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gang im dreissigjährigen Kriege eintrat, welcher der Macht und Hoheit, dem Wohlstand und aller Begeisterung ein Ende machte. Jetzt konnte nur ein Zeitalter des unbeschränkten Waltens der Fürsten und ihrer Beamten folgen, das die Einrichtung des Staatswesens der Neuzeit anbahnte, mit dessen Ausbildung nach allen Seiten hin die Gegenwart wie die nächste Zukunft noch vollauf zu thun haben.

II. Germanen-Zeit.

Von den ältesten Zeiten bis zu Chlodwig's Eroberung von Gallien 486.

Wir werfen zunächst einen Blick in's germanische Zeitalter. Doch wie? Sollte es damals schon Archive gegeben haben? Wenigstens kleine Anfänge. Denn sind Sammlungen von Listen der Wehrgelder und Bussen, von Hausmarken, von Namen der Zeugen, die bei gerichtlichen Vorgängen mitwirkten, mochten diese Sammlungen bedeutend oder gering sein, eine Art Archive zu nennen, so gab es sicher deren schon in den Hütten, die zu religiösen Zusammenkünften dienten, wie sie nachweislich auf Island und wahrscheinlich auch bei andern germanischen Völkerschaften, wohl auch auf den Höfen von Fürsten und altbewährten Gauschöffen sich fanden. Woraus aber bestanden jene Schriftstücke? Nicht aus Pergament oder Papier, sondern aus Täfelchen und Stäbchen von Buchenholz, auf welchen Runen eingeritzt waren.

Der Name Rune besagte nicht Geheimniss oder zauberkräftiges Zeichen, das konnte nicht sein, denn die Runen waren nichts Verborgenes, ihre Kenntniss war selbst unter Bauern, Schiffern und Frauen verbreitet. Es wäre doch auch sonderbar gewesen, hätte man Frauennamen, wie Burgrun, Childerun, Fridarun, Goldrun, Gudrun, Ordrun, Sigrun, Wartrun, Wolfrun, oder Runfrit und Runhild, oder den Namen der nährenden Götterziege Heidrun, aus dem Wort Geheimniss oder Zauberzeichen gebildet. Das Wort runan muss vielmehr Denken oder Sinnen bedeuten, und rune das, was aus dem Denken und Sinnen entsteht, der Gedanke und der Spruch. Deshalb diente das Wort zu Personennamen, ähnlich wie thankjan danken, hugu Geist, frod klug, und ragin Rath. Die Alaruna, Aleruna oder, wie Jornandes schreibt, Alioruna ist eine viel wissende, eine weise Frau, deren letztes Andenken sich in das Alräunchen oder das Wurzelmännchen aus der stockigen Mandragorawurzel verkriecht.

Die Rune selbst war ein Lautzeichen, und eine jede führte ihren Namen von einem allbekannten Worte, dessen Anfangsbuchstabe eben dieser Laut war, z. B. die Rune f von veoh oder vieh, die Rune t von tir oder Kriegsgott. Dieser Name konnte sich auch ändern, wie denn das Zeichen für j im Deutschen jar oder jahr genannt, im Altnordischen das Zeichen für a wurde, weil hier dieselbe Zeitfrist ar lautete.

Es waren also die Runen eine wirkliche Buchstabenschrift, die in Metall oder Horn oder Stein eingegraben wurde; am meisten aber ritzte man sie ein auf vierkantige wohlgeglättete Stäbe oder auf Täfelchen von Buchenholz; denn dieses Holz ist ebenso eindrucksfähig, man versuche es nur mit dem ersten besten Nagel, als fest und dauerhaft. Schreiben hiess daher ritzen, wie noch jetzt das englische write; Geschriebenes hiess Buch, d. h. ein Stab oder Täfelchen von Buchenholz; Schrift hiess auch Runstab und Buchstab, weil dieser Stab zum Aufnehmen von Schriftzeichen diente; der Name für's Ganze theilte sich auch dem Einzelnen, dem Buchstaben, mit.

Noch aus dem vorigen Jahrhundert her besteht eine gewisse Neigung, das germanische Alterthum mit einem düster glänzenden religiösen Firniss zu überziehen. Weil man von Runenzauber hörte, lag sofort die ganze Runenkunde tief in finsteren Wolken. Wie aber stand es denn wirklich mit dem Gebrauche der Runen bei den Germanen?

Dass die Runen nicht bloss zu religiösen Sprüchen und feierlicher Weissagung dienten, sondern auch zum gemeinen Schriftgebrauch, dass sie auch nicht eine geheimnissvolle Kunde weniger weiser Männer und Frauen bildeten, - dies erhellt schon daraus, dass so alltägliche Begriffe und Worte, wie Buch, Buchstabe, Lesen, d. h. Zusammenlesen oder Zusammenreihen, und das englische write, sich vom Gebrauch der Runen herleiteten. Das liesse sich doch kaum denken, wären sie ein Geheimniss im Besitze von Wenigen gewesen. Und warum sollten denn diese Wenigen die Runenkunde mit religiösem Dunkel umhüllen? Es war ja gar kein Grund dazu. Und wären sie darauf eingeschworen gewesen, sie hätten doch nicht die Verbreitung der Runenkenntniss hindern können. In Menge sind noch Runen-Inschriften auf Trinkhörnern, Fibeln, Spangen und Ringen, auf Schilden und Schwertern, sowie auf Steuerrudern und auf Denksteinen und Felsplatten an öffentlicher Strasse erhalten, Sprüche, die auch keineswegs immer von religiösem Sinne zeugen.

Der Hofbesitzer machte sich aus Runen seine Hausmarke und bezeichnete damit als mit einem Erkennungszeichen sein Ackergeräth wie sein Vieh. Hätte in den Runen irgend etwas Religiöses oder auch nur Feierliches gelegen, würde man sie nicht zu so gemeinem Gebrauch erniedrigt haben. Bischof Ulfilas aber hätte für die christliche frohe Botschaft sicher kein Runenalphabet benutzt, um das seinige zu bilden, hätte er dafür nicht allgemeines Verständniss gefunden, oder wären die Runen heilige Zeichen für verabscheute heidnische Sprüche und Bräuche gewesen. Tacitus erklärt zwar, bei den Germanen „,habe der Mann so wenig als das Weib briefliche Heimlichkeiten gekannt", allein trotzdem mag es wohl vorgekommen sein, dass eine Frau ihrem Freunde heimlich ein Buchtäfelchen zusteckte. Die ältere Edda giebt Beispiele genug, wie verbreitet die Runenkenntniss war. So mochte auch mancher Richter und rechtsverständige Schöffe sich aufschreiben, wie hoch sich regelmässig die Sühn- und Bussgelder beliefen, und mancher Hausvater hatte ebensowohl wie die weise Frau ihren Zauberstab, von welchem sie die Beschwörung ablas, seinen Buchenstab, auf welchem der Festkalender wie Arzneimittel für Menschen und Vieh eingetragen standen.

In der That lässt es sich kaum anders denken, als dass die langen Register der Wehrgelder und andern Bussen, die bei all den germanischen Stämmen so gleichmässig genau und so wohlabgestuft sich zeigten, bereits aufgeschrieben waren, ehe das Christenthum zu ihnen kam. Warum hätte man denn blos das Gedächtniss damit belasten und sie nicht auch der Schrift anvertrauen sollen? Wahrscheinlich merkte sich auch mancher Schöffe kurz einen wichtigen Rechtsspruch für die künftige Entscheidung schwieriger Fälle an. Vielmehr haben wir hier die Anfänge zu den Volksgesetzen, den sogen. leges barbarorum, der folgenden Periode. Statt der Urkunden aber schrieb man sich bei wichtigen Rechtsgeschäften auf Täfelchen. oder Stäbchen die Namen der Zeugen und Eidgenossen auf, und hängt damit der so frühe und häufige Gebrauch der Notizzettel (notitiae) zusammen, die nicht selten den Anfang der ältesten Kodizes über Gütererwerb der Klöster und Stifter bilden. Das Kerbholz aber gab die Höhe von Darlehen an und von anderer Schuld und Forderung nebst den Namen Derer, die näher darum wussten, und es lag nahe, das Stäbchen oder Plättchen von Buchenholz, auf welchem die Schriftzeichen standen, mitten zwischen diesen durchzuschneiden, damit der Eine wie der Andere eine Urkunde in

Händen habe, die, wenn sie die beiden Stücke wieder an einander passten, das abgeschlossene Rechtsgeschäft zeigte. Dieser Brauch setzte sich dann fort in den im ganzen Mittelalter so häufigen Kerbbriefen, Spaltzetteln, Jertern (cartae indentatae), auf denen Zeilen oder Buchstaben oder Ziffern oder auch Monogramme in gerader oder gezackter Linie durchschnitten wurden. Wenn wir aber auf Denksteinen Nachrichten lesen in Runenschrift, die ganz in der Art von Sätzen in Jahrbüchern verfasst sind, liegt da nicht die Vermuthung nahe, dass auch Stäbe und Tafeln voll Runenschrift verwahrt wurden, die eben den Zweck von Jahrbüchern erfüllten ? Auf Luisenlund bei Schleswig steht z. B. ein Denkstein, dessen Runen Folgendes besagen: „,Thurlf errichtete diesen Stein, der Heimdegen Suin's, für Erik seinen Waffenbrudsr, welcher todt war, als Männer sassen um Haithalm (Schleswig belagerten); aber der war Steuermann, Mann gar gut". Bei den Skandinaven aber sind noch ganze Volksrechte zwar auf Pergament und mit Tinte, aber in Runen aufgeschrieben.

Weshalb aber sind die alten beschriebenen Buchhölzer verschwunden? Vermodert sind nicht alle, denn Buchenholz widersteht lange der Einwirkung von Zeit und Witterung, wie sich das auch an den Kalenderstäben zeigt, die noch aus dem Mittelalter herrühren. Wir müssen annehmen, dass sie absichtlich vernichtet wurden.

In Runen waren all die Gebete, Sprüche und Formeln aus der Germanenzeit, waren all die Namen und Eigenschaften der unsichtbaren hohen und niedern Mächte, die damals verehrt wurden, waren auch die Arzneimittel, Fest- und Jahreszeichen, sowie besonderes Wissen, das nicht Jedermanns Gemeingut war, verzeichnet. Verdächtig erschien den christlichen Geistlichen alles, was in Runen geschrieben war: wo sie dergleichen sahen, suchten sie es den Leuten abzuschmeicheln, zu stehlen oder zu entreissen, und warfen die Täfelchen und Stäbe von Buchenholz in's Feuer. Immer wurde darauf hingewiesen, dass man keiner Runen mehr bedürfe, da das Alphabet der Rechts- Kirchen- und Bildungssprache ja allgemein gekannt und eingeführt sei. Natürlich suchten die Leute nun zu verbergen, was sie an Wissen in Runenschrift besassen, und da nur wenige Glaubensboten die altgermanischen Schriftzeichen verstanden, und auch bei den Gebildeteren, weil nur noch lateinische Schrift galt und gebraucht wurde, das Verständniss der Runenschrift sich allmählich verlor, so wurde diese jetzt mit Geheimniss umschleiert

und verwandelte sich der Buchenstab, von welchem die Sprüche abgelesen wurden, in einen Zauberstab. Die Gelehrten freilich, welche die Runen kannten, mochten lächeln, wenn ihnen von abscheulichen Geheimnissen der heidnischen Religion gesprochen wurde, die in dieser Schrift sollten enthalten sein. Sie brauchten Runen, wo und wie es ihnen gefiel. So setzte z. B. der Mönch Alpunk, als er in Freising etwa um Mitte des neunten Jahrhunderts den letzten Theil des berühmten Kodex, welchen das Reichsarchiv zu München unter dem Namen Kozroh verwahrt, für seinen Bischof glücklich vollendet hatte, an's Ende „Amen“ in Runen, schrieb dann einen holperichten Hexameter der gewöhnlichen Fürbitte, seiner im Gebete eingedenk zu sein, und darunter wieder in Runen: eps (episcopus) valeas vigeasque felix.

Wichtiger aber, als alles dies, wurden für die Archivgeschichte zwei Charakterzüge der Germanen. Sie waren vorzugsweise ein Rechtsvolk, ihr nationales Recht bereits reich gegliedert und innig verwachsen mit Sitten und Einrichtungen und noch mehr mit religiösem Denken. Jedesmal wo dieses nationale Recht mit einer Kultur, die aus der Fremde einwanderte, zusammenstiess, gab es Kämpfe und Wirrnisse, die nothwendiger Weise Versuche hervorriefen, in bestimmten Sätzen schriftlich festzustellen, was nun gelten solle. So im Zeitalter der Karolinger, der Hohenstaufen, der Reformation, der Neuzeit. Jedesmal entstand eine Mannigfaltigkeit von Rechtsverhältnissen, deren Wirrsal Läuterung und Gesetzgebung erheischten. Um so ärmer blieb es um Beides bestellt bei Völkern, bei denen das altnationale Recht so geringe Stärke und Ausbildung hatte, wie bei den slavischen und turanischen Stämmen, während bei den Deutschen zahllose grosse und kleine Rechtsweisungen in die Archive kamen. In keinem andern Lande haben die Archive so viele Schriften und Akten von rechtssetzenden Versammlungen und wichtigen Prozessen zu verwahren.

Nun lehnte sich das Recht der Germanen an das Grundeigenthum an, von diesem war es durchherrscht, nur das unbewegliche Vermögen erschien als das rechte Eigen, das bewegliche nur als leicht wechselnde Zubehör. Hätte Deutschland nicht in der breiten Mitte des Welttheils gelegen, so wären durch andern Erwerb Feldbau, Viehzucht und Waldnützung und damit die Bedeutung des unbeweglichen Guts herabgedrückt. So aber blieb seine Vorherrschaft unerschütterlich, und beharrte das Trachten nach seinem

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