Obrazy na stronie
PDF
ePub

kaum mit dem Leben davon kamen. Ein Schreiben des Kapitels, das ihn unter Androhung der Excommunication zur Einstellung seiner Predigten aufforderte, machte keinen Eindruck. Neben der Aufreizung gegen den Klerus war übrigens die Bekehrung und Verheirathung der Weiber Heinrichs Hauptgeschäft. Jene, welche unzüchtig gelebt hatten, brachte er dahin, dass sie ihren Putz und ihre Haare öffentlich verbrannten; von dem Gelde, das ihm reichlich zugetragen wurde, kaufte er ihnen dann grobe Gewänder. Niemand, verordnete er, solle mehr eine Mitgift annehmen oder geben; zugleich mussten mehrere junge Männer auf sein Geheiss sich mit den eilig bekehrten Huren verheirathen; die Folge war, dass sie, solcher Ehen bald überdrüssig, ihren Weibern wieder entliefen und diese hülflos zurückliessen. Keine einzige der Ehen, die Heinrich auf solche Weise schloss, erhielt sich. Er selbst überliess sich indess ohne Scheu groben Ausschweifungen, und die Schilderung, die der Verfasser der Geschichte von Mans als Augenzeuge von ihm entworfen, wird durch das Zeugniss des Bischofs Hildebert und des h. Bernhard,!) der ihn später in Languedoc bekämpfte, bestätigt. Oft, nachdem er am Tage mit seinen Predigten den rauschenden Beifall des Volkes geerntet, brachte er die Nacht mit unzüchtigen Weibern zu; selbst am Pfingstfeste trieb er Ehebruch. Auf solche Weise und im Würfelspiel vergeudete er das Geld, das ihm seine Verehrer zutrugen.

Hildebert fand bei seiner Rückkehr aus Rom zu seinem Erstaunen eine ganz umgewandelte Gemeinde. Als er bei seinem Einzuge dem Volke den Segen ertheilen wollte, rief man ihm zu: „Wir wollen deinen Segen nicht, segne den Koth; wir haben einen besseren, ge

?) Er sagt in einem Briefe (C. 2, ep. 24) von zwei Schülern Heinrichs, die zur Kirche zurückkehrten: Huic (Henrico) tamdiu adhaeserunt, donec eis et turpitudo in vita et error innotuit in doctrina.

:

lehrteren Bischof, als du bist, den deine Geistlichen hassen, weil sie fürchten, dass er ihre Laster aufdecke !" Der Bischof suchte nun den Demagogen auf dem Schlosse Saint Calais auf, wohin dieser sich bei Hildeberts Ankunft begeben hatte. Bei der ersten Zusammenkunft lud ihn der Bischof ein, das Brevier mit ihm zu beten; da musste Heinrich, dem selbst die täglichen Psalmen fremd waren, seine Unwissenheit bekennen. Auf des Bischofs Gebot entfernte er sich aus der Diöcese le Mans und wandte sich nach Lausanne, später nach Poitiers und Bordeaux.")

So lange Heinrich in der Diöcese le Mans wirkte, war er, scheint es, noch keiner schon bestehenden häretischen Sekte zugethan; in dem so ausführlichen Berichte des Geschichtschreibers von Mans wird keine besondere Irrlehre, die dort durch ihn verbreitet worden wäre, erwähnt, wohl aber im allgemeinen gesagt, dass er vieles gegen den katholischen Glauben dem Volke vorgetragen habe.2) In dem Zusammenhange, in welchem diese Beschuldigung sich findet, nach der ganzen Darstellung des Geschichtschreibers, der die Aufreizung gegen den Klerus als die Hauptsache betrachtet und der Irrlehre nur nebenher gedenkt, wird es wahrscheinlich, dass hier solche Lehren gemeint sind, welche zunächst für Heinrichs Hauptzweck, den Klerus verhasst und verächtlich zu machen, die besten Dienste leisteten, also zunächst die in jener Zeit ohnehin immer auftauchende Behauptung, dass die Sacramente durch die Unwürdigkeit der ausspendenden Priester ihre Wirksamkeit verloren. Später aber, als Heinrich sich nach dem südöstlichen Frankreich gewandt hatte, trat er mit Petrus de Bruys in Verbindung, nahm dessen Lehre an, erweiterte sie oder trug sie noch vollständiger vor, und wurde nach dem Tode des Petrus zwar nicht das Oberhaupt, aber doch der bekannteste Lehrer der Sekte, die nun nach ihm häufig die der Henricianer genannt wurde. Diese Lehre war keine andere als die gnostisch-manichäische, und wenn der Abt von Cluny nur fünf oder sechs häretische Dogmen des Petrus de Bruys aufzählt, von Heinrich aber berichtet, dass er diese Lehre erweitert und noch mehrere Punkte hinzugefügt habe, so erklärt sich diess sehr wohl aus der bekannten Verfahrungsweise der neuen Manichäer, welche ihre exoterische, für den Anfang und für den grossen Haufen bestimmte, und ihre esoterische, der kleineren Zahl der Ausgewählten vorbehaltene Doctrin hatten. Zu der ersteren gehörten jene mehr negativen Punkte, welche von der Fassungskraft der rohen Menge am leichtesten ergriffen wurden und am besten geeignet schienen, den gemeinen Verstand der Menschen zu bestechen und ihre Leidenschaften aufzuregen, namentlich die Verachtung des Kreuzes, die Verhöhnung des Mysteriums der Eucharistie, die Verwerfung der Kindertaufe, des Gebetes für die Verstorbenen, dann die Folgerungen, welche das Volk ohnehin so gerne aus der Verweltlichung und Unsittlichkeit vieler Geistlichen zog. Petrus de Bruys war ein solcher exoterischer Lehrer, der vorerst nur der gnostischmanichäischen Lehre Bahn brach, indem er die Anhänglichkeit des Volkes an die Kirche und die Geistlichen zu zerstören, den Glauben an die Bedeutung und Kraft der Sacramente und des katholischen Gottesdienstes zu untergraben strebte, wobei jedoch auch er schon einzelnes den gnostischen Sekten eigenthümliches, wie z. B. die Verwerfung des Alten Testaments, nicht verschwieg. Heinrich baute dann auf dem von Petrus gelegten Grunde fort, und trug den bereits von der Kirche Abgefallenen und bis zur Verachtung der Sacramente und des Messopfers Geführten positiv-gnostische Lehren vor. Der Abt

1) Wenn nicht Heinrichs Auftreten in dem Gebiete von Lausanne noch vor sein Erscheinen in le Mans fällt, was aus den Worten des h. Bernhard (Ep. 241) geschlossen werden könnte: Inquire, si placet, quomodo de Lausana civitate exierit, quomodo de Cenomanis, quomodo de Pictavi, quomodo de Burdegali.

2) Gesta Pontif. Cenoman. bei Mabillon, Anal. p. 315.

[ocr errors]

von Cluny, der den Zusammenhang beider Häretiker mit der schon seit geraumer Zeit bestehenden, aber sich noch sehr verborgen haltenden Sekte nicht kannte, zweifelte, ob er den Berichten über die weiter gehende Lehre Heinrichs Glauben beimessen dürfe, und wollte erst genauere Kunde darüber abwarten, obgleich ihm eine Schrift gezeigt wurde, in welcher diese Artikel, nach Heinrichs mündlichen Äusserungen und Vorträgen, verzeichnet waren. )

Nicht unwichtig ist hier die Frage, wann Heinrich in eine solche Verbindung mit Petrus de Bruys getreten sei; die Beantwortung derselben erfordert aber vorerst eine Bestimmung der Zeit, in der das Buch des Abtes von Cluny erschien. Füslin ?) meinte gefunden zu haben, dass die Abfassung der Schrift gegen die Petrobrusianer, zunächst der Praefatio dazu, in das J. 1126 oder 1127 falle; aber seine Berechnung ist ganz verfehlt. Der Abt hat, wie sich aus seinem Briefe an den h. Bernhard 3) ergibt, diese Schrift vier oder fünf Jahre vor seiner Reise nach Spanien und seiner dort unternommenen Übersetzung des Koran verfasst. Es fragt sich also, wann diese spanische Reise stattgefunden habe. Füslin setzt sie in das J. 1131, bloss weil der Abt in einem unmittelbar nach seiner Rückkehr aus Spanien an den Erzbischof Arnald von Narbonne geschriebenen Briefe der günstigen Gesinnung gedenkt, welche dieser Prälat gegen die Mönche von Cluny hegte, weil einige derselben ihm zur Zeit der Synode zu Rheims (im J. 1131) Dienste geleistet hatten. Hier ist nun aber mit keiner Sylbe angedeutet

, dass diese Gunst so völlig neu und jene Dienste dem Erzbischof erst in diesem Jahre geleistet worden seien, vielmehr

[ocr errors]

?) Sicut nuper in tomo, qui ab ejus ore exceptus dicebatur, scriptum vidi, non quinque tantum, sed plura capitula edidit. Biblioth.

P

1119. 2) Kirchen- und Ketzerhistorie I, 199. Gieseler, K.-G. II, 2,

Cluniac.

523, ist ihm darin gefolgt.

3) Biblioth. Cluniac. p. 843. Döllinger, Geschichte der Sekten.

6

kann und muss angenommen werden, dass dieser Brief erst lange nach der Rheimser Synode, etwa im J. 1142, in welches ihn auch die Gallia christiana 1) setzt, geschrieben worden sei. Der Abt lädt hier den greisen Prälaten ein, sich, da er durch die Last der Geschäfte und bei seinem vorgerückten Alter erschöpft sei, in die klösterliche Ruhe von Cluny zurückzuziehen. Arnald wohnte aber noch im J. 1148 einem zweiten Concil zu Rheims bei und starb erst im J. 1151. War er nun, wie aus den Worten des Briefes zu schliessen, damals bereits ein siebenzigjähriger Greis, so wird er wohl nicht siebzehn Jahre später die weite und beschwerliche Reise nach Rheims unternommen haben. Der Brief an ihn wird also erst im J. 1142 geschrieben worden sein und das von Marrier aus einer Chronik von Cluny gegebene Datum, dass die in Spanien begonnene Übersetzung des Koran im J. 1243, ein Jahr nach der Rückkehr des Abtes, vollendet worden, richtig sein.) Eine weitere Bestätigung dieser Annahme liegt in der Thatsache, dass der Aufenthalt des Papstes Innocenz II. in Frankreich, wo er meistens in Cluny wohnte und von dem Abte so feierlich empfangen und prächtig bewirthet wurde, gerade in die Jahre 1130-1132 fällt, so dass also Petrus Venerabilis, der überdiess damals unermüdet für die Anerkennung des Papstes in Frankreich wirkte, unmöglich zu gleicher Zeit die weite Reise nach Spanien unternehmen konnte. Demnach ist die Schrift des Abtes gegen die Häretiker im südlichen Frankreich in den Jahren 1137 oder 1138 verfasst worden; der Tod des Petrus de Bruys und die Fortsetzung seiner Wirksamkeit durch Heinrich muss in dieselbe Zeit fallen, da der Abt im Buche selbst von Petrus als einem noch Lebenden redet, in dem als Prae

1) Gallia christ. VI, 49.

2) Auch die Hist. litt. de la France XIII, 244 setzt die Reise des Abtes nach Spanien in das Jabr 1142.

« PoprzedniaDalej »