Obrazy na stronie
PDF
ePub

Hildesheim. Von dem Brunonen Ekbert II zwischen 1068 und 1090 gegründet, lag es auf einer mässigen Anhöhe dicht vor dem Thore im Süden der Stadt, dort wo jetzt die Gebäude des Bahnhofs sich erheben. Im Volksmunde wurde es gewöhnlich das Stift auf dem Berge genannt1. Nicht viel jünger war das Benediktinerkloster des heiligen Ägidius, den die sächsische Mundart als Sankt Ilgen bezeichnete. Die Stifterin desselben war die Markgräfin Gertrud († 1117), die Urgrofsmutter Heinrichs des Löwen. Noch heute ragt die 1115 geweihte Kirche als fernhin sichtbares Wahrzeichen der Stadt Braunschweig empor. Da das Kloster auf der östlichen Seite des Okerflusses belegen war, so bildete es einen Bestandteil der Diözese Halberstadt2.

Wann und wie zu St. Blasien, zu St. Cyriaci und zu St. Ägidien Schulen begründet wurden, entzieht sich der geschichtlichen Kenntnis. Wahrscheinlich sind sie zugleich mit den geistlichen Stiftungen, zu denen sie gehörten, ins Leben getreten. In der Burg reicht die

älteste Spur einer Lehranstalt bis ins 11. Jahrhundert zurück, indem der dortige Scholastikus bereits in einer zu Ehren des 1068 verstorbenen brunonischen Grafen Ekbert I errichteten Memorienstiftung mit einer Schenkung bedacht wird; auf dem Berge geschieht der Schule zum ersten Male in einem um 1200 vom Pfalzgrafen Heinrich untersiegelten Güterverzeichnisse Erwähnung4; zu St. Ägidien aber ist die älteste sichere Nachricht von der Schule des Klosters erst in einem Testamente aus dem Jahre 1338 enthalten, in welchem Ludolf Doring, einem Schüler derselben, die Summe von jährlich 3 Mark (30 Thlr.) zu seinem Unterhalte vermacht wird 5.

1 Dürre. Stadt Braunschweig S. 51. 419 f.

2 Dürre, Stadt Braunschweig S. 56. 502.

3 Dürre, Stadt Braunschweig S. 563; Gelehrtenschulen S. 3.
Dürre, Stadt Braunschweig S. 564; Gelehrtenschulen S. 6.

5 Vergl. Sack, Schulen S. 39. 52. Dürre, Gelehrtenschulen S. 6, glaubt schon aus dem 12. Jahrh. eine Spur der Klosterschule zu St. Ägidien nachweisen zu können. Aus einer Stelle bei Arnold von Lübeck (Chron. Slav. III, 3 ap. Leibn. Script. Brunsv. II, 655), wo von dem Bischof Heinrich von Lübeck, der vor seiner Erhebung auf den Bischofsstuhl zehn Jahre lang (von 1162-1172) die Abtei zu St. Ägidien in Braunschweig inne gehabt hatte (vergl. Chron. Slav. II, 13 ap. Leibn. p. 638 und Wattenbach, Geschichtsquellen S. 452), bemerkt wird: » Dei nutu venit Brunschwig et nihilominus scholarum curam suscepit regendam, schliefst er, dafs Heinrich, da er als Benediktiner nur Leiter einer Benediktinerschule gewesen

[ocr errors]

Nicht ganz klar ist das Verhältnis, in dem die Schule des neuen St. Blasiusstifts zu der des alten Burgstifts gestanden hat. Da bei der Umwandlung der älteren Stiftung durch Heinrich den Löwen die inneren Einrichtungen derselben in das neue Stift mit hinübergenommen wurden, so liegt die Annahme nahe, dafs auch die Schule ohne Unterbrechung in dem Neubau weitergeführt ward. Aber es ist auffällig, dafs bei allen Memorien und Seelenmessen, die in den späteren Regierungsjahren Heinrichs des Löwen und zur Zeit seiner Söhne bis 1227 zu St. Blasien zum Gedächtnis fürstlicher Personen begründet wurden, der Scholastikus niemals bedacht wird, überhaupt auch der Schule in dieser ganzen Zeit an keiner einzigen Stelle in den vorhandenen Urkunden Erwähnung geschieht1. Man hat es deshalb für möglich, wenn nicht für wahrscheinlich gehalten, dafs die Schule zu St. Blasien in sein könne, ein anderes Kloster dieses Ordens aber zu Braunschweig nicht bestanden habe, vor seiner Erhebung zum Abt schon Lenker der Klosterschule zu St. Ägidien gewesen sei. Die ganze Stelle lautet S. 655: » (Henricus) cum esset circa aetatem viginti annorum iam adolescens factus, relicto studio Parisiensi terram nativitatis suae egreditur, Brabantiam seilicet, quia de Brusle civitate oriundus erat. Et veniens Hildesheim, quia in artibus bene profecerat, scholas ibidem regendas acceperat. Cumque per tempus ibi stetisset, Dei nutu venit Brunschwig et nihilominus scholarum curam suscepit regendam. Procedente autem tempore febre tactus decubuit. In infirmitate autem positus tale vidit somnium: Videbat vivum procerum valde et horrendum sese agitantem; ipse vero fugiens venit ad fluvium latissimum; quem cum propter timorem praedonis infesti anhelans transiret, venit ad monasterium B. Aegidii; quod cum intrasset, manus insequentis inimici evasit. Evigilans igitur et divinae clementiae circa se dispositionem sentiens, mox ad monasterium B. Aegidii deducitur et tonsuratus habitu monachali induitur et febrium importunitate cessante et fluctibus secularium tempestatum eripitur, et sic monachus factus monachi vigilavit in actus." Hiernach hat Heinrich schon vor seinem Eintritt in das Ägidienkloster, ebenso (nihilominus i. g. perinde) wie er es vorher in Hildesheim gethan, zu Braunschweig ein Schulamt (cura scholarum) verwaltet. Dafs aber die Schule, an der er thätig war, die zu St. Ägidien nicht gewesen sein kann, geht daraus hervor, dafs er sich erst einige Zeit nach Übernahme des Schulamtes infolge eines Traumgesichts zu dem Kloster führen läfst (ad monasterium deducitur), um in dasselbe als Mönch sich aufnehmen zu lassen. Nach allem ist daher die Anstalt, an welcher der spätere Abt zu St. Ägidien und Bischof von Lübeck in seinen jungen Jahren zu Braunschweig gewirkt hat, entweder zu St. Cyriaci oder zu St. Blasien zu suchen, und da in unserer Quelle jegliche nähere Bestimmung fehlt, so wird man an die bedeutendere und in weiteren Kreisen bekannte Stiftsschule in der Burg zu denken haben, zumal die andere Anstalt genau genommen nicht in Braunschweig selbst, sondern aufserhalb der Stadt belegen war.

'Dürre, Gelehrtenschulen S. 5; Stadt Braunschweig S. 389.

diesem ganzen Zeitraum geschlossen gewesen und erst mit der Weihe der neuen Stiftskirche (29. Dezember 1227) wieder eröffnet worden sei. Aber das gänzliche Fehlen einer Schulanstalt während eines halben Jahrhunderts wäre bei einem so angesehenen Stifte, wie es das des heil. Blasius war, schwer zu begreifen, um so schwerer als gerade zu jener Zeit die Beschlüsse des 3. und 4. Laterankonzils von 1179 und 1215 mit Nachdruck darauf drangen, dafs nicht bloss bei den Kathedralkirchen der Bischofssitze, sondern überhaupt bei allen Kollegiatkirchen die verfallenen Lehranstalten wieder in Gang gebracht oder neue errichtet würden1. Die Nichtberücksichtigung des Scholastikus bei den fürstlichen Seelenmefsstiftungen findet aber in der eigentümlichen Stellung, die derselbe innerhalb des hochwürdigen Kollegiums zu St. Blasien einnahm und von der unten noch des weitern die Rede sein wird, eine hinreichende Erklärung. Dazu macht eine Stelle in dem Ottonischen Stadtrecht von 1227, die sich auf die Wahl eines Schülerbischofs bezieht, ganz und gar den Eindruck, als ob die Schule in der Burg, auf die allein die betreffende Bestimmung Bezug haben kann, in jenem Jahre nicht erst nach langer Pause wieder ins Leben gerufen war, sondern auf eine lange Vergangenheit und auf einen ununterbrochenen Bestand zurückblickte. Nach allem scheint es daher

[ocr errors]
[ocr errors]

per unam

1 Conc. Later. III. a. 1179. c. 18 bei Mansi XXII, 228: ». quamque ecclesiam cathedralem magistro, qui clericos eiusdem ecclesiae et scholares pauperes gratis doceat, competens aliquod beneficium assignetur, quo docentis necessitas sublevetur et discentibus via pateat ad doctrinam. In aliis quoque restituatur ecclesiis sive monasteriis, si retroactis temporibus aliquid in eis ad hoc fuerit deputatum.<< Conc. Later. IV. a. 1215. c. 11 bei Mansi XXII, 999: »>Quia nonnullis propter inopiam et legendi studium et opportunitas proficiendi subtrahitur, in Lateranensi concilio pia fuit institutione provisum, ut per unamquamque cathedralem ecclesiam magistro, qui clericos eiusdem ecclesiae aliosque scholares pauperes gratis instrueret, aliquod competens beneficium praeberetur, quo et docentis relevaretur necessitas et via pateret discentibus ad doctrinam. Verum quoniam in multis ecclesiis id minime observatur: nos praedictum roborantes statutum (sc. conc. Lat. III) adiicimus, ut non solum in qualibet cathedrali ecclesia, sed etiam in aliis, quarum sufficere poterunt facultates, constituatur magister idoneus a praelato cum capitulo seu maiori ac saniori parte capituli eligendus, qui clericos ecclesiarum ipsarum et aliarum [richtiger wohl alios] gratis in grammatica facultate ac aliis instruat iuxta posse.<< Vergl. auch Georg. Gothofr. Keuffel, Historia originis et progressus scholarum inter christianos (Helmst. 1743) S. 244. 256 f.

2 Otton. Stadtrecht § 39 bei Hänselmann, Urkundenbuch S. 6: »Swelikes borgeres sone to bisscope gekoren wert, he ne darf nicht geven mer tein scillinge. he ne hebbe provende: so scal he dhenen.<<

kein Bedenken zu haben die Schule des neueren Stifts als die unmittelbare Fortsetzung von derjenigen anzusehen, die schon vor den Zeiten Heinrichs des Löwen im alten Burgstifte vorhanden gewesen war.

Von den drei klerikalen Schulen war die in der Burg, wie die älteste, so auch die bei weitem bedeutendste und vornehmste, ganz entsprechend der hervorragenden Stellung, welche das St. Blasiusstift nicht blofs in der Stadt Braunschweig, sondern überhaupt im Gebiete des Welfengeschlechts einnahm. Bei allen Teilungen und Spaltungen des Fürstenhauses blieb dasselbe ein gemeinsames Familiengut der verschiedenen Linien und ging erst 1671 durch Vertrag in den Alleinbesitz der wolfenbüttelschen Herzöge über. Mit fürstlichen Gnaden und Gerechtsamen war es reichlich bedacht, und neben den irdischen Überresten des Stammvaters hat eine grofse Anzahl seiner Nachkommen die letzte Ruhestätte dort gefunden. So begreift man es, dafs von dem Glanze, der die Kirche des heiligen Blasius umgab, auch der Schule desselben einige Strahlen zu gute kamen. Es liegt nahe. sie als eine Art von schola palatii des Welfenhauses zu betrachten.

Die oberste Schulleitung lag bei den Benediktinern in den Händen des Abts; in der Burg kam sie einem der Kanoniker zu, der in den älteren Zeiten magister oder magister scolarium, später scholasticus genannt wird1. Seine Präbende war die »scolastria<<2. Zu St. Cyriaci hat die Schule des Stifts zu keiner Zeit einen der Chorherren zum Vorsteher gehabt. Zwar wurde 1472 von dem Patrizier Johann von Damm eine neue Präbende für die Scholasterie gegründet1,

unter

1 Der Name magister und magister scolarium wird ihm erteilt in der abgedruckten decisio inter capitulum et scolasticum von 1251 (S. 3 ff.); ⚫ scolasticus wird er genannt in den unter 2 abgedruckten Statuten des Stifts von 1308 und 1442 (S. 5 ff.), in der Verordnung von 1370 (No. 3, S. 7), in dem Vergleich zwischen Kapitel und Rat von 1420 (No. 5 D, S. 20).

2 S. 44; 619. (Seitenangabe ohne Titel bezieht sich immer auf den Text vorl. Werkes.)

3 Hiernach ist zu berichtigen, was z. B. Kaemmel, Gesch. d. deutschen Schulw. S. 120 und Specht, Gesch. d. Unterrichtsw. S. 182 behaupten, dass die Leitung des Unterrichtswesens an einer Dom- oder Stiftskirche stets in den Händen eines Kanonikers, des Scholastikus, gelegen habe. Dafs dieses nur die Regel gewesen, bemerkt schon Mone, Schulw. vom 13. bis 16. Jahrh. S. 262. Auch das Kollegiatstift zu Wernigerode hatte keinen Scholastikus unter den Stiftsherren, vergl. Ed. Jacobs, Der Rektor und die Stiftsschule zu Wernigerode, abgedr. in der Zeitschr. des Harzvereins, Jahrg. XVIII (1885) S. 297.

Sack, Schulen S. 64.

aber der Inhaber derselben hat nie einen Einfluss auf die Stiftsschule erlangt. Dekan und Kapitel blieben bis zu der Zerstörung des Stifts im Jahre 1545 die obersten Vorgesetzten der Anstalt1.

Die Stellung des Scholastikus zu St. Blasien verdient besondere Beachtung. Ohne Zweifel gehörte er schon in dem älteren Burgstifte zu der Zahl der Kanoniker. Gerold, der die Stiftsschule bis zu seiner 1155 erfolgten Erhebung auf den Bischofsstuhl von Aldenburg in Wagrien geleitet hat, wird ausdrücklich als solcher bezeichnet 2. Aber die Rechte des Scholastikus standen hinter denen der übrigen Chorherren (domini) zurück. Bei der Verteilung fürstlicher Memoriengelder fiel ihm nur die Hälfte zu von dem, was jenen zu teil ward3, und in dem neuen Stifte blieb er eine Zeitlang überhaupt von derartigen Benefizien ausgeschlossen. Zu den Sitzungen des Kapitels hatte er nur Zutritt, wenn er eigens dazu geladen wurde, das aber brauchte nur bei der Wahl des Dekans und bei der Aufnahme eines neuen Chorherrn zu geschehen, und während die vollberechtigten Präbendare von den fürstlichen Patronen ernannt wurden, stand über die Scholasterie das Recht der Präsentation dem Dompropst zu6. Auch bei der Verleihung des Gnadenjahres (annus gratiae) zeigte sich deutlich, wie der Scholastikus hinter den übrigen Chorherren zurückstand. Das Benefizium bestand darin, dafs die Einkünfte einer Präbende noch ein volles Jahr nach dem Tode des Inhabers zu dessen

In den 1483 revidierten Stiftsstatuten ist von dieser Scholasterie überhaupt nicht die Rede, wahrscheinlich deshalb nicht, weil die Verhältnisse derselben noch nicht hinlänglich geordnet waren. Bei den Verhandlungen aber, die 1543 wegen der Reformation des Stifts geführt wurden, gaben Senior und Kapitel folgendes zu Protokoll (handschriftlich im Stadtarchiv): »Da ist noch eine neue Präbende, genannt die Scholasterie, in kurzen Jahren errichtet, die noch nicht in vorstehende Präbenden gekommen, da sich die Damme die Fundation und Kollation davon behalten haben.<

2 Helmoldi Chron. Slav. I, 79. ap. Leibn. Script. Brunsv. II, 601 sq.: >>Fuit autem eo tempore sacerdos quidam Geroldus, Suevia natus, parentibus non infimis, capellanus ducis, scientia divinarum scripturarum adeo imbutus, ut neminem in Saxonia videretur habere parem, in corpore pusillo magnanimus, magister scholae in Brunswich et canonicus urbis eiusdem, familiaris principis propter continentiam vitae.<< Dafs dieser Gerold nicht zu St. Cyriaci, sondern in der Burg magister scholae und canonicus gewesen sei, ist bereits nachgewiesen von Dürre, Gelehrtenschulen S. 4; vergl. Wattenbach, Geschichtsquellen S. 451.

3 Dürre, Gelehrtenschulen S. 3f.

4 Vergl. oben S. XVII.

5 S. 73.

6 S. 6 19; 44.

« PoprzedniaDalej »