Aber anstatt zu antworten, frage ich wieder: Ob es denn nicht erlaubt sen, seinen Blick einmal absichtlich auf den großen und betrachtungswürdigen Geist eines einzigen Mannes zu beschränken, um. seine eigenthümlichen Vortrefflichkeiten einmal recht für sich, in ihrem Zusammenhange zu überschauen? und ob man wohl so dreist, mit der anmaßenden Strenge eines Richteramtes, die Künst ler nach Maaß und Gewicht ihrer Verdienste in Reih' und Glied stellen könne, wie die Lehrer der Moral tugend und lasterhafte Menschen, nach genauen Regeln des Ranges, über- und untereinander zu sehen sich vermessen? Ich meyne, man könne Geister von sehr verschiedener Beschaffenheit, die beyde große Eigenschaf= ten haben, beyde bewundern. Die Geister der Menschen sind eben so unendlich mannigfaltig, als es ihre Gesichtsbildungen sind. Und nennen wir nicht das ehrwürdige, faltenreiche, weisheitsvolle Antlig des Greises eben so wohl schön, als das unbefangene, Empfindung athmende, zauberhafte Gesicht der Jungfrau? Allein bey dieser bildlichen Vorstellung möchte mir jemand sagen: Wenn aber das Losungswort Schönheit ertönt, drängt sich dir da nicht unwillkührlich aus innerer Seele das lettere Bild, das Bild der Venus Urania in deinem Busen ⚫ hervor? Und hierauf weiß ich freylich nichts zu ant: worten. Wer beŋ meinem zwiefachen Bilde, wie ich, an den Geist des Mannes, den wir eben geschildert haben, und an den Geist desjenigen, den ich den Göttlichen zu nennen pflege, gedenkt, wird in dieser Gleichnißrede vielleicht Stoff zum Nachjinnen finden. Dergleichen Phantaseyen, die uns in den Sinn kommen, verbreiten oftmals auf wunderbare Weise ein helleres. Licht über einen Ge genstand, als die Schlußreden der Vernunft;: und es liegt neben den sogenannten höheren Erkenntniß kräften ein Zauberspiegel in unsrer Seele, der uns die Dinge manchmal vielleicht am kräftigsten dar gestellt zeigt. 1. 5. Zwey Gemähldeschilderungen. Ein schönes Bild oder Gemählde ist, meinem Ginne nach, eigentlich gar nicht zu beschreiben; denn in deni Augenblicke, da man mehr als ein einziges Wort darüber sagt, fliegt die Einbildung von der Tafel weg, und gaukelt für sich allein in den Lüften. Drum haben die alten Chronikenschreiber der Kunst mich sehr' weise gedünket, wenn sie ein Ge= mählde bloß: ein vortreffliches, ein unvergleichliches, ein über alles herrliches nennen; indem es när ure möglich scheint, mehr davon zu sagen. Indessen ist es mir beygefallen, ein paar Bilder einmal auf die folgende Art zu schildern, wovon ich die zweŋ Proben, die mir von selbst in den Sinn gekommen find, um der eignen Art willen, ohne daß ich diese Art für etwas sehr Vorzügliches halten mag, doch zu Jedermanns Ansicht herseßen will. Erstes Bild. Die heilige Jungfrau mit dem Christuskinde, und der kleine Johannes. Maria. Warum bin ich doch so überselig, Das die Erde jemals tragen mag? Und mein Blick vermag es nicht, zum Himmel, Dünkt michs doch, ich sey nicht mehr auf dieser Erde, Jch, ich bin die Mutter dieses Kindes. Das Jesuskind. Hübsch und bunt ist die Welt um mich her! Doch ist's mir nicht wie den andern Kindern, Doch kann ich nicht recht spielen, Nichts fest angreifen mit der Hand," Nicht lautjauchzend frohlocken. Was sich lebendig Vor meinen Augen regt und bewegt, Kommt mir vor, wie vorbeygehend Schattenbild Und artiges Blendwerk. Aber innerlich bin ich froh, Und denke mir innerlich schönere Sachen, Die ich nicht sagen kann. Der Ach! Der kleine Johannes. wie bet' ich es an, das Jesuskindlein! Ach wie lieblich und voller Unschuld Gaukelt es in der Mutter Schooß! Lieber Gott im Himmel, wie bet' ich heimlich zu Dir, Und danke Dir, Und preise Dich um Deine große Gnade, Und flehe Deinen Segen herab auch für mich ! Zweytes Bild. Die Anbetung der drey Weisen aus dem Morgenlande. Die drey Weisen. Siehe! aus dem fernen Morgenlande |