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7.

Ehren gedächtniß

unsers

ehrwürdigen Ahnherrn Albrecht Dürer s.

Nürnberg! du vormals weltberühmte Stadt! Wie gerne durchwanderte ich deine krummen Gaffen; mit welcher kindlichen Liebe betrachtete ich deine altvä: terischen Häuser und Kirchen, denen die feste Spur von unsrer alten vaterländischen Kunst eingedrückt ift! Wie innig lieb' ich die Bildungen jener Zeit, die eine so derbe, kräftige und wahre Sprache führen! Wie ziehen sie mich zurück in jenes graue Jahrhundert, da du, Nürnberg, die lebendigwimmelnde Schule der vaterländischen Kunst warst, und ein recht fruchtbarer, überfließender Kunstgeist in deinen Mauern lebte und webte: da Meister Hans Sachs und Adam Kraft, der Bildhauer, und vor allen, Albrecht Dürer mit seinem Freunde, Wilibaldus Pikheimer, und so viel andre hochgelobte deutsche Männer noch lebten! Wie oft hab' ich mich in jene Zeit zurückgewünscht! Wie oft ist fie in meinen Gedanken wieder von neuem vor mir

hervorgegangen, wenn ich in deinen ehrwürdigen Büchersälen, Nürnberg, in einem engen Winkel, beym Dämmerlicht der kleinen, rundscheibigen Fen ster saß, und über den Folianten des wackeren Hans Sachs, oder über anderem alten, gelben, wurmgefressenen Papier brütete; oder wenn ich unter den kühnen Gewölben deiner düstern Kirchen wandelte, wo. der Tag durch buntbemahlte Fenster all das Bildwerk und die Mahlereyen der alten Zeit wunderbar beleuchtet!

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Ihr wundert euch wieder, und sehet mich an, ihr Engherzigen und Kleingläubigen! O ich kenne fie ja, die Myrthenwälder Italiens, ich kenne fie ja, die himmlische Gluth in den begeisterten Männern des beglückten Südens: was ruft ihr mich hin, wo immer Gedanken meiner Seele wohnen, wo die Heimaht der schönsten Stunden meines Lebens ist! ihr, die ihr überall Gränzen sehet, wo keine sind! Liegt Roth und Deutschland nicht auf einer Erde? Hat der himmlische Vater nicht Wege von Norden nach Süden. wie von Westen nach Osten über den Erdkreis geführt? Ist ein Menschenleben zu kurz? Sind die Alpen unüberfteiglich? - Nun so muß auch mehr als eine Liebe in der Bruft des Menschen wohnen können.

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Aber jest wandelt mein traurender Geist auf der geweiheten Stätte vor deinen Mauern, Nürnberg; auf dem Gottesacker, wo die Gebeine Albrecht

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Dürers ruhen, der einst die Zierde von Deutschland ja von Europa war. Sie ruhen, von wenigen be sucht: unter zahllosen Grabsteinen, deren jeder mit einen ehernen Bildwerk, als dem Gepräge der alten Kunst, bezeichnet ist, und zwischen denen sich hohe Sonnenblumen in Menge erheben, welche den Got: tesacker zu einem lieblichen Garten machen. Go ruhen die vergessenen Gebeine unsers alten Albrecht Dürers, um dessentwillen es mir lieb ist, daß ich ein Deutscher bin.

Wenigen muß es gegeben seyn, die Seele in deinen Bildern so zu verstehen, und das Eigne und Besondere darin mit solcher Innigkeit zu genießen, als der Himmel es mir vor vielen andern, vergönnt zu haben scheinet; denn ich sehe mich um, und finde wenige, die mit so herzlicher Liebe, mit solcher Verehrung vor dir verweilten, als ich.

Ist es nicht, als wenn die Figuren in diesen deinen Bildern wirkliche Menschen wären, welche zusammen redeten? Ein jeglicher ist so eigenthüme lich gestempelt, daß man ihn aus einem großen Haufen herauskennen würde; ein jeglicher so aus der Mitte der Natur genommen, daß er ganz und gar seinen Zweck erfüllt. Keiner ist mit halber Seele da, wie man es öfters bey sehr zicelichen Bildern neuerer Meister sagen möchte; jeder ist im vollen Leben ergriffen, und so auf die Tafel hingestellt. Wer klagen foll, klagt; wer zürnen soll, zürnt; und

wer beten soll, betet.
den laut und vernehn."ch.
unnük, oder bloß zum Augenspiel und zur Füllung
des Raums; alle Glieder, alles spricht uns gleichsam
mit Macht an, daß wir den Sinn und die Seele
des Ganzen recht fest im Gemüthe fassen. Wir
glauben alles, was der kunstreiche Mann uns dar
stellt; und es verwischt sich nie aus unserm Ges
dächtniß.

Alle Figuren reden, und re-
Kein Arm bewegt sich

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Wie ist's, daß mir die heutigen Künstler uusers Vaterlandes so anders erscheinen, als jene preiswür digen Männer der alten Zeit, und du vornehmlich, mein geliebter Dürer? Wie ist's, daß es mir vorz kommt, als wenn ihr alle die Mahlerkunst weit ernsthafter, wichtiger und würdiger gehandhabt hät tet, als diese zierlichen Künstler unsrer Tage? Mich dünkt, ich sehe euch, wie ihr nachdenkend vor eurem angefangenen Bilde stehet, wie die Vorstellung, die ihr sichtbar machen wollt, ganz lebendig eurer Seele vorschwebt, wie ihr bedächtlich überlegt, welche Mienen und welche Stellungen den Zuschauer wohl am stärksten und sichersten ergreifen, und seine Seele beym Ansehen am mächtigsten bewegen möch und wie ihr dann, mit inniger Theilnahme und freundlichem Ernst, die eurer lebendigen Einbildung befreundeten Wesen, auf die Tafel treu und langsam auftraget. Aber die Neueren scheinen aar nicht zu wollen, daß man ernsthaft an dem,

ten,

was sie uns vorstellen, Theil nehmen solle; sie arbeiten für vornehme Herren, welche von der Kunst nicht gerührt und veredelt, sondern aufs höchste ge, blendet und gekißelt seyn wollen; sie bestreben sich, ihr Gemählde zu einen Probestück von recht vielen lieblichen und täuschenden Farben zu machen; sie prüfen ihren Wit in Ausstreuung des Lichtes und Schattens; aber die Menschenfiguren scheinen öfters bloß um der Farben und um des Lichtes willen, wahrlich ich möchte sagen, als ein nothwendiges Übel im Bilde zu stehen.

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Wehe muß ich rufen über unser Zeitalter, daß es die Kunst so bloß als ein leichtsinniges Spielwerk der Sinne übt, da sie doch wahrlich etwas sehr Ernsthaftes und Erhabenes ist. Achtet man den Menschen nicht mehr, daß man ihn in der Kunst vernachläßigt, und artige Farben und allerhand Künstlichkeit mit Lichtern, der Betrachtung würdiger findet?

In den Schriften des von unserm Albrecht sehr hochgeschäßten und vertheidigten Martin Luthers, worin ich, wie ich nicht ungern gestehe, eis niges aus Weißbegier wohl gelesen habe, und in welchen viel Gutes verborgen seyn mag, habe ich über die Wichtigkeit der Kunst eine merkwürdige Stelle gefunden, die mir jeßt lebhaft ins Gemüth kommt Denn es behauptet dieser Mann irgendwo ganz dreist und ausdrücklich: daß nächst der TheoLogie,

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