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Was suchst du mehr als was du bist zu sein,
Ein andres je zu werden wähne nicht!"

Eine Kombination von vier gleichbedeutenden zweizeiligen Sprüchen ist z. B.:

„Lafs dich nicht verführen von der Rose Düften,
Die am vollsten wuchert, wuchert auf den Grüften!
Lafs dich nicht verlocken vom Cypressenwuchse,
Denn Gewürme nagen seine schlanken Hüften;
Staune nicht dem Felsen: Stürme, Winde, Blitze
Selbst der Menschen Äxte mögen ihn zerklüften;
Flehst du zu den Sternen? Sterne sind nur Flocken,
Die nicht schmelzen können in den kalten Lüften."

Man wird namentlich in vielen Liedern unseres Rückert statt einer Komposition dergleichen Kombinationen immer neuer, zierlicher Wendungen für denselben Inhalt vorfinden, wie denn überhaupt dieser ausgezeichnete Mann wie wenige den Namen eines Sprachkünstlers verdient, für die nicht-lyrische Dichtkunst aber nur von geringer Bedeutung ist. *) Eine andere Art der Erweiterung

*) Derart ist z. B. bei Rückert (Weish. d. Brahm. I, 49):
„Auf Erden gehest du und bist der Erde Geist;
Die Erd erkennt dich nicht, die dich mit Blüten preist.
Auf Sonnen stehest du und bist der Sonne Geist,
Die Sonn erkennt dich nicht, die dich mit Strahlen preist.
Im Winde wehest du und bist der Lüfte Geist.

Die Luft erkennt dich nicht, die dich mit Atmen preist.
Auf Wassern gehest du und bist des Wassers Geist,
Das Wasser kennt dich nicht, das dich mit Rauschen preist.
Im Herzen stehest du und bist der Liebe Geist

Und dich erkennt das Herz, das dich mit Liebe preist."

In Bezug auf Rückerts Beruf zur Dichtung ist zu bemerken, dafs ihm gröfsere Kompositionen, z. B. Dramen, wenn er sie versuchte, nicht gelangen, und dafs seine schönsten Sinnsprüche, Sprachbilder u. d. m. den Eindruck von Improvisationen machen. Er charakterisiert seine Kunstgattung klar genug So sagt er von sich (Weish. d. Brahm.)

„Spricht bald, was klar ihm ward, bald um sich's klar zu machen
Von ihn angehnden halb, halb nicht angehnden Sachen.

Er hat die Eigenheit, nur Einzelnes zu sehn,
Doch alles Einzelne als Ganzes zu verstehn."

Von seinem „Beruf“ spricht er zwar (Oktaven):

„Da ich des Lebens Lust und Leid erfuhr,
Mein Herz vermag zu hassen und zu lieben,

von Sprachbildern, durch welche sie das Aussehen von Dichtungen erhalten, wird dadurch hervorgebracht, dafs sie sich die Aufgabe stellen, ihren Gedanken unter gewissen erschwerenden Bedingungen darzustellen, so nämlich, dafs sie eine gegebene künstliche Form ausfüllen. Wir rechnen hierher z. B. das Sonett, dessen Form Eine grofse Strophe zeigt, innerhalb welcher die Quadernari den ,,Anlafs", die Terzinen den „Gedanken" zu geben bestimmt sind. W. Wackernagel (1. c. p. 141) sieht mit Recht im Sonett die italienische Form für das Epigramm: „Seine vierzehn Zeilen lassen die Exposition wie die Klausel in reicherer Fülle entfalten als das antike Epigramm; aber dennoch bleibt der epigrammatische Grundrifs, indem zwischen den acht ersten Zeilen und den sechs folgenden eben auch jener Gegensatz von Exposition und Klausel, von epischem Vordersatz und lyrischem Nachsatz besteht." Eine andere Form ähnlicher Art ist z. B. die des Rondeau (Rundgedicht); kürzer und für Darstellung eines Sprachbildes wohl geeignet sind z. B. das Triolett und das von Rückert uns zugeführte Ritornell, ein Epigramm der Empfindung.*)

Zu mir vernehmlich redet die Natur.

Mir jede Sprache lebt, die Menschen schrieben,
Und alles das ich nicht zu denken nur,

Auch auszudrücken fühle mich getrieben:

Wie sollt' ich nicht, zum Trotz den Splitterrichtern.

Mich selber zählen zu den wahren Dichtern?"

Aber anderswo (Bruchstücke) heifst es:

"

,Was kann fühlen ein Mensch, das nicht der Menschheit gehörte ?
Und was denken, das nicht Tausende vor ihm gedacht?

Aber wenn unbefangen ers ausspricht, wie er es fühlet:
Eigentümlich und neu wird es erfreuen die Welt.

Geist genug und Gefühl in hundert einzelnen Liedern

Streu' ich, wie Duft im Wind, oder wie Perlen im Gras. Hätt' ich in Einem Gebild es vereinigen können, ich wär' ein Ganzer Dichter, ich bin jetzt ein zersplitterter nur.“

(vid. „Grofses aus Kleinem“. [Ged. Aufl. 14 p. 437.].)

*) Wie auch in praxi die Zusammengehörigkeit dieser Formen der Sprachkunst sich geltend machte, bemerkt Gervinus (Gesch. der deutsch. Dichtung Bd. III, p. 311): „Wir finden bei Logau alle möglichen Gattungen kleiner mit dem Sinngedicht verwandter oder nicht verwandter Gedichte, die man damals ohne Anstand unter einerlei Rubrik brachte. Zuerst weisen uns seine spruch- und priamelartigen Gedichte anf das Madrigal. Häufig sind die den Italienern und Spaniern nachgeahmten Gedichte dieses Namens, so wie auch die Rondeaux, ohne Unterscheidung mit Epigrammen vermischt worden. So nennt Buchner die Sonette sogar nur eine Art Epigramme, und umgekehrt Trommer seine Epigramme Sonettchen.

Es scheint, als liefse sich für diejenigen Lieder, welche entschieden der Sprachkunst zuzuweisen sind, auch eine Formel angeben, nach welcher ihre Zugehörigkeit zu dieser mit mehr Sicherheit beurteilt werden könnte. Wie wir nämlich gesehen haben, kommen die selbständigen Werke der Sprachkunst auch im Zusammenhang der Rede vor, d. h. sie heben als Redefiguren oder ästhetische Figuren einen einzelnen Seelenmoment vor den anderen besonders hervor. Ebenso kann aber auch gesagt werden, dafs umgekehrt die Figuren an sich fähig sind, als selbständige Sprachbilder aufzutreten. Die Rede könnte ihrer, unbeschadet des Inhalts, auch entraten, wie Quintilian (XII, 10, 43) von der „viri eloquentis oratio" sagt: „cui si res modo indicare satis esset, nihil ultra verborum proprietatem elaboraret; sed quum debeat delectare, movere, in plurimas animum audientis species impellere: utetur his quoque adjutoriis, quae sunt ab eadem nobis concessa natura." Die Figuren stellen nicht sowohl die Sache dar, als die Art, wie die Seele durch die Sache affiziert wurde freilich an der Darstellung der Sache; sie erteilen dieser durch ihre Formierungen die Wärme des Individuellen, die Energie des Affekts, den Reiz des Ungewöhnlichen, den Glanz der Schönheit; sie sind eigentümliche Kunstformen, welche, wie die plastischen Ornamente an Werken der Architektur, zwar meistens nur einen formellen Wert beanspruchen, durchaus aber auch die Fähigkeit besitzen, einem einzelnen, für sich stehenden Gedanken künstlerische Gestaltung zu geben und so zu Liedern der Sprachkunst zu werden. Demnach würden wir, da wir ja auch die selbständigen Werke der Sprachkunst, die Laut- und Wortspiele, die verschiedenen Arten der Sinnsprüche und der ästhetischen Sprachbilder, im weiteren Sinne den Figuren zuzählen dürfen, unseren allgemeinen Grundsatz bestimmter dahin aussprechen können, dafs diejenigen Lieder, welche nur Einen Seelenmoment in irgend einer Figurierung technischer oder ästhetischer Art darstellen, als Lieder der Sprachkunst zu betrachten sind. Wir geben einige Beispiele, wobei wir indessen von den schon besprochenen gnomischen, epigrammatischen, parabolischen Liedern absehen.

Auf Parechesis und Paronomasie gründen sich z. B. bei Rückert Kleines Frauenlob":

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,,Frauen sind genannt vom Freuen,

Weil sich freuen kann kein Mann,

Ohn' ein Weib, die stets vom neuen
Seel' und Leib erfreuen kann.

Wohlgefraut ist wohlgefreuet,
Ungefreut ist ungefraut;

Wer der Frauen Auge scheuet,
Hat die Freude nie geschaut.

Wie erfreulich, wo so fraulich
Eine Frau gebärdet sich,

So getreulich und so traulich,

Wie sich eine schmiegt an mich.“ *)

(So auch: „Die hausbackene Poesie", „Nachtigal und Nachteule" Wortwitze sind z. B. bei demselben:

u. a.)

,,An den Gevatter Kupferstecher Barth":

„Wenn Du Dich gestochen müd' am Stechtisch,
Wie ich mich gesprochen matt am Sprechtisch,
Lafs uns sitzen, sprechen und ausstechen
Reinen Rheinweins eine Flasch' am Zechtisch.
Freien Künsten stehen wir zu Diensten;

Lafs uns ihnen dienen nicht zu knechtisch."

Ferner Chiasmus mit dem Wortspiel verbunden: „Eindruck und Ausdruck":

,,Lafs auf dich etwas rechten Eindruck machen,

So wirst du schnell den rechten Ausdruck finden;
Und kannst du nur den rechten Ausdruck finden,

So wirst du schnell den rechten Eindruck machen."

*) Auf den Reim und die Onomatopoie baut Tieck (Ged.) scherzhafte Lieder, so (p. 535):

Ein nett honett Sonett so nett zu drechseln

Ist nicht so leicht, ihr Kinderchen, das wett ich,

Ihr nennt's Sonett, doch klingt es nicht sonettig,

Statt Haber füttert ihr den Gaul mit Hexeln" u. s. w.

und (ib. p. 532) „Die Geige“:

O weh! o weh!

Wie mir das durch die ganze Seele reifst!

Ins Henkers Namen, ich bin keine Flöte!

Wie kann man sich so quälen,

Alle meine Töne unterdrücken,

Und kneifen und schaben und kratzen.

Bis ein fremdes quinkelierendes Geschrei herausschnarrt?" u. s. w. Mit scherzender Lautsymbolik, durch den Rhythmus hervorgebracht, behandelt so Platen (Falsche Wanderjahre [Werke Bd. 1. p. 300]) den Namen „Pustkuchen“, und Goethe („Goethe und Pustkuchen") hechelt denselben Namen durch in der Figur des Paregmenon:

„Pusten, grobes deutsches Wort!

,,Pusterich, ein Götzenbild, u. s. w.

Der Chiasmus als eine Antimetabole der Zeilen findet sich

z. B. in „Die drei Frühlingstage":

,,Jugend, Rausch und Liebe sind.
Gleich drei schönen Frühlingstagen;
Statt um ihre Flucht zu klagen,
Herz, geniefse sie geschwind!
Herz, geniesse sie geschwind,
Statt um ihre Flucht zu klagen!
Gleich drei schönen Frühlingstagen
Jugend, Rausch und Liebe sind."

(Ähnlich ist: „Das Gelalle".)

Klimax ist (Weish. d. Bram. 17, 13):

„Die Hoffnung halte fest: Gott wird dich nie verlassen;
Das Ärgste, das dir droht, er wird es dir erlassen.

Und traf das Ärgste dich, so bleib' in Zuversicht:
Die Hoffnung schlug dir fehl, doch Gott verlief's dich nicht.

Ja, dafs dich Gott nicht hat verlassen, mufst du sagen,
Da er die Kraft dir giebt, das Ärgste zu ertragen.“

Antithetischen Parallelismus stellt dar Lachens und Weinens Grund":

„Lachen und Weinen zu jeglicher Stunde

Ruht bei der Lieb' auf so mancherlei Grunde.
Morgens lacht ich vor Lust;

Und warum ich nun weine

Bei des Abends Scheine,

Ist mir selb nicht bewulst.

Weinen und Lachen zu jeglicher Stunde

Ruht bei der Lieb' auf so mancherlei Grunde.

Abends weint' ich vor Schmerz;

Und warum du erwachen

Kannst am Morgen mit Lachen,

Mufs ich dich fragen, o Herz.“

Oft geben die Figuren der Wiederholung die Form, wie in ,,Des Dichters Freude am Gedicht":

,,Erst hattest du deine Freude daran;

Nun haben sie andre Leute dran:

Das ist nun deine Freude dran.“

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