sich diese Ansicht als die richtige bestätigt, und die Annahme, daß der Fetischismus, in seiner rohesten Gestalt, die ursprüngliche Form und die Grundlage aller nachmaligen Gottesverehrung gewesen sei, darf mit Sicherheit als irrthümlich zurückgewiesen werden. Denn überall stellt sich die ältere, ursprüngliche Form des Gottesdienstes als die reinere, würdigere, die spätere als die ausgeartete dar.

So in Indien, wo der uralte Brahmacultus eine ungleich ehrwürdigere Stelle einnimmt, als der erst weit später neben ihm sich geltend machende Siwacultus. Den Brahmanen war es Sünde, Blut zu vergießen; daher enthielten ste selbst sich alles Fleischgenusses und auch der Gottheit durften nur unblutige Opfer dargebracht werden. Zu einem streng nüchternen und mäßigen Leben verpflichtet, sollte Jeder unablässtg danach ringen, von allen Leidenschaften und unlautern Begierden frei zu werden, um zu jenem ungestörten Frieden des Herzens zu gelangen, der zur stillen Andacht und Betrachtung des Göttlichen die wesentlich nothwendige Bedingung ist. Die ganze Welt mit Allem, was sie enthält, ist nämlich, wie es in der altindischen Religionsphilosophie dargestellt

wird, nur eine Entfaltung des Bram - Atma, des göttlichen Selbst oder des Ur-Ich. Dieses, vor der Schöpfung schweigsam in sich selbst versunken, sprach zuerst das heilige Schöpferwort aus, in welchem es sich selbst entfaltete und wodurch alle Wesen ins Dasein gerufen wurden. Nur in ihm hat Alles sein wahres Wesen und Leben. Von ihm ist Alles ausgegangen; zu ihm muß Alles zurückkehren und die leßte göttliche Welt ist die, wo Keiner mehr "Ich" sagt. Denn rein ist, wie es in den heiligen Urkunden heißt, nur das Herz, das keinen Willen mehr hat, und die von den Indischen Büßern erstrebte Wiedervereinigung mit Bram durch unmittelbare Intuition oder das vollkommene Erkennen, verlangt gänzliche Verleugnung seiner selbst und willenlose Hingebung an das Ur - Ich.

Wie es nun vier Stufen sind, auf denen sich das menschliche Ich von jenem, dem absoluten göttlichen Ich entfernt hat, so sind es eben diese vier Stufen, auf denen der Mensch in dasselbe zurückkehren muß. Auf der ersten und untersten Stufe nämlich ist er das, seiner Trennung von dem Absoluten sich klar bewußte, persönliche Ich. Auf der zweiten wird er, indem er erkennt, daß es für ihn keine wahre Eristenz geben kann, als nur in dem göttlichen Ich, zu dem Ich im Atma. Auf der dritten wird er, mit seiner Persönlichkeit sich Gott ganz hingebend, obwohl seines individuellen Seins sich immer noch bewußt, zum Ich - Atma, bis endlich auf der vierten und höchsten Stufe die Erinnerung an das individuelle Sein ganz aufhört und er versinkend in dem absoluten Ich zum Bram - Atma wird.

Eine Emanationslehre, wie diese, segt bei der speculativen Tiefe ihres Inhalts und der prägnanten Form, in welcher sich derselbe ausspricht, allerdings einen höheren Grad von philosophischer Durchbildung voraus, als daß man fte für den ersten und ursprünglichen Ausdruck des, seines Verhältniß zur Gottheit sich bewußt werdenden Menschengeistes ansehen könnte. Gleichwohl findet sich schon im frühesten Alterthum als wesentlicher Inhalt der Religionslehre fast überall der Grundgedanke: Von einem göttlichen, reinen Urwesen sind wir ausgegangen; zu ihm müssen wir zurückkehren und die Bedingung der Rückkehr ist die Reinheit des Herzens."

Hierauf beruht die Aegyptische Lehre von der Seelenwanderung, welche eigentlich nur in einer mehr materiellen Weise näher ausführt und in sinnlicheren Bildern veranschaulicht, was die Indische Religionsphilosophie in allgemeineren Zügen und abstracter darstellt. Ebenso be= ruht hierauf die dem Brahmacultus nahe verwandte Apolloreligion, wie sie in der Lehre des Orpheus erscheint. Denn auch in dieser ist der Opferdienst ein durchaus unblutiger, und die vornehmste und heiligste Pflicht aller wahren Apollo-Verehrer ist die, nach jener Ruhe der

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