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braucht), so hat dies doch vernünftigerweise und erfahrungsgemäss seine Grenzen. Durch diesen und andere Umstände wird die Betrachtung verwickelter und geht zumeist in eine blosse Schätzung über, deren Ausfall von der Besonderheit des Falles und keineswegs allein von der Zahl der unterschiedenen Teile abhängt. Wäre mir zuerst gegeben, dass ein Concertsaal von unbekannter Grösse in die zwei Abteilungen M und N von unbekanntem Grössenverhältnis, weiterhin aber, dass N in 3000 Teile geteilt ist (ohne Angabe darüber, ob es sich um Einzelsitze oder Logen u. dgl. handelt), so würde jetzt die Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte Person, die in M oder N sitzen muss, in M sitzt, sicherlich nicht wie bei der Berechnungsweise unter b) 3001 und gleich der Wahrscheinlichkeit für jeden einzelnen der 3000 Teile von N sein. Es würde aber auch nicht wie nach c) die erstere Wahrscheinlichkeit genau, die zweite 3000 sein. Es würde endlich auch nicht wie nach d) die erste Wahrscheinlichkeit

=

=

300), die zweite

= [1 − 1 ( 1⁄2 + 3 001) 3000 sein. Vielmehr würde es darauf ankommen, was sich aus der statistisch oder schätzungsweise gegebenen durchschnittlichen Sitzzahl bei Concertsälen in Verbindung mit dem Datum der 3000 Sitze in N über die relative Grösse von M vermuten liesse. Hienach wäre die erste Wahrscheinlichkeit, wenn auch zunächst nicht genau in Zahlen ausdrückbar, doch jedenfalls <1, die zweite > 300 Anders wieder bei anderen Räumen. Eine einzige unscheinbare Determination des Begriffes kann alles umkehren.

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In Wirklichkeit wird ja ohnedies die Formulirung eines Wahrscheinlichkeitsproblems fast immer noch viel concreter sein als diese letzte. Dennoch können Fragestellungen selbst von so völlig abstracter Fassung wie in den vorher erwähnten Fällen unter den Anwendungen der Wahrscheinlichkeitsrechnung vorkommen. Aber nicht diese Rücksicht ist hier massgebend, sondern der Umstand, dass die Prinzipienfragen

in ihrer Schärfe gerade bei so weitgetriebener Reduction der Bedingungen hervortreten. Und es zeugt nur wieder für die Klarheit und Bestimmtheit des Wahrscheinlichkeitsbegriffes nach Laplace, dass er auch unter solchen Umständen eine widerspruchslose und dem gesunden Menschenverstand nicht widerstreitende Durchführung gestattet.1)

1) Ich benütze diese Gelegenheit zu zwei Berichtigungen. Der in meinem Vortrag S. 41 erwähnte Cirkel findet sich bei Laplace im Urtext nicht. Dieser lautet an der Stelle: „mais rien ne porte à croire que l'un arrivera plutôt que les autres. Erst in Tönnies' Uebersetzung steht: „doch ist kein Grund vorhanden, dass wir glauben sollten, die eine werde sich wahrscheinlicher zutragen als die anderen." Ich hatte diese Uebersetzung zuerst benützt und nachher zwar andere mir verdächtige Stellen, aber gerade diese nicht, mit dem Urtexte verglichen, weil sie immer (selbst von Kritikern wie Fick) so citirt wurde und weil die nämliche unlogische Wendung auch in anderen Darstellungen der Wahrscheinlichkeitslehre so oft wiederkehrt. Uebrigens war ja meine Bemerkung auch gegen diese gerichtet und ist ausserdem nicht zu leugnen, dass selbst Laplace' Ausdrucksweise sich hier immer noch etwas präciser fassen lässt.

In dem ersten Einwand gegen das Argument d von Kries (S. 71 bis 72) bin ich seinem Gedankengang nicht gerecht geworden. In der Disjunction: Alle Elemente sind vertreten einige keines" kann man, um contradictorische Gegensätze zu erhalten, das erste Glied den beiden letzten oder das letzte den beiden ersten gegenüberstellen. Man erhält jedesmal unter den Kries'schen Voraussetzungen die Wahrscheinlichkeiten und 1

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Kries hatte das

zweite Verfahren eingeschlagen, während meine Erwiderung (worin überdies S. 72 Z. 2 und 4 das Nicht zu streichen ist) das erste zu Grunde legt. Dieselbe ist daher gegenstandslos und das Argument formell vollkommen in Ordnung. Sein wirklicher Fehler liegt in dem Ansatz für das Vorhandensein eines bestimmten Elements, sowie für das Vorhandensein irgendeines Elements, worauf sich meine weiteren Einwände daselbst beziehen.

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Ueber ein Paradoxon der Wahrscheinlichkeitsrechnung.

Von Dr. Hermann Brunn.

1. Die Anwendung des Wahrscheinlichkeitsbegriffes, wie er zunächst definirt zu werden pflegt, setzt voraus, dass Fälle gezählt und Verhältnisszahlen gebildet werden. Wenn nun die Art, wie diese Operationen in einem bestimmten Falle vorzunehmen sind, nicht von vorneherein klar erscheint, sondern mit der Beschaffenheit des Objectes etwas zu thun hat, so müssen wir mit dieser Beschaffenheit uns bekannt machen, ehe unser Wahrscheinlichkeitsbegriff Anwendung finden kann. In der That sind wir, sobald die Wahrscheinlichkeitsrechnung auf geometrische Dinge angewendet werden soll, sehr häufig in solcher Lage. Ein Punct soll z. B. auf einem Flächenstück oder einer begrenzten Linie angenommen werden: Die Mannigfaltigkeit der Orte, welche der Punct einnehmen kann, ist nicht zählbar im gewöhnlichen Sinne des Wortes. Wir werden also gezwungen sein, Voraussetzungen darüber zu machen, was an Stelle des Zählens oder zum mindesten, was an Stelle des Quotienten zweier Zahlen treten soll. Welche von verschiedenen etwa möglichen Voraussetzungen wir als gültig auswählen sollen, dafür gibt uns der bloss auf ganze Zahlen basirte Begriff der Wahrscheinlichkeit gar keinen Anhaltspunkt. Vielmehr hängt die Entscheidung hierüber von andern Erwägungen ab, z. B. in dem oben angeführten Falle der Punktörter davon, was wir

im Raume als gleich ansehen, oder davon, nach welcher Richtung wir eine Modification an dem für das Maassgeometrische vollständig nichtssagenden Begriffe des Punktes anbringen.

2. Wir werden demnächst unser Problem so formuliren, dass es auf die Beantwortung der Frage ankommt: Wie ,zählen wir die Punkte, die auf einem Linienstück von bestimmter Länge liegen, oder besser:

Was hat an die Stelle des Quotienten durch Abzählung erhaltener Zahlen zu treten, wenn es sich um die Abwägung der Wahrscheinlichkeit handelt, mit der ein willkürlich auf ein Linienstück gesetzter Punkt gerade in einen bestimmten Abschnitt dieser Linie fällt?

"

Da unsere Absicht ist, als Quotienten der Punktanzahlen zweier Linienstücke eine ganz bestimmte endliche Zahl zu erhalten, so können wir uns hier nicht mit dem Begriff der G. Cantor'schen Punktmengen begnügen, weil in demselben alle Mannichfaltigkeiten der nämlichen Mächtigkeit als eindeutig auf einander abbildbar einander aequivalent gesetzt werden.

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Unsere Antwort wird lauten: Wir setzen die Zahl der Punkte auf einer Linie proportional ihrer Länge, oder, was das nemliche bedeutet: Wir setzen die Wahrscheinlichkeit, dass ein willkürlich auf ein Linienstück gesetzter Punkt gerade in einen bestimmten Abschnitt desselben fällt, gleich dem Längenverhältnisse des Theiles zum Ganzen. Diese Annahme ist bei der Behandlung einschlägiger Fragen bisher wohl stets gemacht worden. Wie kommt man gerade auf sie? Ich glaube von dem Begriffe der starren Körper aus.1) Zwei geometrische Figuren A und B, welche durch blosse Bewegung eines starren Körpers aus einander hervorgehen, sind für unsere

1) Vergl. Helmholtz, Ueber die Thatsachen, welche der Geometrie zu Grunde liegen.

"

Anschauung so identisch, als sie es überhaupt noch sein können, wenn man die Forderung einheitlicher örtlicher Lage aufgibt, und in der vollkommensten" Weise Punkt für Punkt auf einander beziehbar. Wenn wir also überhaupt von einem Punktinhalt räumlicher Gebilde sprechen, so werden wir solchen Figuren A und B gleiche Punktinhalte zuschreiben, wie ja auch ihre Inhalte im gewöhnlichen Sinne des Wortes einander gleich gesetzt werden. Gleichlangen Stücken einer Geraden schreiben wir also, als in einander durch Bewegung überführbar, gleiche Punktinhalte zu und gelangen von da aus zu der Folgerung, bei ungleichen Stücken einer Geraden die Punktinhalte proportional den Längen L und L' derselben zu setzen. Diese Folgerung ist bei commensurablen Stücken evident, bei incommensurablen beruht sie auf der Thatsache, dass

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ist, wo ein variabel gedachtes Stück der Geraden, und die eingeklammerten Quotienten die dem Werthe der gewöhnlichen Quotienten zunächst liegenden kleineren ganzen Zahlen bedeuten sollen. Weiterhin erfolgt dann die Uebertragung des Satzes von der Geraden auf beliebige krumme Linien mit geraden Elementen", d. h. auf solche, welche eine Länge haben.1)

3. Wir könnten auch so erläutern: Man setzt unsere Frage in Analogie zu einer Frage folgender Art: Wie gross ist die Wahrscheinlichkeit, dass aus einer Reihe nebeneinander liegender gleichlanger Glieder (Backsteine, Kettenglieder oder dergl.) gerade ein Glied der linken Hälfte, des zweiten.

1) Beim Kreise und der regulären Schraubenlinie kann man auch direkter verfahren.

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