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Systeme, besonders deutlich aus dem Briefe des Ptolem. ad Floram, dass der Begriff aλeta in jenem Titel des Evangeliums nicht zu ψεῦδος, sondern offenbar zu εἰκόνες καὶ σύμβολα im Gegensatze steht. Den Evangelien, die die Wahrheit in Bild und Gleichnis verhüllt zeigen, tritt gegenüber das eine enthüllte Evangelium, das den Schleier von dem Bilde der Wahrheit aufhebt und sie in ihrer eigentlichen Gestalt und reinen Wirklichkeit zeigt. Nur wenn so gegenübergestellt den anderen Evangelien, kam das Evangelium der Wahrheit" zur Geltung, als dessen Inhalt wir uns eben jene gnostischen Geheimnisse zu denken haben, die Irenäus im ersten Buche beschreibt. 1

Das Bild also, welches wir aus den Quellen zu erkennen meinen, ist folgendes: die Gnostiker haben die öffentliche schriftlich-mündliche Überlieferung der Kirche in Geltung gelassen, ihr Vorhandensein. durch die Entgegenstellung ihrer Geheimüberlieferung indirekt anerkannt, ihren apostolischen Charakter formell nicht geleugnet, aber sie haben sie entweder auf Unverstand der Jünger (so Ophiten Iren. I, 30, 13), oder auf Missverstand ihrer Hörer (Tert. de praescr. 27) oder darauf zurückgeführt, dass die Apostel sich der niederen Fassungskraft der Psychiker anbequemten (Ir. III, 3, 1. 5, 1). Letzteres war besonders die Auskunft der Valentinianer. Sie waren damit vollständig dessen überhoben, sich mit der gemeinkirchlichen Unterweisung kritisch auseinanderzusetzen. Dieselbe wurde als Bild und Symbol, als Gleichnis und Rätsel beurteilt. Sie war nicht falsch, noch viel weniger waren das die Schriften, an die sie sich hielt; aber das kirchliche Schriftverständnis blieb nur an der Schale haften, wie das die Art der ungebildeten Masse ist; den süssen Kern herauszubrechen, das vermochte nur der Gnostiker. Das Mittel dazu bot ihm seine Geheimüberlieferung. Oder, um die Sache noch etwas anders auszudrücken: die öffentliche apostolische Überlieferung, wie sie im gewöhnlichen Christenbekenntnis, vor allem aber in apostolischen Evangelienschriften und Briefen vorlag, und die nicht öffentliche, gnostische Überlieferung wurden in solch ein Verhältnis zu einander gesetzt, dass jene den heiligen, aber unverständlichen Text in chiffrierter Schrift darstellte, während letztere den Schlüssel

1) Man beachte auch, welche Rolle die sa beim Valentinianer Marcus spielt, aus deren Munde er die tiefsten Geheimnisse hört (Iren, I, 14, 3 a. E. 4).

dazu enthielt, aber eben deshalb nicht zugleich mit jener, sondern nur den Würdigen mitgeteilt wurde. 1

Die Gnostiker haben daher als autoritative Grössen zwei mit ihren Gegnern gemeinsam gehabt, nämlich die alt- und neutestamentliche heilige Schrift und das schlichte Christenbekenntnis, welches die Hauptstücke des in der Schrift bezeugten Glaubens umfasste, und ein Stück vor ihnen voraus, ihre Sonderüberlieferung. Verhält es sich so, dann müssen in den gnostischen Systemen in der That sich diese drei Bestandteile herauslösen lassen. Und das ist wirklich der Fall.

Ich greife hier das von Iren. I, 30, 1 ff. geschilderte ophitische System heraus, um es etwa mit der praedicatio ecclesiastica des Origenes, die uns als Typus der regula fidei gelten kann, zu vergleichen (vgl. S. 96 ff.). Genau wie jener mit der Schöpfung anfängt, dafür die Genesis ausbeutet und auch das übrige alte Testament umspannt, so ists auch hier. Das System beginnt mit dem pater omnium. Dann werden die Elemente und das Chaos genannt, und es heisst: τὸ πνεῦμα – τοῖς στοιχείοις ἐπιφέρεσθαι (gen. 1, 2, LXX dasselbe Verbum). Dann wird die Schöpfung weiter ausgeführt, doch so, dass immer die biblische Grundlage durchschimmert; weiter kommt die Schlange im Paradiese vor (I, 30, 5), und wird die Schöpfung des Menschen erzählt, dabei gen. 1, 26 zitiert und die Einhauchung des Lebensodems, gen. 2, 7, verwendet (30, 6). Nun wird erzählt, wie Eva und Adam durch eine Schlange verführt wurden, von einem Baume zu essen, von dem Gott ihnen geboten hatte, nicht zu essen. Durchs Essen erlangten sie die Erkenntnis. Darauf seien sie aus dem Paradiese verstossen worden. Jetzt erkannten sie, dass sie nackt waren, zeugten Kain und Abel; jener ermordete diesen, dann ward Seth geboren. Weiter wird von der

1) Ich glaube, dass auch religionsgeschichtliche Analogieen (z. B. die jüdische Kabbala) diese Auffassung empfehlen. Eine vorzügliche Analogie zu der jenen Geheimschriften angewiesenen Stellung bietet das Bibelverzeichnis im 85. der apostolischen canones, welches an die ntl. Schriften die zwei Briefe des Clemens und die ebenfalls ihm zugeschriebenen apost. Constitut. anschliesst, aber dazu die Bemerkung macht: ὃς οὐ χρὴ δημοσιεύειν ἐπὶ πάντων (= öffentlich in der Kirche vorlesen) did ta v aùtałę postind. Genau so dürften die Gnostiker von ihren Geheimschriften gesprochen haben, und damit auch dem Einwande begegnet sein, dass sie nicht öffentlich in der Kirche gelesen würden.

Sintflut und Noahs Errettung in der Arche erzählt, von der Erwählung Abrahams, der Ausführung Israels aus Ägypten durch Moses, von Gesetz und Propheten und deren Weissagungen (30, 9-11).

Von da wird der Übergang zur neutestamentlichen Zeit und so zum zweiten Glaubensartikel gewonnen. Die рoßoλý zweier Menschen wird vollzogen, des einen de sterili Elizabeth, des andern ex Maria virgine. Jener heisst Johannes und bereitet vor den baptismus poenitentiae. Und nun kommt weiter unter ausführlicher Bezugnahme auf die evangelische Erzählung die Geschichte Jesu mit all' ihren wunderbaren Thatsachen bis zum Sitzen zur Rechten. Das haben wir schon früher angeführt, um zu zeigen, wie hier Gang und Wortlaut des gemeinen Bekenntnisses hervortreten. Eingeschaltet ist darin auch ein paulinisches Zitat 1. Cor. 15, 50: die Jünger hätten geglaubt, er sei in einem weltlichen Körper auferstanden ignorantes, quoniam caro et sanguis regnum dei non apprehendunt. Das Ganze schliesst mit einem Hinweise auf das Weltende.

Hieran haben wir ein Beispiel für das, was Irenäus die лоdéos oder regulae der Gnostiker nennt. Sind auch überall die gnostischen Sonderideen dazwischengeflochten, so ist doch die grosse Übereinstimmung mit der gemeinkirchlichen Lehre nicht zu verkennen, insbesondere nicht, in welchem Umfange hier dieselben Schriften zu Grunde liegen, die auch die Kirche anerkannte.1 Der unvokalisierte Text ist sozusagen hier wie dort der gleiche, aber Vokalisation und Interpunktion machen etwas anderes daraus. Nun ist aber dieses Beispiel nicht ein solches, das sich von andern gnostischen Darstellungen sonderlich unterschiede, sondern darf für typisch gelten. So kann es uns zur Veranschaulichung dienen, wenn wir aus diesen gesamten Darlegungen nunmehr die abschliessenden Konsequenzen ziehen.

Wir werden sagen dürfen: die Gnostiker haben weder das gemeinchristliche Bekenntnis des apostolischen Glaubens, noch die altund neutestamentliche Schrift als ihre Spezialität geltend gemacht. Sie haben beides an sich nicht angetastet, sondern als ein Gemeingut für sich und ihre Gegner behandelt. Dass sie irgendwelche

1) Wenn nur an einer Stelle die paulinischen Briefe angezogen sind, so ist das durch die Auswahl des Gebotenen veranlasst, und auch eine einzige Stelle beweist hier genug, vgl. Iren. V, 9, 1. Eine Spur des Johannesevangeliums meine ich in 30, 13 zu erkennen; denn das dort Gesagte scheint mir von Iren. als allegorische Auslegung zu Joh. 3, 29 verstanden zu sein.

kritische Massnahmen an diesen beiden Grössen vorgenommen hätten, ist unerweislich. 1 Sie selbst haben sich in diesem Punkte nichts Schöpferisches beigelegt.

Dagegen behaupteten sie an ihrer apostolischen Geheimüberlieferung ein heiliges Sondereigentum gegenüber der Kirche der Psychiker zu besitzen. Auch hierin behaupteten sie freilich nicht schöpferisch zu sein. Aber den Unterschied zwischen sich und den Kirchlichen leiteten sie aus diesem Besitze her.

Wie haben wir über diesen Thatbestand zu urteilen? Wie steht es zunächst mit der Geheimüberlieferung? Uns interessiert hier nicht die Herkunft der Stoffe, die sie mit jenem Titel deckten. dieselben aber gegenüber dem geschichtlich bezeugten apostolischen Christentume Neuerungen gewesen sind, dürfte nicht im Ernste bezweifelt werden. Dies verrät sich, wie Irenäus bereits hervorhob, schon dadurch, dass jene Überlieferung als geheime bezeichnet wurde, ferner auch dadurch, dass man sie zumeist solchen apostolischen Männern zuschrieb, deren Personen in der öffentlichen Überlieferung keine besondere Rolle spielten, und endlich dadurch, dass die betreffenden Lehren, soviel wir wissen oder vermuten dürfen, fast immer erst von dem auferstandenen Christus und seinen Mitteilungen hergeleitet wurden. Hier allein fand man den verhältnismässig leeren Platz, den man mit den Belehrungen über die Mysterien des Gottesreiches ausfüllen konnte (vgl. act. 1, 3). Was wir aber von solchen gnostischen Originalschriften kennen, das bestätigt es nur, dass wir hier die gröbsten Fälschungen oder Dichtungen vor uns haben, mag immerhin hie und da einmal ein Stück frei umlaufender Überlieferung mit verwertet worden sein.

Mit diesem Ergebnis ist eigentlich schon präjudiziert über die Frage, ob die Gnostiker inbezug auf die beiden andern Stücke schöpferisch thätig gewesen sind. Das ist schon deshalb nicht anzunehmen, weil diese ja nicht zur Geheimüberlieferung gerechnet wurden. Damit ist nämlich seitens der Gnostiker selbst zugestanden, dass sie schon bisher als öffentliche Überlieferung vorhanden waren. Zugleich haben die Gnostiker dadurch, dass sie auf ihre geheime Überlieferung sich beriefen, ihrerseits die öffentliche heilige

1) Willkürliche Textrezensionen sind freilich genug vorgekommen, aber ebenso auf der Gegenseite. In einem Falle z. B. (Joh. 1, 13) mussten sich die Valentinianer sogar wegen der richtigen Lesart (plur., nicht sing.) verklagen lassen (Tert. de carne Chi. 19).

Schrift und damit das öffentliche Kerygma für unzulänglich erklärt, um aus ihnen die volle Wahrheit zu schöpfen. Wie sollten sie dann auf diesem Gebiete etwas geschaffen haben?

Aber stellen wir doch noch die Frage besonders, zunächst für das apostolische Bekenntnis. Haben die Gnostiker es geschaffen, und können sie es geschaffen haben? Sie sind allerdings damit fertig geworden und haben es sich zurechtgelegt. Ferner ist auch gewiss, dass die blosse Formel, von ihrem Schriftgrunde, auch nur dem alttestamentlichen, losgelöst noch einen weiten Spielraum für das Verständnis offen liess. Aber doch wird man sagen dürfen: die Valentinianer hätten sich diese Formel nicht geschaffen, wenn sie von sich aus zur Aufstellung eines christlichen Bekenntnisses geschritten wären. Schon der schlichte Wortlaut des Symbols widerstrebte ihren Gedanken, und es bedurfte, wie wir sahen, der kühnsten Umdeutungen und willkürlicher Ausrenkung seiner Glieder, um es nur irgendwie mit den gnostischen Anschauungen in Einklang zu setzen. Wie ungezwungen und willig bot sich dagegen jenes Bekenntnis einem Irenäus oder Tertullian als ein Schema für ihre Glaubensüberzeugungen dar. Sie hätten es sich selber neu bilden müssen, wäre es ihnen nicht schon überliefert gewesen. Da nun dies für die Gnostiker nicht gilt, so müssen sie das von ihnen bezeugte Bekenntnis notwendig schon vorgefunden haben.

Dasselbe Ergebnis stellt sich für das neue Testament heraus, und beide bestätigen einander. Kann man wirklich angesichts der vorhandenen Thatsachen meinen, die Gnostiker könnten das neue Testament geschaffen oder wenigstens zuerst die apostolischen Briefe kanonisiert haben? Irenäus und nicht minder Clemens schildern in der That richtig, welche Zerreissungen und Verdrehungen, welches Übermass allegorischer Willkür, welch gewaltsame Deutungen die Gnostiker nötig hatten, um sich mit den kirchlichen Evangelien und Briefen wenigstens in scheinbaren Einklang zu setzen. Man lese als Beispiel dafür nur etwa die Auslegung, die Ptolemäus von dem Prologe des vierten Evangeliums giebt (I, 8, 5), wo er gleich im ersten Verse drei göttliche Wesen findet, den Vater, Gott, dann den Sohn, d. i. die ȧpx, und drittens den von diesem hervorgebrachten λóyos, durch den die späteren Äonen entstehen. Welche Mühe muss er aufwenden, um seine Gedanken diesem Texte zu entlocken, den doch viele Theologen noch heute für halbgnostisch halten. Nicht besser machte man es mit Paulus, wenn man z. B. Eph. 3, 21 die

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