Obrazy na stronie
PDF
ePub

gewiß muß die Zeit kommen, wo man ihren Bestrebungen Gerechtigkeit wird widerfahren lassen müssen. Ich kann sogar der Hoffnung nicht entsagen, daß, wenn erst der Schutt, den man aufgehäuft hat, um die Centrumsfraction in ihren Bestrebungen zu verdächtigen, wird gelichtet sein und eine wahrere Beurtheilung sich Bahn bricht, noch viele gläubige und rechtlich denkende Protestanten sich ihr anschließen werden. Dadurch könnte aber die Centrumsfraction von großer Bedeutung für Deutschlands Zukunft werden, wenn sich auf dem Grunde der oben entwickelten zwei Principien jene Männer, Katholiken wie Protestanten, friedlich vereinig= ten, welche in der Trennung des Deutschen Reiches vom Boden des Christenthums den Keim des Verderbens erkennen und welche zugleich, so lange wir nun einmal im Glauben getrennt sind, für das friedliche Zusammenleben im gemeinsamen Vaterlande eine feste, rechtliche Grundlage suchen.

Nach dem Gesagten brauche ich meinen geehrten Wählern nicht weiter auseinander zu sehen, warum ich der Centrumsfraction angehört habe. Ich habe die freudige Ueberzeugung, daß ich dadurch in voller Uebereinstimmung mit den Grundsähen meiner Wähler mich befunden habe, und ich kann nur den innigen Wunsch aussprechen, daß sie zu meinem Ersage einen Mann in den Reichstag schicken, der denselben Grundsägen huldigt und sich verpflichtet, der Centrumsfraction_beizutreten.

v. Ketteler, Reichstag.

2

[ocr errors][merged small]

war gleich im Beginne des Reichstcges entscheidend und verhängnißvoll für die Stellung der überwiegend protestantischen Majorität bei allen Verhandlungen, welche nach irgend einer Seite mit confessionellen Fragen in Zu= sammenhang standen. Sie dokumentirte zugleich die volle Herrschaft der nationalliberalen Partei im Deutschen Reichstage, von welcher der Entwurf der votirten Adresse auch ausgegangen ist. Der Reichstag ist dieser Richtung, soweit seine Thätigkeit bis jezt reicht, treu geblieben: dem Beginne der ersten Session entspricht ganz genau der Schluß der zweiten Session in dem Ausnahmegesetz gegen den geistlichen Stand. Mag man auch den Verhandlungen desselben über andere Gegenstände alle Anerkennung gewähren, in diesen Fragen hat er sich nie über den Parteistandpunkt des Nationallibera= lismus und der ihm dienenden Tagespreffe erhoben.

Wenn je, so war zur Zeit dieser Verhandlungen der Augenblick gekommen, jede confessionelle Parteistel= lung zu vermeiden und eine Adresse an den Kaiser zur Berathung vorzulegen, welcher der ganze Reichstag und mit ihm das ganze deutsche Volk aus ganzem Herzen

beistimmen konnte. Wenn je, so war es bei dieser Vorlage eine patriotische Pflicht, Alles fern zu halten, was an den alten religiösen Zwiespalt erinnerte und die Gefühle der Katholiken verlegen mußte. Soeben waren durch gemeinschaft= liche Anstrengung und durch die größten Opfer die großen Siege errungen. Soeben war das deutsche Kaiserthum mit Zustimmung der deutschen Fürsten und selbst des österreichi= schen Kaiserhauses proclamirt und mit der preußischen Krone verbunden worden. Zum Erstenmale stand das neue deutsche Reich in seinen Vertretern vor seinem Kaiser, um ihm seine Huldigung darzubringen. Da fehlte es doch wahrlich nicht an erhabenen Gedanken, in denen das gesammte deutsche Volk seinen tief erregten Empfindungen Ausdruck geben konnte. Da war der Versuch, diesen großen Augenblick im Interesse einer Parteiauffassung auszubeuten, ein großes Unrecht — und dennoch ist er gemacht worden. Man hat eine reine Parteiadresse entworfen und nicht etwa im Sinne eines gläubigen Protestan= tismus, sondern in dem Sinne des Nationalliberalismus mit seiner ausgeprägten Feindschaft gegen Alles, was wahrhaft katholisch ist; eine Adresse, welche jeden gläubigen Katholiken tief verlegen mußte und die betreffenden Mitglieder des Reichstages vor das Entweder - Oder stellte: ihre Grundsäße und Gefühle zu verleugnen, oder aber sich von einer Huldigung auszuschließen, die jeder Blutstropfen im deutschen Herzen zu fordern schien.

=

Dieses Entweder-Oder ist aber ohne Zweifel den Katho= liken im Reichstage in jenem feierlichen Augenblicke mit vollem Bewußtsein und mit klarer Berechnung gestellt worden. Stimmten sie der Adresse bei, so hatten sowohl die Katholiken im Reichstage wie mit ihnen die Katholiken im ganzen deut

schen Reiche eine schwere Niederlage in ihren Grundsäßen erlitten; stimmten sie aber der Adresse nicht bei, so war das eine unvergleichliche Veranlassung, sie als Feinde des deutschen Kaiserthums mit preußischer Spize hinzustellen. Wie sehr man diese leßte Alternative von da an bis in die Gegenwart hinein ausgebeutet hat, beweist der ganze spätere Verlauf der Dinge mit allen Anklagen, die über Vaterlandslosigkeit und Reichsfeindlichkeit erhoben worden sind. Diese planmäßigen Verdächtigungen mußten aber um so wirksamer werden, weil die nationalliberale Partei im Reichstage aus zwei Abtheilungen besteht unter verschiedenen Namen. Sie hat im Reichstage selbst gewissermassen ein Unterhaus und ein Oberhaus. Zu dem leztern gehört die sogenannte freiconservative Partei mit allen ihren Schattirungen und verschiedenen Denominationen, wo sich die Fürsten, Grafen, Ba= rone und höhere Staatsdiener vereinigen, welche ihrer ganzen Gesinnung nach absolut mit den Nationalliberalen identisch sind und nur einen etwas vornehmeren conservativen Schein bewahren, der ihnen insofern nüßlich ist, als sie dadurch in allen höhern und höchsten Kreisen Zutritt haben und ihre Anklagen an den rechten Mann bringen können. Das ist der platte Liberalismus, der hoffähig geworden ist und dem alten conservativen christlichen Preußen mehr schadet, als der ple= beische Liberalismus. Solchen einflußreichen Parteigestaltungen standen die Mitglieder der Centrumsfraction mit diesem Entweder-Oder gegenüber. Das war eine harte Probe für die Treue in Bewahrung ihrer Grundsäge. Sie haben sie siegreich bestanden und obwohl ihnen die Consequenzen ihres Schrittes vollkommen bewußt waren, haben sie ihres Gewissens und ihrer Grundsäge wegen die Majoritätsadresse abgelehnt

und eine eigene in Vorschlag gebracht, welche an patriotischen Gefühlen und an treuer Kundgebung, an Ergebenheit gegen den Kaiser und das Reich der erstern wahrlich nicht nachstand 1). Sie wurde natürlich verworfen, weil sie dem Parteiinteresse der Gegner nicht entsprach.

1) Ich kann es nicht unterlassen, diese Adreffe hier mitzutheilen. Selbst die Augsburger „Allg. Ztg." mußte Nr. 104 das Zeugniß abs Legen, daß sie nach Faffung und Inhalt“ vor der Majoritätsadresse den Vorzug verdiene und daß sie wahrscheinlich von der Majorität angenommen worden wäre, wenn man nicht die geheimen Absichten der Clerikalen befürchtet hätte. Sie lautet:

Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster Raiser,
Allergnädigster Kaiser und Herr!

In dem großen Augenblicke, da Eure Kaiserliche Majestät nach glorreichen Siegen und nach wiederhergestellter Einigung der deuts schen Nation den ersten Reichstag um sich versammelt, beugen wir uns in Demuth vor Gott, mit dessen Gnade wir zu diesem Ziele gelangt find.

Wir bringen Eurer Majestät, dem erhabenen Feldherrn, den Dank der Nation dar für den Heldenmuth und die Hingebung des deutschen Heeres, dem es beschieden war, von Deutschland die dro henden schweren Gefahren zu wenden und ihm die Stellung inmitten der europäischen Staaten zu sichern, die es durch seine Kraft und durch die Gesittung seiner Bürger einzunehmen berufen ist.

Was mit dem Einsage so großer Opfer errungen worden, das wird sich Deutschland unter allen Umständen bewahren, es wird sich aber auch im Bewußtsein der erprobten Macht fortan um so eifriger feinen inneren Aufgaben zuwenden, allen anderen Staaten und Völkern eine Bürgschaft und ein Vorbild friedlicher Entwickelung.

Eurer Majestät folgen wir mit freudiger Zustimmung zu den dringenden Aufgaben, welche der beendete Krieg, und zu den dauernden Aufgaben, welche die Verfaffung des Reiches uns stellt. Alle unsere Kräfte werden zuerst dem hohen Berufe gewidmet sein, die Wunden zu heilen, welche der Krieg geschlagen hat, und die Pflicht des Vaterlandes zu erfüllen gegen diejenigen, welche seinem Schuße Leben oder Gesundheit geopfert haben.

Allen Vorlagen werden wir unsere aufmerksame Mitthätigkeit zuwenden. Es überrascht nicht, daß der Krieg die Vorarbeiten der

« PoprzedniaDalej »