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5. Im allgemeinen ist anzunehmen, dass die Verfassertitel, unter denen die Kirche die biblischen Bücher rezipiert hat, das Richtige bieten, so gleichgiltig es auch an sich ist, wer im Einzelfalle dem heil. Geiste als Schreiber gedient hat.

6. Nur die Kirche hat das Recht die Schrift auszulegen.1

Doch wir sind vom Strome der Entwickelung schon weit hinabgeführt worden. Insbesondre haben wir gesehen, dass die äussersten Spitzen dieser Ansicht erst nach der Reformation und im Gegensatz zu ihr hervorgetreten sind. Gehen wir von da noch einmal bis auf Augustin und seine Zeit zurück, so sind da zwar die entscheidenden Anfänge vorhanden, aber doch waren auch noch andere Momente wirksam. Insbesondre war die Knebelung der heil. Schrift noch auf lange hinaus nicht annähernd so durchgeführt, als im Neukatholizismus. Und so konnte es geschehen, dass in der abendländischen Kirche Luther die Macht einer Jahrhunderte alten Überlieferung brach und zurückgreifend auf die nachmals einseitig fortgeführten altkirchlichen Ansätze reiner als je die heilige Schrift als die regula fidei hinstellte und handhabte. Darauf kommen wir noch im letzten Kapitel zu sprechen.

1) Hierzu fügte das Tridentinum die im Grunde überflüssige Bestimmung, dass heil. Schrift und mündliche Tradition zu koordinieren seien.

2) Ich entnehme Holzhey 1. c. S. 155 die Angabe, dass erstmalig 1229 ein Provinzialkonzil zu Toulouse das Bibellesen für Laien verbot (wegen der Waldenser und Albigenser).

VIII. Die Herausbildung der Glaubensregel in dem Kampfe

mit Gnostizismus und Marcionitismus.

Wir haben die Geschichte der regula fidei von dem Auftreten dieses Begriffes an durch die Geschichte der alten Kirche hindurch verfolgt. Jenes Auftreten fällt aber zusammen mit der sogen. „Entstehung der altkatholischen Kirche". Direkt lässt sich der Begriff nicht weiter zurückverfolgen und geradezu irreleitend wäre es, wenn man etwa aus früheren Stellen, wo das Wort xaváv vorkommt, irgend etwas folgern wollte (vgl. S. 218 ff.). Wir haben nun zweierlei festgestellt, 1. dass der Begriff der regula fidei der Auseinandersetzung mit der Häresie entstammt, und 2. dass ursprünglich die heil. Schrift mitsamt dem Taufbekenntnisse seinen Inhalt ausmachten. Ersteres ist näher dahin zu bestimmen, dass der Begriff von der Kirche gegen die Gnostiker (einschliesslich der Marcioniten) geprägt worden ist. Der Begriff also ist neu, er ist in der Kirche als nachgnostisch zu betrachten. Gilt das nun aber auch von dem, was wir als seinen Inhalt erkannten? Muss, weil der Begriff regula fidei antignostisch und also nachgnostisch ist, es auch die Sache sein, an die man ihn heftete? M. a. W. hat die Kirche auch erst eine (neutestamentliche) heilige Schrift und ein Bekenntnis geschaffen, als sie der Gnostiker sich zu erwehren hatte? Es scheint, als müsse man diese Frage, wie die neuere Theologie in weiten Kreisen thut, bejahen. Man hegt dort die Meinung, die Kirche habe notgedrungen sich zu jenen Neuschöpfungen entschlossen, um „mit einem Schlage" dem Streite ein Ende zu machen, Die kurze Formel, auf welche diese Ansicht sich. bringen lässt, lautet: der neutestamentliche Schriftenkanon und das Taufbekenntnis sind Schöpfungen der (alt)katholischen, insbesondre

der römischen Kirche. Das ist auch der Grundgedanke, von dem Harnacks Dogmengeschichte beherrscht ist. 1

Ich glaube nicht, dass diese Auffassung dem geschichtlichen Sachverhalte entspricht, noch dass sie aus ihm auch nur wahrscheinlich gemacht werden kann. Betrachten wir zunächst das Taufbekenntnis. Geht denn seine Bedeutung darin auf, regula fidei zu sein? Ist es in der That, wie es dann der Fall wäre, nur und ursprünglich nach aussen, gegen die Häretiker gerichtet gewesen? Schon Tertullian zeigt uns zur Genüge, dass dies Bekenntnis zuerst eine innerkirchliche Bedeutung hatte, nicht als regula fidei, sondern als die fides, mit der der Mund feierlich Christum bekannte, weil das Herz an ihn gläubig geworden war (Ro. 10, 9 f.). Das Bekenntnis samt der Entsagung war der heilige Pakt, mit dem der Gläubige sich Christo anheimgab als seinem Herrn. Das hatte vorerst gar nichts mit der Häresie zu thun. Vielmehr hatte das Bekenntnis in der Beziehung zwischen dem Gläubigen und seinem Herrn Jesus Christus seine Stelle, und das nicht bloss für den einen Tauftag, sondern für das ganze Leben. Das Symbol war der täglich gebetete Katechismus. Wo immer der Christ seiner als Christ sich bewusst ward, wenn er in Leiden, Anfechtung und Versuchung stand, da besann er sich auf sein Bekenntnis, da tröstete er sich daran, da stärkte er sich an seinem Fahneneide. Diese Betrachtungsweise geht aber von Tertullian, ja schon von Justin an neben der kritischen Verwertung des Symbols her, und wenn Harnack irgendwo sagt, die altchristlichen Auslegungen des Vaterunsers liessen uns in das wirkliche Christentum der Alten einen Blick thun, so möchte ich dem durchaus die Symbolauslegungen zur Seite gestellt wissen.

Und nun sollte man glauben, diese innerkirchliche Verwertung des Symbols sei das zweite und spätere, hervorgegangen aus seiner Brauchbarkeit als Waffe gegen die Häretiker? Würde das Symbol sich dann so tief, so innig in das Leben der Kirche, in das Leben des Einzelnen eingebürgert haben? Diese positive Schätzung kann nicht aus einer ursprünglich nur negativen hervorgegangen sein. Sie muss

1) Ebenso aber Jülicher, Einleitung S. 308: Der N. T.liche Kanon ist in seiner Grundform, wie in seiner definitiven Gestalt ein Werk der katholischen Kirche. G. Krüger, Das Dogma vom N. T. 1896 S. 5, dieses Dogma sei ein „Hauptdogma der katholischen Kirche, das die evangelischen Kirchen, wie so vieles andere ohne Prüfung übernommen haben".

vielmehr schon als die Voraussetzung dafür angenommen werden, dass man das Symbol als kritische Norm brauchte. 1

Bei der heiligen Schrift liegt die Sache genau ebenso. Zunächst hat die Kirche von allem Anfang an das alte Testament heilig gehalten. Aber das steht nicht in Frage. Nur über das neue Testament ist man verschiedener Ansicht. Aber auch für dieses bezeugen uns dieselben altkatholischen Schriftsteller, bei denen der Begriff der regula fidei erstmalig auftaucht, bereits eine ungeheure innerkirchliche Schätzung in Bezug auf die Lehre und das Leben, wobei zwischen A. T., Evangelien und paulinischen Briefen kein Unterschied gemacht wird. Was aber schon im letzten Viertel des 2. Jahrhunderts der Fall ist, das zieht sich ebenfalls durch die weitere Geschichte der alten Kirche hindurch. Die Schrift ist und heisst nicht in erster Linie der Kanon, sondern die heilige, die göttliche Schrift; das ist ihr Name, nicht Kanon; und was sie für ein Lebenselement im Christentum der alten Kirche gewesen ist, das beweisen unzählige Zeugnisse, wie sie z. B. Walch zusammengestellt hat. Auch hier wieder werden wir bezweifeln müssen, dass das angeblich „mit einem Schlage" gegen die Gnostiker geschaffene neue Testament sich innerlich so sollte eingelebt haben. Dergleichen pflegt sich nicht als die Folge von Massnahmen kluger Taktik oder unbequemer Nötigungen einzustellen.

Somit glaube ich schliessen zu müssen, dass die Schrift, insbesondre das neue Testament, und das Taufbekenntnis schon da waren, ehe man sie zum Kanon erklärte. Dies lässt sich auch noch aus anderen allgemeinen Erwägungen folgern. Sobald irgend einer geistigen Richtung z. B. in der Kunst eine neue Richtung feindlich entgegentritt, so wird stets die vorhandene ältere Anlass finden, sich über ihre Grundsätze Rechenschaft zu geben, ihren geistigen Besitz sich zu vergegenwärtigen und daraufhin Normen aufzustellen, die sie der

1) Dasselbe Resultat ergiebt sich notwendig auch von einer anderen Erwägung aus. Harnack erkennt wiederholt an, dass mit der alten Symbolformel den Gnostikern nicht beizukommen war (I, 325 u. ö.), sondern dass erst die entsprechende Deutung sie gegen die Gnostiker nutzbar machte. Dann wird die Entstehung der Formel selbst ebenso gewiss hinter dem Kampfe zurückliegen, als die Augustana früher war, als die Streitigkeiten der Philippisten und Flacianer, und das Nicaenum früher als der nestorianische Lehrstreit.

2) Kritische Untersuchung vom Gebrauche der heiligen Schrift unter den alten Christen der vier ersten Jahrhunderte 1779.

neuen, von ihr bekämpften Richtung entgegenhält. Diese Normen sind aber nicht ad hoc erfunden, sondern sind einfach das Nachaussen-Kehren dessen, was man besass, wenn man es auch vielleicht mehr unreflektiert besass. So müssen wir es uns auch im antignostischen Kampfe denken. Auch hier kann die Norm, die jetzt aufgestellt ward, nicht ein unerprobtes novum gewesen sein. Dann hätte man sich ihrer gewiss nicht mit der Sicherheit zu bedienen gewusst, die wir an Irenäus und Tertullian wahrnehmen. Sondern was man in seinem Glauben umfasste, was die Kirche bereits als ein hohes Gut für ihr inneres Leben schätzte, das kehrte man nach aussen. Aus der Sichel schmiedete man einen Spiess, aus der Pflugschaar ein Schwert.

Gewiss bringen solche Verhältnisse auch stets eine gewisse materielle Veränderung dessen mit sich, was als Norm genommen wird. Fester wird und schärfer umrissen, was in einen bestimmten Gegensatz gestellt wird. Taufbekenntnis und neues Testament werden. gegen vorher entschieden verfestigt worden sein dadurch, dass man sie wider den Gnostizismus kehrte. Aber nichts kann jetzt erst Norm geworden sein, nichts jetzt erst eine kritische Bedeutung erlangt haben, was nicht vorher zugestandenermassen eine positive Bedeutung schon hatte, ein Satz, der z. B. besonders für die apostolischen Briefe zu gelten hat.

Endlich aber ist es undenkbar, dass die Kirche dem Gnostizismus gegenüber es gewagt hätte, dogmatische Autoritäten neu zu schaffen, ebenso undenkbar, als dass dieser sie sich sollte gefallen lassen haben. Denn die Gnostiker beanspruchten wenigstens auch, die Marcioniten sogar ausschliesslich das Recht, der Kirche Christi zuzugehören. Hätte nun die Gegenpartei neue, bisher noch nicht giltige Massstäbe proklamiert, so hätten die Gnostiker dies ja miterlebt und würden sich ebensowenig denselben unterworfen haben, als etwa die Arianer dem neugeschaffenen Nicaenum. Vielmehr müssten wir erwarten, dass sie sich, wie dort die Arianer, dergleichen Neuerungen verbeten und also gegen das Taufbekenntnis und das neue Testament, womit man sie ins Unrecht setzen wollte, sehr energisch gewehrt hätten. Da dies aber, wie wir noch näher zeigen werden, seitens der Gnostiker nicht geschah, sie vielmehr auf beide Grössen so sich einliessen, dass sie dieselben anerkannten, so folgt, dass das nicht neue Schöpfungen gewesen sind.

Von wo aus immer wir also die Sache ansehen, es lässt sich der

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