Obrazy na stronie
PDF
ePub

und so hat es auch Petrus von Sicilien verstanden. Indess liesse sich mit einer solchen antinomistischen Lehre nicht wohl die Thatsache vereinigen, dass Sergius als Reformator gegen Baanes und die durch diesen begünstigte Sittenlosigkeit auftrat und eben dadurch eine Spaltung bewirkte. Jedenfalls ist klar, dass er die Worte Pauli von der Sünde gegen den eigenen Leib von der Versündigung gegen den kirchlichen Leib, welche ein Glied desselben durch Losreissung und Verfälschung der Lehre begehe, verstanden wissen wollte.')

Wie die Paulicianer sich den Ursprung der menschlichen Seelen dachten, ob durch Schöpfung des guten Gottes oder durch Emanation aus ihm und Abfall von ihm, ist nicht klar; doch lehrten sie nicht, gleich andern, eine gänzliche Verfinsterung alles Gottesbewusstseins vor Christus; sie sagten mit Beziehung auf Joh. 1, 9, der Gott der Geisterwesen erleuchte jeden Menschen, der in die Welt komme, und auch diejenigen, welche sich freiwillig dem bösen Gotte hingegeben hätten, könnten in ihrer Verfinsterung sich noch einem Strahle der Wahrheit zuwenden, da der gute Gott immer gewesen, immer sei und immer sein werde.2)

Aber eine eigentliche Offenbarung an die Menschen fand vor der Erscheinung Christi nicht statt. Die Pauli> cianer verwarfen das ganze Alte Testament, das Gesetz und die Propheten als die Offenbarung des Demiurgos;

1) Neander (K.-G. III, 525) meint: es lasse sich von Sergius nicht erwarten, dass er die Worte des Paulus an und für sich von der geistigen Hurerei, dem Abfall von der reinen Lehre, verstanden haben sollte, was gar zu widersinnig wäre." Mir scheint, dass eine solche Deutung ganz dem exegetischen Geiste dieser Parteien angemessen sei und dass ein dualistisches System, welches seine Begründung im Neuen Testamente nachweisen will, zu noch widersinnigeren Deutungen greifen müsse, wie denn auch in der Darstellung des Systems der Katharer viele noch gewaltsamere Auslegungen von neutestamentlichen Stellen sich finden.

2) Photius I, 147.

die Propheten nannten sie Betrüger und Diebe (nach Joh. 10, 8). Doch verstanden sie nach der Angabe des Photius in der Stelle Joh. 1, 11 unter dem Eigenthum, in welches Christus gekommen sei, die „prophetischen Reden" sie nahmen also, gleich den dualistischen Katharern des Occidents, an, dass die Propheten unbewusst durch Eingebung des guten Gottes auch Wahres und auf die künftige Erscheinung des Erlösers Bezügliches verkündet hätten.

Aus der Welt des guten Gottes kam Christus herab, die Menschen aus der Knechtschaft des Demiurgos zu befreien; seine Mutter war nicht das Weib Maria, durch welche er mit seinem von oben herabgebrachten ätherischen Leib nur wie durch einen Kanal hindurchging, sondern das obere Jerusalem, das Reich des guten Gottes; dieses nannten die Paulicianer den Katholischen gegenüber, zur Verhüllung ihrer wahren Lehre, die heiligste Gottesgebärerin, in welche der Herr ein- und von der er ausgegangen sei; von Maria aber behaupteten sie, sie dürfe nicht einmal unter die guten Menschen gerechnet werden und habe mit Joseph nach der scheinbaren Geburt Jesu noch jene im Evangelium erwähnten Brüder Jesu erzeugt.1)

Ein wirkliches Leiden Christi wurde natürlich nicht angenommen, theils wegen des Doketismus, theils auch weil eine erlösende Genugthuung in dem Lehrbegriffe der Paulicianer, wie in dem aller derartigen Sekten, keine Stelle fand und demnach die Erlösung wahrscheinlich auch bei ihnen als eine blosse Belehrung und Erweckung des Bewusstseins höherer Abkunft gedacht wurde. Die Verehrung des Kreuzes verabscheuten sie: es sei nur ein Strafwerkzeug der Übelthäter und ein Zeichen des Fluches; doch verstanden sie sich im Nothfalle dazu, ihm als einem Symbole Christi, welcher seine Hände in Kreuzes

1) Petrus Sic. p. 18. Photius I, 22.

form ausgebreitet habe, Ehre zu erweisen. Wahrscheinlich dachten sie bei dieser Ausbreitung der Hände nicht an sein Leiden am Kreuze, welches jedenfalls nur als ein scheinbares gelten konnte, sondern an ein für die Auserwählten verrichtetes Gebet Christi. Wenn sie, nach der Angabe des Photius, in Krankheiten ein hölzernes Kreuz sich auflegten und nach erfolgter Genesung dasselbe zerbrachen, mit Füssen traten oder wegwarfen, 1) so geschah diess, weil sie, gleich den Katharern, das Kreuz als ein Zeichen und Werkzeug des Demiurgos, dessen sich dieser gegen den ihm verhassten Christus bedient habe, betrachteten; und da körperliche Leiden nur von dem, in dessen Reich und Gewalt die Leiber sich befanden, nicht von dem guten Gotte herrühren konnten, so mochte ihnen zulässig scheinen, Gift mit Gegengift zu vertreiben und einem vom Satan verhängten Leiden die magische Kraft seines eigenen Zeichens entgegenzusetzen. Aus demselben Grunde liessen sie auch zuweilen ihre Kinder von einem katholischen Priester taufen; die Taufe galt ihnen nämlich als eine vom Demiurgos eingesetzte Handlung, die zwar für die Seele völlig wirkungslos, dem Leibe aber zuträglich sei.

Die Paulicianer bekannten den Worten nach eine Trinität von Vater, Sohn und heiligem Geiste; es ist aber nicht klar, wie sie sich das Verhältniss dieser Personen zu einander dachten; jedenfalls auf eine von der katholischen Lehre weit abweichende Weise. Wahrscheinlich wurden der Sohn (Christus) und der heilige Geist für zwei Engel der höheren Welt gehalten, denen die Erlösung und fortwährende Erleuchtung der Menschenseelen aufgetragen war; die angesehensten Lehrer der Sekte galten daher für Organe des heiligen Geistes, und, wie bei den Katharern, scheint derselbe auch hier um seine Fürbitte angerufen worden zu sein.

Die Paulicianer verachteten und schmähten den

1) Photius I, 29.

Apostel Petrus, weil er, wie sie sagten, den Glauben an seinen Meister Christus verleugnet habe; ohne Zweifel meinten sie damit nicht bloss den Vorgang bei dem Leiden Christi, sondern auch jene dem Paulus entgegengesetzte judaisirende Richtung, welche sie, nach dem Vorgange älterer Gnostiker, ihm zuschrieben. Sie verwarfen daher auch die beiden Briefe Petri; die grösste Verehrung bewiesen sie dagegen den Briefen Pauli, dessen wahre Schüler sie zu sein vorgaben, und neben den im Kanon befindlichen, gebrauchten sie auch noch ein angebliches Schreiben dieses Apostels an die Laodicäer. Eine Randglosse bei Petrus von Sicilien, welche diess bemerkt, gibt auch an, dass die Paulicianer der spätern Zeit nur zwei Evangelien angenommen hätten. Dass der grösste Theil derselben auch die Apostelgeschichte, die Briefe des Johannes, Jacobus und Judas verwarf, bezeugt Photius.1) Übrigens trugen sie kein Bedenken, das Evangelienbuch, da es die Worte Christi enthalte, durch Küssen und Kniebeugen zu verehren.

Die Sacramente mussten nach dem Paulicianischen Systeme überhaupt für verwerflich gelten, da die Dinge dieser Welt, Wasser, Oel, Brod, als zum satanischen Reiche gehörig, nicht Träger einer überirdischen Gnade sein konnten. In Bezug auf die Taufe beriefen sie sich auf einen Ausspruch Christi von dem „lebendigen Wasser" (Joh. 4, 10) und schlossen daraus, dass das Gebot der Taufe nur von der Annahme der Lehre des Evangeliums zu verstehen sei. Von der Eucharistie sagten sie: was Christus den Jüngern beim letzten Mahle gegeben, sei nicht Brod und Wein gewesen, sondern die Worte, die er gesprochen; die Lehren, die er ihnen mitgetheilt, habe er symbolisch als Brod und Wein bezeichnet.2) Doch trugen sie kein Bedenken, in den katho

1) Phot. I, 56. 187.

2) Petrus Sic. p. 18.

lischen Kirchen die Communion sich reichen zu lassen, wenn diess zu ihrem Zwecke, leichter verborgen zu bleiben, dienlich schien.

"

Die Paulicianer nannten sich selbst „Christen", die Katholiken Römer", als Bekenner der im römisch-orientalischen Reiche herrschenden Religion. Ihre Versammlungsorte wollten sie nicht Kirchen genannt wissen, sondern Gebetstätten (Tooσεvxαí). Der Name „Presbyter“, Ältester, war ihnen verhasst, weil es von diesen im Evangelium (Matth. 27, 1 u. s.) heisse, dass sie sich gegen den Herrn versammelt hätten. Ihre früheren Lehrer und Vorsteher, wie sie von Constantin bis auf Sergius auf einander gefolgt waren, wurden gleich den Aposteln geehrt. Nach dem Tode des Sergius hörte die bisherige monarchische Leitung der Sekte auf, und die Schüler dieses Mannes übernahmen unter dem Titel Συνέκδημοι, Begleiter auf der Wanderschaft" (nach Apg. 19, 29; 2. Kor. 8, 19), mit gleicher Gewalt und mit dem Anspruche auf jene höhere, den früheren Häuptern als Organen des h. Geistes zugeschriebene Erleuchtung, die Leitung des Gan

[ocr errors]

Ihnen war eine andere Klasse kirchlicher Personen, die Notarien, untergeordnet, welche entweder den gemeinschaftlichen Gottesdienst zu halten oder doch eine gewisse Aufsicht in den religiösen Zusammenkünften zu führen hatten. Später erlangten indess diese Notarien den Vorrang vor den Synekdemen. 1) Jene sowohl als diese waren weder in der Kleidung noch in der Lebensweise von den übrigen Gliedern der Sekte unterschieden.

Die bei anderen derartigen Sekten so bedeutungsvolle Unterscheidung zweier Klassen, der Geweihten oder Vollkommenen und der Hörenden, scheint den Paulicianern ganz fremd geblieben zu sein; der Grund hievon lag wohl darin, dass die Enthaltung von der Ehe und vom Fleisch

1) Nach der Formula receptionis Manichaeorum bei Tollius, Insignia itinerarii italici, Utrecht 1696, p. 144.

« PoprzedniaDalej »