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himmlischen Äonen oder in der noλútρwas, deren er gelegentlich gedenkt, jenes gnostische Sakrament wiederfinden wollte. „Die gnostische Exegese erscheint daher als eine dogmatische im üblen Sinne des Wortes; sie ist baar aller Rücksicht auf den Schriftzusammenhang und frei von jeder Ehrfurcht gegen den wohlverbürgten Wortlaut. Sie zündet ein Feuer an aus den Trümmern der Schrift, das Rauch, aber kein Licht bringt" (Heinrici 1. c. S. 61).

Wie sollten aber die Gnostiker aus freien Stücken darauf verfallen sein, aus Schriften ihre Lehre zu beweisen, die ihnen so augenscheinlich entgegen waren? Warum setzten sie nicht ohne weiteres ihre gnostischen Lehrschriften in Geltung, wo ihre Gedanken eigentlich und unverhüllt ausgesprochen waren? Wozu verschwendeten sie so viel Mühe an widerstrebende Texte? Dafür giebt es nur eine Erklärung. Jene apostolischen Schriften müssen damals bereits in der Christenheit in solcher Geltung gestanden haben, dass die Gnostiker nicht um sie herumkonnten, dass sie, deren geistige Heimat wo anders lag, doch vor diesen Schriften ihre Sache führen mussten, wenn sie anders ihren christlichen Charakter wahren wollten.

Wir können diese Beweisführung auch noch von einem allgemeineren Gesichtspunkte aus unterstützen. Der Umstand, dass die Gnostiker überhaupt auf das N. T. eine Interpretationsweise anwenden, die von jeder Erfassung des geschichtlichen Sinnes absieht und den Text als heilige Hieroglyphe behandelt, beweist schon, dass sie das N. T. nicht geschaffen haben. Vielmehr setzt jene von ihnen geübte Methode schon eine geraume Zeit voraus, wo die betr. Schriften erst einmal nach ihrem eigentlichen Verstande eine Autorität waren. Denn die allegorische Auslegung macht sich immer erst an schon geheiligte Texte, wie der Epheu erst später um die feste Mauer sich rankt.

Indessen hat der Irrtum, dem wir hier entgegengetreten sind, als ob die Gnostiker ein apostolisches Bekenntnis und ein apostolisches N. T. geschaffen hätten, doch einen gewissen Schein der Berechtigung, und nur wenn wir diesen anerkennen und ihn zugleich erklären, dürfen wir hoffen, unser Ergebnis sichergestellt zu haben. Zunächst nämlich ist es richtig, dass wirklich die Gnostiker sich als erste auf die kirchliche Lehrüberlieferung, insbesondere auf das Bekenntnis berufen und an ihm ihre Lehre zu legitimieren versucht haben.1

1) Vgl. die hiermit verwandte Äusserung Ritschls, Entstehung der alt

Doch tritt das im Ganzen zurück gegen das andere, dass in der That bei den Gnostikern zuerst ein ausgeführter neutestamentlicher Schriftbeweis vorliegt. Sie waren die ersten wissenschaftlichen Exegeten; aus ihren Kreisen sind die ersten Kommentare zu ntl. Schriften hervorgegangen. Mit Recht hat Harnack darauf hingewiesen.

Aber daraus folgt nur nicht, dass sie das N. T. geschaffen haben; und wenn die gleichzeitigen kirchlichen Schriftsteller die ntl. Aussagen, die bei ihnen reichlich vorkommen, nicht gegen die eigenen scharf abgrenzten, wie die Gnostiker, sondern sie darein verflochten, so folgt daraus nicht, dass sie ein N. T. noch gar nicht besessen oder die apostolische Literatur minder geschätzt haben, als jene. Vielmehr beweist letzteres nur, dass man sich mit dem Inhalt der apostolischen Schriften noch eins wusste, dass man, so zu sagen in ihnen stehend, gar nicht das Bedürfnis empfand, die eigenen Aussagen mit den apostolischen zu konfrontieren oder zu vergleichen: man hatte ein durch und durch positives Verhältnis zu ihnen und meinte, sich in völliger Harmonie mit ihnen zu befinden. Dagegen haben die Gnostiker zum ersten Male den Widerspruch zwischen überliefertem kirchlich-apostolischen und „,modernem" Christentume empfunden. Sie standen ihren Mitchristen fremd gegenüber und damit auch der Auffassung, die jene vom apostolischen Evangelium hatten. Diese Entfremdung veranlasste sie, die apostolischen Schriften sich selbst und ihrem modernen Christentume, und dieses wiederum jenen gegenüberzustellen, um es an ihnen zu messen und zu bewähren. Das bisher naiv Verbundene trat für ihr Bewusstsein auseinander. Auch hier kam man aus dem früheren Zustande paradiesischer Unschuld erst durch einen Fall in der eigenen Welt des Christentums zur Erkenntnis von Gut und Böse.1 Um deswillen aber bildet die unleugbare Thatsache, dass bei den Gnostikern zuerst ein ntl. Schriftbeweis, d. h. statt des einfältig positiven ein kritisches, reflektiertes Verhältnis zum N. T. wahrzunehmen ist, keine Wider

katholischen Kirche, 2. Aufl. S. 339: Und zwar sind die Gnostiker die ersten, welche das Prinzip der Tradition für die von ihnen prätendierte Erkenntnis geltend machen, obgleich sie dadurch verraten, dass sie wirklich nicht einen Boden echter Überlieferung einnehmen.

1) Als ein solcher Fall stellt sich der Gnostizismus dar. Dass dieser Gedanke nichts mit der bekannten Theorie Thierschs gemeinsam hat, möchte ich bemerken.

legung, sondern vielmehr eine Bestätigung unseres Satzes, dass das N. T., welches bei den Gnostikern allerdings vorhanden ist, doch nicht ihre Schöpfung sein kann.

Wir dürfen also unser Ergebnis dahin zusammenfassen: da die Gnostiker das neue Testament, wie das gemeine Taufbekenntnis einerseits schon haben, andrerseits beides nach äusseren Zeugnissen nicht geschaffen haben und inneren Gründen auch nicht geschaffen haben können, so folgt, dass das neue Testament und das Taufbekenntnis älter sind, als der Gnostizismus. Beide sind vorgnostisch und also auch vorkatholisch.

Obgleich nun dieser Satz nicht ausser Zusammenhang mit allen bisherigen Ausführungen verstanden werden kann und soll, so will ich ihn doch nochmals gegen gewisse naheliegende Missverständnisse verwahren. Der Satz soll nicht besagen, die Gnostiker hätten ein neues Testament von meinetwegen 24 Schriften, nicht mehr und nicht weniger, gehabt, von denen jede als inspiriertes Gotteswort gegen alle übrige Literatur strengstens abgegrenzt gewesen wäre, und es heisst nicht, die Gnostiker hätten ein Symbol gehabt, dessen Wortlaut von A bis Z so fest und unverbrüchlich war, wie etwa der der nicänischen Formel. Sondern der Satz soll nur besagen, dass in dem Sinne und Umfange, wie Irenäus beide Grössen hat und kennt, auch die Gnostiker, seine Gegner, sie schon gehabt haben. Allgemein spricht man bei Irenäus und Tertullian von ihrem neuen Testamente. Wenn man aber unter dem N. T. eine festgeschlossene und in allen ihren Teilen gleichwertige Sammlung aller für echt gehaltenen Schriften der Apostel, d. h. der Urapostel und des Paulus versteht", so hat nicht bloss Clemens Alex., sondern haben auch Irenäus und Tertullian ein solches noch nicht besessen. 1 Auch ihr N. T. war noch keine geschlossene Sammlung nach strengstem Begriffe. Und das Gleiche gilt, wie wir früher gesehen haben, für das Bekenntnis. Dass schon Irenäus eine „geschlossene" und nun gar die altrömische Formel in Geltung gesetzt habe, dafür wird man den Beweis wohl stets schuldig bleiben. Irenäus und auch Tertullian kennen nicht eine bis aufs Jota und Pünktchen bestimmte Bekenntnisformel. Folglich dürfte man hier nicht um den Begriff des ,,mehr oder minder Geschlossenen" herumkommen. Dann aber wird

1) Gegen Harnack I, 358.

man sich auch nicht mehr sträuben dürfen, diesen von Th. Zahn mit Recht verwendeten Begriff für den damaligen Stand des neuen Testamentes zuzulassen, denn nur er entspricht den Thatsachen. 1 Das Dilemma, das Harnack ausdrücklich oder stillschweigend immer stellt: entweder eine bis auf den letzten Buchstaben genau bestimmte Autorität oder autoritätslose Freiheit ist sowohl an sich, als besonders in seiner Anwendung auf die hier vorliegenden Fragen schwerlich berechtigt. Wir haben seinerzeit dargethan, wie die antignostischen Väter ihre regula fidei als den einen, unwandelbaren Massstab bezeichnet und gebraucht haben, obgleich weder ihr Taufbekenntnis überall den protokollarisch gleichen Wortlaut hatte, noch ihr neues Testament bis aufs einzelnste genau dieselben Schriften umfasste. Aber die Hauptbücher hier und die Hauptstücke dort waren doch dieselben.

Nicht mehr, aber auch nicht weniger muss auch für die Gnostiker behauptet werden. Sie stehen in dieser Hinsicht mit der Grosskirche zusammen dem Marcionitismus gegenüber. Dagegen behaupten wir nicht, dass unser heutiges N. T., d. h. das N. T., wie es seit Ausgang des 4. Jahrh. seine endgiltige Gestalt allmählich gewonnen hat, schon von den Gnostikern gebraucht worden sei; wir ziehen nur daraus, dass Jac., Jud., 2. Petr. und andere nachmals ntl. Schriften bei ihnen, soviel wir wissen, nicht in Gebrauch waren, nicht die Folgerung, sie hätten überhaupt noch gar kein N. T. gehabt, gerade so wenig als wir von ihnen und der Kirche jener Zeit behaupten, sie hätten noch kein Apostolikum gehabt, weil sie nicht gerade den Text unsers Glaubensbekenntnisses gehabt haben. Dass wir damit nicht einem willkürlichen, modernen, sondern dem echten geschichtlichen Sprachgebrauche folgen, werden wir noch bei der Besprechung Marcions rechtfertigen.

Aus dem Gesagten folgt, dass wir im einzelnen auch nur für diejenigen ntl. Schriften, die wir bei den Gnostikern als heilige und apostolische im Gebrauche finden, vorgnostischen Ursprung als erwiesen ansehen. Für die andern beweist das N. T. der Gnostiker natürlich direkt nichts. Indessen ist es schon nach dem Bisherigen für ausgeschlossen zu halten, dass das geringe plus, welches das spätere kirchliche N. T. gegenüber dem uns bekannten gnostischen N. T. aufweist, sich von daher erkläre, dass man kirchlicherseits

1) Gegen Harnack, Das N. T. um das Jahr 200, S. 18. Kunze, Glaubensregel.

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gegen die Gnosis noch (pseud)apostolische Schriften fabriziert oder ältere Schriften zum Zwecke der Kanonisierung dazu umgestempelt habe. Soweit Irenäus in Betracht kommt, würde man versuchen müssen, zu allererst für 2. Joh. und für den Pastor Hermae zu beweisen, dass sie gegen die Gnostiker gefälscht oder kanonisiert worden seien, denn wo er überhaupt diese Schriften anführt, geschieht es ganz direkt gegen Gnostiker. 1 Gerade aber bei diesen Schriften dürfte sich herausstellen, wie unbegründet jene Hypo

these ist.

Genau die gleichen Sätze gelten, wie schon angedeutet, mutatis mutandis für das Taufbekenntnis.

Um auf diese Ergebnisse die Probe zu machen, stellen wir zuletzt noch die beiden Fragen, was die Kirche nach unsern Voraussetzungen gegen den Gnostizismus hätte thun müssen, und was sie wirklich gethan hat. Durch diese Erörterung werden wir wieder an den Anfang unserer Darstellung zurückgeführt und gewinnen den Anschluss an die von dort ausgehende Entwickelung, sowie das volle Verständnis für jenen Anfang.

Wir stellen zuerst den Satz auf: die Kirche kann nicht erst gegen den Gnostizismus, oder gar seinem Vorgange mit Widerstreben folgend, ihr neues Testament gebildet haben. Das wäre ein Schlag ins Wasser gewesen; die feindliche Hauptfestung befand sich anderswo.

Zweitens aber ist mit besonderem Nachdrucke geltend zu machen, dass die Kirche auch nicht im Gegensatze zum Gnostizismus das Taufbekenntnis geschaffen haben kann. Auch dieses verhielt sich indifferent zu dem Gegensatze, soweit es Formel war. Daher konnte die Kirche weder von der einen noch von der andern „Schöpfung" sich irgendwelchen Erfolg versprechen.

Was die Kirche nötig hatte, war zunächst dies, sich der dritten Grösse, der apostolischen Geheimüberlieferung, soweit sie mündlich oder schriftlich in Geltung gesetzt wurde, zu erwehren. Und das hat sie auch gethan. Dabei ist aber ihr Verfahren höchst bemerkenswert. Soweit Schriften in Betracht kamen, hat man nämlich kein Bedürfnis ausführlicher kritischer Widerlegung der betr. Machwerke empfunden. Dieser Arbeit hätte man sich aber nicht entziehen können, wenn jene zahlreichen Schriften mit apostolischen

1) Betr. Hermas vgl. S. 97 Anm. 1; 2. Joh. wird zitiert I, 16, 3. III, 16, 8.

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