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so viel destructive Kritik zu üben, als dienlich war, um Katholiken und Altprotestanten einen Vortheil abzugewinnen, und gerade so viel conservative Kritik beizubehalten, als nöthig war, um nicht den Jungtübingern zu viel nachgeben zu müssen. Baur hat ihn in die schlimme Alternative gestellt, entweder den ganzen Ignatius zu bewahren oder den ganzen hinzugeben. Er hat durch eine ins Einzelne gehende Untersuchung nachgewiesen, wie enge der Zusammenhang zwischen den in der syrischen Uebersetzung weggeschnittenen und den übrig gelassenen Stücken ist, so dass der eine Theil mit dem andern stehen oder fallen müsse.

Hierauf beschränkt sich übrigens die Baur'sche Schrift, indem die Tübinger Schule die Unächtheit der Ignatianischen Briefe bekanntlich als ausgemacht annimmt. Für einen Kritiker. aber, der von derselben nicht in gleichem Masse überzeugt ist, bleibt von seinem Standpunkte aus noch Manches zu thun übrig.

Endlich ist die von Bunsen bereits 1847 angekündigte zweite Ausgabe der Cureton'schen Arbeiten über unsern Gegenstand erschienen. Sie umfasst ausser einer Vorrede, worin die Geschichte der Frage gegeben und auf Hefeles Einwendungen ausführlich geantwortet wird, eine Abhandlung über die Aechtheit des syrischen Textes, dann sämmtliche Texte der Ignatianischen Briefe, alle Fragmente aus denselben, sowie alle Notizen über Ignatius und seine Schriften, die sich in syrischen und andern Schriftstellern vorfanden, endlich die englische Uebersetzung der syrischen Stücke und einen Commentar. Diese Sammlung, die sonach Alles umfasst, was Ignatius betrifft und was geeignet ist, sich ein Urtheil über die Ignatianische Frage zu bilden, hat daher Cureton Corpus Ignatianum 1) betitelt. Es wurden dazu ausser den bereits erwähnten syrischen Handschriften noch die dritte aus dem VIten oder

1) Corpus Ignatianum, a complete collection of the Ignatian epistles &c. by William Cureton. London. Rivingtons 1849.

VIIten Jahrhundert benützt, welche ebenfalls die drei Briefe enthält. Die Zahl der syrischen Fragmente aus Ignatius ist auch bedeutend vermehrt. Doch nicht bloss an Umfang hat Curetons Werk zugenommen, sondern die kritischen Arbeiten haben noch bedeutend an lichtvoller Ordnung und Solidität der Beweisführung gewonnen. Der interpolirte Ignatius soll im Interesse der Lehre von der Gottheit Christi und der Hierarchie geschmiedet worden sein, zwar nicht, um diesen Dogmen, welche Cureton als rechtgläubiger Anglikaner selbst vertheidigt, erst Eingang zu verschaffen, aber doch, um ihnen Häretikern gegenüber mittelst des Ansehens des Ignatius grössere Geltung zu verschaffen. Ueber die Entstehung des interpolirten Ignatius, d. h. des Mediceischen Textes drückt er sich aber in Corpus Ignatianum nicht mehr so bestimmt aus als in seinen zwei ersten Schriften. Er scheint dieselbe jedoch wo möglich noch tiefer hinabrücken zu wollen.

Dieses ist der gegenwärtige Stand der Controverse. Der Verfasser vorliegender Abhandlung hat es sich zur Aufgabe gemacht, die noch schwebende Frage über die Integrität des bisherigen Textes der Ignatianischen Briefe mit der nöthigen Ausführlichkeit und mit Berücksichtigung aller bisher für und gegen erschienenen Schriften zu behandeln. Hierauf beschränkt sich übrigens seine Arbeit. Die eigenthümlichen Ansichten von Baur und Schwegler über die Ignatianischen Briefe und den auch gelegentlich zur Sprache kommenden Gnosticismus zu besprechen, gehört nicht zu ihrem speciellen Zweck. Dieses lässt sich auch nur in einer Schrift mit Nutzen thun, welche die von der Tübinger Schule über das Urchristenthum und das nachapostolische Zeitalter aufgestellten Behauptungen im Zusammenhang behandelt.

I. CAPITEL.

Vergleichung beider Texte hinsichtlich ihrer Lehre von Christus.

Es genügt, den Umfang der Divergenzen zwischen beiden Texten des Ignatius zu berücksichtigen, um sich zu überzeugen, dass sie nicht das Werk des Zufalles sein können, sondern dass sie mit Absicht herbeigeführt worden sein müssen. Diese Absicht muss nothwendig aus der Natur der Divergenzen selbst hervorgehen. Wenn ein Verfälscher der Ignatianischen Briefe jene so bedeutenden Stücke in den ächten Text eingeschoben und noch volle vier Briefe dazu erdichtet hat, so musste er die Absicht haben, irgend eine bestimmte Lehre in Gang zu bringen oder zu unterstützen. Aus dem Stande der Entwicklung seiner Theologie, aus den Irrthümern, die er bekämpft, aus der Kirchenzucht, die er voraussetzt, wird die Zeit, welcher er angehört, offenbar.

Auffallend ist allerdings, dass diejenigen Stücke, welche der Mediceische Text zum syrischen beifügt, meistens von der Person Christi handeln, seine Gottheit auf sehr deutliche Weise aussprechen, dann die göttliche Einsetzung der Hierarchie in ihren drei Hauptstufen sehr stark hervorheben. Diese Erscheinung gibt von selbst Anlass, zu glauben, dass hierin sich eine dogmatische Absicht nachweisen lasse, die einem Interpolator vorgeschwebt wäre.

Allein, wenn wir den syrischen Text in dogmatischer Beziehung mit dem Mediceischen vergleichen, werden wir uns

überzeugen, dass zwischen beiden hierin keine erhebliche Verschiedenheit besteht, so dass wir nothwendig schliessen müssen, dass dieser Grund zur Erklärung der fraglichen Verschiedenheiten durchaus nicht ausreicht.

In christologischer Rücksicht wird eingewendet, dass der Mediceische Text Christus gar so oft ausdrücklich Gott nenne, dass er an zwei Stellen, wo der syrische Text anders liest, durch eine kleine Veränderung sein 9ɛos, von Christus gebraucht, hineinbringe; nämlich im Titel des Epheser Briefes durch Beifügung eines wunda: ἐν θελήματι τοῦ πατρὸς (καὶ) 'Iroov Xolovov tov 9ɛov ucv. und in der 19. Nummer desselben Briefes, wo 9ɛov statt vioỡ gelesen wird. Selbst der Interpolator B (der nach Bunsen ein zweiter Verfälscher ist), hat das Jɛos weit seltener als der Mediceer').

Allein, wenn der Mediceische Text die Gottheit Christi stark hervorhebt und ihn oft ausdrücklich Gott nennt, so hat auch der Cureton'sche am Ende des Römerbriefes: Sitis sani perfecti in patientia Jesu Christi Dei nostri; in der ersten Nummer des Ephesierbriefes: ferventes in sanguine Dei.

Bunsen, dem diese Worte beim Syrier nicht ganz gelegen kommen, erklärt sie für ein bei diesem eingeschlichenes Glossem, wie er es auch mit dem ihm unbequemen Worte 9ɛogógos macht, das sich im Syrischen gerade wie in unserem Texte vorfindet. Eine offenbare critische Parteilichkeit! Wenn es sich auch nur um diese zwei Wörter handelte! Wer aber Christus nennen konnte 2): Illum qui altior, quam tempora, illum, cui non sunt tempora; qui non visus, illum, qui propter nos visus fuit; illum qui non palpatus, illum qui non patiens, illum qui propter nos passus est, illum qui omnem rem omnimodo sustinuit propter nos, wer so von Christus sprechen konnte, der konnte ihn wohl auch Gott nennen.

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Christus explicite Gott zu nennen ist auch nicht eine Ausdrucksweise, die der Zeit des Ignatius fremd wäre. Ist es

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doch aus Geständnissen von Christen jener Zeit, die Plinius in seinem Briefe an Trajan anführt, bekannt: quod essent soliti stato die ante lucem convenire, carmenque Christo, quasi Deo, dicere secum invicem. In den neutestamentlichen Schriften wird der Ausdruck nicht so oft gebraucht. Doch nur die gezwungensten Erklärungen können sich der deutlichen, wenn auch wenigen Stellen, in denen er klar genug sich vorfindet, entledigen.

Unter diesen Umständen kann der Umstand, dass der Mediceer das 9ɛos einigemal zu oft haben mag, nicht zum Schlusse berechtigen, dass er eine dogmatische Absicht gehabt habe, die ihn bewog, ganze Stücke einzufälschen, um so mehr, als diese Erscheinung sich, wenigstens in den zwei oben namentlich angeführten Stellen, sehr leicht aus einer blossen Verschiedenheit der Lesart erklären lässt. In Folge einer solchen Verschiedenheit der Lesart hat unser Text sogar einmal άotos Tou xolovou, wo beim Syrier άotos 9ɛo steht 1). Hat doch auch der Syrier to εou uv am Ende des Römerbriefes beigefügt, wo es die andern Texte nicht haben.

Die polemischen Stellen, welche von Christus handeln, lassen sich alle als gegen frühere Doketen und gegen die Ebioniten gekehrt erklären. Keine ist, die uns nöthigte, eine Beziehung auf jüngere Irrlehrer, wie z. B. Saturninus, Theodotus, anzunehmen. Ohnedies ist die so eben angeführte Stelle aus dem syrischen Briefe an Polycarpus und der Schluss des Briefes an die Epheser von der Art, dass sie uns auch hierin auf gleichen Fuss mit unseren Gegnern setzen. Wenn man uns einwenden wollte, dass die polemischen Stellen über die Person Christi nur gegen Saturninus oder Theodotus gekehrt sein könnten, so steht uns also zu, darauf zu erwiedern, dass Gleiches sich im syrischen Texte vorfindet.

Diese Einwendung ist aber auch weniger urgirt worden. Grösseres Gewicht wurde auf eine Stelle des beim Syrier

1) Rom. 4.

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