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ad divers. I, 144: „musica est exercitium arithmeticae occultum nescientis se numerare animi". -); und da eben nur solche Tonverbindungen unserm Ohre Harmonie sind, welche nach gewissen mathematisch bestimmten Verhältnissen erfolgen, legen die Harmoniegesetze der Musik ein unser Herz überzeugendes Zeugniss ab, wie die Musik des Menschen, wenn auch uns nicht immer erkennbar und so scheinbar gebunden, auch in den Bewegungen der grossen Natur wiederklingt.

Es ist hier noch einer anderen Weise zu gedenken, in welcher die Naturseele ihre Bewegungen, und zwar für den Sinn des Auges, darzustellen vermag, nämlich durch die Gebehrde. Diese spricht bestimmter, genauer bezeichnend, als die Musik, wie denn überhaupt der Sinn des Auges bestimmter auffasst und Bestimmteres also verlangt, als das Ohr (Quintilian XI, 87 nennt die Gebehrdensprache die „, communis omnium hominum sermo" der Verschiedenheit der Volkssprachen gegenüber. cf. Petron ed. Buech. p. 212: „manu puer loquaci"), aber sie ist auch oberflächlicher, als der Ton, und theilt eben ihrer Bestimmtheit wegen nur die sich häufig wiederholenden, Allen bekannten Empfindungen in stereotyper Form mit. Auf ihr beruht zum Theil wieder die Tanzkunst, namentlich die pantomimische, eine sichtbare Rhythmik, welche durch begleitende Musik zu innigerer Wirkung gesteigert wird. (cf. Tac. dial. c. 26: histriones diserte saltare dicuntur".)

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Die Einheit des musikalischen Kunstwerks beruht auf der Einheit der auszusprechenden Empfindung, welche sich namentlich nach beiden Richtungen, zwischen denen das Naturleben sich auf und ab bewegt, in einem grösseren Ganzen auszusprechen liebt, nach denen des Schmerzes und der Freude. - Das reine Tönen als solches kommt überwiegend der Instrumentalmusik zu, welche es so zu einer farbigen und reichen, doch aber weniger tief greifenden Entfaltung bringt; die Vokalmusik, welche der Mensch selbst als edelstes Instrument hervorbringt, bildet nicht etwa den unmittelbaren Schrei der Empfindung zu musikalischem Tone fort, sondern es gesellt sich bei ihr zum Tone das entsprechende Wort, ohne doch in dieser Verbindung schon sein volles Wesen zur Wirkung zu bringen; vielmehr giebt es nur der Stimmung, dem Ge

fühlsausdruck eine festere und charakterisirende Haltung, bleibt aber für die Gesammtwirkung von untergeordneter Bedeutung.

Aber allerdings drängt das menschliche Bewusstsein fort zu grösserer Bestimmtheit und Klarheit; die innige aber unklare und schwankende Bedeutung der musikalischen Tonbilder genügt diesem fortgeschrittenen Bewusstsein nicht, es verlangt seiner grösseren Helligkeit und Bestimmtheit gemäss eine entsprechende Gliederung seines Tonmaterials, wie sie erfolgt im Wort. Gerade so verdeutlicht und gliedert sich der Ausdruck der bildenden Kunst, wenn sie fortgeht von der Architektur zur Plastik.

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Das Kunstwerk der Musik folgt dem Auf- und Niederwogen der Empfindung, umschliesst diese zerfliessenden Wellen in Einem Becken und beschwichtigt das Leid der Seele, indem es sie untertaucht in die tönende Fluth, sie vergessen lässt, träumen und ahnen; das Kunstwerk der Sprache schreckt den Geist auf aus dem Traume, zwingt ihn, sich auf sich zu besinnen, sich bestimmter zusammenzufassen; es durchdringt ihr Material, den Ton, mit Bewusstsein, erfüllt ihn mit Verstand, erhebt ihn zum an sich schon bedeutenden Worte. Es ist jetzt nicht mehr die empfindende Naturseele, welche durch menschliches Material sich ausspricht, sondern der Mensch als Mensch sucht sich, als den selbstbewussten also; und an der Sprache, dem für diesen Geist charakteristischen Material, will er ihn erkennen, ihn sich nahe bringen, sich seiner erfreuen. Freilich verliert, wie wir schon hier bemerken, der Ton, indem er in der Sprache zum Ausdruck eines bestimmten Bewusstseins sich artikulirt, in eben dem Maasse an der Fähigkeit, die minder bestimmten Bewegungen der Seele zu bezeichnen, und vielfach greift desshalb die Kunst der Sprache, um sich zur Darstellung dieser Empfindungen, Gefühle, zu befähigen, an dem gegliederten Worte nach dem Ton als solchem zurück, benutzt es, absehend von seiner Bedeutung, rein musikalisch und lässt, zur Steigerung der Wirkung, bestimmten Tonfall und Rhythmus hinzutreten. Eine besondere Helligkeit und Bestimmtheit muss jedenfalls diese Kunst auszeichnen, welche in der Sprache sich äussert, der festen Ausprägung des Gedankens; wir nennen sie die Sprachkunst.

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Das Material, in welchem die Sprachkunst arbeitet, ist aus dem Menschengeist geschaffen und stellt ihn dar, freilich noch in

einem dem Bewusstsein an sich fremden Mittel, dem Ton, wie ihn unser Organismus erzeugt und gestaltet, so dass die Kunst von diesem abhängig bleibt und über seine Ausdrucksfähigkeit nicht hinausgeht. Es ist hiermit die Begränzung der Sprachkunst angegeben; sie stellt die sprechende Seele dar, d. h. die Seele, sofern sie nur in der Sprache erscheint. Es ist hierbei von der Sprache nicht in dem Sinne die Rede, wie sie, als mächtigstes Mittel menschlicher Entwickelung, aber doch nur als Mittel, Völker zusammenschliesst, die Fortschritte der Cultur bedingt, die Wissenschaft trägt, überhaupt jede menschliche Praxis begleitet und fördert, sondern von der Sprache, sofern sie Ausdruck der Seelenbewegungen ist; denn der Sprachkunst ist die Sprache nicht Mittel zur Darstellung irgend welchen Inhalts, welchen die Seele aufgenommen haben kann, sondern sie selbst, ihre Formation ist der alleinige Zweck der Darstellung, und der Gehalt, welchen sie in diesen Bildungen verkörpert, ist ebenso nichts anderes, als die Menschenseele in der bewussten Bestimmtheit, zu welcher sie in ihren einzelnen Lebensmomenten gelangt. Gerade so stellt die Plastik den Menschenleib hin.

Da fühlt sich also die Seele in ihrer ruhig waltenden Harmonie, wenn sie in dem fliessenden Wohllaut der Menschenrede sich wiegt, sie freut sich ihrer Gemeinschaft mit der Schöpfung, wenn sie der Klangsymbolik der Worte lauscht oder nachsinnt, oder wenn ihr die Bilderpracht der Darstellung die Ueberraschungen der Analogie zeigt, welche Jedes mit Allem verknüpft, sie erkennt den Sturm ihres Zornes, die Bitterkeit ihres Hasses, die Kraft ihrer Begeisterung in den Figurationen der Rede, sie sieht überhaupt die Vollkommenheit der Sprachkunst in der Genauigkeit und charakterisirenden Schönheit, mit welcher die Tonbilder der Sprache sie begleiten, so dass jede ihrer Bewegungen zu bestimmtem Ausdruck gelangt. Der musikalische Rhythmus ist in der Sprachkunst zwar noch vorhanden, aber abhängig von dem Wort und Satzton, d. h. von der Bedeutung.

Die Sprachkunst verkörpert den einzelnen, bestimmten Moment des Seelenlebens; daher ist die ideale Wortwurzel ihr eigentlich ausreichender Sprachkörper, und ihre Darstellungen behalten ihre Einheit an diesem Worte, welches zu sagen ist, um den Seelenmoment abzubilden; ihr Umfang ist desshalb beschränkt auf

Sprachkörper, für welche diese Einheit noch ausreichend gefühlt wird, auf das sich zum Satze entfaltende Wort, endlich auf Satzkreise, welche gleichsam nur die Ausstrahlungen eines einzigen. Satzes oder Wortes darstellen. Diesen relativ engen Umfang ihrer Werke hat die Sprachkunst mit der Sculptur gemein, und der Grund hierfür ist bei beiden Künsten derselbe; auch die Sculptur, so lange sie selbstständig ist, nicht blosses Ornament, stellt nur den bestimmten Daseinsmoment einer Person dar oder einer Gruppe, welche diesen Moment vollständig entwickelt.

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Wenn nun so die Bewegungen der Seele, ihre einzelnen Lebensmomente allein es sind, wie wir sagten, nicht also der von ihr aufgenommene Inhalt, welche von der Sprachkunst dargestellt werden, und zwar dargestellt nicht in dem Material jener zu festem Gepräge, gewissermassen zu einem Abschluss gelangten Sprache, durch welche die Mittheilungen der Menschen erfolgen und deren Verbindung unterhalten wird, so kann es scheinen, als bewege sich diese ganze Kunst in blossen Formen, sofern sie eben nur Seelenformationen in Wortformationen darstelle, und man wird. fragen, ob denn die Seele könne anders dargestellt werden, als an jenem bestimmten Inhalt, welcher sie in den einzelnen Momenten erfüllt und eben den Anreiz zu ihren Bewegungen giebt; man wird auch fragen, ob Sprachkunst sich denn einer anderen Sprache bedienen könne, als dieser wirklichen, welche dem Menschengeschlechte alle jene Dienste leistet, um derentwillen wir hier von ihr absehn wollen. Hierauf lässt sich für jetzt nur im Allgemeinen Folgendes angeben. Allerdings ist es immer ein bestimmter, in das Bewusstsein eintretender Inhalt, durch welchen die Seele zu einer Bewegung veranlasst wird, und ebenso muss auch das darstellende Wort diesen Inhalt abbilden, ihn bedeuten, wenn es den Seelenmoment bestimmt wiedergeben will, aber wie an der Seele nicht der Inhalt als solcher, sondern die Art, wie er erfasst wird und wirkt, in Betracht kommt, so handelt es sich auch bei dem Wortbilde in der Sprachkunst nicht sowohl um den Inhalt, welchen es einschliesst, um das, was es bedeutet, als um die Art, wie es diese Bedeutung in dem artikulirten Tonbilde oder in einer Wortreihe zur Darstellung bringt. Unablässig verkehrt die Seele mit der Welt und zieht aus diesem Verkehr ihre Nahrung, aber in der Sprachkunst stellt sie lediglich die Einwirkungen

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dieses Verkehrs nach aussen, und zeigt, obwohl an ihm und durch ihn, doch nur sich selbst in ihrer eigenthümlichen Thätigkeit; so auch entsteht die wirkliche Sprache nur aus der Verbindung der Menschen und lebt in dieser fort, aber in jedem Einzelnen behält sie doch ihre besondere Form, eigenartig je nach der Kraft, mit welcher das Individuum dieses gemeinsame Besitzthum ergreift und verwaltet. Demnach stellt die Sprachkunst nur die subjektive Seele in ihrem subjektiven Ausdruck dar. Wie übrigens eben aus diesen Einzelbestrebungen der Individuen die Sprache selbst, als Kunst der Sprache ihren Ursprung nimmt, und diesen auch als sogenannte fertige Sprache in der Sprachkunst - niemals verläugnet, wird später zur Erörterung kommen. Der selbstbewusste Geist des Menschen erkennt endlich in dem Verkehr in der Welt diese selbst, die innere wie die äussere, so weit sie ihm zugänglich ist, als sein Eigenthum, assimilirt sie sich, unterjocht sie durch Gedanken und Handlungen, und es ist dann die Dichtkunst diejenige Kunst, durch welche er seine Kämpfe bei dieser Besitzergreifung sich zur Anschauung bringt und gestaltet. Das Dasein des objektiven Menschen, wie der selbstbewusste Geist es erfasst, tritt, durch die Einheit dieses Selbstbewusstseins gehalten und erhoben, in verklärter Gestalt vor die Seele. Der Schauplatz, auf welchem sich die Entwickelung des menschlichen Geistes zur Objektivität hin vollzieht, bietet die Geschichte im weitesten Sinne des Wortes; aus ihr lernt die Seele sich ebenso in ihrer Kraft und Freiheit kennen, wie in ihrer Schwäche und Gebundenheit. Sie überschaut aber nur dann ihre eigene Welt, erkennt nur dann die in ihr selbst gebietenden Mächte des Guten, Wahren und Schönen als die weltbeherrschenden und weltüberwindenden, wenn sie sich als individuelle aufgiebt und als gattungsgemässe erfasst, und so hat es die Poesie nicht mehr zu thun mit den Individuen als solchen, sondern sofern sie an sich die Gattung darstellen. Vortrefflich sagt daher Schiller (Ueber naive und sentimentalische Dichtkunst), dass der Begriff der Poesie kein andrer sei, als der Menschheit ihren möglichst vollständigen Ausdruck zu geben."

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Das Material, in welchem die Poesie arbeitet, ist der Geist selbst, das vorstellende Bewusstsein, die schaffende Phantasie. Zwar giebt sich das poetische Kunstwerk, um in die Welt der

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