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Siebentes Kapitel.

Die Apostoliker. Eon de l'Etoile.

Die von Bernhard und Everwin geschilderten Irrgläubigen rühmten sich, die Lebensweise der Apostel zu führen und nannten sich die Apostoliker. Mit denselben Ansprüchen und unter demselben Namen traten damals auch in Perigueux Irrlehrer auf, an deren Spitze ein gewisser Poncius stand. Diese wussten sich mit dem ganzen Gepränge einer unerschütterlich strengen Enthaltsamkeit und einer durch Wunder beglaubigten Heiligkeit zu umgeben. Nach der Sitte der Bogomilen verrichteten sie jeden Tag eine bestimmte Zahl von Kniebeugungen; sie gingen barfuss einher, predigten ohne Unterlass, verabscheuten den Genuss des Fleisches und des Weines und trieben das Princip der völligen Armuth und Entblössung so weit, dass sie auch das Almosengeben verwarfen, weil niemand etwas besitzen solle, wovon er geben könne. Hinsichtlich der Eucharistie hegten sie die allgemeine Ansicht der jüngeren Manichäer, dass es sich darin nicht um eine Mittheilung des Leibes Christi, sondern bloss um das Essen von gesegnetem Brod handle. Statt der kirchlichen, die Dreieinigkeit bekennenden Doxologie bedienten sie sich einer eigenen, wahrscheinlich aus einem apokryphen Evangelium entnommenen: „Denn Dein ist das Reich, und Du herrschest über alle Creatur von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen." Auffallend war hier, dass eine so bedeutende Zahl von Geistlichen, Mönchen und Edelleuten, selbst mit Verlassung ihrer Besitzungen, sich der Sekte angeschlossen hatten. Um besser zu täuschen, lasen manche der abtrünnigen Priester Messe, unterliessen aber die Consecration und Communion und warfen dann die Hostie heimlich weg. Man bemerkte, dass auch der einfältigste Bauer, sobald er nur acht Tage unter ihnen geweilt, eine

ausserordentliche Fertigkeit im Disputiren und eine unerschütterliche Anhänglichkeit an die Partei und ihre Lehren zeige. Ihr heftiges Verlangen, für ihren Wahn den Tod zu leiden, scheint mit der gleichen Gesinnung der Häretiker von Monteforte aus einer Quelle geflossen zu sein. Das Volk suchten sie durch vermeintliche Wunder zu blenden; sie verwandelten Wasser in Wein, füllten ein leeres Gefäss bloss durch Eingiessung einiger Tropfen von ihrem Weine, sie verbreiteten den Ruf, dass Blinden durch sie das Gesicht, Tauben das Gehör wiedergegeben worden sei; auch wussten sie sich plötzlich wieder frei zu machen, so sorgfältig man sie auch in Kerkern und durch Fesseln verwahrt zu halten wähnte.1)

Der Hauptsitz der Sekte im nördlichen Frankreich war schon damals das den Grafen von Champagne gehörige Schloss oder Städtchen Montwimer in der Diöcese Châlons. Von dort aus verbreitete sich die manichäische Lehre schon um das J. 1144 über die benach

1) Das Schreiben des Mönches Heribert, das diesen Bericht liefert, steht bei Tissier Biblioth. PP. Cisterc. VI, 136, bei Mabillon Analect. p. 483 und bei Martene Thes. Anecd. I, 453. Die Annales de Margan bei Gale Hist. Anglicanae Scriptores II, 7 setzen noch einige Züge dazu. In dem Schreiben heisst es, die Häretiker beugten hundertmal des Tages die Kniee; beim Annalisten de Margan aber wird angegeben, sie thäten diess siebenmal des Tages und eben so oft des Nachts. Hier ist kein Widerspruch; wahrscheinlich folgten diese Manichäer der Sitte, die sie von den Bogomilen im Orient überkommen hatten, welche nach Euthymius das Vaterunser siebenmal des Tags und fünfmal zur Nachtzeit, jedesmal mit mehreren Kniebeugungen, beteten. In der ersten Angabe sind diese Genuflexionen überhaupt, in der zweiten die Gebete, die von solchen Kniebeugungen begleitet waren, gezählt. Mabillon sagt, er habe nicht herausbringen können, wer jener Heribert, der das Schreiben verfasst, gewesen sei; ihm war die Notiz von Tissier entgangen, dass es der CistercienserMönch und nachmalige Erzbischof von Torre in Sardinien gewesen, der auch das Werk De miraculis Ordinis Cisterc. et Congregationis Claraevall, geschrieben hat.

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barten Provinzen 1); dort hatte sich die Tradition erhalten, dass der Manichäer Fortunatus aus Afrika dahin gekommen sei und seine Lehre daselbst gepflanzt habe, und dort wurden noch im J. 1239 nicht weniger als hundert drei und achtzig getröstete Katharer gefunden. Auch in das Lüttich'sche Gebiet hatte die Häresie von dort aus sich verbreitet. Der Klerus von Lüttich meldete nun dem Papste Lucius II., diese Sekte habe bereits eine geordnete Verfassung und bestehe aus den drei Klassen oder Abstufungen der Hörenden oder Schüler, der Glaubenden und der Christen oder Eingeweihten; auch eine der katholischen ähnliche Hierarchie besitze sie. Übrigens waren es nur die bekannten, damals am meisten auffallenden, am wenigsten geheim zu haltenden praktischen Punkte, welche zur Kenntniss der Lütticher Geistlichen gekommen waren: Entwürdigung und Verachtung aller Sacramente, Verdammung der Ehe und des Eides. Auch hier hatte man indess die Erfahrung gemacht, dass die Häretiker aus Heuchelei, um leichter verborgen zu bleiben, sich die Sacramente reichen liessen.

Die Aussage dieser Lütticher Häretiker, dass bereits alle bedeutenderen Städte Frankreichs und Belgiens von der Irrlehre angesteckt seien, scheint nicht übertrieben gewesen zu sein; denn die Bekenner derselben kamen nun immer häufiger und in schnell wachsenden Schaaren

1) A Monte Guimari . . . quaedam haeresis per diversas terrarum partes defluxisse cognoscitur, quae adeo varia et multiplex est, ut sub unius certo vocabulo minime comprehendi posse videatur. Epist. eccl. Leod. ad Lucium P. bei Martene, Ampliss. Coll. I, 777. Die letzte Bemerkung bezieht sich auf die Menge der abweichenden Lehren und Riten. Während der Ort hier Mons Guimari genannt wird, heisst er Mons Hismerus oder Mons Ismeri bei Stephan de Borbone (bei Echard, S. Thomae Summa vindicata p. 561), Montwimer, qui ab antiquo Mons Wodemari dicitur, bei Albericus, Chron. p. 569, später Montaimé (Schmidt, Hist. des Cathares I, 32). Martene, der dieses Montwimer nicht kannte, rieth irriger Weise auf das Städtchen Montlimar in der Dauphiné. Über Fortunatus s. o. S. 61.

zum Vorschein. Hugo Metel, Canonicus in der Abtei des h. Leon zu Toul, schrieb dem Bischof, in dessen Diöcese damals die ärgste Verwilderung herrschte: es trieben sich in seinem Sprengel gefährliche Menschen herum, die man mit Recht Bestien nennen könne, weil sie ein viehisches Leben führten; sie verabscheuten die Ehe und die Taufe und verhöhnten die Sacramente der Kirche.') Im Trierischen waren Glieder der Sekte, unter ihnen zwei Geistliche, schon im Anfange dieses Jahrhunderts entdeckt worden.2) Der Chronist führt von diesen nur an, dass sie die Taufe der Kinder verworfen und die Verwandlung des Brodes in den Leib Christi geleugnet hätten, bemerkt indess, dass er ihre übrigen anstössigen Lehren zu verschweigen für besser erachte.

Dieselbe manichäische Sekte, die sich selber den Namen der Apostolischen beilegte, brach um das J. 1145 auch in der Bretagne hervor. Wir kennen sie aus der Schrift, welche Hugo d'Amiens, vom J. 1130 bis 1164 Erzbischof von Rouen, gegen sie gerichtet hat.3) Es war wieder die Taufe der Kinder, welche von den dortigen Irrlehrern zum ersten Gegenstand ihrer Angriffe gemacht wurde. Ein Sacrament, sagten sie, nütze nur Erwachsenen, nicht Kindern, nur Wissenden, nicht Unwissenden, und die Taufe sollte erst im Alter von dreissig Jahren empfangen werden, wie sie Christus erst in diesem Alter sich habe ertheilen lassen. Gegen die Auferstehung

1) bei Hugo, Sacrae antiquitatis monumenta II, 747. Die Histoire litéraire de France XII, 500 nimmt an, der Brief sei schon vor dem J. 1130 geschrieben worden. Den elenden Zustand des Sprengels von Toul schildert Metel in einem Schreiben an den Erzbischof Adalbero von Trier (l. c. p. 324), wo die Worte: Multi Christiani perambulant portantes caracterem bestiae, quos bestia impotionavit suo venenato calice, wohl von den neuen Ketzern zu verstehen sind.

p. 690.

2) Historia Trevir. bei d'Achery, Spicil. III, 221.

3) im Anhang von Guiberti Novigentini Opera, ed. d'Achery,

wandten sie ein, es geschehe häufig, dass menschliche Leiber zerstückt, von wilden Thieren verzehrt, in Staub verwandelt und von den Winden verweht würden; nun sei es unmöglich, dass diese also zerstreuten oder in andere Substanzen verwandelten Theile sich wieder zu ihrer vorigen Gestalt vereinigen könnten, demnach sei auch an eine Auferstehung der Leiber nicht zu denken. Dass sie auch die Ehe verwarfen, ist aus der Mühe ersichtlich, die Hugo sich gibt, die göttliche Einsetzung, die Heiligkeit und höhere Bedeutung der Ehe zu erweisen. Gleich den von dem h. Bernhard bekämpften Häretikern lebten auch die bretagnischen in vertrautem Umgange mit Weibern, mit denen sie weder durch Ehe, noch durch Blutsverwandtschaft verbunden waren, gleich jenen sich auf die Worte Pauli 1. Kor. 9, 5 berufend. Wenn nun dieselben Irrlehrer das Keuschheits-Gelübde der Mönche und Kanoniker tadelten und sich dabei auf die Stelle 1. Kor. 7, 2 beriefen, so waren diess wohl nur abtrünnige Priester und Mönche, die damals häufig in der manichäischen Sekte eine Zuflucht und einen Stützpunkt suchten, nicht gerade aus Vorliebe für ihre eigenthümlichen Lehren, sondern mehr aus Hass gegen die Kirche und ihren Orden und aus Neigung zu einem ungebundenen, nach Willkür umherschweifenden Leben. Diese bedienten sich dann praktisch jener Freiheit, die den blossen Glaubenden in dieser Sekte in so vollem Masse eingeräumt wurde, und bestritten die Gelübde, die sie nicht mehr beobachteten. Aus dieser Gesinnung sowohl als aus dem Geiste des neuen Manichäismus ging auch der Hohn gegen die Kirche hervor, mit welchem nach Hugo's Bericht die Mitglieder der Sekte den Katholischen zusetzten: Sagt uns doch, was ist denn die Kirche und wo ist sie, und warum existirt sie?"

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Es erhebt sich hier die Frage, ob denn diese bretagnischen Häretiker Anhänger jenes Eudo oder Eon. de l'Etoile gewesen, der kurz vor der Abfassung von Hugo's Schrift, in den Jahren 1143-1148, als religiöser

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