GESCHICHTE DER LOGIK IM ABENDLANDE VON Dr. CARL PRANTL. ZWEITER BAND. ZWEITE AUFLAGE. LEIPZIG VERLAG VON 8. HIRZEL 1885. Vorwort zur zweiten Auflage. Bei Bearbeitung dieser neuen Auflage war es, wie sich von selbst versteht, meine erste Pflicht, dieselbe dem jetzigen Stande der Wissenschaft anzupassen, und wenn es auch nicht zahlreiche Beiträge waren, welche in den letzten vierundzwanzig Jahren zur Geschichte der mittelalterlichen Logik geliefert wurden, so mussten dieselben gewiss sorgfältigst benutzt werden. Indem aber unsere jetzige Kenntniss der damaligen logischen Littératur immerhin im Einzelnen noch manigfache Lücken aufweist, würde es mich freuen, wenn ich die erneute Anregung dazu geben könnte, dass aus den handschriftlichen Schätzen der Bibliotheken wünschenswerthe Ergänzungen zur Veröffentlichung kämen. Letzteres gilt namentlich auch jetzt noch bezüglich der Psellus-Frage, welche ich nunmehr wohl im Principe erledigt zu haben glaube, aber dennoch als eine offene bezeichnen muss, insofern uns die Kenntniss der auf byzantinischem Boden vorangegangenen Mittelglieder zur Zeit noch fehlt. München, Ende September 1885. Prantl. Aus der Vorrede zur ersten Auflage. Betreffs des Mittelalters handelte es sich noch um kritische Untersuchung des gesammten zugänglichen Materials, sowie um Auffindung des wirklichen geschichtlichen Verlaufes. Und in letzterer Beziehung zeigte sich bald, dass gerade die Geschichte der Logik den Beruf haben könne, die Einsicht in die sog. Philosophie des Mittelalters zu berichtigen oder zu ergänzen. Sowie nemlich bezüglich des Streites über die Universalien eine bisher unbekannte Manigfaltigkeit der Parteispaltung zu Tag trat, so konnte hinwiederum nicht bloss das Maass der logischen Litteratur-Kenntniss jener Jahrhunderte seine richtige Abgränzung finden, sondern auch der unbestreitbare Nachweis geliefert werden, dass im ganzen Mittelalter ohne alle Aus nahme kein einziger Autor einen eigenen Gedanken aus sich selbst schöpfte, sondern die gesammte Litteratur jener Zeit von dem Umfange eines dargebotenen traditionellen Materiales abhängig und bedingt war. Nur dadurch, dass ich mich der unsäglichen Mühe unterzog, gleichsam bei jedem Satze die Frage aufzuwerfen und zu beantworten, woher derselbe entnommen sei, konnte ich den objectiv richtigen Entwicklungsgang darlegen; und auch wo ich einmal (bei Psellus) jene Frage des „Woher?" nicht mehr beantworten konnte, ist hiedurch die Richtigkeit meiner allgemeinen Behauptung nicht alterirt, sondern in jenem speciellen Falle gebricht es der Forschung nur an dem erforderlichen Materiale. Wenn ich übrigens grundsätzlich mich auf jene Litteratur-Erzeugnisse beschränkte, welche gedruckt vorliegen, so gestehe ich gerne zu, dass möglicher Weise aus mancher Bibliothek durch Benutzung handschriftlichen Materiales Berichtigungen oder Ergänzungen meiner Forschung zu Tage gefördert werden können, und an mehreren Stellen habe ich auch ausdrücklich den Wunsch geäussert, dass Solches geschehen möge. Doch in Einem Falle machte ich von jenem meinem Grundsatze eine Ausnahme; nemlich aus Pariser Handschriften, auf welche Hauréau hingewiesen hatte, ersah ich zu meiner Freude die Pflicht, das dort vorliegende Material beiziehen zu müssen; denn es ergab sich ein ebenso neuer als interessanter Aufschluss über das Verhältniss des Psellus zu Petrus Hispanus oder vielmehr zu den Vorgängern und Zeitgenossen des Letzteren, ein Aufschluss, welcher durch die gedruckte Litteratur nie hätte gewonnen werden können. Wenn die in den Anmerkungen reichlich angeführten Quellen-Stellen häufig (namentlich in dem die Araber betreffenden Abschnitte) noch mehr zu enthalten scheinen, als ich im Haupttexte darlegte, so wird der Leser diess dadurch entschuldigen, dass ich durchweg nach möglichster Kürze strebte und darum im Texte weder eine blosse Uebersetzung noch auch ein Excerpt, sondern den innersten Kern der Original-Stellen zu geben versuchte. Dem gleichen Zwecke der Kürze dienen auch die zahlreichen wechselseitigen Verweisungen, welche der Leser nicht als eine müssige Verzierung oder Verunzierung, sondern als ein compendiöses Mittel betrachten wird, in vielen Fällen einen weiteren Zusammenhang im Auge zu behalten. München, im October 1861. ÜBERSICHT DES INHALTES. XIII. Abschnitt. Das Mittelalter in unvollstän Seite diger Kenntniss der aristotelischen Logik 1-97 Die Verbreitung der späteren römischen Logik in den Schulen 2. Isidorus Hispalensis 12. Alcuin 16. Fredegisus 19. Hrabanus Mau- Frischere Bewegung in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhundertes. |