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NACHRICHTEN

AUS DER

GESCHICHTE DER NÖRDLICHEN THSI.

VON

DR. AUGUST PFIZMAIER,

WIRKLICHEM MITGLIEDE DER KAIS. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.

VORGELEGT IN DER SITZUNG AM 29. NOVEMBER 1882.

Die Geschichte des Hauses der nördlichen Thsi (550-577 n. Chr.), zum grössten Theile auf die Vorgänge im Inneren beschränkt, ist gleichwohl an mannigfachen Begebenheiten reich und gewährt in ihren rückhaltslosen Schilderungen einen Einblick in Dinge, welche sonst nur angedeutet, wo nicht gänzlich verschwiegen zu werden pflegen. Als Grundlage dieser Arbeit diente das von Li-pe-yŏ verfasste, im Anfange der Zeiten der Thang zusammengestellte pe-thsi-schu,Buch der nördlichen Thsi' in fünfzig Büchern ( kiuen). In diesem Werke sind übrigens, entgegen der Jahresrechnung der Geschichte, noch vor dem Jahre 550 n. Chr. die erst nachträglich erhobenen zwei Kaiser, Schin-wu und Wen-siang, Gegen

stand dreier Bücher.

Die Abhandlung liefert vorerst die Geschichte der vorzüglichsten, durch ihre Geschicke denkwürdig gewordenen Könige. Diese Könige waren Verwandte des Hauses, welche gewöhnlich noch andere, keineswegs immer die höchsten Aemter bekleideten. Sie waren, wie alle Lehensfürsten, so wenig unabhängig, dass sie nicht allein abgesetzt, sondern auch nach Umständen mit den niedrigsten Strafen belegt werden konnten.

Die nächsten Abschnitte enthalten zahlreiche in das Leben der leitenden Männer verflochtene geschichtliche und besondere Einzelheiten, schliesslich die Geschichte der letzten Jahre und ein in scharfen Umrissen gezeichnetes Bild der thatsächlich von Wahnsinn nicht verschiedenen Verderbtheit des Hofes.

Die letzten Kaiser des Hauses waren der spätere Vorgesetzte (heu-tschi) und der junge Vorgesetzte (yeu-tschü). Beide wurden sammt den Mitgliedern ihres Hauses durch das Heer der späteren Tscheu gefangen genommen und nach Tschangngan gebracht, woselbst der junge Vorgesetzte das Lehen eines Fürsten des Reiches Wen erhielt. Hierauf mit Unrecht beschuldigt, sich in Verschwörung eingelassen zu haben, wurden sowohl er als seine vielen Verwandten, unter ihnen der König von Ngan-tě, nebenbei Himmelssohn, und der erst achtjährige Kaiser, der sogenannte

Denkschriften der phil.-hist. Cl. XXXIV. Bd.

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junge Vorgesetzte, mit dem Tode beschenkt, d. i. zum Selbstmord verurtheilt. Sie tödteten sich, indem sie sich den Mund mit Pfeffer verstopften.

Das nördliche Thsi endete ungefähr zwölf Jahre vor dem Zeitpunkte, in welchem China nach beinahe dreihundertsiebzigjähriger Theilung wieder einmal zu einem Ganzen vereinigt wurde.

Siün, König von Yung-ngan.

Siün, König von Yung-ngan, war der vierte Sohn Schin-wu's, Ahnherrn des Hauses der nördlichen Thsi. Schin-wu vermuthete anfänglich, dass Siün nicht sein Sohn sei und liebte ihn nicht sehr. Siün zeigte jedoch frühzeitig Verstand und stand später bei Schin-wu wieder in Gunst.

Lu

Als Siün acht Jahre alt war, fragte er den vielseitigen Gelehrten king-yo: Man opfert dem Geiste, als ob der Geist gegenwärtig wäre. Gibt es einen Geist, oder gibt es keinen Geist? Lu-king-yo antwortete: Es gibt einen. Siün sprach: Wenn es einen Geist gibt, soll man sagen: Man opfert dem Geiste, der Geist ist gegenwärtig. Warum bemüht man sich mit dem Zeichen (ji),als ob'? Luking-yo konnte nicht antworten.

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Als Siün erwachsen war, hatte er masslose Freude an Scherzen. Einst bat er, als Zugetheilter einnehmen zu dürfen. Er wurde streng mit dem Stocke bestraft und in dem Gefängnisse des Sammelhauses des verschlossenen Palastes festgehalten. Hierauf wurde es ihm nachgesehen. Später beschäftigte er sich von Zeit zu Zeit ziemlich mit dem Lesen der Bücher.

In dem Zeitraume Yuen-siang (538 n. Chr.) setzte man ihn in das Lehen eines Fürsten der Landschaft Yung-ngan. Verständig, aufgeklärt, im Besitze von Muth und Kraft, war er zugleich ein guter Reiter und Bogenschütze. Er wurde von siang, dem ältesten Sohne Schin-wu's, geliebt.

Wen

Der nachherige Kaiser Wen-siuen war von Gemüthsart unmännlich und schwach. So oft er sich zu Wen-siang gesellte, quollen ihm nach einiger Zeit die Thränen hervor. Siün stellte gewöhnlich die Leute der Umgebung des Kaisers zur Rede, indem er sie fragte, warum sie nicht dem zweiten älteren Bruder die Nase abwischen. In Folge dessen wurde man über ihn unwillig.

Er wurde in der Reihe zu der Stelle eines Beaufsichtigers der Bücher der Mitte versetzt und war zugleich Aufwartender von der Mitte. Von dem Hofe austretend, wurde er stechender Vermerker von Thsing-tscheu. Er liebte ziemlich die Jagd. Dabei war er scharfsinnig, aufgeklärt, thätig und mild. Höhere und Niedere achteten ihn und fanden an ihm Gefallen. Im Anfange des Zeitraumes Thien-pao (550 n. Chr.) beförderte man ihn hinsichtlich der Lehenstufe zu einem Könige.

In den letzten Jahren des Kaisers Wen-siuen trank man vielen Wein. Siün sprach zu den nahestehenden Menschen: Der zweite ältere Bruder war von jeher nicht sehr verständig. Nachdem er die Stufe des Glückes erstiegen, löste sich seine Erkenntniss, sein Stumpfsinn schritt vorwärts. Jetzt richtet er durch Wein die Tugend zu Grunde. Unter den Dienern des Hofes ist keiner, der es wagte, Vorstellungen zu machen. Der grosse Feind ist noch nicht vernichtet, ich bin deswegen sehr bekümmert. Ich wollte Post

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pferde besteigen, in Nie anlangen und von Angesicht Vorstellungen machen, doch ich weiss nicht, ob er meinen Rath befolgen wird oder nicht. Einige Menschen erfuhren dieses und hinterbrachten es dem Kaiser. Man wurde wieder über Siün unwillig. Im achten Jahre des Zeitraumes Thien-pao (557 n. Chr.) erschien er an dem Hofe und begleitete den Kaiser auf dessen Reise nach Tung-schan. Der Kaiser vergnügte sich nackt und mengte sich unter die Frauen und Mädchen. Zugleich spielte er das Spiel, wie der Fuchs den Schweif bewegt. Siun trat vor und sprach: Dieses ist keine Sache, die sich für den Vorgesetzten der Menschen schickt. Der Kaiser war sehr ungehalten.

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Siün weilte ferner hinter dem Windschirm, rief Yang-tsün-yen herbei und tadelte an ihm, dass er keine Vorstellungen mache. Der Kaiser mochte um die Zeit nicht mit den grossen Dienern und den Königen verkehren. Yang-tsün-yen fürchtete sich und meldete es an dem Hofe. Der Kaiser ward sehr zornig und sprach: Die kleinen Menschen sind eigentlich schwer zu ertragen. Er schaffte den Wein ab und kehrte in den Palast zurück. Siün kehrte sofort in den Landstrich zurück. Er reichte noch eine Schrift empor, in welcher er mit Entschiedenheit Vorstellungen machte.

Eine höchste Verkündung befahl, dass man Siün vorlade. Dieser fürchtete Unheil, entschuldigte sich wegen Krankheit und kam nicht. Der Kaiser liess in seinem Zorne mit Postpferden dahinsprengen und Siün aufgreifen. Alte und junge Leute, welche Siün weinend begleiteten, waren mehrere Tausende.

Als Siün anlangte, steckte man ihn in einen eisernen Korb und setzte ihn zugleich mit Hoan, Könige von Schang-tang, in ein Erdgefängniss der nördlichen Feste. 渙

Speise, Trank, Harn und Unreinigkeit befanden sich in Gemeinschaft an einem und demselben Orte.

Im nächsten Jahre blickte der Kaiser in eigener Person mit den Leuten der Umgebung auf die Grube herab. Er sang ein Lied und hiess Siün in den Gesang einstimmen. Siün und dem Anderen bangte. Auch waren sie betrübt und unmerklich zitterte ihre Stimme. Den Kaiser schmerzte es. Er weinte dabei und wollte ihnen verzeihen.

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Tsch'en, König von Tschang-kuang, stand früher mit Siün auf keinem freundschaftlichen Fusse. Er trat vor und sprach: Wie kann man reissende Thiere aus der Grube herauslassen? Der Kaiser schwieg. Siün und der Andere hörten jene Worte. Sie riefen den König von Tschang-kuang bei dessen kleinem Jünglingsnamen und sagten: Pu-lo-ki! Der hehre Himmel sieht dich! Die Leute der Umgebung, welche dieses hörten, waren ohne Ausnahme von Schmerz bewegt.

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Siün und Hoan besassen beide kühne Bemessung und wurde ihnen von Seite der Könige mit Unterwürfigkeit begegnet. Der Kaiser fürchtete, gemordet zu werden. Er stach daher eigenhändig nach Hoan. Ferner liess er den starken Kriegsmann 劉桃枝 Lieu-thao-tschi sich zu dem Zwinger begeben und ungestüm stechen. So oft die Lanze niederfuhr, zerbrachen Siün und Hoan ohne Weiteres die Lanze mit den Händen. Sie wehklagten laut und riefen zu dem Himmel. Man tödtete sie hierauf, indem man in Hast Brennholz warf und Feuer anzündete. Man füllte die Grube mit Steinen und Erde.

Als man Siün und Hoan später herausschaffte, waren Haut und Haupthaar bei ihnen gänzlich verbrannt und die Leichname von Farbe gleich Kohlen. In der Welt waren deswegen die Herzen voll Schmerz.

Der Kaiser gesellte später die zu dem Geschlechte Lo gehörende königliche Gemalin Siuen's zu dem im Verfahren Uebereinstimmenden Lieu-yeu-tsiě. Derselbe war ein ehemaliger Leibdiener des Kaisers und wurde seiner bei dem Kriegsheere erworbenen Verdienste wegen verwendet. Die Zugesellung geschah, weil er um die Zeit Siün gemordet hatte.1 Einige Tage später erliess der Kaiser den Befehl, dass, weil die Königin von dem Geschlechte Lŏ bei Siün nicht in Gunst gestanden, Lieu-yeutsie sich von ihr trenne.

Im ersten Jahre des Zeitraumes Khien-ming (560 n. Chr.) verlieh man Siün nachträglich die Stelle eines grossen Beruhigers. Weil er keinen Sohn hatte, liess man Tschün, den zweiten Sohn des Königs Yeu von P'eng-tsch'ing, ihm in dem Lehen folgen.

Yeu, König von P'eng-tsch'ing.

Yeu, König von P'eng-tsch'ing, war der fünfte Sohn des Kaisers Schin-wu. Im zweiten Jahre des Zeitraumes Yuen-siang (539 n. Chr.) ernannte man ihn zum kehrenden Geraden, zum beständigen Aufwartenden von den zerstreuten Reitern und setzte ihn in das Lehen eines Fürsten der Landschaft Tschang-lo.

Der vielseitige Gelehrte Han-I unterrichtete ihn im Schreiben. Als derselbe sah, dass die Schrift Yeu's noch nicht kunstvoll war, verspottete er ihn, indem er sprach: Da eure Schrift so beschaffen ist, werdet ihr plötzlich ältester Aufwartender und ein das Reich Eröffnender sein. Von heute an solltet ihr nochmals Sorgfalt anwenden. Yeu erwiderte mit gleichgiltiger Miene: Jedenfalls war #Kan-lo in früher Jugend Reichsgehilfe von Thsin. Man hat nicht gehört, dass er im Schreiben geschickt gewesen. Bei den Menschen überhaupt erörtert man nur, wie es mit dem Vorhandensein der Begabung steht. Wie sollte man in Anregung Wie sollte man in Anregung bringen und mit der Schrift prahlen müssen? Da der vielseitige Gelehrte gegenwärtig in ihr geschickt ist, wie kommt es, dass er nicht als einer der drei Fürsten auftritt? Yeu war nämlich um die Zeit acht Jahre alt. Han-I schämte sich sehr.

Im sechsten Jahre des Zeitraumes Wu-ting (548 n. Chr.) trat Yeu aus und wurde stechender Vermerker von Thsang-tscheu. Er führte die Lenkung streng und untersuchte das Innere der Abtheilungen eilig. Die Wächter und Befehlshaber nahmen Theil und standen zur Seite, die niederen und helfenden Angestellten zogen hier und dort umher und schickten Brodfrucht und Speise.

Yeu kannte genau die Vorgänge unter den Menschen. gesetzter der Register für den Kreis

Tschang-thǎ, Vor

Si-fa, kam einst in die Landschaft und warf sich in der Nacht in das Haus eines Menschen, wo er Eingemachtes von Hühnern verzehrte. Yeu erfuhr dieses. Als alle Wächter und Befehlshaber versammelt waren, sprach Yeu vor der Menge: Man hat Eingemachtes von Hühnern verzehrt. Warum hat man es nicht bezahlt? Tschang-thǎ bekannte seine Schuld. Innerhalb der Gränze nannte man Yeu den göttlich Erleuchteten.

1 Derselbe wird oben mit dem Namen Lieu-thao-tschi angeführt.

2 Zur Linken des Zeichens ist hier noch das Classenzeichen ` zu setzen.

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