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wickelungsfähigkeit des einzelnen Motivs nach Art und Ausdehnung der Bearbeitung, für das Verhältnis der verschiedenen mit einander in Kontrast und Konflikt tretenden Elemente, nicht minder für die Proportion der Theile der einzelnen Säße 59 und wiederum dieser zu einem Ganzen, endlich auch für die Vertheilung und Mischung der Klangfarben ist Grundbedingung für die Schöpfung eines Kunstwerks, das als eine Totalität wirken joll. Auch der Meister gewinnt dasselbe nur, indem er durch Erfahrung, welche gewissenhaftes Arbeiten erwirbt, das Talent, welches die gütige Natur verleiht, ausbildet.

Daß in Mozarts großen Symphonien der glücklichste Verein von Erfindung und Wissen, Gefühl und Geschmack Werke von großer Vollendung und Schönheit geschaffen hat, werden wenige in Abrede stellen; daß sie auch der charakteristische Ausdruck des gesammten, zu künstlerischer Produktion gesteigerten Seelenlebens seien, daß ihre ganze Organisation daraus mit Nothwendigkeit hervorgegangen sei, ist in kurzen allgemeinen Umrissen anzudeuten versucht. Wenn das Wort, welches schon der bildenden Kunst gegenüber sich ungenügend erweist, den Gehalt eines musikalischen Kunstwerks wiederzugeben unternimmt, wird der Erfolg stets zweifelhaft sein 60. Nicht allein wird das begriffliche Moment durch das Wort nothwendig schärfer hervorgehoben, als es im Wesen der musikalischen Darstellung liegt, auch die Subjektivität dessen, der das Wort anwendet, mischt sich als ein dem Musikalischen Fremdes hinein: von zwei Seiten her wird das, was als der reine Kern des musikalisch Ausgedrückten gewonnen werden soll, alterirt. Dies beweist nur, daß Wort und Ton, als Mittel der künstlerischen Darstellung in Rede und Musik, verschiedene Seiten der geistigen Natur des Menschen, wenn auch nicht ausschließlich so doch vorwiegend, in Anspruch nehmen, nicht aber, daß dieselbe zu künstlerischem Schaffen angeregte Stimmung nicht ihren vollständigen Ausdruck durch Rede und Musik finden könne, wenn gleich diese Darstellungen sich keineswegs decken. Unver

59 Ad. Kullak (das musikalisch Schöne S. 80) bemerkt, daß nach vielen von ihm angestellten Berechnungen Haydn und Mozart in den meisten Werken dem von Zeifing aufgestellten Proportionalgeseße nach welchem, wenn ein in ungleiche Theile getheiltes Ganzes als formell schön erscheinen soll, sich der kleinere Theil zum größeren verhalten muß, wie der größere zum Ganzen ziemlich nahe kommen, in einigen demselben ganz entsprechen.

60 Mendelssohns Briefe II S. 337 f.

meidlich wird man daher dies Allgemeine, in welchem beide beruhen, auch durch Worte zu bezeichnen suchen, deren Unzulänglichkeit zuzugestehen ist, wenn sie gleich deshalb noch nicht nothwendig unwahr sind. Man hat neuerdings in Abrede gestellt, daß Mozarts Kompositionen aus bestimmten Seelenstimmungen als ein Ganzes mit Nothwendigkeit hervorgegangen seien und darin einen charakteristischen Unterschied gegen Beethoven gefunden. Wenn man die Kunstrichtung Beethovens als die des Geistes im Gegensaß gegen die frühere, namentlich auch Mozartsche, als die Kunst der Seele bezeichnet 61, so ist damit auf ein bedeutsames Moment hingewiesen. Allein soll dieser Unterschied als ein erschöpfender, als ein wesentlich qualitativer gelten, so wird der rechte Gesichtspunkt dadurch verrückt. Es ist kein Zweifel, daß Beethoven Saiten des menschlichen Gemüths zum Tönen gebracht hat, welche vor ihm niemand angeschlagen hatte, daß er Darstellungsmittel von einer Energie und Macht des ergreifendsten Ausdrucks anwendet, wie sie bis dahin unerhört waren, daß er, ein echter Sohn seiner Zeit, den Kampf der Leidenschaften, das Ringen und Streben nach individueller Freiheit gewaltiger und rückhaltsloser ausspricht, als man es vor ihm vermochte; seine Kompositionen sind deshalb denen, die mit ihm gelebt haben, an ihm herangezogen sind, in ihrem specifischen Ausdruck der künstlerischen Stimmung unmittelbar verständlich. Allein die menschliche Natur in ihren Grundzügen bleibt stets dieselbe, und die echten Impulse des künstlerischen Schaffens gehen aus den allgemeinen, dem Wesen nach unveränderlichen Momenten der Menschennatur hervor; nur das individuelle Gepräge drückt dem bildsamen Element der arbeitende Künstler auf, und wenn dieses unter gewissen Umständen nicht überall gleich verständlich ist, so folgt daraus noch nicht, daß nicht der Gehalt der echte sei. Mit dem Zugeständnis einer durch Formvollendung befriedigenden Schönheit und Grazie, welche auf den Anspruch eines tiefen Gehalts verzichten lasse 62, ist daher, wenn wir einem wahren Kunstwerk gegenüberstehen, so wenig gewonnen als mit der Ansicht, welche zufällige, ohne inneren Zusammenhang an einander gereihte Stimmungen an die Stelle einer konsequenten inneren

61 Marx, Musik des neunzehnten Jahrh. S. 68 f. [Vgl. auch N. Wagner, Gef. Schr. I S. 140. 145.]

62 Ad. Kullak, Das musikalisch Schöne S. 149.

Entwickelung sehen will 63. Denn weder kann in einem wirklichen Kunstwerke Form und Gehalt absolut getrennt werden, oder gar eins das andere ersehen, noch kann ein Kunstwerk ein Ganzes sein und als ein Ganzes wirken, wenn es nicht in seiner Totalität empfangen und gereift ist und diese Ganzheit und Einheit der künstlerischen Stimmung zum klaren Ausdruck bringt. Erinnert man sich, daß die Zeitgenossen Mozarts in eben den Kompositionen einen bis zur Übertreibung lebhaften und kräftigen Ausdruck der Empfindung, unverständliche Tiefe und Überspanntheit einer durch die schärfsten Kontraste frappirenden Charakteristik fanden, in welchen unsere Zeit edles Maßhalten, reine Harmonie, vollendete Schönheit oder wohl auch eine Abschwächung gehaltvoller Kraft zum anmuthigen Formenspiel erkennt, so ergiebt sich, daß in dem veränderten Standpunkt des Zuhörers liegt, was man in der Beschaffenheit des Kunstwerks zu finden glaubte. Wer sich von den zufälligen Gewöhnungen und Vorausseßungen einer bestimmten musikalischen Epoche frei macht und an das Kunstwerk mit dem in den allgemein gültigen Geseßen der Kunst begründeten Maßstab herantritt, wer ferner die Individualität einer künstlerischen Natur als solche lebendig erfaßt, der wird sich auch hier im Genießen wie im Urtheilen nicht irren lassen.

35.

Mozart als Opernkomponist.

Der beispiellose Erfolg der Entführung, welche der Theaterkasse ungewöhnliche Einnahmen, dem Komponisten ungetheilten Beifall gebracht hatte, berechtigte Mozart zu der Erwartung, daß der Kaiser, welcher die deutsche Oper ins Leben gerufen hatte', ihm durch weitere Aufträge eine ehrenvolle Laufbahn

63 Ambros, Gränzen der Musik und Poesie S. 64 f. 123. 141.

1 Für die Geschichte der Oper in Wien sind mir außer einem mit Sachkenntnis geschriebenen Aufsatz (A. M. 3. XXIV S. 265 f.) vor allem die sorgfältigen und genauen Mittheilungen förderlich gewesen, welche ich der unermüdlichen Gefälligkeit meines Freundes Dr. Leop. v. Sonnleithner verdanke; beide liegen meinen Angaben, auch wo sie nicht ausdrücklich angeführt werden, zu Grunde. (Im einzelnen geben jezt auch Pohl, Jos. Haydn (I. II.) und Wlassak, Chronik des K. K. Hofburgtheaters (Wien 1876) vielfache Belehrung.]

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eröffnen werde. Auch trug man ihm noch eine Oper an, aber das Buch Welches ist die beste Nation?" war so elend, daß er seine Musik nicht daran verschwenden mochte. Umlauf komponirte sie, aber sie wurde ausgezischt, und Mozart schreibt seinem Vater (21. Dez. 1782), er wisse nicht, ob der Poet oder der Komponist den Preis des Elends davon trage.

Allein die deutsche Oper ging, als sie den schönsten Aufschwung zu nehmen schien, bereits ihrer Auflösung entgegen. Stephanie d. j.2 hatte es durch Intriguen dahin gebracht, daß die Leitung der Oper Müller entzogen und einem Ausschuß übergeben wurde, in welchem er Streit und Parteiungen so geschickt zu unterhalten wußte, daß man zuleht zufrieden war, als er allein die Leitung übernahm. Die unausgefeßten Verdrießlichkeiten, welche davon die Folge waren, die Zerwürfnisse der Operisten mit den Schauspielern, verstimmten ebensowohl Kienmayer und Rosenberg, welche die Direktion führten, als den Kaiser selbst gegen die Oper. Auch konnten die wiederholten Versuche mittelmäßiger Komponisten - über die auch Mozart so entrüstet war, daß er Lust hatte eine kleine musikalische Kritik mit Exempeln zu schreiben (S. 36) — den Kaiser nicht befriedigen. Da nun die nächste Umgebung, welche musikalisch auf ihn Einfluß übte, Salieri an der Spize, der deutschen Oper ebenfalls nicht geneigt war, so ist es begreiflich, daß Joseph ungeduldig und unzufrieden die deutsche Oper aufgab und, seinem eigenen Geschmack folgend, daran dachte, wieder die italiänische Oper einzuführen.

Ein Zufall brachte diesen Entschluß zur Ausführung. Im Kärnthnerthortheater spielte eine französische Gesellschaft, welche im Schauspiel wie in der Oper nicht Unbedeutendes leistete und vom Kaiser begünstigt wurde3. Im Sommer 1782 ließ er sie nach Schönbrunn kommen; die Mitglieder erhielten im Schloß Wohnung und Verpflegung. Mit dieser waren sie nicht zufrieden, und einer der Schauspieler hatte die Dreistigkeit, dem Kaiser, als

2 Müller (Abschied S. 263 f.) nennt zwar Stephanie d. j. nicht, allein andere Nachrichten machen seine Andeutungen verständlich. Schröder schrieb an Dalberg (19. Jan. 1782): „Ich bestehe darauf, daß der junge Stephanie von allen Geschäften ausgeschlossen wird, und Niemand wagt es dem Kayser vorzuschlagen, daß er einen Mann abschaffe, den er eingesetzt, aber sicher der völlige Ruin des Theaters seyn wird".

3 Meyer, L. Schröder I S. 358 f. A. M. 3. XXIV S. 265. Hier hörte Nicolai 1781 Gluds Orpheus aufführen (Reise IV S. 537 f.).

er in den Gartensaal kam in welchem sie speisten, ein Glas Wein mit der Bitte zu präsentiren, er möge doch prüfen, ob dieser angebliche Burgunder wohl gut genug für sie sei. Joseph trank und erwiederte, für sich finde er ihn gut genug, er zweifle aber nicht, daß sie in Frankreich besseren Wein finden würden 4. Mit der Entlassung dieser Gesellschaft erhielt Graf Rosenberg den Auftrag, in Italien die besten Sänger und Sängerinnen für eine opera buffa zu engagiren, denn auf diese wollte man sich beschränken. Auch die deutsche Oper sollte mit dem Ende des Karnevals 1783 'aufgelöst, die besten Mitglieder derselben aber mit der dann eintretenden italiänischen vereinigt werden 5.

Unter solchen Umständen war für die Aufführungen der deutschen Oper von keiner Seite mehr große Aufmerksamkeit zu erwarten; außer Wiederholungen früherer Stücke kamen im Jahre 1783 noch drei neue Opern auf die Bühne, welche alle keinen Erfolg hatten. Mozart schrieb seinem Vater (5. Febr. 1783):

Gestern ist meine Oper zum 17. mal mit gewöhnlichem Beyfall und vollem Theater wieder aufgeführt worden. Künftigen Freytag, als übermorgen, wird eine neue Oper gegeben, die Musique ein Galimathias von einem hiesigen jungen Menschen, Scolaren von Wagenseil, Joh. Mederitsch), welcher heißt Gallus cantans in arbore sedens gigirigi faciens. Vermuthlich wird sie nicht viel gefallen, aber doch besser als ihre Vorfahrin, eine alte Opera von Gaßmann (La notte critica, zu deutsch die unruhige Nacht), die mit Mühe 3 Representationen ausgehalten. Denn vor dieser war die execrable Oper von Umlauf die konnte sich nicht auf die dritte Vorstellung hinaufarbeiten. Es ist als wenn sie, da die teutsche Oper ohnedies nach Ostern stirbt, sie noch vor der Zeit umbringen wollten; und das thun selbst Teutsche - pfui Teufel! — Ich glaube nicht, daß sich die welsche Oper lange souteniren wird, und ich ich halte es auch mit der teutschen wenn es mir schon mehr Mühe kostet, so ist es mir doch lieber. Jede Nation hat ihre Oper, warum sollen wir Teutsche sie nicht haben? Ist die teutsche Sprache nicht so gut fingbar, wie die französische und englische? nicht singbarer, als die russische?

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4 Kelly, Reminisc. I p. 194 f.

Nun

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ich schreibe izt eine teutsche

5 A. M. 3. XXIV S. 269. Schröder schrieb an Dalberg (21. Okt. 1782): „Hier ist die deutsche Oper abgedankt, und die Komödie wird durch Reineke und Opiz verstärkt".

6 Die neuen Opern waren:

10. Jan. Gaßmann, Die unruhige Nacht (la notte critica)
9. Febr. Gallus, Rose oder Pflicht und Liebe im Streit
23. Febr. J. Weigl, Die betrogne Arglist

3 mal.

2 mal. 3 mal.

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