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lichen Gedanken ausschalten wollte. Auch die Wendung Str. 2, 3: „daß dich fürcht beide, groß und klein", ist nicht sowohl durch den Psalm veranlaßt, der nur den Gedanken ausspricht: „daß man dich fürchte", als vielmehr durch die Vorlage der fünfstrophigen form: deß muß dich fürchten jedermann", wo das „jedermann“ bedingt ist durch die vorangehende Verwendung von Röm. 3, 23.

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Auch darin blickt bei der späteren Form die ältere noch hindurch, daß die mannigfaltigen sonstigen Beziehungen unseres Liedes auf andere biblische Gedankenreihen, die die längere Dichtung bietet, in der kürzeren nicht beseitigt sind; es hätte Luther sonst schließlich ein ganz neues Lied dichten müssen.

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Auffallend schon ist es, daß Luther von den Tiefen" 1) wiedergibt durch aus tiefer Not". Die unter seinem Einfluß stehenden dichterischen Bearbeiter des 130. Psalmes folgen ihm natürlich meistens darin, 2) während z. B. C. Sirutschko3) schreibt: Aus dem Abgrund,

der Höllen Schlund
schrei ich zu dir:
Hör mein Begier.

Eine derartige Übersetzung lag ja Luther nicht fern, wie sich aus der 3. Strophe von „Nun freut euch, lieben Christen gmein" 4) und aus der 3. von „Mitten wir im Leben sind" 5) ergibt. Geht er dieser Auffassung nicht nach, so hat es seinen einfachen Grund darin, daß sich ihm mit dem Anfang des 130. Psalmes der des 120. verband: „Ich rufe zu dem Herrn in meiner Not, und er erhöret mich". Auch die 3. Zeile „Dein gnädig Ohren kehr zu mir“ versteht sich aus Kombination von V. 2. „Ach, daß deine Ohren Acht nehmen wollten") mit Psalm 25, 16 f.: „Wende dich zu mir und sei mir gnädig“.7) Der Abgesang der 1. Strophe,

Denn so du willst das sehen an,
was Sünd und Unrecht ist getan,
wer kann, Herr, vor dir bleiben,

ist nur ganz im allgemeinen bestimmt durch den 3. Vers des

1) Vulgata: de profundis. Übersetzung von 1524: „Aus der Tiefen“. 2) So U. Reißner, Valentin Triller von Gora, Nic. Selnecker, 3. Magdeburg, B. Ringwald, C. Schneegaß; vgl. Wackernagel III Nr. 181; IV Nr. 98. 434. 488. 1381; V, Nr. 189. 3) Wackernagel IV Nr. 625. 4) „Zur Höllen mußt ich finken.“ Mitten in der Höllen Angst aures tuae intendentes.

unsre Sünd uns treiben."

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5)

6) Vulg.: fiant 7) Vulg.: respice in me et miserere mei.

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Psalmes: „So du willst Acht haben auf die Sünde, o mein Gott, o Gott, wer kann dann bestehen".1) Die Begriffe ansehen“ und bleiben“ weisen auf 1. Sam. 17, 6: „Ein Mensch siehet, was vor Augen ist, der Herr aber siehet das Herz an“ und Psalm 5, 5: Du bist nicht ein Gott, dem gottlos Wesen gefällt, wer böse ist, bleibt nicht vor dir". 2) Mit was Sünd und Unrecht ist getan“ spielt aber Luther deutlich auf 1. Joh. 3, 4 an: „Wer Sünde tut, der tut auch Unrecht, und die Sünde ist Unrecht.“ 3) Schon diese Analyse der 1. Strophe von Aus tiefer Not" zeigt, wie wenig dieses Lied im Grunde dem entspricht, was Luther Spalatin gegenüber als die Aufgabe der beabsichtigten Psalmendichtungen darstellte. Möglich, daß er im Gefühl davon nicht bloß die eben besprochene Kontraktion von Strophe 2 und 3 bewerkstelligt hat, sondern auch an Stelle von was Sünd und Unrecht ist getan" in Str. 1, 6, die Beziehung auf 1. Joh. 3, 4 verwischend und dem Wortlaut der Vulgata: si iniquitates observaveris, folgend, gesetzt hat: „wie manche Sünd ich hab getan“.

Auch die zwei Schlußstrophen, die in beiden Rezensionen wörtlich gleich lauten, zeigen bei genauer Untersuchung ganz etwas anderes als eine an den Gedanken des Pfalmes eng sich anschließende poetische Reproduktion. Str. 4,4) 1. 2:

Und ob es währt bis in die Nacht
und wieder an den Morgen,

entspricht allerdings der Übersetzung: „Mein Seel die ist zu Gott wartend von der Morgenwache bis wieder zu der Morgenwache“, 5) kombiniert mit der Vulgata: speravit anima mea in domino a custodia matutina usque ad noctem, wobei Jef. 21, 11 f. zur Deutung der schwierigen Stelle des Originales beigetragen haben mag. Die zwei folgenden Zeilen aber:

doch soll mein Herz an Gottes Macht
verzweifeln nicht noch sorgen,

1) Übersetzung von 1524: So du willst, Herr, Sünde zurechnen, Herr, wer wird bestehen?"

2) Wie sich Luthern Psalm 130, 3 mit Psalm 5, 5 verknüpfte, erkennt man bei Vergleich der Vulgata. Die erste Stelle lautet: si iniquitates observaveris domine, quis sustinebit; die andere: quoniam non deus volens iniquitatem tu es, neque habitabit juxta te malignus.

3) Auch hier ist der Rückgang auf die Vulgata wichtig: omnis, qui facit peccatum, et iniquitatem facit; et peccatum est iniquitas.

4) Jh zitiere nach der längeren Rezension. 5) Übersetzung von 1524: „Meine Seele wartet auf den Herrn von einer Morgenwache bis zur anderen".

liegen ganz außerhalb des Gedankenkreises des Psalmes. Hier klingen die Ideen des Römerbriefes weiter, die in Str. 2 und 3 entfaltet waren. Vgl. was in Röm. 4, 20-22 von Abraham als dem Urbild des rechtfertigenden Glaubens ausgeführt wird: „denn er zweifelt nicht an der Verheißung Gottes durch Unglauben, sondern ward stark im Glauben und gab Gott die Ehre und wußte aufs allergewissest, daß, was Gott verheißet, das kann er auch tun. Darum ists ihm auch zur Gerechtigkeit gerechnet." Auch für den 7. Ders: „Jsrael der wartet zu Gott", dienen die Gedanken des Römerbriefes zur Erklärung. Schon in der Erläuterung der Bußpsalmen1) sagt Luther zu jenen Worten: „Das ist, alles, was geistlich und inwendig neu Volk ist, das steht also, als gesaget ist, daß sein ganz Leben ist ein Trauen, Verlassen, Warten, Harren auf Gott." Dem entspricht:

so tu Israel rechter Art,

der aus dem Geist gezeuget ward
und seines Gotts erharre.

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Beide Äußerungen Luthers haben zum Hintergrund Röm. 2, 29: sondern das ist ein Jude, der inwendig verborgen ist, und die Beschneidung des Herzens ist eine Beschneidung, die im Geist geschieht", und Röm. 9, 6-8: Es sind nicht alle Israeliter, die von Israel sind; auch nicht alle, die Abrahams Samen sind, sind darum auch Kinder; sondern: In Isaak soll dir der Same genennet sein. Das ist: nicht sind das Gotteskinder, die nach dem Fleisch Kinder sind, sondern die Kinder der Verheißung werden für Samen gerechnet." Diesen paulinischen Gedanken führt das Lied dann aus in Verbindung mit Joh. 1, 13. 3, 5 f.: Geburt aus dem Geist.

Vollständig neue Gedanken bringt das Lied in Anschluß an die zweite Hälfte des 7. Psalmverses: „Dann die Barmherzigkeit ist bei Gott, und mannigfaltig ist bei ihm die Erlösung":2)

Ob bei uns ist der Sünden viel,
bei Gott ist viel mehr Gnaden;
sein Hand zu helfen hat kein Ziel,
wie groß auch sei der Schaden.

Charakteristisch ist auf den ersten Blick die Einführung des Begriffes „Gnade" statt „Barmherzigkeit." In den Psalmenüber

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1) WU. 1, 210. EU. 37, 426. 2) So nach der Dulgata: quia apud dominum misericordia et copiosa apud eum redemptio.

sehungen bis 15261) heißt es noch: „Denn Güte ist bei dem Herrn," ganz entsprechend der sonstigen Wiedergabe von

.2)

Erst dann tritt, offenbar unter Einwirkung des Liedes „Aus tiefer Not," der Begriff „Gnade“ auch in die Übersetzung ein. Die Paulinisierung des Pfalmes liegt aber nicht bloß hierin, sondern in dem dem Psalm ganz fremden Gedanken, daß die Größe der Gnade die der Sünden übertreffe. Das stammt aus Röm. 5, 20: „Wo aber die Sünde überhand genommen hat, da hat auch die Gnade noch mehr überhand genommen.") Die Ausführung der Vorstellung von der mannigfaltigen Erlösung ist bestimmt einerseits durch Jes. 59, 1: „Siehe, des Herren Hand ist nicht zu kurz, daß er nicht helfen könne;" andererseits durch Jer. 30, 12: Dein Schade ist zu groß, und deine Wunden sind zu böse." 4) Wenn schließlich der lezte Psalmvers „Und er wird erlösen Israel aus allen seinen Sünden“ umschrieben wird durch:

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Er ist allein der gute Hirt,

der Israel erlösen wird

aus seinen Sünden allen,

so ist klar, daß Luther dabei gedacht hat an Ez. 34, 23: „Ich will ihnen einen einigen Hirten erwecken, der sie weiden soll, nämlich meinen Knecht David, der wird sie weiden und soll ihr Hirte sein." E3. 37, 24: „Mein Knecht David soll ihr König und ihr aller einiger Hirte sein." Es weisen diese Stellen schon so bestimmt auf den Messias hin, daß man sich nicht wundern kann, wenn sich mit ihnen die Beziehung auf das Gleichnis vom guten Hirten verbindet, Joh. 10, 12: „Ich bin ein guter Hirte. Ein guter Hirte lässet sein Leben für die Schafe." Das Bindeglied zwischen diesen Gedanken und dem von der Heilung des Schadens bildet Jes. 53, 4—6: „fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre. Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und

1) Vgl. H. E. Bindseil und H. U. Niemeyer, Luthers Bibelüber setzung nach der letzten Originalausgabe kritisch bearbeitet, III, 299.

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2) Vgl. 3. B. Psalm 118, 1-4. 3) So die Übersetzungen bis 1527; später: „Wo aber die Sünde mächtig worden ist, da ist doch die Gnade viel mächtiger worden." 4) So die Übersetzungen von 1532—41; später: Dein Schade ist verzweifelt böse, und deine Wunden sind unheilbar."

um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf daß wir Friede hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilet. Wir gingen alle in der Jrre, wie Schafe, ein jeglicher sahe auf seinen Weg; aber der Herr warf unser aller Sünde auf ihn." So schließt Luther seine Umdichtung des 130. Psalmes ausdrücklich mit der paulinischen Hinweisung auf die Erlösung durch Christi Blut; vgl. Röm. 3, 25. 4, 25. 5, 6-10. für Luther in seinem Liede wie in dem Psalme nach seiner Auffassung die Grenzlinie zwischen dem Vater und dem Sohne läuft, ist nach seiner Art, diese Dinge anzusehen, überhaupt nicht zu sagen. Den Sinn der Schlußworte Luthers hat Nic. Selnecker in seiner Bearbeitung des 150. Psalmes richtig wiedergegeben:

Erlöser ist sein lieber Sohn,

der für uns all hat gnug getan,
von allen Sünden machet rein,

die nur an ihn des Glaubens sein.1)

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Aus den bisherigen Darlegungen ergibt sich, daß der Grundcharakter des Liedes Aus tiefer Not" in der verkürzten Bear. beitung nur teilweise hat zurückgedrängt werden können. Eine Versifizierung des 130. Psalmes ist es nicht. Dagegen trifft das Urteil in der Psalmenerklärung von Hupfeld-Nowack2) den Nagel auf den Kopf: „Luther hat in dem schönen, eng an diesen Psalm sich anschließenden Bußlied „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“ den Gedanken des zweiten Verspaares (V. 3 f.) daß Gott Gnade für Recht (Sündenvergebung) ergehen lasse, weil sonst niemand vor ihm bestehen könne zur Grundlage genommen, und so den Psalm zu einer Ausführung der evangelischen Lehre von der Rechtfertigung aus Gnaden allein, und Ermahnung, darauf allein und nicht auf eigenes Verdienst zu vertrauen, verarbeitet. . . . Allein nach V. I wie dem Zusammenhang und Analogie scheint die Vergebung der Sünden eigentlich ihre praktische Folge, die Erlösung, zu bezeichnen und der Kern des Psalmes vielmehr im zweiten Teil, dem Ausharren in der Hoffnung darauf, zu liegen". 3)

Nun vergleiche man mit unserm Liede die Psalmenlieder: „Es

1) Wackernagel IV Nr. 434, 7. 2) Die Psalmen von H. Hupfeld. 3. Aufl. Bearbeitet von W. Nowack II, 588 f. 3) Wie weit sich Luther vom Originalfinn des Psalms entfernt hat, zeigt besonders schlagend die Inhaltsangabe von Choluck: Die Psalmen, 2. Aufl. S. 704 f.

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