melte, der sofort von dem neuen Bischof ordinirt wurde. Allein später nahmen die Katharer des Abendlandes an dieser Ordinationsweise, nach welcher der Sohn seinen geistigen Vater einsetze, Anstoss, und es wurde nun Sitte, dass der Bischof vor seinem Tode dem ältern Sohne die bischöfliche Ordination ertheilte, und wenn einer der beiden Bischöfe starb, der jüngere Sohn zum ältern und sogleich auch zum Bischof geweiht wurde, so dass fast jede Gemeinde zwei Bischöfe hatte. Daher pflegte sich, nach Rainers Mittheilung, Johannes de Lugio in seinen Briefen zu unterzeichnen: ,von Gottes Gnaden älterer Sohn und ordinirter Bischof".1) Hatte eine Gemeinde etwa der Verfolgung wegen nur Einen Kirchendiener, so ernannte dieser seinen Nachfolger, wenn er ihn nicht selbst ordiniren konnte; der Ernannte liess sich dann anderswo weihen. So wird in den Acten des Glaubensgerichts von Carcassone erwähnt, dass man einem gefangenen Diakon heimlich eine Wachstafel zusandte, auf die er den Namen dessen schrieb, den er zu seinem Nachfolger im Diakonat bestimmte. 2) Übrigens sollte ein Bischof nie ohne einen Diakon sein. 3) Die Katharer hatten auch Diakonissen, welche wahrscheinlich auch durch Handauflegung ordinirt wurden. Da sie der katholischen Kirche einen Vorwurf daraus machten, dass sie nicht, nach der Vorschrift des Apostels, solche Kirchendienerinnen habe, so hatte wohl jede Gemeinde bei ihnen wenigstens eine. Wenn nach 1) Raineri Summa p. 1762. Moneta p. 278. 341. 2) Coll. Doat. Acta inquis. Carcasson. Tom. IV, f. 13 (Doc. p. 227 wird als einziger Vorsteher ein Diakon genannt, den die Gemeinde ihren Major nannte). 3) Oliba, episcopus haereticorum Tolosae, et quidam juvenis socius ejus, factus do novo diaconus, quia episcopus non debet esse sine diacono, et Petrus Maurelli, qui fugit de carcere inquisitorio et posuit se de novo ad abstinentiam haereticorum, morantur apud Januam. Ibid. V, 307. Sacchoni's Angabe im Nothfalle, wo kein männlicher Gemeindebeamter zu haben war, das Consolamentum auch von weiblichen Mitgliedern der Sekte ertheilt werden konnte, so bezieht sich diess nach dem Zeugnisse Moneta's auf die Diakonissen.") Diese mögen auch gemeinschaftlich mit den Diakonen die Aufsicht über jene Hospizien geführt haben, welche in allen Gemeinden errichtet und für die Aufnahme und Verpflegung auswärtiger Glaubensgenossen bestimmt waren.?) Mitunter fanden auch Concilien statt. Das von S. Felix de Caraman ist wiederholt erwähnt worden (S. 117. 121). In den Inquisitionsacten von Carcassone ist von einer magna congregatio die Rede, welche pro quadam quaestione determinanda zu Mirepoix gehalten wurde und an welcher gegen 600 Häretiker theilnahmen.") Die wichtigste, für das ewige Heil entscheidende Handlung war das Consolamentum, die Taufe des heiligen Geistes oder die geistige Taufe, von den Katholiken Haereticatio genannt. Sie wurde als völlig unentbehrlich zur Seligkeit betrachtet und konnte durch nichts ersetzt werden. Wer, ohne sie empfangen zu haben, starb, war entweder ewig verloren oder musste in der Hülle eines andern Leibes in das irdische Leben zurückkehren, um noch in dieser erneuten Seinsweise der Tröstung theilhaftig zu werden.') Wie schon erwähnt wurde (S. 193), begann man erst in späterer Zeit, gegen Ende des 13. Jahrhunderts, auch kleinen Kindern, wenn sie krank waren, diese Feuertaufe, wie sie auch genannt wurde, zu ertheilen. 2) Wer mit dem Willen, die einem Getrösteten obliegenden Verpflichtungen und Enthaltungen zu beobachten, das Consolamentum empfangen hatte, der hatte die in diesem Leben mögliche Stufe der Vollkommenheit erreicht und kehrte nach seinem Tode unmittelbar in die himmlische Heimath, zu der Stelle und Würde, die sein Geist dort vor der Verführung durch Lucifer eingenommen, zurück. Daher wurden die Getrösteten „Vollkommene“ oder auch „Eingekleidete“ genannt.s) Da bei weitem die meisten sich die Tröstung erst in schwerer Krankheit, bei wirklicher oder scheinbarer Todesgefahr ertheilen liessen, so nannte man sie auch das gute Ende“, und die grosse Mehrzahl der Glaubenden begnügte sich mit der Aussicht, ein gutes Ende zu machen“.4) Auch als die wahre Busse oder als der Eintritt in dieselbe wurde die Tröstung bezeichnet; durch sie wurden nicht nur alle Sünden, welcher Art sie auch sein mochten, vollständig erlassen und getilgt, sondern der Getröstete empfing auch den h. Geist, der nun in ihm wohnte und ihn vor jeder ferneren Sünde bewahrte,5) da 1) Moneta p. 293. Nach Doc. p. 324 konnten ex jussione et concessione die Gemeindebeamten, nach p. 279 im Nothfalle auch Gemeindemitglieder das Consolamentum ertheilen, nach p. 165 auch Frauen. 2) Moneta p. 278. 394. Doc. p. 279. In den Acten der Inquisition kommen auch Vorsteherinnen der weiblichen Mitglieder der Sekte vor, z. B. Coll. rer. Occit. ms. Acta inquis. Carcass. Tom. II, f. 249: Rixendis de Tella anteposita aliis haereticabus. Wahrscheinlich war dies eine Diakonisse. 3) Doc. p. 95; p. 53: Albanenses et Concorricii pluries convenerunt in unum et consilia plurima fecerunt tractando, quomodo possent in unam fidem convenire. 1) Doc. p. 179. 188. 191. 246. 267. 2) Fecit venire quendam haereticum ad haereticandam quandam puellulam, filiam filii sui parvulam, in fine suo, et ipsa praesente et vidente haereticus haereticavit dictam puellam, quae obiit. Liber sent. inq. Tolos. p. 24. Vgl. Doc. p. 217. 238. 239. Früher wurden nur solche, die das 18. Lebensjahr erreicht hatten, getröstet. Doc. P. 236. 9) Liber sent. inq. Tolos. p. 24: haeretici perfecti et vestiti. Ebenso Doc. p. 179; vergl. p. 178. 194. 195. Auch das Concil zu Beziers im J. 1299 (bei Martene IV, 225) sagt: Haeretici perfecti vulgariter vestiti dicti. 4) Doc. p. 30. 5) Doc. p. 154. 21. 61. die Gnade des h. Geistes nach der Lehre der Katharer unverlierbar war, weshalb auch die Getrösteten oder Vollkommenen sich stets rühmten, dass sie und nur sie allein völlig sündelos seien. Da ferner diese Sekte die Auferstehung der Leiber verwarf, so hiess es mitunter, die Tröstung, durch welche die Seele aus dem Zustande der Sündhaftigkeit austrete, sei die einzige wahre Auferstehung.) Der zu Weihende musste versprechen, dass er keine Hoffnung des Heiles auf den Glauben der römischen Kirche und ihre Sacramente setzen wolle; 2) als strenge Verpflichtung wurde ihm auferlegt, fortan mit keinem Weibe mehr Umgang zu haben, keines auch nur zu berühren und sich aller animalischen Nahrung, also des Fleisches, der Eier, des Käse u. dgl., strenge zu enthalten. Zugleich versprach er, für seinen Glauben alles, auch den Tod erdulden zu wollen.) War der Aufzunehmende gesund, so fand die Tröstung in folgender Ordnung statt: Der Vorsteher der Sekte fragte zuerst: Bruder, willst du dich unserem Glauben ergeben? Dieser, noch in der Entfernung stehend, bejahte, kniete nieder mit auf den Boden gestützten Händen und sagte: Segnet mich. Der Vorsteher erwiderte: Der Herr segne dich. Dann trat der Glaubende näher und wiederholte die Kniebeugung mit der Bitte um den Segen zum zweiten und dritten Male; zuletzt fügte er bei: Bittet Gott für diesen Sünder, dass er mich zu einem guten Ende führe und mich zu einem guten Christen mache. Der Vorsteher antwortete in gleichem Sinne. Knieend versprach der Glaubende hierauf, keine animalische Speise, überhaupt keine andere Nahrung mehr zu geniessen, als die vom Wasser und vom Holze, d. h. Fische, Öl und Vegetabilien, weder zu lügen noch zu schwören, kein Thier zu tödten, sich keiner fleischlichen Lust zu überlassen, nicht allein zu gehen, wenn er einen Gefährten seines Glaubens haben könne, nicht allein zu essen, nicht ohne Hemd und Beinkleider zu schlafen und nicht aus Furcht vor Wasser oder Feuer oder irgend einer andern Todesart den Glauben zu verleugnen. Sofort knieten alle Anwesenden mit zur Erde gekehrten Händen nieder. Der Vorsteher legte das Evangelienbuch und seine Hände auf das Haupt des zu Weihenden, las das Evangelium „Im Anfange war das Wort“ und ertheilte ihm durch zweimaliges Küssen auf den Mund den Frieden, welchen er auf dieselbe Weise wieder weiter gab. Waren Weiber zugegen, so nahm eine von ihnen *) Doc. p. 131. 187. 197. Doc. p. 246 wird das Consolamentum mit dem Ausdrucke dare la entendensa del be bezeichnet. 2) Moneta p. 94. Doc. p. 279. 21. . den Frieden durch Berührung des Elbogens oder der Schulter eines Vollkommenen oder durch Küssen des Evangelienbuches 1) und theilte ihn dann den übrigen durch einen Kuss auf den Mund mit. Der Getröstete aber sprach die Gebetsformel der Sekte: „Lasset uns anbeten den Vater, den Sohn und den h. Geist“,?) empfing eine dünne Schnur, sich damit über dem Hemde zu umgürten und hiess von nun an ein Eingekleideter. So beschreibt ein Anhang zu Sacchoni 3) das Con 1) Si sint illic mulieres aliquae, aliqua illarum recipit pacem de cubito alicujus haeretici. Martene V, 1776. Mulier accepit pacem a libro et humero haereticorum. Doc. p. 34. 41. Vgl. das katharische Ritual bei Cunitz S. 28. 2) Unter dem h. Geiste verstanden sie in dieser Formel den, welchen sie den Spiritus principalis nannten, den Fürsten der Geister, der über alle Paraklete erhaben und von unaussprechlicher Schönheit, aber doch nur ein geschaffenes Wesen sei. Moneta p. 5. Vgl. S. 155. 3) Bei Martene V, 1776. In der Ausgabe des Sacchoni bei d'Argentré fehlt dieser von einer andern Hand herrührende Anhang. Von dem Anfang des Evangeliums Johannis, der hierbei gelesen wurde, heisst es Doc. p. 5: Dicit evangelium „In principio“ usque ad ,caro factum est et habitavit in nobis“, dagegen p. 39 (und in dem |