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der Liebe Gottes noch mehr gehemmt werden als die Wurzel der Erkenntniß Gottes, theils durch die Freiheit des Willens selbst, theils durch das Gegengewicht anderer Neigungen im Menschen, so daß namentlich ihre vollkommene Bethätigung in einem Gott in wirksamer Weise über Alles sehenden Akte der Liebe moralisch unmöglich wird. Aber in sich selbst ist sie unzerstörbar und bekundet sich sogar noch beim hartnäckigen Sünder, wenn nicht anders, so doch durch die Unruhe, die der Zwiespalt seiner Gesinnung mit seiner natürlichen Neigung oder mit der naturalis et essentialis rectitudo voluntatis und der natura voluntatis ipsius hervorruft. Wegen der lebendigen Wechselbeziehung zwischen der natürlichen Liebe zu Gott und dem sittlich Guten einer und der natürlichen Erkenntniß beider im Gewissen andererseits rechnen manche Scho lastiker die erstere mit zum angeborenen Gewissen oder zur synteresis (j. bei. Bonav. in 2. dist. 39).

524 Der positive Beweis für obige Säße folgt in der Lehre von der Erbsünde und der Nothwendigkeit der Gnade. Für den gegenwärtigen Zweck kommt es zunächst auf die theelogisch-rationelle Begründung an. Dieselbe findet sich bei den TT., soweit sie die sittliche Anlage des Menschen als naturalis amor justitiae et virtutis oder semen virtutis betrifft, in 2. dist. 39, und soweit sie direkt die natürliche Liebe Gottes betrifft, ex professo in der Lehre von den Engeln (in 2. dist. 3. bes. Bonav. u. Thom. u. in 1. p. q. 60.), aber nach allgemeinen, auf jede geistige Creatur passenden Prinzipien behandelt; s. bes. auch Frane. Sales tr. de l'amour de Dieu l. 1. c. 15-18 u. Ripalda contra Bajanos 1. 1. disp. 8. sect. 14-24. Die TT. betonten dabei zunächst, daß der geschaffene Geist von Natur nicht bloß den Trieb zur Erlangung seiner subjektiven Seligkeit (zum bonum commodum) babe, daß vielmehr mit der Erkenntniß des inneren Werthes und der objektiven Würde geistiger Wesen sich im Willen von Natur auch ein geistiges Wohlgefallen verbinden und so der Wille von Haus aus zur werthschäßenden Liebe derselben befähigt und angelegt sein müre; und da jenes Wohlgefallen sich zugleich auf das der Würde jener Wesen Angemessene, allo ethisch Schöne und Gute, erstreckt, so sei im Menschen neben dem Triebe zum bonum: commodum als solchen zugleich auch ein Trieb zum Wohlwollen gegen Andere und zum bonum honestum oder justitiae; indeß sei auch dieser wieder in dem Triebe nach eigener Seligkeit insofern mit eingeschlossen, als die volle und wahre Seligkeit zu ihrem beften Theile in dem liebevollen Mitgenusse der Güter Anderer und im Genusse der Liebe zum bonum honestum bestehe. Sie verwahrten sich daher entschieden dagegen, daß die Natur des geschaffenen Geistes an sich so recurva oder in sich selbst zusammengebogen sei, daß sie ohne übernatürlichen Einfluß sich nicht zur Liebe anderer Personen oder des objektir Schönen erschwingen könne, weil sie, wie Bonav. sehr schön sagt, nicht bloß liebe ratione indigentiae, sondern auch ratione convenientiae et complacentiae. Ebenso vet: wahrten sie sich insbesondere dagegen, daß jede Liebe Gottes deßhalb etwas Uebernatürliches sei, weil darin die Greatur sich zu Gott erhebe und gewissermaßen über sich hinausgeze; denn eine Hinneigung zu Gott als ihrem Prinzip sei allen Greaturen sogar wesentlid, und die Richtung der Liebe auf Gott als ein über der Natur stehendes Wesen mit der seiner Erhabenheit gebührenden Hochachtung erhebe die Creatur nicht ihrem Sein unt Vermögen nach über sich selbst, sie sei vielmehr nur eine Bethätigung ihrer Abhängisket von Gott und ihrer natürlichen Hinordnung auf ihn; nur eine solche Liebe zu Gott in wesentlich übernatürlich, welche eine engere Gemeinschaft mit Gett zur Grundlage und zum Ziele habe, als sie der Creatur von Haus aus zustebe, und die nicht von der Greatur an Gott als ihrem Prinzip aufsteige, sondern direkt und unmittelbar von Gott anfange unt die Greatur selbst nur um Gotteswillen liebe.

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Diese Bemerkungen richteten sich namentlich gegen verschiedene Unklarheiten, welche in den Anfängen der Scholastik selbst bei St. Anselm und Hugo Vikt. vorkamen. e Anselm zeigt sich die Unklarheit dort, wo er bezüglich der dem freien guten Wellen, der usus bonus voluntatis“ u Grunde liegenden rectitudo oder justitia (resp. derjenigen voluntas amor] rectitudinis et justitiae, die er als eine affectio voluntatis ven te

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voluntas als instrumentum“ potentia volendi unterscheidet) zu erklären sucht, wie der Bille in seinem freien Wollen vermöge des Strebens nach dem bonum commodum sich von zieser justitia lossagen und zugleich sie selbst in Folge dessen von der Willenspotenz als ihrem Subjekte getrennt werden könne, und in diesem doppelten Sinne nicht naturalis, jondern „separabilis“ sei, wogegen die affectio volendi commodum inseparabilis sei. Hiebei vergißt er, zwischen einer justitia naturalis und supernaturalis zu unterscheiden, beachtet aber auch nicht, wie weder die Möglichkeit, einer Neigung zu widersprechen, nothwendig verausseßt, daß dieselbe nicht von Natur im Willen liege, noch auch der wirkliche Widerspruch gegen eine Neigung auch dann, wenn dieselbe in der Natur wurzelt, die Aufhebung derselben nothwendig zur Folge habe (vgl. bes. de concordia gr. et 1. arb. q. 1. c. 6. u. q. 3. c. 13.). Wo er dagegen von der Bestimmung und den Kräften der Seele als Ebenbild Gottes spricht (z. B. im Monologium), führt er ebenso die Fähigkeit der Liebe, wie die der Erkenntniß Gottes auf die Natur der Seele und ihre wesentliche Gottebenbildlichkeit zurück. Dieselbe Doctrin wie bei Anselm findet sich nach ihm bei Hugo Vict. de sacr. l. 1. p. 7. c. 11 ff.; dagegen sagt dieser auch p. 6. c. 17: nullatenus ambigendum putamus, affectus bonos et secundum justitiam ordinatos naturae a prima origine insertos, per quos ad bonitatem et justitiam exequendam naturali appetitu trahebatur; nur betrachtet er die Liebe Gottes schlechthin wie als etwas über die Natur Hinauszielendes, so auch als wesentlich durch einen übernatürlichen Einfluß Gottes zu Bewirkendes, meint aber auch teßhalb, daß dieselbe dem ersten Menschen nicht sofort habe gegeben zu werden brauchen – ohne darauf zu reflektiren, daß ohne eine gewisse Liebe Gottes auch der naturalis appetitus justitiae in sich selbst wesentlich unvollständig sei.

Unter den Vätern ist bei August. aus den oben n. 516 erwähnten Gründen die 526 wesentliche aktive Kraft und Tendenz der Natur zum Guten nur gelegentlich und nebenbei hervorgehoben, ja sogar in der Betonung der Erbsünde und der dadurch begründeten Nothwendigkeit der Gnade von dem Verluste der justitia schlechthin die Rede, weil eben die übernatürliche justitia thatsächlich die einzig wahre, den Menschen zu seinem Endziele Fährende ist, worüber später. Desto mehr wird unsere Lehre geltend gemacht bei den grie-= Süichen Vätern, die deßhalb von den Jansenisten des Pelagianismus bezichtigt wurden. Vgl. z. B. Basil. Hexaëm. 1. 9. n. 4: Insident autem et nobis virtutes secundum naturam, cum quibus inest animae affinitas quaedam non ex doctrina hominum, sed ex ipsa natura. Quemadmodum enim nulla disciplina nos edocet morbum odisse, Red ex nobismetipsis ea, quae molestiam creant, aversamur: ita et anima a malo declinat citra doctrinam. Omne autem vitium aegritudo est animae, virtus vero rationem obtinet sanitatis. Quidam enim, qui sanitatem recte definierunt, dixere eam esse actionum naturalium bonam habitudinem. Quod idem si quis quoque de bono animae habitu dixerit, a decoro non aberrabit. Quare anima citra doctrinam id, quod sibi proprium est, quodque sibi natura convenit, appetit. Hinc temperantia ab omnibus laudatur, approbatur justitia, fortitudo est admirationi: prudentia valde exoptatur.

3. Eben darum, weil der menschliche Wille wesentlich und unverlierbar 527 eine attive Kraft und Tendenz zur Liebe und Werthschätzung vernünftiger Wesen als solcher, insbesondere Gottes, und der ihnen gebührenden Ordnung hat: ist auch seine Freiheit oder die Macht der Selbstbestimmung keine bloß physische Macht, sondern wesentlich und unverlierbar eine sitt liche Freiheit; d. h. er hat nicht bloß die Macht, die Akte anderer Kräfte und seine eigenen irgendwie zu bestimmen und auf ein Ziel hinzuordnen, sondern auch sie als sittlich gute Akte zu wollen und zu bestimmen (volendi rectitudinem propter ipsam rectitudinem) und auf ein sittliches Ziel hinzurichten, und folglich das Sündhafte eben als solches zu verwerfen und zu vermeiden. Er ist demnach nicht bloß Ebenbild des göttlichen Willens, inwiefern dieser über seine äußere Thätigkeit und seine Werke mit Bewußtsein und Plan verfügt, sondern auch inwiefern Gott all' sein Wirken und Wollen

Seeben, Togmatif. II.

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auf sich selbst als sein absolutes Ziel bezieht. Allerdings ist nicht auch der Gebrauch der sittlichen Freiheit dem Menschen, wie überhaupt der Creatur, so wesentlich wie Gott; auch können bei ihm Hindernisse eintreten, welche den Gebrauch in's Unendliche erschweren; und namentlich kann der Wille selbst durch verkehrten Gebrauch seiner physischen Freiheit, d. h. des Vermögens, überhaupt zwischen verschiedenen wirklichen oder scheinbaren, begehrenswürdigen oder blok anziehenden Gütern zu wählen, den Gebrauch seiner sittlichen Freiheit suspendiren und auch die Möglichkeit eines ferneren Gebrauchs mehr oder minder abschneiden; aber sie selbst kann im Prinzip ebenso wenig vernichtet werden, wie die wesentliche Neigung zum sittlich Guten und das Wesen der Seele selbst. Daher ist sie ferner nicht bloß in dem Sinne dem Menschen wesentlich, als ob der Mensch von Natur bloß die formale Macht hätte, falls ihm eine Neigung zum sittlich Guten eingeflößt wird, dieser zu entsprechen, indem er das Gute als Ziel seines Wollens und Handelns acceptirt; sie hat auch ebenso wesentlich einen von Gott in der Natur verliehenen sittlichen Inhalt und eine sittliche Energie, welche für jeden weiteren Einfluß Gottes, der nur ein verklärender und unterstützender sein kann, als Basis vorausgeset wird, und ohne deren Voraussetzung es kaum denkbar ist, daß sie unter einem weiteren zu ihr hinzutretenden Einfluß Gottes wahrhaft selbstthätig zur Aus führung der dadurch intendirten Bewegung mitwirken könnte. Und in der That haben die Reformatoren beim gefallenen Menschen, dem sie ausdrücklich jede sittliche Energie von Außen beigelegt werden ließen, ebenso ausdrücklich die Macht der Selbstbestimmung für das Gute abgesprochen, und beim ersten Menschen sie nur dadurch dem Scheine nach aufrecht erhalten können, weil sie in Wirt. lichkeit auch hier die von Außzen beigelegte sittliche Energie dem Namen nach mit der Natur des Willens identifizirten oder mit ihr verwachsen sein lieken.

Das Nähere hierüber folgt sogleich bei der Bestimmung der Natur der sittlichen Freiber Auch hier redet St. Anselm nach Augustinus allerdings so, als ob im menschlichen Willen bloß die leere potestas. der Neigung zum Guten zu folgen, wesentlich und unverlierbar sei, indem er mit Aug. dabei die übernatürliche Güte als die normale im Auge bat. Beide halten aber zugleich entschieden fest, daß diese potestas durch Anschluß an die von Außen eingeflößte Neigung zum Guten in der Aufnahme und Ausführung derselben sich auch wirfi:S selbstthätig geltend machen könne und solle. Vgl. über die Freiheit im Allgemeinen o. § 97.

B. Bei der Bestimmung der natürlichen Beschaffenheit des lebendigen Ebenbildes Gottes im Menschen kommt es ganz besonders darauf an, den Charakter und die Bedeutung seiner sittlichen Freiheit genau zu bestimmen und zu erklären. Es ist dies nicht bloß sachlich von der größ:c Wichtigkeit, sondern auch zum Verständniß der dogmenhistorischen Entwicklung und der Rederveise der Bäter und Theologen durchaus nothwendig. Nament lich ist es durchaus ungenügend, die sittliche Freiheit einfach als Freiheit de Wahl zwischen Gut und Bös zu bestimmen; denn damit ist nur ein einzelnes Moment der fatholischen Lehre hervorgehoben, welches ohne Hinzunahme andere: auch in sich selbst weder vollkommen verstanden, noch allseitig vertheidie werden kann. Die tiefere und vollere Bestimmung der sittlichen Freiheit al. solcher hat besonders Augustinus in seinen Kämpfen gegen die Manichae: einer und gegen die Pelagianer andererseits angebahnt, und Anselmus b seine Lehre auf den schärfsten Ausdruck gebracht, der fortan für die Schola

maßgebend wurde. Beide nennen auch die sittliche Freiheit als solche Freiheit schlechthin, weil und inwiefern sie eben das Prinzip desjenigen freien Wollens ist, für welches dem Menschen die physische Freiheit gegeben worden und in welchem der Wille seine innere Vollendung erreicht.

I. Ihrer allgemeinen Idee nach, d. h. inwiefern damit eine von 530 jeder Unvollkommenheit abstrahirende Vollkommenheit bezeichnet werden soll, welche sich folglich vorbildlich in voller Reinheit in Gott und nachbildlich in der Creatur vorfindet, besagt die sittliche Freiheit oder die Freiheit als Prinzip der Sittlichkeit durchaus nicht direkt die Fähigkeit, sich für das Gute oder das Böse zu entscheiden, oder auch nur die Fähigkeit, selbstthätig eine bestehende Unentschiedenheit für das Gute aufzuheben. Sie besteht vielmehr einfach in der radikalen Macht, das sittlich Gute als solches aus Hochschäzung zu wollen und die Akte des Willens mit Bewußtsein auf ihr sittliches Ziel hinzuordnen oder in der potestas volendi rectitudinem propter ipsam rectitudinem. Je größer und vollkom mener daher diese Macht, desto vollkommener erfüllt die sittliche Freiheit ihre Idee. Sie ist aber gerade da am vollkommensten, wo sie die an sich unwandelbare Macht ist, das sittlich Gute unwandelbar zu wollen, und wo folglich der Wille als Vermögen so beschaffen ist, daß er sich nicht für das Böse entscheiden kann, resp. seine Entscheidung für das Gute unausbleiblich erfolgt, also keine eigentliche Selbstentscheidung, sondern bloße Selbst bethätigung ist. Eine solche Beschaffenheit hat der göttliche Wille wesentlich, weßhalb er ebenso wesentlich aktuell heilig wie frei ist; aber auch die Creatur soll diejelbe erlangen durch die Gnade, indem ihr Wille auf übernatürliche Weise durch die caritas gloriae verflärt und zur „Freiheit der Kinder Gottes" erhoben wird. Vgl. oben § 99.

II. Die radikale Macht, das sittlich Gute zu wollen, also die sittliche 531 Freiheit in diesem allgemeinen Sinne, ist nun auch dem menschlichen Willen wesentlich und gehört mit zum natürlichen Ebenbilde Gottes. Aber diese positive Macht ist bei ihm, so lange sie nicht durch die Snade verklärt oder durch eine bereits getroffene beharrliche Entscheidung einer anderweitigen Entscheidung vorgebeugt ist, ebenso wesentlich verbunden mit der Fähigkeit, das Gute nicht zu wollen und statt dessen das Böse zu wollen; es it eine potestas volendi rectitudinem cum adjuncta potestate nolendi recfitudinem oder deficiendi a rectitudine. Sie ist also hier mit einem Mangel an voller Entschiedenheit des Willens für das Gute und einer Entscheidbarkeit desselben für das Böse behaftet; und zwar aus dem doppelten Grunde, weil der Wille 1), als einem aus Nichts geschaffenen Wesen angehörig, nicht wesentlich die ganze in ihm denkbare Vollkommenheit hat und vom wahrhaft Seienden zum Nichtsein abfallen kann, und weil er 2), als einem von Gott wesentlich verschiedenen Wesen angehörig, auch besondere Interessen haben kann, die ihn veranlassen können, von der Gott_schuldigen Achtung abzulassen. Das Vorhandensein dieser relativen Unentschiedenheit zum Guten und Entscheidbarkeit für das Böse auch in der gottebenbildlichen Seele behauptet die Kirche mit Augustinus gegen die Manichåer, welche aus dem entgegengesetzten Prinzip, daß der Geist göttlicher Substanz sei, jede innere Defektibilität desselben läugneten; aber gleichzeitig

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lehrt sie gegen die Pelagianer, daß in jener Unentschiedenheit resp. Entscheidbarkeit nicht die Gottebenbildlichkeit der Seele bestehe, weil dieselbe in Gott nicht vorhanden, auch nur Unmacht resp. ein Mangel vollkommener Macht oder ein der vorhandenen Macht anhaftender Mangel ist und so auch der Creatur nicht von Gott verliehen wird, sondern ihr von ihrem Ursprung aus dem Nichts her anhaftet.

III. In Anbetracht dieser ihr anhaftenden Unvollkommenheit muß sich die positive Macht des geschaffenen Willens, das sittlich Gute als solches zu wollen, wenn sie eine wahre Macht bleiben und inwiefern sie noch eine solche sein soll, näher dahin gestalten, daß es eine Macht ist, sich für das Gute und gegen das Böse durch eigene Wahl zu entscheiden, und so die Unentschiedenheit für das Gute von Jnnen heraus aufzuheben und die Entscheidbarkeit für das Böse nicht zur Geltung kommen zu lassen. Sie ist also näher eine potestas eligendi rectitudinem propter ipsam rectitudinem oder sittliches Wahlvermögen. Daß sie nur in dieser Form auftreten kann und einer Selbstentscheidung bedarf, ist eine Unvollkommenheit an ihr, welche auf eine Unähnlichkeit mit Gott, d. h. den Mangel voller wesentlicher Entschiedenheit für das Gute, zurückweist. Darin aber, daß sie wirklich noch in dieser Form auftreten kann, also die Unentschiedenheit durch Selbstentscheidung noch zu heben vermag, liegt eine besondere Aehnlichkeit mit der göttlichen Freiheit, weil dadurch das Geschöpf nicht nur die Fähigkeit hat, die sittliche Güte des Willens überhaupt zu erlangen, zu besigen und zu be wahren, sondern auch die Macht hat, sich dieselbe durch Ergreifung zu eigen zu machen, wie sie Gott in Folge seines Wesens eigen ist, und so für dieselbe Lob und Lohn zu verdienen, wie Gott für sie die höchste Ehre verdient. Zugleich aber ist die Freiheit gerade in diesem Sinne die Bedingung nicht das Prinzip der sittlichen Schuld, indem sie bewirkt, daß der Entscheidbarkeit des Willens für das Böse die Macht sich gegen das Böse zu entscheiden und dasselbe zu meiden gegenübersteht, und folglich die erstere nicht realisirt werden kann, ohne daß der Wille auf den Gebrauch der letzteren verzichtet und denselben unterläßt. Wo und inwieweit es sich daher bei der sittlichen Freiheit um den positiven Grund der Zurechnung der Sittlichkeit und Unsittlichkeit handelt, kommt dieselbe formell als Wahlfreiheit in Betracht; und unter diesem Gesichtspunkte wurde die sittliche Freiheit als wesentliches Attribut des Ebenbildes Gottes im Menschen gegenüber den Manichäern vertheidigt, welche der Lichtseele neben der wesentlichen Entschieden heit für das Gute eine Aufnöthigung des Bösen durch äußeren Zwang zu schrieben, bei der psychischen Seele aber gar keine Möglichkeit des Guten und eine innere, wesentliche Nöthigung zum Bösen behaupteten. Aber auch in dieser Beziehung darf man nicht mit den Pelagianern sagen, die sittliche Freiheit als Gabe Gottes und Attribut des göttlichen Ebenbildes im Menichen bestehe formell in dem Vermögen der Wahl zwischen Gut und Bös, inwie fern beides gleichmäßig aus ihr hervorgehen kann, sondern inwiefern sie ein Vermögen der Wahl des Guten gegenüber dem gleich: zeitig möglichen Bösen ist, und also nicht die Möglichkeit des bōien Wollens selbst, sondern die Möglichkeit der freien Vermeidung desselben dar:n enthalten ist.

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