solamentum, und was sich darüber in den Acten der Glaubensgerichte zu Carcassone und Toulouse findet, stimmt in der Hauptsache damit überein, wiewohl hier meist die Tröstung von Kranken vorkommt.1) Bei der Weihung eines Gesunden heisst es aber auch: er habe versprochen, fortan nicht mehr ohne einen Gefährten zu bleiben und nicht ohne diesen und ohne ein gemeinschaftliches Gebet zu essen; falls er aber gefangen würde und sich im Kerker allein fände, drei Tage lang nichts zu geniessen. 2) Die Vollkommenen durften nämlich keine Speise geniessen, wenn diese nicht durch ein Gebet gereinigt und der Herrschaft des bösen Gottes, zu dessen Reich sie ursprünglich gehörte, entzogen war. Wahrscheinlich durfte aber nicht der, welcher die Speise genoss, sie auch weihen, sondern diess musste der andere thun, der seinerseits wieder nur das von dem Gefährten Geweihte ass. Befand sich nun einer im Gefängniss, so sollte er, da seine Nahrung nicht geweiht werden konnte, katharischen Ritual bei Cunitz S. 11): usque ad gratia et veritas per Jesum Christum facta est“ (Joh. 1, 17). 1) In den für das Consolamentum vorgeschriebenen Formeln in dem von E. Cunitz herausgegebenen ,katharischen Ritual" (Beiträge zu den theolog. Wissenschaften, 4. Bändchen, Jena 1852, S. 3) kommen, wie in dem ganzen Rituale, nur so wenige und schwache Spuren der eigenthümlichen Anschauungen der Katharer vor, dass ohne Zweifel, wie der Herausgeber S. 70 selbst vermuthet, dieses Ritual „einer Partei angehörte, welche, vielleicht durch Einwirkung waldensischer Elemente, die in Südfrankreich in so nahe Berührung mit den Katharern kamen, zu einer gemilderten Lehre sich erhoben hatte". (Ein ähnliches Gelöbniss, wie in dem Ritual, wird Doc. p. 96 als von dem Consolandus bei der Professio oder Receptio bei den Pauperes de Lugduno abzulegen erwähnt.) Jedenfalls ist das Actenstück, so weit es mit dem, was wir aus anderen Quellen wissen, nicht übereinstimmt, für die Darstellung der Lehre und der Gebräuche der eigentlichen Katharer nicht zu verwenden. 2) Promisit quod ulterius non esset atque comederet sine socio et sine oratione, et quod captus sine socio non comederet per triduum. Coll. Doat. Acta inq. Carcass. Tom. II, f. 272. lieber, bis zum wirklichen Verhungern, des Essens sich enthalten, und wenn er versprechen musste, dieses wenigstens drei Tage lang zu thun, so galt es ohne Zweifel als verdienstlich, lieber geradezu des Hungertodes zu sterben, als ungeweihte Speise zu geniessen. Die Glaubensgerichte hatten es sich zum Grundsatze gemacht, wenn Vollkommene in ihre Gewalt fielen, sie so lange als möglich zu schonen und zuzuwarten, ob sie sich nicht doch noch bekehren würden; diese aber vereitelten nicht selten alle Bemühungen und Hoffnungen der Richter gleich in den ersten Tagen ihrer Haft, indem sie - dem Grundsatz, nie allein zu essen, getreu jede Nahrung von sich wiesen und so die Inquisition nöthigten, ihre Verurtheilung zu beschleunigen. So heisst es in der Sentenz, durch welche Amelius de Perlis im J. 1309 dem weltlichen Gerichte überliefert wurde: man habe ihn zwar wiederholt ermahnt und gebeten, zum katholischen Glauben zurückzukehren, er aber wolle vielmehr zum Selbstmörder werden, indem er seit seiner Verhaftung sich hartnäckig weigere, zu essen oder zu trinken, so dass man ohne Gefahr des Todes nicht länger mehr mit ihm zuwarten könne.') Viele hielten es indess für zulässig, dass der Katharer, namentlich wenn er krank war, für sich selbst. seine Speise und seinen Trank durch Gebet reinigte, und daher pflegte man den Angehörigen des Kranken vorzuschreiben, dass sie ihm nichts zu geniessen geben sollten, wenn er nicht wenigstens noch das Vaterunser hersagen könne. Sacchoni meint, dadurch möchten wohl viele ums Leben gekommen sein, und in den Acten des Glaubensgerichts von Carcassone wird von einer Frau 1) Ad cumulum damnationis suae tanquam perditionis filius et gehennae, mortem corporalem sibi accelerans et properans ad aeternam, ab eo tempore, quo captus extitit, noluit comedere et bibere tanquam sui ipsius proprius homicida. . . nec potest ultra diutius sine mortis periculo exspectari. Liber sent. inquis. Tolos. p. 37. Doc. p. 286. Dollinger, Geschichte der Sekten. 14 berichtet, die sich nach ihrem Consolamentum in die Endura versetzte und des Hungertodes starb, bloss weil sie die Gebetsformel der Sekte nicht kannte und niemanden hatte, der sie diese gelehrt hätte.) Auch findet sich, dass dem Kranken bei der Tröstung eingeschärft wurde, nichts zu essen, wenn er nicht das Vaterunser sagen könne.2) Wenn, was bei weitem am häufigsten der Fall war, ein Kranker das Consolamentum empfing, so war die Form etwas verschieden. Der Vorsteher pflegte dann die Hände des Einzuweihenden zwischen den seinigen zu halten und ein Buch, in welchem das Evangelium Johannis nebst den Vorschriften der Sekte enthalten war, auf sein Haupt zu legen. War der Anfang des JohannesEvangeliums gelesen, so folgte die Handauflegung; man übergab dem Kranken einen Zettel, der das Vaterunser in der Form, in welcher die Katharer es hatten, enthielt, und wenn er es wegen Schwäche nicht selbst hersagen konnte, so musste einer der Anwesenden es für ihn thun. Darauf sagte er dreimal Benedicite mit Neigung des Hauptes und mit gefalteten Händen; der Einweihende aber und die übrigen anwesenden Vollkommenen beteten unter mehreren Prostrationen oder Kniebeugungen das Vaterunser.3) Da die Vollkommenen einander wechselseitig adorirten, so galten einige dieser Kniebeugungen dem neuen Bruder, dem hiermit zum ersten Male die 1) Doc. p. 37. Raineri Summa p. 1765. Die in der Endura Befindlichen pflegten bei dem Wasser, welches sie allein noch zu sich nahmen, das Vaterunser zu sprechen. So heisst es Sent. inq. Tolos. p. 173: Maritus suus ex tunc (nach dem Consolamentum) non comedit, sed bibebat aquam cum zucara, quam ipsa ministrabat sibi, et quando ministrabat ipsa, dicebat Pater noster. Vgl. Doc. p. 24. 2) Sent. inq. Tolos. p. 111. Doc. p. 295. 3) Doc. p. 5. 19. 27. 39. Sent. inq. Tolos. p. 186. Auch die Umgürtung mit der dünnen Schnur wird mehrmals erwähnt, z. B. Sent. inq. Tol. p. 249. ihm, als einem Gefässe des h. Geistes, gebührende Ehre erwiesen wurde. Sollte ein Weib getröstet werden, so wurde ein weisses leinenes Tuch über sie gebreitet,1) damit keine unmittelbare Berührung, die den Katharern strenge untersagt war, stattfände; denn die Scheu vor jeder weiblichen Berührung und der dadurch nach den Lehren der Sekte verursachten Befleckung ging so weit, dass selbst ein Vater, Petrus Sicardi, seiner Tochter gebot, sie solle ihn, nachdem er die Tröstung empfangen, nicht mehr anrühren, weil von nun an jede weibliche Berührung sündhaft und schädlich für ihn sei.2) Da die Getrösteten oder Vollkommenen sich den härtesten Entbehrungen unterziehen, strenge Enthaltung und Ehelosigkeit beobachten und überhaupt ein den Interessen der Sekte gewidmetes, dabei durch eine ängstliche Scheu vor Befleckungen und Übertretungen peinliches Leben führen mussten, so war es immer nur eine verhältnissmässig kleine Anzahl, die sich in gesunden Tagen zur Übernahme eines so drückenden, lebenslänglichen Joches entschloss, während weitaus die meisten sich begnügten, als Glaubende sich innerlich zu den Lehren der Sekte zu bekennen, wobei ihnen nichts Lästiges, keine Enthaltung, keine Beobachtung beengender Satzungen, überhaupt nichts von dem, was zu den Verpflichtungen der Vollkommenen oder Eingeweihten gehörte, zugemuthet wurde. In diesem Stande war völlige sittliche Ungebundenheit, absolute Freiheit, jedes Gelüste zu befriedigen, mit der sicheren Anwartschaft auf Erlangung der ewigen Seligkeit verbunden; denn um in bequemer Sicherheit und mit dem Bewusstsein dahin zu 1) Prius posuerat quendam pannum linteum album super dictam infirmam. Sent. inq. Tolos. p. 186. Tunc dictus homo posuit quoddam manutergium super pectus dictae infirmae. Ebend. p. 190. 2) Sent. inq. Tolos. p. 111. leben, dass er einer jener Auserwählten sei, die nie verloren gehen könnten, bedurfte es für den Glaubenden nichts weiter, als dass er mit einem der Vorsteher den Vertrag einging, sich auf dem Todbette das Consolamentum ertheilen zu lassen oder „ein gutes Ende zu machen“. Wer diesen Vertrag, den man die Convenenza nannte,1) eingegangen war, der konnte ruhig und unbekümmert der Zukunft entgegen sehen; sein Heil war ihm gewiss; das Consolamentum am Schlusse seines Lebens tilgte mit einem Male alle Sünden, die er begangen haben mochte, und selbst wenn ihm dieses, weil er etwa plötzlich starb oder weil er bei seinem Tode keinen Vollkommenen haben konnte, nicht zu Theil wurde, so hatte er doch die Aussicht, mittels der Seelenwanderung unter einer andern Hülle in dieses Leben zurückzukehren und doch noch jenes zur Seligkeit unentbehrlichen Mittels, der Weihe für die künftige Welt, theilhaft zu werden. Wer aber keine Convenenza gemacht, keine Tröstung empfangen hatte, der musste zur Schöpfung des bösen Gottes gehören und war verloren. Nach der Behauptung des genau unterrichteten Sacchoni gab es zu seiner Zeit, d. h. um das J. 1250, kaum 4000 Eingeweihte beiderlei Geschlechts in der ganzen Welt; der Glaubenden aber war eine unzählige Menge. Dasselbe Verhältniss ergibt sich aus den Acten der südfranzösischen Glaubensgerichte: hier kommen auf mehrere Hunderte von Glaubenden, die fast alle die Convenenza gemacht hatten, kaum acht oder neun Personen, welche sich in gesundem Zustande hatten einweihen lassen und als Vorsteher der Gemeinden und als Vollkommene wirkten. Freilich war es für Eingeweihte da, wo die Katharer überwacht, aufgesucht und vor Gericht ge 1) Sent. inq. Tolos. p. 29: Fecit pactum haereticis, quod ipsi vocant la covenensa, quod peteret haereticos in infirmitate sua, ut reciperent eum et servarent animam ipsius. Doc. p. 18. |