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Niv. 3906.15.6.5

HARVARD UNIVERSITY

JUN 12 1962

EDA KUHN LOEB MUSIC LIBRARY

10-27-61

Einleitung.

Orlando di Lasso, der letzte und größte Meister der niederländischen Tonschule und nicht mit Unrecht der » Palestrina des Nordens < genannt, starb am 14. Juni 15941) als Kapellmeister der Herzoglichen Hofkapelle in München, nachdem er im Dienste des durchlauchtigsten, ebenso kunstliebenden als kunstfördernden Hauses Wittelsbach über 37 Jahre mit Auszeichnung gedient hatte.

Mehr als drei Jahrhunderte sind seitdem verflossen und die meisten der weit mehr als zweitausend Kunstwerke dieses Tonfürsten der niederländischen Schule sind in Bibliotheken gewandert, wo sie der Mehrzahl nach verstaubt liegen. Jedoch vergessen sind und seien sie nicht. Dank der seit mehreren Jahrzehnten bemerkbaren Bemühungen, die Werke der sog. »alten Meister wieder zu Ehren zu bringen, zum mindesten durch nachhaltiges Studium, aber auch, wo die Verhältnisse günstiger liegen, durch begeisterte Aufführung in Kirche und Konzertsaal, machen sich verdiente Männer daran, auch die altehrwürdigen Tonwerke Orlandos durch Neuausgaben den modernen Kunstfreunden mehr zugänglich zu machen.

An Sammelwerken müssen in dieser Hinsicht genannt werden: die Musica divina Dr. Proskes (enthaltend von Lasso 20 Motetten und 2 Messen), ferner dessen Selectus novus Missarum (2 Messen), die Lücksche Sammlung (Trier), Trésor musical von R. J. v. Maldeghem (Brüssel 1865-1873), ferner sowohl die Selectio operum musicorum Batavorum (7. u. 8. Band: Motetten und Psalmen), als auch die Selectio 167 modorum ab Orlando di Lasso«, herausgegeben von Professor Commer (Berlin), sowie dessen Musica sacra, 5.-12. Band, endlich die in größerer Zahl separat bei Manz-Regensburg erschienenen Editionen von Messen und Motetten Lassos. Als sehr rühmenswert, weil für Klarlegung eines endgültigen Urteils über die Bedeutung Lassos hoch bedeutsam, muß die Inangriffnahme einer Gesamtausgabe der Werke Orlandos bezeichnet werden. Dieselbe (bei Breitkopf & Härtel in Leipzig erscheinend) umfaßt bis heute (1905) 9 Bände kirchliche Kompositionen (Magnum opus musicum) 2) und 10 Bände weltliche Gesänge (Madrigale und Kompositionen mit französischem Text), erstere von Dr. Haberl-Regensburg, letztere von Prof. Dr. A. Sandberger-München redigiert.

1) Die Abrechnung der Herzoglichen Hofkammer, welche dem großen Toten die ihn noch treffenden Bezüge bis zu seinem letzten Atemzuge prompt ausgerechnet hat (cf. Muffat, biographische Skizze von Lassos Leben in »Hormayer, Taschenbuch für vaterländische Geschichte« (München, G. Franz 1852-1853), läßt keinen Zweifel mehr aufkommen, daß Orlando am 14. Juni 1594 das Zeitliche gesegnet hat (cf. Beilage zur Allg. Zeitung, München 1894, Nr. 49). Denselben Todestag gibt auch die Gattin Orlandos, Regina de Lasso (geb. Weckinger) in einem an die Erzherzogin Marie von Österreich geschriebenen, jetzt im k. k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv zu Wien befindlichen Brief an (Ambros, Geschichte der Musik 1868, III, 349).

2) Eine Neuausgabe des Magnum opus musicum (516 Nummern mit vorwiegend kirchlichen Texten für 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10 und 12 Stimmen) gedenke ich (in Auswahl) in moderner Notation bald in Angriff zu nehmen, da ich mir von der Veröffentlichung auch dieser weiteren Beispielsammlung (eine wahre Fundgrube« nennt sie Dr. Witt) für die Lehre vom Kontrapunkt im allgemeinen wie für die Durchforschung und Erkenntnis der Orlando-Musik (also schon allein vom Standpunkt der Musikwissenschaft aus) viel verspreche, von der Brauchbarkeit und Verwendung dieser zahlreichen eminent kirchlichen Kompositionen in praxi einstweilen noch nicht zu reden (cf. Fliegende Bl. für K.-M. 1886 p. 73 ff.).

Die Bußpsalmen 1) (Septem Psalmi poenitentiales) von Orlando di Lasso sind als Autograph nicht vorhanden. Dafür entschädigt reichlichst die in der K. Hof- und Staatsbibliothek München aufbewahrte Prachtausgabe in 2 Bänden (geschrieben von Joh. Pollet, mit 416 Seiten Miniaturen von dem Maler Hans Mülich, welche Jul. Jos. Maier2) mit archivalischer Akribie und Kürze beschreibt, wie folgt:

>>Pergament, Großfolio (fast 60 c. h. 44 c. b.) mit orig. Paginierung. Bd. I = 223 und Bd. II = 189 Seiten. Stark beschnittene Chorbücher in Prachteinband: Holzdeckel in Saffianüberzug mit emaillierten oder vergoldeten silbernen Beschlägen, je 2 Schließen, Schlössern und Wappen, mit blattgroßen Miniaturen oder miniierten Textumrahmungen auf sämtlichen Seiten.

Band I, vollendet 1565, enthält: p. 1 den Titel in Versalen: Septem Psalmi poenitentiales. Auspiciis Illustrissimi Principis Alberti Com. Pal. Rheni utriusque Bavariae Ducis, sacris imaginibus cum textu congruentibus copiosissime exornati et in duos tomos divisi. Anno 1565; p. 2 Porträt Albrecht V. in ganzer Figur; p. 3 das bayerische Wappen mit dem Datum 1565, umgeben von 234 Wappenschilden der bayrischen Klöster, Grafschaften, Städte und Märkte; p. 4 den Empfang einer Gesandtschaft durch Albrecht V.; p. 5 den Index; p. 6--221 die Buẞpsalmen:

1. p.

6, Ps.

6.

2. p. 42, Ps. 31.

3. p. 98, Ps. 37.

4. p. 172, Ps. 50.

Domine, ne in furore. miserere 5 voc. 12 part.
Beati quorum remissae sunt 5 voc. 16 part.

Domine, ne in furore. quoniam 5 voc. 25 part.
Miserere mei Deus 5 voc. 22 part.

Hierauf folgen: p. 222 zu beiden Seiten einer Schlußschrift (über Albrecht V. Kunstliebe) die Brustbilder O. di Lassos u. H. Mülichs; p. 223 Janus als Herme.

Band II, begonnen 1565, vollendet 1570, enthält: p. 1 den Janus (hier nur mit zurückblickendem Kopf); p. 2 den Titel in Versalen: ,Secundus Tomus septem Psalmorum poenitentialium cum duobus Psalmis Laudate. Auspiciis . . .', ähnlich wie Bd. I, aber ohne Datum; p. 3 Albrecht V. von seinen Söhnen und Räten umgeben; p. 4. dessen Mutter, Gemahlin und die Prinzessinnen; p. 5 das bayerische Wappen, umgeben von den Wappen der 13 Landschaften und ihrer drei Marschälle; p. 6-9 (Doppelbl.) 499 Wappen des bayerischen Adels; p. 10 den Index mit dem Datum 1565; p. 11-184 die Psalmen:

5. p. 11, Ps. 101.

6. p. 81, Ps. 129. 7. p. 103, Ps. 142. außerdem

8. p. 153, Ps. 148.

Domine, exaudi orationem . . . et clamor 5 voc. 31 part.
De profundis clamavi 5 voc. 10 part.

Domine, exaudi orationem. . . auribus 5 voc. 16 part.

Laudate Dominum de coelis. . et Ps. 150. Laudate Dominum in sanctis 5 voc. 4 part.

Dann folgen die Abbildungen: p. 185 einer Predigt; p. 186 des bayerischen Sängerchors in der Hofkapelle u. p. 187 des Instrumentalchors in einem Saale, darunter ein Namensverzeichnis berühmter Komponisten; p. 188 das Porträt O. di Lassos in ganzer Figur im 40. Lebensjahr, ohne Datum; p. 189 das Brustbild Hans Mülichs 1570 im 56. Lebensjahr.

Erst nach Herzog Alberts Tod (1579) durften die Bußpsalmen gedruckt werden. Dieselben erschienen in 5 Stimmbüchern mit dem Titel, Orlando di Lasso, Psalmi

1) Sie sind, wie Ambros (III, 353) sagt, eines der Musikwerke, welche zu jenen großen Denkmälern der Kunst gehören, an denen der Zeitenstrom, der das Geringere bringt und wegspült, machtlos vorüberrollt. Wird von Meisterwerken der Musik aus dem 16. Jahrhundert gesprochen, so denkt wohl jeder zunächst an die Bußpsalmen Orlandos und an Palestrinas Missa Papae Marcelli.<

2) In seinem Katalog der Münchener musikalischen Handschriften (München 1879) pag. 93.

Davidis poenitentiales' (incl. Psalm Laudate Dominum) bei Adam Berg, München 1584, dem Pfalzgrafen Philipp, Bischof von Regensburg gewidmet. 1)

Eine Neuausgabe (spartiert, in alten Schlüsseln) publizierte S. W. Dehn (Berlin bei Gustav Cranz 1838)2). Der 4. Bußpsalm (Miserere) wurde außerdem in die Sammlung, Vorzügliche Gesangstücke von F. Rochlitz, bei B. Schott, Mainz, Paris und Antwerpen (I, p. 17) und in Prince de la Moscowa, ,Recueil des morceaux de musique ancienne' (II, p. 199) aufgenommen. «

Diesen Ausgaben reiht sich nun die von mir besorgte an, als erste Ausgabe in modernen Schlüsseln (unter Entfernung der C-Schlüssel). 3)

Um den früheren Ausgaben (im alten Gewand) möglichst nahe zu kommen, wurde die (jeder Einzelstimme ein eigenes Liniensystem belassende) Form der Spartitur, sowie der Allabreve-Takt mit den ihm entsprechenden Notengattungen beibehalten.

Als unterscheidende Merkmale meiner Neuausgabe seien (außer der Umschreibung in moderne Schlüssel) genannt: die Anbringung der (einer modernen Partitur unentbehrlichen) musikalischen » Interpunktionen«: Absatz- und Atmungszeichen, metronomischen und dynamischen Vortragsangaben, Bindebogen bei mehreren Tönen über einer Silbe, besonders aber sei auf die kritisch-korrekte Textunterlegung hingewiesen, deren endgültige Fixierung das Ergebnis eingehendster Studien bildet). . . . Stellen, die von Lasso nach der damaligen Gewohnheit den Sängern resp. Kopisten bezüglich Textunterlage als selbstverständlich freigegeben waren, von S. W. Dehn aber mangelhaft oder ganz unrichtig unterlegt wurden, sind rekonstruiert resp. nach den kontrapunktischen Gesetzen) einer korrekten Textierung neu unterlegt.

Noch einige Worte zur Veranlassung des Erscheinens vorliegender Studie. Ist es schon an und für sich auch für den Kenner und Fachmann hochinteressant, dieses berühmtest gewordene Werk des nordischen Palestrina (in alter oder moderner Partitur) durchzulesen und zu studieren, um sich durch persönliche Einsichtnahme von der bis in das Dramatische und Plastische sich steigernden Schönheit, Kraft und Wucht dieser ernsten Tonwelt zu überzeugen, so dürfte es sicher zur Verbreitung 6), Veredlung und Vertiefung musikalischer Bildung beitragen, mithin aus musikpädagogischen Gründen wohlberechtigt erscheinen, zur Anregung weiterer Studien in der altklassischen

1) cf. Eitner, Quellenlexikon, 6. Bd., p. 64. Exemplare dieses Münchener Druckes finden sich außer in der Kgl. Bibl. München noch in Göttingen, Berlin (Kgl. Bibl. und Graues Kloster), Brüssel, Breslau, Leipzig, London (brit. Museum). Diese Urausgabe sei im folgenden kurz mit DM bezeichnet.

2) Ein Exemplar der Dehnschen Ausgabe befindet sich in meiner Privatbibliothek. Dieser Berliner Druck sei kurz mit DB bezeichnet. Eine kurze Besprechung dieser Ausgabe enthält die Allg. Musikal. Zeitung, Leipzig 1838 p. 333. Über die Prädizierung resp. den Wert dieser Ausgabe vergl. mein Urteil am Schluß des 6. Psalms (Fußnote 2) pag. 83.

3 Breitkopf & Härtel, Leipzig 1905.

4) Der Unterzeichnete ließ sich keine Mühe verdrießen, an Ort und Stelle jede einzelne Note sowohl der Prachtausgabe als des Drucks (1584) sich genau zu beschen, nachdem er zuerst die ihm zunächst zur Verfügung stehende Dehnsche Ausgabe zur Grundlage seines Studiums gemacht hatte. Auf Grund der vielen fehlerhaften Stellen, die er lediglich nach den Gesetzen einer korrekten Textierung als solche sich anmerkte, entschloß er sich, diese Resultate seines Privatstudiums mit der PM und diese hinwiederum mit DM zu vergleichen. Daß alle seine Vermutungen, wenigstens insoweit es sich um Stellen handelt, die Lasso selbst unterlegt hat, sowohl in PM als in DM ihre Bestätigung fanden, war für ihn nicht bloß Gegenstand der Überraschung, sondern zugleich großer Freude. Die Hinweise auf die inkorrekten Textunterlegungen in der Berliner Ausgabe (Dehn, kurz als DB bezeichnet) glaubte er aber, zugleich um Studierenden Anleitung und Anregung zu geben, nicht unterdrücken, sondern beibehalten zu sollen.

5) cf. darüber Bellermann, Der Kontrapunkt, Berlin, J. Springer, 4. Auflage, 1901.

6) Das von Dommer, Handbuch der Musikgeschichte (2. Aufl. 1878) schon 1867 ausgesprochene Wort, daß die meisten Werke Orlandos »mehr gerühmt als gekannt sind‹, dauert in seiner Geltung heute und wohl noch lange fort.

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