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Wichtig aber ist es sich zu vergegenwärtigen, daß Mozart gerade zu der Zeit, da ihn der in Wien in der Instrumental- und Opernmusik herrschende Geschmack dem ernsten und strengen Stil ganz zu entfremden drohte, durch van Swieten auf jene großen Meister hingewiesen wurde. Sie vermochten ihn tief zu ergreifen und gaben ihm einen mächtigen Impuls, sich mit erhöhtem Interesse, aus innerem Bedürfnis den ernsten Studien hinzugeben, ohne welche auch das Genie die vollendete Meisterschaft nicht erringt, und die im Verein mit seiner sich immer steigernden Produktionskraft den Werken dieser Periode ihren unvergänglichen Stempel aufgedrückt haben 88.

31.

Mozart und die Freimaurerei.

Bei der Betrachtung der Verhältnisse, welche in Wien auf Mozarts soziale und künstlerische Stellung, auf seine Ausbildung und Entwickelung von Einfluß gewesen sind, dürfen auch seine Beziehungen zum Freimaurerorden nicht außer Acht gelassen

werden 1.

Es ist bekannt, wie in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts die Neigung, durch geheime Verbindungen und Ordensverbrüderungen, welche sich meistens in irgend einer Weise an den Freimaurerorden anschlossen, den Fortschritt auf geistigem, sittlichem und politischem Gebiet zu fördern, in Deutschland allgemein verbreitet war und einen mächtigen Einfluß gewann, der sich vielleicht am dauerndsten in den Spuren erhalten wird, welche er auch der Litteratur jener Zeit aufgedrückt hat3. Wie Kantate zusammengestellten lezten Nummern (8. 9. 10) des Oratoriums (Mufit. Zeitg. I S. 368 f. vgl. 382 f.). Eine andere daraus entlehnte Kantate wird erwähnt A. M. 3. IX S. 479.

88 Was Gerber (im alten Tonkünstlerlexikon I S. 976) äußerte: „Ein Glück für ihn, daß er noch jung unter den gefälligen und tändelnden Wienschen Musen seine Vollendung erhalten hat; es könnte ihn sonst leicht das Schicksal des großen Friedemann Bach treffen, dessen Fluge nur wenige Augen der übrigen Sterblichen noch nachseßen konnten“, ist nur halbwahr, denn die tiefsten Studien hat Mozart nicht in Salzburg, sondern in Wien gemacht.

1 Es wird für Kundige schwerlich der Bemerkung bedürfen, daß hier ein Ungeweihter spricht, der also um so mehr sich mit Vorsicht zu äußern hat.

2 Eine Übersicht der wichtigsten hierher gehörigen Erscheinungen giebt Schlosser, Geschichte des achtzehnten Jahrh. III. 1 S. 278 f.

3 Gervinus, Gesch. d. deutschen Nationallitt. V S. 274 f.

viel oder wie wenig es sei, was zur wahren Erziehung des Menschengeschlechtes auf diesem Wege erreicht ist, zu welchen Exzessen des Aberwiges und Frevels auch Schwärmerei und Betrügerei die verführerischen Formen eines Geheimbundes mißbraucht haben mag: man darf darauf hinweisen, daß Fürsten unter ihnen

Friedrich der Große -, daß selbst die edelsten und größten Geister unserer Nation - Lessing, Herder, Wieland, Goetheim Freimaurerorden ein wirksames Mittel jene höchsten Zwecke zu erreichen gesucht haben. Es genügt hier an das zu erinnern, was Goethe in seiner Gedächtnisrede auf Wieland sagt1:

Wenn dieser altgegründete und nach manchem Zeitwechsel oft wieder hergestellte Bund eines Zeugnisses bedürfte, so würde hier das vollkommenste bereit sein, indem ein talentreicher Mann, verständig, vorsichtig, umsichtig, erfahren, wohldenkend und mäßig, bei uns seines Gleichen zu finden glaubte, sich bei uns in einer Gesellschaft fühlte, die er, der besten gewohnt, als Vollendung seiner menschlichen und geselligen Wünsche so gern anerkannte.

Und dieser erklärte selbsts, daß durch den „geistigen Tempelbau" des Freimaurerordens nichts anderes und würdigeres angedeutet werde als „das ernste, thätige und anhaltende Streben aller echten und redlichen Maurer, vor allen sich selbst, und dann auch soviel möglich die übrigen mit ihm verbrüderten Menschen dem Ideal der Humanität, dem was der Mensch, gleichsam als ein lebendiger Stein in der ewigen Stadt Gottes zu sein bestimmt ist, und wozu er schon in seinem rohen Naturzustand alle Anlagen hat, durch unermüdete Bearbeitung immer näher zu bringen "6.

Sehr begreiflich ist es, daß auch in Wien, als dort das Streben nach Aufklärung und Bildung sich lebhaft regte, die Form der geheimen Gesellschaft als besonders wirksam und anziehend für diese Zwecke benutzt wurde 7.

4 Goethe, Werke XXI S. 329.

5 Wieland, Werke LIII S. 435.

-

6 Gutes thun, die Noth der Menschheit erleichtern, Aufklärung unter seinen Mitbrüdern bewirken, Menschenhaß vermindern, sich stets anfeuern, in allem diesen nicht müde werden, dies dies ist die wahre Pflicht des Maurers, das Geheimnis des Ordens. Die Nebengeheimnisse sind die Ceremonien, wodurch einer äußerlich ein Freimaurer wird. Wie viel der Orden zu der jetzt herrschenden Toleranz überhaupt und besonders unter den christlichen Religionsparteien beigetragen, liegt zu klar am Tage, als daß ich nöthig hätte viel darüber zu sagen". (Keßler v. Sprengseisen) Anti-Saint-Nicaise S. 62.

7 L. Lewis, Gesch. d. Freimaurerei in Österreich. Wien 1861.

Im Jahre 1781 bildete sich ein Verein der vorzüglichsten Köpfe Wiens unter der Leitung des edlen und geistvollen Ignaz von Born. Der Zweck dieses Vereins war, zur Beförderung der nunmehr von der Regierung begünstigten Gewissens- und Denkfreiheit zu wirken und den Aberglauben und die Schwärmerei, mithin also auch die Hauptstüße von beiden, das Mönchswesen, zu bekämpfen. Reinhold und seine Jugendfreunde, Alringer, Blumauer, Haschka, Leon, Ratschky waren die eifrigsten Theilnehmer an diesem Bunde. Um die äußere Verbindung der durch Sinn und Herz Vereinten auf eine angemessene Weise zu unterhalten, bedienten sie sich der Formen der Maurerei. Ihre Loge führte den Namen Zur wahren Eintrachts und sie arbeiteten eine geraume Zeit hindurch, durch Josephs Walten mittelbar unterstüßt, nach dem vorgezeichneten Plane mit vieler Thätigkeit und einem glücklichen Erfolg. Mit den Waffen der Gelehrsamkeit und Beredtsamkeit, bald im ernsten, bald im scherzenden Tone, stritten die Einträchtigen wider ihre, in diesen Kampfesweisen ihnen keineswegs gewachsenen Gegner".

Aus diesem Kreise, dem auch noch andere bedeutende Männer wie Sonnenfels, Rezer, Gemmingen, Gebler 10 angehörten, gingen Borns und Blumauers Satiren gegen das Mönchswesen hervor, welche damals von außerordentlicher Wirkung waren. Die von Blumauer redigirte Wiener Realzeitung war das wissenschaftliche Organ desselben, in welchem man nach Blumauers Grundsay 11, daß das Werk der Aufklärung allmählich fortschreite und das Verlernen von Dingen, die einmal in den Kopf gehämmert sind, viel mehr Zeit erfordere als das Lernen, Aberglauben und Vorurtheile leisen Ganges, wie sie gekommen waren, wieder zu entfernen suchte. Natürlich machte man die Freimaurerei in Wien auch zur Modesache, und mancherlei Mißbrauch wurde damit getrieben.

Der Orden der Freimaurerei trieb sein Wesen mit einer fast lächerlichen Oeffentlichkeit und Ostentation. Freimaurerlieder wurden. gedruckt, componirt und allgemein gesungen. Man trug Freimaurer

8 Es gab in Wien 1785 acht Logen. Die älteste Zur gekrönten Hoffnung war die, welcher Mozart angehörte; es waren in derselben viele adelige und reiche Mitglieder, man sagte ihr nach, daß dort auf glänzende Festessen gehalten werde (Briefe eines Biedermanns üb. d. Freimäurer in Wien. Münch. 1786 S. XL f.). [Mozart gehörte der Loge Zur G. H. im Orient“ seit März 1785 an, Engl, Moz. S. 7].

9 K. L. Reinholds Leben S. 18 f.

10 [Gebler trat 1784 dieser Loge bei, Werner, Aus dem joseph. Wien S. 157. Vgl. Nicolai's Briefe vom 2. Mai und 28. Sept. 1784, ebda.]

11 Blumauer, Proj. Schr. I S. 69. [Blumauer gab auch das Journal für Freymaurer (1784—86) heraus.]

zeichen als joujoux an den Uhren, die Damen empfingen weiße Handschuhe von Lehrlingen und Gesellen, und mehrere Modeartikel hießen à la franc-maçon. Viele Männer ließen sich aus Neugier aufnehmen, traten in den Orden und genossen wenigstens die Freuden der Tafellogen. Andere hatten andere Absichten. Es war damals nicht unnüßlich zu dieser Brüderschaft zu gehören, welche in allen Collegien Mitglieder hatte und überall den Vorsteher, Präsidenten, Gouverneur in ihren Schooß zu ziehen verstanden hatte. Da half dann ein Bruder dem andern; die Bruderschaft unterstüßte sich überall, wer nicht dazu gehörte, fand oft Hindernisse: dies loďte viele. Wieder Andere, die ehrlicher oder beschränkter waren, suchten mit gläubigem Sinn höhere Geheimnisse und glaubten Aufschlüsse über geheime Wissenschaften, über den Stein der Weisen, über Umgang mit Geistern in dem Orden zu erhalten. Wohlthätig waren die Freimaurer gewiß; in ihren Versammlungen wurden sehr oft Collecten für Arme und Verunglückte gemacht 12.

Am 11. Dezember 1785 erließ Kaiser Joseph nachdem man in Bayern und anderswo in Folge der Untersuchungen gegen die Illuminaten auch die Freimaurer zu verfolgen anfing - ein Handbillet, in welchem er den Freimaurerorden, dessen Geheimnisse ihm ebenso unbewußt seien als er die Gaukeleien desselben zu erfahren jemals vorwißig gewesen sei, unter der Bedingung gewisser Reformen anerkannte und unter den Schuß des Staats stellte 13. Dieser Erlaß, der von einigen als ein Beweis der höchsten Weisheit und Huld gepriesen, von andern als das Verderben der echten Maurerei beklagt wurde, gab zu heftigen Streitigkeiten Veranlassung, mehr noch die Ausführung desselben, namentlich die vom Kaiser befohlene Verschmelzung der acht bestehenden Logen zu drei. Born, der die Reform mißbilligte und, früher allgemein verehrt, mancherlei persönliche Angriffe zu erdulden hatte eine unangenehme Begegnung (mit Jos. Kratter, das sogenannte Freimaurerautodafé, rief eine ganze Reihe gehässiger Flugschriften hervor - zog sich 1786 von der Loge ganz zurück. Dies war ein empfindlicher Verlust für die geistige Wirksamkeit der Loge, andere folgten seinem Beispiel, auch hatte der Orden bei der öffentlichen Anerkennung

12 Car. Pichler, Denkw. I S. 105 f. (Vgl. Geblers Brief vom 16. Febr. 1785 und Nicolai's Antwort vom 6. März, Werner S. 124. 126.]

13 Wien. Ztg. 1785 Nr. 102.

14 Vgl. Voigt an Hufeland (Aus Weimars Glanzzeit S. 46 f.). Baggesens Briefw. I S. 304. [Auch Gebler spricht in seinem letzten Briefe an Nicolai (17. Apr. 1786) die Absicht aus, sich zurückzuziehen.]

auch stets wachsende Angriffe und Verdächtigungen zu ertragen, die später zu offenkundiger Mißgunst gegen denselben führten. Nicht wenige Standhafte aber hielten aus, wie der schon (I S. 841) genannte Loibl, welcher der Loge seine Wohnung für die Sizungen einräumte. Die Tochter desselben erinnert sich noch, wie der Vater sich stundenlang, mit einem Talar angethan, bei brennenden Kerzen, vor einem Crucifix in der Bibel lesend auf die Sizungen vorbereitete, in denen die Kinder durchs Schlüsselloch mit Erstaunen die Herren um den Tisch sizen und mit ernstem Gesichte Reden halten sahen. Mozart gehörte ebenfalls zu diesen Eifrigen und hat bis zu seinem Tode sich an der Loge betheiligt; ja, er hatte sogar den Gedanken gefaßt, eine eigene geheime Gesellschaft „die Grotte“ zu stiften und deren Statuten entworfen 15.

Der Gedanke, durch den Freimaurerorden in seinem Fortkommen gefördert zu werden, hat Mozart schwerlich zum Eintritte bewogen, dergleichen Berechnungen lagen nicht in seinem Charakter, auch spricht der Erfolg nicht dafür; ihm hat diese Verbindung nichts genüßt 16. Bei dem Ansehen, in welchem der Orden stand, als Mozart nach Wien kam, da die bedeutendsten, gebildetsten Männer, denen er in der besten Gesellschaft überall begegnete, demselben angehörten, ist es nicht zu verwundern, wenn auch Mozart sich demselben zuwandte; schon das Bedürfnis einer ernsteren, tiefer gehenden geistigen Unterhaltung konnte ihn dorthin führen. Allein auch 'andere in Mozarts Natur tief begründete Züge sind mit dem, was der Orden als seine Hauptaufgabe bezeichnete, so sehr verwandt, daß sie wohl erklären, wie Mozart sich dieser Gesellschaft mit vollem Ernst anschloß. Vor allem seine echte Humanität, sein warmes Mitgefühl für menschliche Leiden und Freuden, sein herzliches Bedürfnis zu helfen

15 Die Wittwe Mozarts, welche den Aufsatz Mozarts über diese Ordensverbindung an Härtel mittheilte (27. Nov. 1799; 21. Juli 1800 (vgl. Nottebohm, Mozart S. 131. 133]), gab an, daß Stadler, mit dem Mozart alles besprochen habe, nähere Auskunft geben könne, sich aber bei den dermaligen Umständen einzugestehen scheue, daß er darum gewußt habe. Wenn es gleich kein gutes Zeugnis für Mozarts Menschenkenntnis ablegt, daß er diesen Menschen zum Bertrauten wählte, so erklärt doch das gemeinsame Interesse für Ordensangelegenheiten in etwas die außerordentliche Nachsicht Mozarts gegen denselben (I S. 843).

16 [Gegen die abweichende Auffassung des Abbé Goschler, Mozart d'après de nouveaux documents (Paris 1866) vgl. Wilder, Mozart S. 209].

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