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wunderung betrachten. Viel wesentlicher ist es, daß Mozart auch hier seine eigenthümliche Natur offenbart, die ihn nicht sowohl das Wort und die Form, sondern das eigentlich belebende poetische Motiv auffassen läßt, welches ihn zu einer selbständigen Durchbildung und Darstellung anregt. Daher finden wir eine Tiefe und Wahrheit im musikalischen Ausdruck der Empfindung, welche wir in den Gedichten vermissen. Man nehme z. B. gleich das erste Lied von Weiße: Der Zauberer (472 K., S. VII. 19). Sieht man ab von dem schäferhaften Kostüm, das uns fremdaist, und dem matten, theilweis unbeholfenen Ausdruck, und hält sich an die Situation des jungen Mädchens, das zuerst sich des Gefühls der Liebe mit Furcht und Staunen bewußt wird, so wird man diese in Mozarts Komposition wieder finden; Weiße's Schäferin allerdings nicht.

In einem Lied von sehr leidenschaftlichem, tief schmerzlichem Ausdruck das Lied der Trennung von Klamer Schmidt (519 K., S. VII. 28) sind zwei Strophen, in welchen die Empfindung in eigenthümlicher Art modificirt ist, neu komponirt und erst zum Schluß tritt die erste Melodie wieder ein. Andere sind ganz durchkomponirt. Von diesen ist das Lied An Chloë (524 K., S. VII. 31) vielleicht am meisten bekannt und beliebt geworden wegen seiner angenehmen, leichten Melodie; es ist aber am wenigsten bedeutend und am wenigsten liedmäßig, sondern mehr nach Art italiänischer Kanzonetten geformt. Sehr viel eigenthümlicher und ebenso schön im Ausdruck der Empfindung als in der, bei einem scheinbar nur dem Wechsel der Stimmung folgenden Sichgehenlassen, doch fest geschlossenen und abgerundeten. Form ist die Abendempfindung (523 K., S. VII. 30); leidenschaftlicher und fast dramatisch „Als Louise die Briefe ihres ungetreuen Liebhabers verbrannte“ (520 K., S. VII. 29), in welchem Liede ja auch eine ganz bestimmte Situation vom Dichter durch die Überschrift angezeigt ist 75. Die Krone aller Lieder aber durch herzinnigen Ausdruck des reinsten Gefühls und die reizende

verehrten Männern wie Haydn, Mozart, Dittersdorf“ habe aufnehmen können (I S. VIII f.).

75 [Für diese beiden Lieder möchten wir besonders auf die Besprechung Chrysanders (s. u.) verweisen. Das letztgenannte hat in den Oeuvres die Überschrift: Unglückliche Liebe; in demselben ist das Lied der Trennung überschrieben: Trennung und Wiedervereinigung.]

Rundung der Form ist wie billig Goethe's Veilchen (476 K., S. VII. 22) 76. Hier sieht man, welchen Eindruck wahre Poesie auf Mozart machte, und wenn man bei anderen Liedern wahrnimmt, wie ihn die Divination des musikalischen Genies durch das Gedicht hindurch den poetischen Keim entdecken ließ, so liegt hier klar vor, wie mächtig die wirklich dichterische Gestaltung auch durch ihre Form auf ihn wirkte. Es kann jest wohl auffallen, daß ein so einfaches lyrisches Gedicht von Mozart als eine Romanze behandelt ist, welche mit dramatischer Lebendigkeit das Detail der kleinen Handlung ausführt, wobei freilich nicht zu übersehen, daß durch den Meisterzug, mit welchem er zum Schluß die Worte: „Das arme Veilchen! es war ein herzigs Veilchen!" wiederholt, der echt lyrischen Grundstimmung ihr volles Recht gegeben wird 77. Diese Erscheinung erklärt sich theils aus der überall hervortretenden Richtung auf das Dramatische, welche Mozarts künstlerischer Natur eigenthümlich ist, theils aber und wohl noch mehr aus dem tief anregenden Eindruck, welchen Goethe's klare, plastische, in aller Einfachheit in jedem Zuge wahre und anschauliche Darstellung auf ihn machte. Durch irgend einen Zufall muß ihm gerade nur dieses Gedicht Goethe's in die Hände gefallen sein; hätte er deren mehrere gekannt, er würde sie wohl noch lieber komponirt haben als Weiße'sche. Warum hat er sie nicht gesucht? Nach Liedertexten suchte er wohl überhaupt nicht eifrig, sondern nahm sie, wenn sie ihm vorkamen, und Goethe war in den Kreisen, in welchen er lebte, schwerlich schon durchgedrungen. Wäre ihm dieser Frühling echter deutscher Poesie erschlossen worden, welche Blüthen würde er in ihm hervorgerufen haben!

Mozart hat als Liederkomponist bei weitem nicht die Bedeu

76 Das Facsimile des Liedes nach dem Original, welches mein Freund Wilh. Speyer in Frankfurt besitzt, ist diesem Buche beigegeben.

77 Auch ein Recensent in der musik. Realzeitung 1790 S. 1, der dem Trennungslied und dem Veilchen nachrühmt, daß sie mit Einsicht, Geschmack und feiner Empfindung ausgeführt seien, hebt besonders hervor: „Sehr überraschend und vorzüglich schön ist die Behandlung des Textes am Schluß, da Hr. M. am Ende der dritten Strophe die Worte noch einmal wiederholt: Das arme Veilchen! es war ein herzigs Veilchen!“ Vgl. Reißmann, Das deutsche Lied S. 146 f. [Was die Nachfolger auch ausgebildet haben mögen“, sagt Chrysander, „und wie sehr sie den musikalischen Ausdruck, unter Benutzung neuer Stoffe, in Gesang und Begleitung zu erweitern versuchten, so liegen doch die Keime davon schon sämmtlich in diesem einen Liede."]

tung wie auf anderen Gebieten, obwohl seine Künstlernatur sich auch hier in ihren eigenthümlichen Zügen bewährt 78. Ohne Einfluß ist er aber auch hier nicht geblieben; namentlich hat Beethoven sich in seinen Liedern ihm sehr bestimmt angeschlossen und ist der durch Mozart bezeichneten Richtung bis zuleht treu geblieben.

30.

Dan Swieten und die klassische Musik.

Zu den Männern, welche auf Mozart einen in mehr als einer Hinsicht bedeutenden und fördernden Einfluß ausübten, gehörte Gottfried Baron van Swieten (geb. 1734), der Sohn des berühmten und einflußreichen Leibarztes der Kaiserin Maria Theresia, Gerhard van Swieten, und mit diesem im Jahre 1745 von Leyden nach Wien gekommen. Er hatte sich dem Studium der Rechte gewidmet und verfolgte die diplomatische Carriere1, war aber von Jugend auf leidenschaftlich der Musik ergeben, mit der er sich auch praktisch, aber ohne sonderlichen Erfolg beschäftigte. Im Jahre 1769 wurde in Paris Favarts Rosière de Salency mit Musik von verschiedenen Komponisten gegeben; van Swieten hatte mehrere Arien dazu geschrieben, allein man wollte sie nicht loben 2. Auch hatte er acht Symphonien komponirt, „so steif wie er selbst“, wie Haydn sagte3. Joseph II. machte 1771 ihn zum Gesandten am preußischen Hofe 4, dort lernte ihn auch Nicolai als „eifrigen Liebhaber und Kenner der Musik, ja selbst als Komponisten" kennen. Dieser Aufenthalt in Berlin

78 [Im Anschlusse an die neue Ausgabe find die Lieder eingehend, mit Wärme und feinsinnigem Verständnisse behandelt in dem schönen Aufsatze von Chrysander, Mozarts Lieder, Allg. Mus. Ztg. 1877 S. 17 f. „In Mozarts Liedern (sagt er S. 164) treffen die drei Seiten, von welchen man ein Tonwerk betrachten kann, gleichwerthig zusammen: ihre kunsthistorische, ihre psychologisch-biographische und ihre rein musikalische Bedeutung halten einander die Wage."

1 Er reiste 1768 mit dem Herzog von Braganza (Zimmermann, Briefe S. 69). 2 Grimm, Corr. litt. VI p. 263. 314.

3 Griesinger, Biogr. Not. S. 66 f. Eine ließ Mozart aufführen (I S. 815). 4 Müller rühmt die liberale Unterstüßung, welche derselbe ihm 1776 in Berlin zu Theil werden ließ (Abschied S. 116 f.).

5 Nicolai, Reise IV S. 556.

war für die Ausbildung seines musikalischen Geschmacks und die Richtung, welche er später in Wien geltend zu machen suchte, von entscheidendem Einfluß.

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Friedrich der Große ließ 1740 in Berlin das Opernhaus erbauen und führte die italiänische opera seria jener Zeit mit allem Glanz der Gesangsvirtuosität und scenischen Ausstattung dort ein. Regelmäßig wurden nur der siebenjährige Krieg machte eine Unterbrechung – große Opern aufgeführt; der König pflegte im Parket unmittelbar hinter dem Kapellmeister zu stehen, so daß er in dessen Partitur nachlesen konnte. Unerschütterlich hielt er an dem einmal ausgebildeten Geschmack fest; nur die opera seria ließ er gelten, und in dieser außer älteren italiänischen Meistern nur Hasse und Graun. Der Kapellmeister Carl Heinr. Graun (1709-1759) mußte die Opern — zu welchen der König das Libretto selbst französisch zu entwerfen pflegte, das dann italiänisch bearbeitet wurdes - komponiren und suchte dies in möglichst kurzer Zeit abzumachen; sie wurden dem König vorher vorgelegt, was diesem nicht gefiel mußte geändert werden. Er zog Hasse wegen seiner größeren Kraft und feurigen Lebendigkeit vor, sprach mit dem größten Lob von ihm, während Graun den der König als Sänger sehr hoch schäßte " - meistens nur den Tadel über das hörte, was diesem mißfiel. Nichts desto weniger mußte er Jahr aus Jahr ein Opern komponiren. Dabei blieb es nun auch. Joh. Fr. Agricola (1720—1774), seit 1760 Grauns Nachfolger, schrieb selbst wenig außer einzelnen Einlagestücken für die alten Opern, welche in derselben Weise gehalten sein mußten. Von anderen Komponisten mochte der König nichts wissen, und Reichardt empfing er mit dem Rath: „Hüt er sich für die neuen Italiäner, so'n Kerl schreibt ihm wie 'ne Sau" 12. Dieser konnte sich nach Agricola's Tode

6 Schneider, Gesch. d. Oper in Berlin S. 14 f.

7 Burney, Reise III S. 67.

8 N. Ztschr. f. Muf. IX S. 130.

9 Zelter, Fasch S. 22.

10 Reichardt, Kunstmagaz. I S. 158.

10

11 Zelter, Fasch S. 49. Die Parallele, welche Reichardt (Briefe eines aufmerks. Reisenden I S. 15 f.) zwischen Hasse und Graun anstellt, spricht wohl die allgemeine Ansicht aus.

12 Reichardt, Muf. Monatsschr. S. 69 f. A. M. Z. XV S. 610 f. (Schletterer, Reichardt S. 261), wo ausführliche und interessante Mittheilungen gegeben sind.

im Jahre 1775 zu dessen Stelle nur durch Übersendung einer Oper empfehlen, bei deren Bearbeitung ihm Hasse und Graun Muster gewesen" 13; er durfte als Kapellmeister auch nicht daran denken, andere Wege einzuschlagen. Übrigens bekümmerte sich der König in den lezten zehn Jahren seiner Regierung wenig mehr um die Musik; die italiänische Oper dauerte fort mit den Hasse'schen und Graunschen Stücken, aber die Ausführung sank immer mehr 14.

Neben der Oper, welche die italiänische Tradition starr festhielt, bildete sich aber in Berlin eine eigenthümliche Instrumentalmusik aus, welche auf der sächsischen Schule beruhte. Bekanntlich hielt der König jeden Abend bei sich Konzert, in welchem er selbst die Flöte blies, und zwar nur eigene oder von seinem Lehrer Quang komponirte Solosachen, deren dieser für Friedrich allmählich über 300 geschrieben hatte 15. Joh. Joach. Quanz (1697-1773) 16, gegen den der König von seinen Jünglingsjahren her Zuneigung und Pietät hatte, herrschte nicht allein bei dieser Kabinetsmusik er war der einzige, der dem König bravo! zurufen durfte 17 -, sondern überhaupt in musikalischen Dingen und war allgemein gescheut als „Pabst der berlinschen Musik“18. Neben Quang stand Franz Benda (1709-1786) 19, ein origineller Künstler und ausgezeichneter Geiger, der eine ihm durchaus eigenthümliche Manier des Spiels ausgebildet hatte, als deren wesentlicher Vorzug der edelste, ausdruckvollste Gesang ge= priesen wird. Sein Bruder Joseph (1724-1804), sowie die Söhne beider waren aus seiner Schule hervorgegangen, der Konzertmeister J. Gottlieb Graun (1698—1771), als Violinspieler und als Instrumentalkomponist geschäßt, reihte sich ihnen an. Durch diese vorzüglichen Künstler wurde das Berliner Orchester herangebildet und geschult, das lange Zeit unerreicht neben dem Dresdner stand, und erst später von dem Mannheimer und Wiener überflügelt wurde.

13 A. M. 3. XV S. 605 f. (Schletterer, Reichardt I S. 257).

14 Reichardt, Mus. Zeitg. I S. 74.

15 Burney, Reise III S. 116.

16 Autobiographische Mittheilungen s. in Marpurgs histor. krit. Beitr. I S. 197 f. [Alb. Quent, Leben und Werke des Flötisten Joh. Joach. Quanh. Berlin 1877.]

17 Burney, Reise III S. 111. Zelter, Fasch S. 47.

18 A. M. 3. III S. 172. Reichardt, Mus. Wochenbl. S. 70 f.

19 Seine Selbstbiographie ist mitgetheilt N. Berl. muf. Ztg. 1856 Nr. 32 f.

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