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dem Orient herübergebracht worden sei, oder weil sie, um weitere Nachforschungen zu verhüten, sich unwissend stellten.)

Die geschlechtliche Enthaltung hielten sie für so nothwendig zum Heil, dass auch die Verheiratheten unter ihnen mit ihren Frauen nur wie mit ihren Müttern oder Schwestern lebten oder sich von dem Vorsteher die Erlaubniss ertheilen liessen, zur grösseren Sicherheit sich von ihren Gattinnen zu trennen. Die Vermischung der beiden Geschlechter und den dazu reizenden Trieb betrachteten sie vorzugsweise als das Verderben, die Corruption. Wenn alle Menschen, sagte Gerard, ohne jene böse Begierde zu empfinden oder sich derselben vollständig erwehrend, sich verbänden, dann würde das menschliche Geschlecht, wie die Bienen, ohne Beischlaf sich fortpflanzen. Gleich den übrigen Gnostikern verwarfen sie alle Sacramente, verschmähten jeglichen Fleischgenuss und rühmten sich, strenge Fasten und ein Tag und Nacht fortdauerndes Gebet zu beobachten, welches abwechselnd, wahrscheinlich bloss von den Vollkommenen in der Sekte, verrichtet wurde. Diese waren es auch wohl nur, welche, wie Gerard angab, allem eigenen Besitz entsagt hatten. Ein gewaltsamer Tod galt ihnen als der sicherste, ja, wie es scheint, als der einzige Weg zur Seligkeit; desshalb hegten sie nicht nur die heftigste Begierde, für ihren Wahn das Märtyrerthum zu erleiden, sondern sie liessen sich auch, wenn sie krank wurden, um nur nicht eines natürlichen Todes zu sterben, von ihren Freunden oder Verwandten umbringen. Wahrscheinlich hielten sie eine gewaltsame Zerstörung

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1) Landulfus Sen. Hist. Mediolan. bei Muratori, Scr. Ital., IV, 88 ff.

2) Nach der alten, schon bei Aristoteles, Virgilius und Plinius erwähnten Vorstellung, dass die Bienen ohne Geschlechtsverbindung, bloss durch den eingesogenen Saft der Blätter und Blumen imprägnirt würden.

des Lebens, eine Unterbrechung des Naturlaufes zur Befreiung des Geistes aus dem Kerker des zum Gebiete des Satans gehörigen Leibes, für nothwendig, und meinten, dass der Geist, der nur nach den vom Satan in seine Schöpfung gelegten natürlichen Gesetzen durch Krankheit oder Altersschwäche aus dem Körper entweiche, doch unter der Herrschaft des Satans bleibe und von diesem zur Einkehr in einen anderen Körper genöthigt werde. Wir erkennen aber hier die erste rohere Form der nachmals bei den Katharern ausgebildeten Endura.

Wenn in dem Berichte Landulfs nicht Missverständnisse liegen, so hat die häretische Genossenschaft zu Monteforte die Grundlehren des Christenthums zu Allegorien und Mythen verflüchtigt. Gerard versicherte zwar, dass sie den Vater, den Sohn und den heiligen Geist bekännten, erläuterte diess aber sofort dahin, dass der Sohn der von Gott geliebte Menschengeist, der heilige Geist aber das alles leitende und beherrschende Verständniss der göttlichen Lehren sei; Christus sei durch Empfängniss vom heiligen Geiste geboren aus der Jungfrau, heisse nichts anderes, als: das höhere Leben des Geistes werde aus der heiligen Schrift mittels der erleuchteten Einsicht in ihren Inhalt geboren. Wenn diess auch an die bogomilische Lehre erinnert, dass jeder Gläubige, in dem der heilige Geist wohne, ein Gottesgebärer sei, so ist es doch auffallend, dass diese Häretiker so weit gegangen sein sollten, die ganze Persönlichkeit und Geschichte Christi zu einer blossen Allegorie der menschlichen Seele und ihrer religiösen Entwicklung zu machen '); darin müssten

und der

von

') Als erläuternde Parallele könnte die Lehre des Daniel Müller

ihm gestifteten Sekte (im Nassauischen) dienen, dass der Menschengeist, der mit Gott völlig eins sei, Christus genannt werde, sofern er in menschlicher Erniedrigung vieles dulden und lei. den müsse; dass das Geborenwerden von einer Jungfrau nur die Ent

der bisher umhüllten reinen Lehre anzeige, und dass das Leiden Christi eben nur die Verfolgungen und Verunstaltungen be

wicklung

wir dann eine bedeutende Abweichung von den gnostischen Hauptparteien jener und der folgenden Zeit erkennen. Nun standen sie aber doch in einem auch äusseren Zusammenhange und in gesellschaftlicher Verbindung mit anderen Gemeinden, denn sie hatten ein Oberhaupt, einen Papst, der, sagten sie, nicht der römische sei, sondern stets herumwandernd ihre zerstreuten Brüder besuche und (durch das Consolamentum) ihnen die Sündenvergebung ertheile. Man hat diess von dem heiligen Geiste verstehen wollen, der das unsichtbare Band ihrer Gemeinschaft gebildet '); es ist aber offenbar ein wirklicher menschlicher Papst gemeint, wie schon die Entgegensetzung gegen den römischen Papst und der Zusatz, dass jener keine Tonsur trage, zeigt. Auch wollten die Häretiker sicher nicht sagen, dass der heilige Geist, d. h. das richtige Verständniss der heiligen Schrift, die zerstreuten Brüder besuche und ihnen die Sünden nachlasse, sondern sie schrieben die Sündenvergebung ohne Zweifel, gleich den übrigen Sektirern, der Händeauflegung ihres herumreisenden Oberhauptes zu. Standen nun aber diese Gnostiker zu Monteforte in einer solchen Verbindung mit anderen gleichartigen Genossenschaften, so können sie auch in einer Lebensfrage, wie die von der Existenz und Persönlichkeit Christi ist, von den übrigen nicht so völlig abgewichen sein; und es ist daher immerhin sehr wahrscheinlich, dass sie Christum für ein den menschlichen Seelen verwandtes, aus Gott, gleich diesen, emanirtes Wesen hielten und in diesem Sinne sagten, Christus sei der vorzugsweise von Gott geliebte Menschengeist, d. h. der dem menschlichen wesensgleiche Geist.

Der Erzbischof Heribert, der durch abgesandte Bewaffnete die Häretiker und unter ihnen auch die Gräfin

deute, denen die reine göttliche Lehre häufig ausgesetzt gewesen. S. E. F. Keller, Daniel Müller, ein merkwürdiger religiöser Schwärmer des 18. Jahrh., in Illgens Zeitschr. f. hist. Theol. IV, 2, 254.

1) Neander, Kirchengesch. IV, 679.

des Orts von ihrem Schlosse nach Mailand hatte bringen lassen, gab sich mit seinen Geistlichen viele, doch vergebliche Mühe, sie zu bekehren. Da liessen die Edelleute der Stadt auf der einen Seite ein Kreuz aufrichten, auf der anderen - gegen Heriberts Willen – ein grosses Feuer anzünden, worauf sie den herbeigeführten Häretikern bedeuteten, dass sie das eine oder andere wählen müssten. Nur einige entsagten ihrer Lehre; die meisten sprangen willig mit vor das Gesicht gehaltenen Händen in die Flammen.

Da die neu-gnostische Sekte immer weiter um sich griff, so geschah es, dass einzelne aus dieser Quelle gekommene Vorstellungen und Lehren mitunter auch in weiteren Kreisen Eingang fanden, wie denn überhaupt die Neigung und der Zug zu solchen Verirrungen immer stärker wurde. Es ist daher nicht unwahrscheinlich,1) dass jene Geringschätzung und Schmähung der Sacramente, als gehaltloser Ceremonien, welche der Bischof Fulbert von Chartres in einem Briefe an den Abt Adeodat damals als einen von mehreren gehegten Irrthum rügte,?) mit jener Sekte zusammenhing. Deutlicher zeigt sich dieser Einfluss etwas später an einem Schüler Fulberts, der aber von den Gesinnungen seines Meisters weit abwich, dem berühmten Berengar von Tours. Zwei Zeitgenossen, der Bischof Deoduin von Lüttich und der Mönch Guitmund 3) behaupten, dass Berengar, neben seiner VerWerfung der Verwandlungslehre, auch die Ehe und die Taufe der Kinder bestritten habe; doch scheint es, dass er diese beiden Fragen bald fallen liess, da sie fernerhin in den

betreffenden Streitigkeiten nicht mehr erwähnt werden.

ihn

1) wie Neander, Kirchengesch. IV, 670, meint.
2) Fulberti Epist. in der Biblioth. max. PP. XVIII, 3.

3) Deoduini Epist. bei Mabillon, Anal. p. 446. Guitmundus de verit. euchar. in der Biblioth. max. PP. XVIII, 441: Legitima conjugia, quantum in ipso erat, destruens et parvulorum baptisma evertens. Deoduin erwähnt es bloss als Gerücht.

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Er selbst versicherte nachher in seiner Antwort an den Bischof Adelmann, dass er von dem Wahne der Manichäer, welche nur einen scheinbaren Leib Christi annähmen, weit entfernt sei.') Indessen bediente sich Berengar eines Arguments, welches nachher die Katharer mit besonderer Vorliebe und nicht geringem Erfolge fast bei jeder Gelegenheit vorzubringen pflegten; er sagte nämlich einmal zu Angers auf der Strasse: Wenn der Leib Christi auch so gross wäre, als der ungeheure Thurm, der sich hier vor uns erhebt, so würde er doch, von so vielen Menschen auf der ganzen Erde gegessen, längst schon aufgezehrt sein.“ 2)

Unter den neuen Häretikern, welche Papst Leo IX. auf der Synode zu Rheims im J. 1049 mit dem Kirchenbann belegte, ist dieselbe gnostische Sekte gemeint, die sich unaufhaltsam im südlichen wie im nördlichen Frankreich und Belgien verbreitete 3) und von da nunmehr auch in Deutschland eindrang. Von den hier Übergetretenen wurden mehrere, die man gleich an ihrem Abscheu gegen das Fleischessen als Manichäer erkannte, im J. 1052 nach Goslar gebracht, wo sie der Kaiser Heinrich III., nach dem gemeinschaftlichen Spruche der Fürsten, damit das Gift der Irrlehre nicht noch weiter um sich greife, aufknüpfen liess. ') Ihre Weigerung, ein Huhn umzubringen, diente dazu, sie von den unschuldig Angeklagten zu unterscheiden.

Auch in der Diöcese Chalons-sur-Marne wurden Anhänger der gnostischen Lehre unter dem Landvolke zur Zeit des Bischofs Roger II. (vom J. 1043 bis 1062) gefunden. Sie hielten die Ehe, das Fleischessen, das Tödten der Thiere für sündhaft und hatten das Consola

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1) Bei Mabillon, Praef. ad Acta SS. 0. S. Ben. Saec. VI, P. II.
2) Petrus Venerab. contra Petrobrusianos

p.

1185. 3) Mabillon, Acta SS. Saec. VI, P. I, p. 720.

4) Hermanni Contracti Chron. in Canisii Lect. antiq. ed. Basnage III, 267.

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