einem Geistlichen erschlagen. Der h. Norbert bemühte . sich, in Antwerpen die Verführten wieder mit der Kirche zu versöhnen, aber die Sekte der Tanchelmiten erhielt sich noch länger, und wenn auch der Wahn, dass Tanchelm ein Träger des heiligen Geistes gewesen, mit seinem Tode zerfloss, so pflanzte sich doch die Lehre von der Unwürdigkeit und Unfähigkeit des Priesterthums der Kirche zur Verwaltung der Sacramente in jener Sekte fort. Es zeigt sich diess deutlich an jenen Häretikern, welche dreissig Jahre nach Tanchelms Tode neben den Manichäern und von diesen völlig getrennt in der Kölner Diocese, die damals einen grossen Theil der niederrheinischen Länder und zum Theil auch den Schauplatz von Tanchelms Wirksamkeit begriff, entdeckt wurden und deren Grundsätze Everwin in seinem Briefe an den h. Bernhard beschreibt. Sie gingen von der Behauptung aus, dass die Geistlichen der Kirche, da der ganze Stand von der zum Priesterthume wesentlich nothwendigen Heiligkeit abgefallen sei und in weltliche Angelegenheiten sich verwickelt habe, auch jeder priesterlichen Gewalt verlustig geworden seien und nunmehr weder consecriren noch irgend ein Sacrament verwalten könnten. Der Papst, sagten sie, diene nicht Gott, wie Petrus, und darum sei die dem Petrus gegebene Gewalt der Weihe ihm wieder entzogen worden; eben so stehe es mit den Bischöfen, die ein weltliches Leben führten und desshalb keine Macht, Priester zu weihen, besässen. Dabei beriefen sie sich seltsamer Weise auf die Worte Christi von den Schriftgelehrten und Pharisäern, die auf Moses' Stuhle sitzen; die Ermahnung des Herrn: „Was sie euch sagen, das thut,“ deuteten sie nämlich, mit Anwendung auf die Hierarchie und das Priesterthum der Kirche, so, als ob die Gewalt zu lehren und zu ermahnen die einzige demselben gebliebene, aber die Vollmacht zu consecriren und die Sacramente zu spenden von ihm gewichen sei. Sie selber indess scheinen sich diese Vollmacht nicht bei Der ganze gelegt, vielmehr auf die Sacramente überhaupt völlig verzichtet zu haben; denn nach Everwins Angabe liessen sie nur die Taufe gelten, weil bei dieser die Person des Ausspenders gleichgiltig sei und jeder eben durch Christus selbst getauft werde. Zugleich verwarfen sie aber, gleich allen Zweigen der manichäischen Sekte und wohl unter dem Einflusse derselben, die Kindertaufe. Kreis kirchlicher Symbole und gottesdienstlicher Feier war in ihren Augen leere Superstition. Fasten und andere Werke der Busse erklärten sie für überflüssig, nicht nur für den Gerechten, sondern auch für den Sünder. Sie leugneten den Reinigungszustand nach dem Tode, verwarfen die Anrufung der Heiligen und hielten jede Ehe für Unzucht, die nicht zwischen jungfräulichen Personen geschlossen werde; denn nur eine solche Ehe gleiche der des ersten Menschenpaars und werde wie diese von Gott selbst geknüpft. Höchst wahrscheinlich . war diess dieselbe Sekte, welche Ekbert, zwanzig Jahre später als Everwin, gleichfalls am Niederrhein vorfand und als die Anhänger eines gewissen Hartwin bezeichnet '); denn auch diese lehrten, dass die Ehe nur erlaubt sei, wenn sie von einem jungfräulichen Manne und einer Jungfrau eingegangen werde, fügten aber bei, dass die Beiwohnung nur zum Zwecke der Kinderzeugung geschehen, und sobald dieser Zweck erreicht sei, beide Gatten einander ferner nicht berühren dürften. Wahrscheinlich kamen die Tanchelmiten erst durch ihren Verkehr mit den Katharern auf mehrere der erwähnten Ansichten und Lehren; denn dass ein solcher Verkehr eingetreten, dass zwischen beiden Sekten Reibungen und Streitigkeiten stattgefunden, bezeugt Everwin mit der Bemerkung, dass eben durch diese Streitigkeiten die Katholischen erst auf sie aufmerksam geworden seien. 1) Ecberti Sermo adv. Catharos in der Biblioth. max. PP. XXIII, 608. Die ursprüngliche Unterscheidungslehre der Tanchelmiten war, dass die Kraft der Sacramente bedingt sei durch den moralischen Zustand des Priesters, und wie verführerisch damals dieser Wahn gewesen sei, dazu liefert unter anderen auch um dieselbe Zeit der Pfarrer Albero in Merken bei Düren ein Beispiel. Dieser Mann, der wegen seines fleckenlosen Wandels und seines Eifers für Frömmigkeit beim Volke hoch angesehen und verehrt war, lehrte, dass ein sündhafter Priester den Leib des Herrn nicht consecriren könne, behauptete, dass bei dem Messopfer stets Dämonen, nur selten aber heilige Engel zugegen seien, berief sich auf Visionen, in denen ihm diess geoffenbart worden, und versicherte, für seine Lehre die Feuerprobe bestehen zu wollen.') Neuntes Kapitel. Die Katharer. Die Tanchelmiten am Niederrhein standen als Sekte vereinzelt; überall sonst waren die häretischen Gemeinden, die sich bildeten oder nach längerer Verborgenheit zum Vorschein kamen, Zweige des manichäischen Stammes. Auch erkannte man immer deutlicher die grosse Gefahr, mit welcher die furchtbar sich mehrende und mit den wirksamsten Mitteln der Verführung reichlich ausgerüstete Partei die ganze Kirche bedrohte. Nach dem Ausdruck des Wilhelm von Newbridge waren sie bereits in Frankreich, Spanien, Italien, Deutschland zahlreich wie der Sand am Meere.) Die heilige Hildegard rief um das J. 1150 die Könige und Fürsten und alle Christen auf, jene Ketzer und Sadducäer aus der Kirche zu vertreiben, welche den ganzen Erdboden befleckten, welche das göttliche Gebot, dass die Menschen wachsen und sich mehren sollten, verachteten, die sich durch Fasten abmagerten, aber zugleich blutschänderischer Lust fröhnten, die alle Gebote, wie sie Gott durch Moses und die Propheten, dann durch seinen Sohn gegeben, verachteten. Man möge sie, erklärte Hildegard, mit Gütereinziehung, doch nicht mit dem Tode bestrafen, weil sie doch noch Gottes Bild an sich trügen.) 1) Anonymi libellus adv. errores Alberonis bei Martene, Ampliss. Coll. IX, 1252. 2) Quippe in latissimis Galliae, Hispaniae, Italiae Germaniaeque provinciis tam multi hac peste infecti esse dicuntur, ut secundum prophetam multiplicati esse super numerum arenae videantur. Guil. Neubrig. im Recueil des hist. XIII, 108. Auch die Könige wurden nun aufmerksam. Der Erzbischof Heinrich von Rheims hatte in dem zu seiner Provinz gehörigen Flandern im J. 1162 eine Anzahl Katharer gefunden, welche ihm, wenn er sie dulden wolle, die Summe von 600 Silbermark angeboten. Da der Prälat diess ausgeschlagen, hatten sie an den Papst appellirt. An diesen wandte sich nun König Ludwig VII. von Frankreich und stellte ihm vor, es sei durchaus nöthig, dass eine solche Pest der Gesellschaft ausgerottet werde; würde der Papst unzeitige Schonung eintreten lassen, so würde diess ihm und der römischen Kirche scharfe Vorwürfe zuziehen und das Murren der Gläubigen nicht leicht beschwichtigt werden können.) Als im J. 1167 eine Gesellschaft von Katharern zu Vezelay in Burgund entdeckt wurde, zeigte sich wieder, wie bedächtig und vorsichtig die Lehrer dieser Sekte in Mittheilung ihrer Dogmen zu Werke gingen und wie sorgfältig sie dieselben vor den Katholischen zu verheimlichen suchten. Der Abt von Vezelay hatte die Angeklagten bis zur Ankunft mehrerer Bischöfe einschliessen ') S. Hildegardis Epistolae, Colon. 1566, p. 138. lassen; sechzig Tage lang wurden sie nun unablässig über ihre Lehre befragt, und so beharrlich sie auch dieselbe zu verhüllen suchten, so brachte das Verhör doch endlich einige Hauptpunkte an den Tag. Zwei von ihnen erboten sich zur Kirche zurückzukehren, und blieben fest dabei, dass ihnen nichts anderes als bloss die Nutzlosigkeit und Nichtigkeit der Sacramente mitgetheilt worden sei. Diess wird allerdings glaublich durch die Angabe Ekberts, dass die Katharer damals noch diejenigen, welche sich ihnen zuwandten, fünfzehn Jahre lang prüften und während dieser ganzen Zeit ihre eigentlichen positiven Lehren vor ihnen geheim hielten. Ihre Zeit, offen aufzutreten, sagten sie, sei noch nicht gekommen, doch fingen sie jetzt schon an, zur Welt zu reden, und der Tag werde erscheinen, an welchem Gott seine Kirche erhöhen und an ihnen sich erfüllen werde, dass die Stadt auf dem Berge nicht verborgen bleiben könne.?) Ekberts zu derselben Zeit verfasste Schrift enthält den ersten etwas vollständigeren Bericht über die Lehren der Sekte, die damals am Niederrhein grosses Aufsehen erregte. In Köln war eben erst ein Vorsteher der Sekte, Arnold, mit einigen Anhängern, in Bonn Theodorich und seine Gefährten hingerichtet worden. Ein FundamentalDogma des neuen Manichäismus, dass die Seelen der zum Heil berufenen Menschen jene Engel seien, die einst im Himmel gesündigt, wurde durch Ekberts Bericht zum erstenmale bekannt gemacht. Auch die Lehre, dass die Geschlechtsvermischung die verbotene Frucht des Paradieses gewesen, war bisher nicht bemerkt worden. Für ihre Behauptung, dass das Priesterthum in der katholischen Kirche erloschen sei und es nur noch bei ihnen wahre Priester gebe, wussten auch diese Häretiker, nach Ekberts Darstellung, keinen anderen Grund als den anzugeben, dass die Nachfolger der Apostel und älteren 1) Ecbertus I. c. p. 603. |