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Besitz wie bei Fürsten und Adel, bei Kaufleuten und Handwerkern. Diese ungemeine Wichtigkeit des Grundeigenthums hatte zur Folge, dass jede Veränderung darin verlautbart, d. h. zur Kunde der Umwohnenden gebracht werden musste, was anfänglich durch mündliche Verkündigung in öffentlicher Volksversammlung und später, als das Urkundenschreiben gewöhnlicher wurde, durch Verbriefung vor Gericht oder Notar geschah. Kriegsdienst, Steuern, Kirchenzehnten und andere öffentliche Verpflichtungen wurden auf das Grundvermögen gelegt, an dessen Bestand sich dann auch Jagd-, Fischerei-, Zoll- und Berggerechtigkeit knüpfte. Verzeichnisse der Güter und Nachweisungen über ihren Erwerb und die Rechte und Lasten, welche mit ihrem Besitz zusammenhängen, wurden immer sorgfältiger angelegt, und die Geschäftsbücher über das Güterwesen beanspruchten einen zehnmal grösseren Raum in unsern Archiven, als Gewerbe, Handel und Seefahrt zusammengenommen.

III. Merowinger- und Karolinger. Zeit.

Von Chlodwig's Anfang bis Ende des Frankenreichs 487 bis 911.

In unsern Schreibstuben und Kanzleien hat sich ein fremdes Schriftthum breit angesiedelt. Schon die Wörter zeigen das an, nicht bloss solche, denen man das Nichtdeutsche schon anhört, wie Periode, Katalog, Kapitel, Kolonne, Rubrik, Kalender, Protokoll, Privileg, Register, Exemplar, Kodex, Libell, Testament, Tabelle, Inventar, Fraktur, Literatur, sondern auch fast alle andern in den Amtsstuben gäng und gäben Bezeichnungen, die sich auf die Geschäfte darin beziehen, wie Schrift, Tinte, Kreide, Papier, Punkt, Karte, Brief, Zettel, Rolle, Akten, Titel, Note, Siegel, Stil, Dichten, Kanzlei, Pult, Tafel, Schrein. Wenn aber das archivalische Hauptwort Urkunde den Platz behauptet hat, so erklärt sich dies daraus, dass Urkunde Zeugen oder Zeugniss bedeutete, und zwar, da Ur soviel als Vorzügliches wie Ur-sprüngliches, das Hauptzeugniss:

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erst im späteren Mittelalter wandte man das Wort auf das beweisende Schriftstück selbst an, sprach von brieflichen Urkunden und hielt endlich das Wort Urkunde" allein für genügend. Fast all die Arten von Blättern, Heften und Bänden, wie sie jetzt in unsern Archiven anzutreffen, sei es dass ihr Inhalt Staatswesen oder die Rechtsverhältnisse der Einzelnen oder geschichtliche Ereignisse betraf, entstanden schon zur Karolingerzeit in reicher Fülle und Mannigfaltigkeit. Denn in jenem Zeitalter wurde, wenigstens in Anfängen

und Aufgaben, bereits alles Das begonnen oder versucht, was die Europäer der Gegenwart beschäftigt in bürgerlichen und staatlichen Angelegenheiten.

Es waren nämlich die germanischen Völker nicht alle auf einmal in einem einzigen Umwälzungssturm, sondern nur nach und nach, nur stück- und strichweise in das römische Reichsgebiet eingewandert, bald in stärkerem bald schwächerem Andrängen, bald dieses bald jenes Land durchziehend, stets lange Ruhepausen dazwischen. Von dem ersten Hunnenstoss bis zur langobardischen Eroberung Italiens dauerte die Bewegung ja an zweihundert Jahre. Es wurde nirgends also die alte Kultur vom Erdboden weggefegt. Römische Sprache, Sitte und Einrichtungen blieben bestehen und theilten sich, wenn auch altersschwach und zerbröckelnd, den Eroberern mit, sobald diese ansässig wurden. Die Germanen brachten ja zu wenig von eigener Kultur mit, wohl aber eine hervorstechende Fähigkeit, höhere Bildung in sich aufzunehmen. Die Verschmelzung ging um so rascher vor sich, als sie Christen wurden, weil die. christliche Kirche sich bereits mit der antiken Kultur durchdrungen hatte. Der gesammte geistige Inhalt unserer Nation wurde ein anderer, das Christenthum erfüllte sie mehr und mehr, und die alten Götter- und Heldensagen verloren sich nach und nach in dunkeln Hintergrund. Die Religion war damals das Mächtigste, sie flösste Bewunderung der Wissenschaft, Kunst und Literatur des Alterthums ein, sie milderte die Rauhheit der Sitten und förderte friedliche Arbeit. In ihrem Geleite zog die Kultur der alten Welt, wie sie im römischen Reiche sich zuletzt gesammelt und durchgebildet hatte, in breiter Strömung nach Deutschland hinein. Allmählig lernte man auch hier die grossen Güter schätzen, wie sie in fester Staatsordnung, Herrschaft der Gesetze, gesteigertem Anbau des Bodens, Aufschwung von Handel und Industrie, und damit in Verbreitung des Wohlstandes und feineren Lebensgenusses bestehen.

Das römische Reich war aber zuletzt verwaltet durch eine Gliederung von höheren und niederen Beamten, die durch schriftliche Erlasse regierten. Diese Gewöhnung wurde in der Völkerwanderungszeit immer nur stückweise zerstört, nach jedem Kriegssturme sammelten sich die Reste der Beamtenwelt wieder in den Grossstädten der Provinz, wo die reichen und angesehenen Leute wohnten, wo deshalb auch die Bischöfe ihre Hauptkirche hatten und die germanischen Könige ihren Hof hielten. Während die 14

Archivalische Zeitschrift, XII.

Eroberer bei ihren nationalen Hof- und Gerichtstagen blieben, mussten sie den unterworfenen Romanen deren Rechtsgeschäfte und gesammte Verwaltung in der gewohnten Sprache, Schrift und Einrichtung gewähren. Dazu brauchten die Heerfürsten die romanisch gebildeten Beamten und Schreiber. Wo Jene aber sich um die Unterworfenen nicht viel kümmerten und deshalb keine geordnete Regierung, die beiderlei Volk umfasste, zu Stande kam, da erschien den Romanen als nächster Anhalt für ihr Rechtswesen ihr Bischof, und seine Obrigkeit erkannten allmählig auch die christlich gewordenen Germanen an. Vor dem Bischof wurden die wichtigsten Rechtsgeschäfte abgemacht, an seinem Hofe fand man am ersten schrift- und rechtskundige Männer. Die Bischöfe nahmen eine ähnliche Stellung auch in weltlichen Dingen ein, wie noch jetzt im türkischen Reiche.

Ein neuer Mittelpunkt für die europäischen Staatsgeschäfte bildete sich, als das römische Kaiserthum erlosch, am päpstlichen Hofe. Denn als dessen Ansehen sich mehr und mehr verbreitete, gab es dort mit jedem neuen Volk oder König, die in den christlichen Staatsverband eintraten, neue schriftliche Verhandlungen, und es geschah von selbst, dass der römische Kanzleibrauch, gleichwie er sich auf den päpstlichen Hof fortpflanzte, an diesem das Vorbild wurde für das gesammte Christenreich.

Durch die staatliche Verbindung aber, in welche erst die Rhein-, dann die Donaulande und nach und nach auch die Hinterländer mit den Franken in Gallien geriethen, verbreiteten sich Kultur und Sitte, Sprache und öffentliche Einrichtungen, wie sie bei Jenen durch romanische Einwirkung sich gestalteten, weiter und weiter auf das übrige Deutschland. Insbesondere für die Annahme der lateinischen Sprache und die lange Herrschaftsdauer, die sie in Schule und Literatur, in Rechts- und Staatswesen, also auch in Urkunden und allen andern Schriftstücken behauptete, wirkten. Ursachen zusammen, deren Nöthigung sich unsere Vorfahren nur dann hätten entziehen können, wenn sie entweder viel vorsichtiger und gebildeter gewesen wären oder noch viel beschränkter, als sie wirklich waren.

Lateinisch wurde in ganz Westeuropa gesprochen, vom gemeinen Volke in verschiedenen Mundarten, von den Gebildeten nach dem Muster der Hauptstadt. Im ganzen Römerreiche war es die Staatssprache, die Sprache der Gesetze und Gerichte, der amtlichen Erlasse und aller Urkunden, die öffentliche Geltung haben

sollten. Das war allgemeine Uebung seit vielen Jahrhunderten. Nur Fideikommisse durften in jeglicher Sprache errichtet werden, selbst Testamente bloss lateinisch. Der Glaube, das Frankenreich sei des römischen Fortsetzung, trug nicht wenig dazu bei, die römische Staats- und Rechtssprache in Geltung zu halten. Das Ungeheure

und Lastende dieses Reichs hatte sich Jahrhundert für Jahrhundert im Wissen und Denken der Menschengeschlechter so festgesetzt, dass man gar nicht mehr zur Vorstellung gelangte, der Reichskoloss, der als die Vollendung aller staatlichen Bildungen erschien, könne in Volksstaaten mit verschiedenen Sprachen zerfallen. Alle Welt lebte vielmehr der festen Ueberzeugung, es könne gar nicht anders sein, als dass, wie im Wesentlichen die politischen Einrichtungen der Römer, so auch ihre Weltsprache immerdar fortdauere, wie es ja in Wirklichkeit in Italien und Afrika, Frankreich und Spanien, und zum Theil auch in Illyrien und den untern Donauländern der Fall war.

Ganz natürlich wurde die allgemeine Staatssprache auch die Kirchensprache, und Uebung und Einheit der Kirche hielt das Latein aller Orten in Geltung. Sie brauchte im Gottesdienst und für die Erklärung der Bibel, wie in ihren Verhandlungen nur die lateinische Sprache und liess keine andere zu. Frühzeitig erkannten Päpste und Bischöfe, Glaubensboten und Mönche, wie es kein besseres Mittel gebe, um germanische Leute von ihrem eigenen Volke und dessen Gewohnheiten abzuziehen, als die fremde Sprache, die tiefgreifend des Geistes Denken und Trachten umbildete.

Da nun Latein auch als die eigentliche Sprache der Literatur und höheren Bildung erschien, so waren selbst die gescheidtesten Männer vom Glauben befangen, es werde für immer die Umgangssprache der gebildeten Welt bleiben und mit jedem Jahrzehnt es noch mehr werden. Fiel doch ein beträchtlicher Theil unseres Volkes einer ähnlichen Verblendung damals anheim, als das Französische vornehm wurde und das Deutsche dagegen gemein erschien. Noch viel niedriger und werthloser deuchte in der ganzen fränkischen Zeit fast jedem Gelehrten die Mundart der Bauern, und selbst Männer, wie Karl der Grosse und Hraban mit seinen Schülern, welche die schöne Kraft und Natürlichkeit der deutschen Sprache erkannten, vermochten sich zu keiner andern Anschauung zu erheben, als dass so, wie die Römer redeten, alle Welt Bücher und Geschäftsbriefe schreiben müsse.

So geschah es, dass rings in Deutschland das Archivwesen ein lateinisches Aussehen gewann; denn mit der Sprache wurde natürlich auch römische Schrift angenommen, und wohin in Deutschland Geistliche oder Beamte kamen, da liessen sie Schriftstücke in lateinischer Sprache und Schrift entstehen. Schon zur Zeit der späteren Merowinger gab es wohl in den fränkischen, thüringischen, schwäbischen und bayerischen Landen keine bevölkerte Gegend mehr, in welcher nicht ein Stift oder Kloster oder ein fürstlicher Herr einige Urkunden, Kapitularien, kirchliche Satzungen, sowie einige Sätze aus den Volksrechten aufbewahrte, und in diesen Schriftstücken, zu welchen sich dann noch hier und dort ein paar Legenden und kurze geschichtliche Aufzeichnungen gesellten, nicht bereits sich Ansätze zur Archivbildung ergaben.

Insbesondere die Kirche hielt darauf, dass man Urkunden verfasste zum Nachweise des Besitzes oder einer Freilassung oder Anordnung über Erbschaften. Das war alter Brauch im Reiche der Römer, die von den Griechen auch das Wort „Handschrift" (Chirographum) für Urkunde angenommen hatten. Insbesondere bei Zuwendungen an ein Bisthum oder Kloster oder eine Pfarrstiftung liessen Mönche und Geistliche es sich angelegen sein, dass eine carta, cartula, oder eine epistola, ein breve oder Brief aufgesetzt wurde. Im allemannischen und bayerischen Volksrecht wird das ausdrücklich vorgeschrieben. Wo aber Jemand Kirchengut in Händen hatte, da konnte er darauf rechnen, dass die Bischöfe und Aebte den Besitz anfochten, wenn er ihn nicht urkundlich beweisen konnte.

Grossen und dauernden Zuwachs brachten den archivalischen Sammlungen die tief und weit greifenden Aenderungen, die bei den Deutschen in Vertheilung und Anbau des Grund und Bodens vor sich gingen. Es entwickelte sich eine wirthschaftliche Thätigkeit, die gegenüber der altgermanischen Weise sich fast stürmisch ausnimmt. Die Neuerungen bestanden in Waldrodung an tausend Orten zugleich, im Aufkommen zahlreicher Grossgrundbesitzer, im Emporblühen des Bauhandwerkes und alles dessen, was damit zusammen hängt, in Vervollkommnung von Handel und Gewerben, vorzüglich aber in der verständigeren Ordnung und grösseren Ergiebigkeit der Landwirthschaft. Unter Karl Martell und Pipin begann diese Bewegung, unter Karl d. Gr. erreichte sie ihren Höhepunkt, und dauerte von dort an ungeschwächt, natürlich

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