Brunhild fühlt sich in ihrer Ehre gekränkt, weil Siegfried mit seiner Gattin in der ganzen Zeit nicht bei Hofe erschienen ist und überhaupt seine vermeintliche Vasallenpflicht gänzlich versäumt hat. Auf ihr Drängen lädt Gunther die beiden und den alten Şiegmund durch den Markgrafen Gere für den nächsten Sonnenwendtag zu einem großen Feste nach Worms ein. Die Geladenen sagen zu. Darüber viel Freude in Worms; freilich sähe Hagen den Nibelungenhort am liebsten zur Verteilung am Burgundenhofe. Siegfried und Kriemhild ziehen in Begleitung von tausend Recken, Siegmund mit einem Gefolge von hundert Mannen in argloser Fröhlichkeit nach Worms; der kleine Gunther bleibt in Santen zurück. Glänzend ist der Empfang; elf Tage lang folgt ein Fest dem andern. Noch überwiegt in Brunhild die Zuneigung den Neid und Haß gegen die Gäste. IV. DER STREIT DER KÖNIGINNEN. 1. Vor einer vesperzîte man ûfem hove sach ze rossen manegen recken. hiuser unde dach was allez vol durch schouwen von liuten überal. dô wâren ouch die frouwen zen venstern komen in den sal. 2. Ze samene dô gesâzen die küneginne rîch. si reiten von zwein recken, die wæren lobelîch. 3. Des antwurt ir Prünhilt: ob niemen mêre enlebte sô möhten im diu rîche ‘daz möhte vil wol sîn, wol wesen undertân. die wîle aber lebet Gunther, sô kundez nimmer ergân.' 4. Dô sprach aber Kriemhilt: 'nu sihstu, wier stât, wie rehte hêrlîche er vor den recken gât, alsam der liehte mâne vor den sternen tuot. des muoz ich wol von schulden tragen vrolîchen muot.' 5. Dô sprach diu hûsfrouwe: 'swie wætlich sî dîn man, swi schoene unt swi biderbe, sô muostu vor im lân Gunthern den recken, den edeln bruoder dîn: der muoz vor allen künegen mit lobe wærlîche sîn.' 6. Des antwurt ir Kriemhilt: 'sô tiwer ist wol mîn man, geloubestu des, Prünhilt, er ist wol Gunthers genôz.' 7. 'Jane soltu mir ez, Kriemhilt, ze arge niht vervân, wande ich doch âne schulde die rede niht hân getân. ich hôrt si jehen beide, dô ihs alrêrste sach, unt dâ des küneges wille an mîme lîbe geschach, 8. Unt dâ er mîne minne sô rîterlich gewan: dô jach des selbe Sîvrit, er wære sküneges man. dô sprach diu frowe Kriemhilt: 'sô wær mir übele geschehen. 9. Wie hêten sô geworben die edeln bruoder mîn, des wil ich dich, Prünhilt, vil vriuntlîchen biten, 10. 'Ine mag ir niht gelâzen,' sprach des küneges wîp; 'zwiu sold ich verkiesen sô maneges recken lîp, der uns mit dem künege ist dienstlich undertân? mich müet, dag ich sô lange niht zins von im gehabt hân. 11. 'Du muost in verkiesen, dag er dir immer bî wone deheiner dienste: er ist tiurer danne sî 12. 'Du ziuhest dich ze hôhe,' sprach aber des küneges wîp; ob mau den dînen lîp 'nu wil ich sehen gerne, 13. Dô sprach diu frowe Kriemhilt: 'daz muoz et nu geschehen. für eigen hâst verjehen, sît du mînes mannes 14. Dô sprach aber Prünhilt: sô muostu dich scheiden der zweier künege man, 'wiltu niht eigen sîn, mit dînem ingesinde, dâ wir zem münster gân.' 15. 'Nu kleidet iuch, mîn meide,' sprach Sîvrides wîp: ir sult daz lâzen schouwen, unt habt ir rîche wât. 16. Man moht in lîhte râten: si suochten rîchiu kleit. dâ wart vil wol gezieret manec frowe unde meit. dô gie mit ir gesinde des edeln wirtes wîp. ze wunsche wart gekleidet der schoenen Kriemhilde lîp. 17. Die liute nam des wunder, wâ von dag geschach, daz man die küneginne nu gescheiden sach, daz si niht bî einander giengen alsam ê. dâ von wart manegem degene sît vil sorclîchen wê. 18. Hie stuont vor dem münster daz Guntheres wîp. mit den schoenen frouwen, der si dâ nâmen war. 19. Swaz kleider ie getruogen edeler ritter kint, si was sô rîch des guotes, daz drîzec künege wîp 20. Ob iemen wünschen solde, der künde niht gesagen, wan ze leide Prünhilde, ez hête Kriemhilt verlân. 21. Ze samne si dô kômen vor dem münster wît. ez tet diu hûsfrouwe durch einen grôzen nît: die edeln Kriemhilde hiez si stille stân: 'jâ sol vor küneges wîbe nimmer eigen diu gegân.' Nun offenbart Kriemhild der Feindin, daß nicht Gunther, sondern Siegfried auf Isenstein und in der Kemenate zu Worms sie überwunden hat, und beweist es durch Vorzeigen des Ringes und des Gürtels. 22. 'Diz golt ich wol erkenne: ez wart mir verstolen,' sprach diu küneginne, 'unt ist lange mich verholen; ich kum es an ein ende, wer mirz habe genomen.' die frouwen beide wâren in grôz ungemüete komen. 23. Von Ninnivê der sîden si den porten truoc; von edelem gesteine guot was er genuoc. weinen si began. daz muose vreischen Gunther unt alle Buregonde man. 24. Der künec kom mit recken. weinen er dô sach waz ist iu getân?' von schulden muoz ich trûrec stân' den 25. 'Si treit hie mînen gürtel, ich lange hân verloren, daz ich ie wart geboren, dune beredest mich, künec, der grôzen schanden: dag diene ich immer umbe dich.' 26. Dô sprach der künec Gunther: 'nu lât in her gân! den Kriemhilde vriedel hiez man bringen sâ zehant. 27. Dô der hêrre Sîvrit die ungemuoten sach ern wiste niht der mære —, wie balde er dô sprach: 'waz weinent dise frouwen? dag hêt ich gerne erkant, oder von welhen schulden der künec habe nâch mir gesant.' 28. Dô sprach der künec Gunther: 'daz ist mir durch dich leit: mir hât mîn frowe Prünhilt ein mære hie geseit. dû hâst dich gerüemet, du wærst ir êrster man. unt wil dir dag empfüeren vor allen dînen man 30. Sîvrit gein dem eide hôhe bột die hant. dô sprach der künec rîche: 'mir ist sô wol erkant des iuch mîn swester zîhet, 31. 'Man sol sô frowen ziehen,' daz ir des nine habt getân.' sprach Sîvrit der degen, 32. Mit rede was gescheiden manec schoene wîp. daz ez erbarmen muose die Guntheres man. 33. Zuo der rede kom Ortwîn unt ouch Gêrnôt, dar zuo kom ouch Gîselher, der edeln Uoten kint. 34. 'Owê, ir guoten knehte, warumbe tuot ir dag? jane gediente Sîvrit nie alsolhen hag, dag er darumbe solde verliesen sînen lîp. jâ ist es harte lîhte, darumbe zürnent diu wîp.' 35. 'Suln wir gouche ziehen?' sprach aber Hagene; 'des habent lützel êre so dag er sich hât gerüemet guote degene. der lieben frowen mîn, darumbe wil ich sterben, ez engê im an dag leben sîn.' 36. Dô sprach ûzer Metzen der degen Ortwîn: 'jane kan in niht gehelfen diu grôze sterke sîn: |