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Auf Grund der gesammelten Texte habe ich nachstehende, mit der Quellensammlung verbundene Geschichte der gnostisch-manichäischen Sekten bis in's 13. Jahrhundert ausgearbeitet, und man wird wohl bemerken, dass auch dieses Elaborat grösstentheils in eine frühere Lebensperiode fällt. Bei dem Geschäfte des Ergänzens und Revidirens, sowie bei der Drucklegung beider Bände, sind Freundeshände mir beigestanden, früher Herr Dr. Georg Ratzinger, später meine akademischen Collegen und Freunde, Dr. Lossen und vorzüglich Professor Reusch, welchen ich auch an dieser Stelle meinen Dank ausdrücke.

München, den 12. Juni 1889.

I. v. Döllinger.

Erstes Kapitel.

Die Paulicianer. Äussere Geschichte

der Sekte.

Seit dem Ende des ersten und im Laufe des zweiten christlichen Jahrhunderts erzeugte die Verbindung griechischer Philosopheme und heidnisch-religiöser Vorstellungen, selbst mythologischer Bestandtheile mit christlichen Thatsachen und Ideen eine grosse Mannigfaltigkeit von Systemen, Schulen und Sekten, welche gewöhnlich als gnostische bezeichnet werden. Gemeinsam waren diesen, aus der Übergangsperiode der heidnischen in die christliche Welt stammenden religiösen Genossenschaften die Lehren von einem Entwicklungsprocesse der Gottheit, von dem Dualismus zwischen Gott und der ewig existirenden Hyle, von dem weltbildenden Demiurg, von der Materie als dem Grund und Sitz des Bösen, von einem Gegensatze der oberen, unsichtbaren Welt mit ihren göttlichen Kräften oder Aeonen und der niederen, sichtbaren. Auch darin stimmten diese Sekten und Schulen überein, dass sie die Erlösung als eine Befreiung des Geistes von den Fesseln der Materie und daher den Erlöser, Christus, als einen aus der höheren Welt herabgestiegenen Aeon fassten, der, um mit der Materie, der Quelle alles Bösen, in keine Berührung zu treten, sich entweder in einen aus ätherischem Stoffe gebildeten Leib oder in die Truggestalt eines Körpers hüllte, wesshalb er auch nicht durch seinen Tod, sondern durch Lehre (die Mittheilung der

Dollinger, Geschichte der Sekten.

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Gnosis) die Erlösung vollbracht, den Weg zur Seligkeit eröffnet haben sollte.

Diese Sekten hatten ihre stärkste Kraft bereits im zweiten Jahrhunderte n. Chr. entwickelt; viele derselben erhielten sich zwar noch geraume Zeit länger, aber das geistige Leben, die gewaltige Anziehungskraft, welche sie früher besassen, war grossentheils von ihnen gewichen oder hatte sich in dem letzten Erzeugnisse dieser Richtung, dem Manichäismus concentrirt. Erst gegen Ende des dritten Jahrhunderts war dieses phantasievolle System entstanden, welches den christlichen Lehrgehalt in eine dualistische Religionsphilosophie verwandelte, Christus zu einer kosmischen Kraft, die Erlösung zu einem Naturprocesse herabsetzte. Obwohl vielfach unterdrückt und verfolgt, verbreitete es sich im Osten wie im Westen, von Persien bis nach dem römischen Afrika, und behauptete sich Jahrhunderte lang mit zäher Dauerhaftigkeit.

Indessen gab es im Orient auch noch in späterer Zeit bedeutende Reste älterer gnostischer Sekten. So fand in der Mitte des fünften Jahrhunderts Theodoret in seiner Diöcese Cyrus in Syrien viele Marcioniten, deren er über tausend bekehrte, und dieselbe Sekte war damals noch in anderen Theilen Syriens verbreitet. Eine andere gnostische Partei, die der Archontiker, gewann, nach dem Berichte des Epiphanius, vorzüglich in Grossund Klein-Armenien erst seit dem J. 361 Eingang, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass diese Sekte ein nicht unbedeutendes Glied in der gnostischen, aus den ersten Jahrhunderten nach Christus bis in's Mittelalter sich fortziehenden Kette bildete, da Armenien auch später ein Hauptsitz derartiger Sekten und Lehren war, und da die Archontiker in einigen Punkten eine dogmatische Verwandtschaft mit den Parteien des elften und zwölften Jahrhunderts nicht verkennen lassen.

Das eigentliche Mittelglied aber zwischen den Gnostikern des Alterthums und denen des Mittelalters, den

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