Was suchst du mehr als was du bist zu sein, Eine Kombination von vier gleichbedeutenden zweizeiligen Sprüchen ist z. B.: „Lafs dich nicht verführen von der Rose Düften, Man wird namentlich in vielen Liedern unseres Rückert statt einer Komposition dergleichen Kombinationen immer neuer, zierlicher Wendungen für denselben Inhalt vorfinden, wie denn überhaupt dieser ausgezeichnete Mann wie wenige den Namen eines Sprachkünstlers verdient, für die nicht-lyrische Dichtkunst aber nur von geringer Bedeutung ist. *) Eine andere Art der Erweiterung *) Derart ist z. B. bei Rückert (Weish. d. Brahm. I, 49): Die Luft erkennt dich nicht, die dich mit Atmen preist. Und dich erkennt das Herz, das dich mit Liebe preist." In Bezug auf Rückerts Beruf zur Dichtung ist zu bemerken, dafs ihm gröfsere Kompositionen, z. B. Dramen, wenn er sie versuchte, nicht gelangen, und dafs seine schönsten Sinnsprüche, Sprachbilder u. d. m. den Eindruck von Improvisationen machen. Er charakterisiert seine Kunstgattung klar genug So sagt er von sich (Weish. d. Brahm.) „Spricht bald, was klar ihm ward, bald um sich's klar zu machen Er hat die Eigenheit, nur Einzelnes zu sehn, Von seinem „Beruf“ spricht er zwar (Oktaven): „Da ich des Lebens Lust und Leid erfuhr, von Sprachbildern, durch welche sie das Aussehen von Dichtungen erhalten, wird dadurch hervorgebracht, dafs sie sich die Aufgabe stellen, ihren Gedanken unter gewissen erschwerenden Bedingungen darzustellen, so nämlich, dafs sie eine gegebene künstliche Form ausfüllen. Wir rechnen hierher z. B. das Sonett, dessen Form Eine grofse Strophe zeigt, innerhalb welcher die Quadernari den ,,Anlafs", die Terzinen den „Gedanken" zu geben bestimmt sind. W. Wackernagel (1. c. p. 141) sieht mit Recht im Sonett die italienische Form für das Epigramm: „Seine vierzehn Zeilen lassen die Exposition wie die Klausel in reicherer Fülle entfalten als das antike Epigramm; aber dennoch bleibt der epigrammatische Grundrifs, indem zwischen den acht ersten Zeilen und den sechs folgenden eben auch jener Gegensatz von Exposition und Klausel, von epischem Vordersatz und lyrischem Nachsatz besteht." Eine andere Form ähnlicher Art ist z. B. die des Rondeau (Rundgedicht); kürzer und für Darstellung eines Sprachbildes wohl geeignet sind z. B. das Triolett und das von Rückert uns zugeführte Ritornell, ein Epigramm der Empfindung.*) Zu mir vernehmlich redet die Natur. Mir jede Sprache lebt, die Menschen schrieben, Auch auszudrücken fühle mich getrieben: Wie sollt' ich nicht, zum Trotz den Splitterrichtern. Mich selber zählen zu den wahren Dichtern?" Aber anderswo (Bruchstücke) heifst es: " ,Was kann fühlen ein Mensch, das nicht der Menschheit gehörte ? Aber wenn unbefangen ers ausspricht, wie er es fühlet: Geist genug und Gefühl in hundert einzelnen Liedern Streu' ich, wie Duft im Wind, oder wie Perlen im Gras. Hätt' ich in Einem Gebild es vereinigen können, ich wär' ein Ganzer Dichter, ich bin jetzt ein zersplitterter nur.“ (vid. „Grofses aus Kleinem“. [Ged. Aufl. 14 p. 437.].) *) Wie auch in praxi die Zusammengehörigkeit dieser Formen der Sprachkunst sich geltend machte, bemerkt Gervinus (Gesch. der deutsch. Dichtung Bd. III, p. 311): „Wir finden bei Logau alle möglichen Gattungen kleiner mit dem Sinngedicht verwandter oder nicht verwandter Gedichte, die man damals ohne Anstand unter einerlei Rubrik brachte. Zuerst weisen uns seine spruch- und priamelartigen Gedichte anf das Madrigal. Häufig sind die den Italienern und Spaniern nachgeahmten Gedichte dieses Namens, so wie auch die Rondeaux, ohne Unterscheidung mit Epigrammen vermischt worden. So nennt Buchner die Sonette sogar nur eine Art Epigramme, und umgekehrt Trommer seine Epigramme Sonettchen. Es scheint, als liefse sich für diejenigen Lieder, welche entschieden der Sprachkunst zuzuweisen sind, auch eine Formel angeben, nach welcher ihre Zugehörigkeit zu dieser mit mehr Sicherheit beurteilt werden könnte. Wie wir nämlich gesehen haben, kommen die selbständigen Werke der Sprachkunst auch im Zusammenhang der Rede vor, d. h. sie heben als Redefiguren oder ästhetische Figuren einen einzelnen Seelenmoment vor den anderen besonders hervor. Ebenso kann aber auch gesagt werden, dafs umgekehrt die Figuren an sich fähig sind, als selbständige Sprachbilder aufzutreten. Die Rede könnte ihrer, unbeschadet des Inhalts, auch entraten, wie Quintilian (XII, 10, 43) von der „viri eloquentis oratio" sagt: „cui si res modo indicare satis esset, nihil ultra verborum proprietatem elaboraret; sed quum debeat delectare, movere, in plurimas animum audientis species impellere: utetur his quoque adjutoriis, quae sunt ab eadem nobis concessa natura." Die Figuren stellen nicht sowohl die Sache dar, als die Art, wie die Seele durch die Sache affiziert wurde freilich an der Darstellung der Sache; sie erteilen dieser durch ihre Formierungen die Wärme des Individuellen, die Energie des Affekts, den Reiz des Ungewöhnlichen, den Glanz der Schönheit; sie sind eigentümliche Kunstformen, welche, wie die plastischen Ornamente an Werken der Architektur, zwar meistens nur einen formellen Wert beanspruchen, durchaus aber auch die Fähigkeit besitzen, einem einzelnen, für sich stehenden Gedanken künstlerische Gestaltung zu geben und so zu Liedern der Sprachkunst zu werden. Demnach würden wir, da wir ja auch die selbständigen Werke der Sprachkunst, die Laut- und Wortspiele, die verschiedenen Arten der Sinnsprüche und der ästhetischen Sprachbilder, im weiteren Sinne den Figuren zuzählen dürfen, unseren allgemeinen Grundsatz bestimmter dahin aussprechen können, dafs diejenigen Lieder, welche nur Einen Seelenmoment in irgend einer Figurierung technischer oder ästhetischer Art darstellen, als Lieder der Sprachkunst zu betrachten sind. Wir geben einige Beispiele, wobei wir indessen von den schon besprochenen gnomischen, epigrammatischen, parabolischen Liedern absehen. Auf Parechesis und Paronomasie gründen sich z. B. bei Rückert Kleines Frauenlob": ,,Frauen sind genannt vom Freuen, Weil sich freuen kann kein Mann, Ohn' ein Weib, die stets vom neuen Wohlgefraut ist wohlgefreuet, Wer der Frauen Auge scheuet, Wie erfreulich, wo so fraulich So getreulich und so traulich, Wie sich eine schmiegt an mich.“ *) (So auch: „Die hausbackene Poesie", „Nachtigal und Nachteule" Wortwitze sind z. B. bei demselben: u. a.) ,,An den Gevatter Kupferstecher Barth": „Wenn Du Dich gestochen müd' am Stechtisch, Lafs uns ihnen dienen nicht zu knechtisch." Ferner Chiasmus mit dem Wortspiel verbunden: „Eindruck und Ausdruck": ,,Lafs auf dich etwas rechten Eindruck machen, So wirst du schnell den rechten Ausdruck finden; So wirst du schnell den rechten Eindruck machen." *) Auf den Reim und die Onomatopoie baut Tieck (Ged.) scherzhafte Lieder, so (p. 535): Ein nett honett Sonett so nett zu drechseln Ist nicht so leicht, ihr Kinderchen, das wett ich, Ihr nennt's Sonett, doch klingt es nicht sonettig, Statt Haber füttert ihr den Gaul mit Hexeln" u. s. w. und (ib. p. 532) „Die Geige“: O weh! o weh! Wie mir das durch die ganze Seele reifst! Ins Henkers Namen, ich bin keine Flöte! Wie kann man sich so quälen, Alle meine Töne unterdrücken, Und kneifen und schaben und kratzen. Bis ein fremdes quinkelierendes Geschrei herausschnarrt?" u. s. w. Mit scherzender Lautsymbolik, durch den Rhythmus hervorgebracht, behandelt so Platen (Falsche Wanderjahre [Werke Bd. 1. p. 300]) den Namen „Pustkuchen“, und Goethe („Goethe und Pustkuchen") hechelt denselben Namen durch in der Figur des Paregmenon: „Pusten, grobes deutsches Wort! ,,Pusterich, ein Götzenbild, u. s. w. Der Chiasmus als eine Antimetabole der Zeilen findet sich z. B. in „Die drei Frühlingstage": ,,Jugend, Rausch und Liebe sind. (Ähnlich ist: „Das Gelalle".) Klimax ist (Weish. d. Bram. 17, 13): „Die Hoffnung halte fest: Gott wird dich nie verlassen; Und traf das Ärgste dich, so bleib' in Zuversicht: Ja, dafs dich Gott nicht hat verlassen, mufst du sagen, Antithetischen Parallelismus stellt dar Lachens und Weinens Grund": „Lachen und Weinen zu jeglicher Stunde Ruht bei der Lieb' auf so mancherlei Grunde. Und warum ich nun weine Bei des Abends Scheine, Ist mir selb nicht bewulst. Weinen und Lachen zu jeglicher Stunde Ruht bei der Lieb' auf so mancherlei Grunde. Abends weint' ich vor Schmerz; Und warum du erwachen Kannst am Morgen mit Lachen, Mufs ich dich fragen, o Herz.“ Oft geben die Figuren der Wiederholung die Form, wie in ,,Des Dichters Freude am Gedicht": ,,Erst hattest du deine Freude daran; Nun haben sie andre Leute dran: Das ist nun deine Freude dran.“ |