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die Reichsgesetzgebung der individuellen und corporativen Freiheit den ausgedehntesten Spielraum gewährt, daß sie vom Geiste der Achtung der persönlichen und corporativen Freiheit erfüllt ist und sich ihr gegenüber selbst beschränkt. Obwohl Deutschland früher viele Souveraine hatte, so war es dennoch auf dem Wege einer vollen Centralisation, weil alle Regierungen denselben liberalen Theorien huldigten, welche im Grunde weder deutsch, noch französisch, noch italienisch 2c., sondern allge= meine leere Formeln sind, welche ohne Rücksicht auf Natur, Religion und Recht die Welt regieren wollen, um sie in eine monotone Maschine zu verwandeln. Es ist daher eine Täuschung, wenn man glaubt, daß die alten Einzelländer unter der Herrschaft des Liberalismus ihre Eigen= thümlichkeiten und ihre alten Freiheiten bewahrt hätten, wenn nur den Fürsten ihre volle Souverainetät geblie= ben wäre. Daher muß der Kampf gegen die Centralisation, welche der Liberalismus anstrebt, zugleich auf beiden Gebieten geführt werden, sowohl auf dem des Verhältnisses zwischen der Reichsgewalt und der Regierung der Einzelländer, wie auch auf dem der gesammten inneren Gesetzgebung.

Das sind die beiden großen Grundprincipien der Centrums= fraction und daraus ergibt sich die Antwort auf alle Bedenken und Vorwürfe, welche gegen sie erhoben sind.

Man hat ihr ihre Zusammenschung vorgeworfen, daß nämlich in ihr Männer vereinigt seien, welche ihren politischen Antecedentien nach nicht zusammen ge= hörten und welche bis dahin entgegengesetzten politischen Parteien angehört hätten, z. B. Particularisten und Alt= preußen, Anhänger des legitimen Königthums und Männer, welche, wie mit Vorliebe angedeutet wurde, früher auf den

Barricaden gekämpft hätten. In wieweit das Leztere der Fall ist, weiß ich nicht, da die Centrumsfraction so wenig wie die anderen Fractionen eine Inquisition über die politische Vergangenheit ihrer Mitglieder anstellt, sondern einfach diejenigen aufnimmt, welche sich zu ihrem Programme bekennen. Dagegen bemerke ich, daß eben die großen Principien, welche dieses Programm enthält, jene Erscheinung, soweit sie be= gründet ist, vollkommen erklären. Jener Vorwurf kann nur von einer Seite ausgehen, wo man den Werth der Grundsäße nicht kennt und deßhalb auch nicht begreift, daß Grundsäße allein wahrhaft eine Partei vereinigen, und daß Männer, welche in den Grundsäßen einig sind, um so unbedenklicher eine weitgehende Meinungsfreiheit in vielem Anderen gewähren können. Particularisten in dem Sinne einer feindlichen Richtung gegen das Reich gibt es nicht in der Centrumsfraction; sie sind durch das Programm, welches mit voller Loyalität das Reich anerkennt und sich bereit erklärt, der Reichsgewalt jedes Opfer zu bringen, welches eine starke Centralgewalt fordert, grundsäglich ausgeschlossen. Das Bestreben, alle jene Männer, welche die Ereignisse des Jahres 1866 für eine schwere Rechtsverlegung ansehen, auch jezt noch als Feinde des Reiches zu brandmarken, ist ungerecht und perfid. Mit demselben Rechte muß man behaupten, daß die Könige von Bayern, von Sachsen und Württemberg auch jezt noch Reichsfeinde sind, weil sie im Jahre 1866 gegen Preußen gekämpft. Ebenso schließt das Programm der Centrumsfraction jede revolutionäre Richtung selbstverständlich aus. Wie weit im übrigen die Ansichten der einzelnen Mitglieder über viele politische Fragen, insoweit das Programm dadurch nicht verlegt wird, auseinandergehen, kann ich nicht beurtheilen. Ich kann es aber nicht unterlassen,

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hier auszusprechen, daß ein christlich denkender Mann, welcher mit voller Treue dem legitimen Königthume ergeben ist, sich viel folgerichtiger und wahrer mit einem Manne zu einer politischen Partei vereinigen kann, welcher der republikanischen Staatsform huldigt, mit dem er aber auf demselben Boden des Rechtes, der Geschichte, der Sittlichkeit und der Ueberzeugung steht, daß sie nur auf diesem gemeinschaftlichen Boden ihre abweichenden Anschauungen geltend machen dürfen, als mit soġenannten Conservativen, welche keine festen Grundsäge haben. gibt eben in einer politischen Versammlung Parteien, welche durch ihre Interessen zusammengeführt sind, und solche, die durch Uebereinstimmung in Grundprincipien sich geeinigt haben. Zu den Letteren gehört die Centrumsfraction. Was man also der Centrumsfraction zum Vorwurfe macht, ist ihr Verdienst und ihre Berechtigung, daß sie nämlich ihren Mitgliedern eine sehr ausgedehnte Meinungsverschiedenheit ge= stattet und nur in den großen Grundprincipien und in den lezien Ausgangspunkten von ihnen Uebereinstimmung fordert.

Man hat ferner der Centrumsfraction hartnäckig und mit fluger Berechnung den Vorwurf gemacht, sie sei gar keine politische Partei; sie sei vielmehr eine exclusiv religiöse und zwar eine exclusiv katholische Partei. Man hat auch den zuerst erwähnten Vorwurf mit dem legteren dergestalt in Verbindung gebracht, daß man sagte: Eben daraus, daß in der Centrumsfraction sich Männer von der verschiedensten politischen Parteistellung zusammengefunden, erhelle ja offen= bar, daß fie gar kein politisches Programm haben könne, sondern andere Zwecke verfolge. Auf diesen Grund hin wurde dann der Centrumsfraction überhaupt jede Berechtigung, im Reichstage zu existiren, abgesprochen, und schon das Dasein

derselben als ein Unrecht gegen den deutschen Reichstag und gegen die übrigen Fractionen in demselben angesehen. Ich gestehe nun, daß, wenn dieser Vorwurf begründet wäre, ich der Folgerung nicht zu widersprechen wagen würde. Dagegen behaupte ich, daß dieser Vorwurf gänzlich unbegründet und eine boshafte, intolerante Erfindung der Gegner der Centrumsfraction ist. Soll dieser Vorwurf sagen, die Centrumsfraction sei deßhalb eine exclusiv katholische, weil sie auch die Interessen der Religion in ihr Programm mit aufgenommen hat, so ist er offenbar unverständig. Alle Verfassungen der Welt reden auch von der Religion und gewähren den berechtigten Confessionen ihre Rechtsstellung. Wie sollte daher eine Fraction eine exclusiv katholische genannt werden können, weil sie die Forderung stellt, daß auch in der deutschen Reichsverfassung jene Grundsäge über Freiheit und Selbstständigkeit der Religion aufgenommen werden, welche sich in der preußischen Verfassung finden. Soll er aber sagen, daß die Centrumsfraction nur religiöse Interessen verfolgt, so ist das einfach unwahr und sowohl im Widerspruche mit dem Programme selbst, als mit ihrer Thätigkeit während der Verhandlungen des Reichstages. Mir scheint jedoch, daß man nicht so sehr diesen und den vorerwähnten Sinn mit jenem Vorwurfe verbinden will, als vielmehr den, daß die Centrumsfraction ein ausschließlich katholisches Interesse verfolge. Das wäre aber dann und nur dann der Fall, wenn dieselbe für die Stellung der katholischen Kirche im deutschen Reiche irgend eine Bevorzugung in Anspruch nähme, oder mit anderen Worten, wenn sie das Recht der vollen Parität im deutschen Reiche für die Protestanten in ihrer Rechtsstellung zu den Katholiken leugnele. Da ist nun aber das gerade Gegentheil der Fall;

durch ihre bezüglichen Anträge hat die Centrumsfraction vielmehr bewiesen, daß sie für die Stellung der Kirche im Reiche lediglich die Bestimmungen der preußischen Verfassung fordert, und wer daher behaupten will, daß dieses Bestreben ein exclusiv katholisches sei, der muß annehmen, daß die preußische Verfassung selbst exclusiv katholisch sei. Der gedachte Vorwurf ist deßhalb unberechtigt und willkürlich. Ich würde mich nie im deutschen Reichstage einer erclusiv katholischen Partei in dem oben bezeich= neten Sinne angeschlossen haben, weil ich fest zu dem Grundsage stehe, daß die Parität unter den verschiedenen geseßlich anerkannten Confeffionen öffentliches Recht in Deutschland ist, und in diesem Falle kann ich ohne Anmaßung und ohne Furcht eines Widerspruches im Namen aller meiner Fractions - Genossen sprechen. Die Centrumsfraction ist so weit davon entfernt, eine exclusiv katholische zu sein, daß die entschiedensten Anhänger des Protestantismus, wenn sie nur auf dem Boden des positiven Rechtes und der rechtlichen Parität stehen, ihr angehören und in dieser Beziehung alle ihre Forderungen und Bestrebungen theilen können. Es haben sich ja auch in der That einige gläubige Protestanten ihr angeschlossen, und ich möchte sie zum Zeugnisse darüber auffordern, ob sie je bei den intimsten Besprechungen ein Wort gehört haben, welches den Vorwurf einer exclusiv katholischen Richtung begründen könnte.

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Die erwähnten Principien der Centrumsfraction in Verbindung mit dieser Auffassung der Rechtsparität für die verschiedenen Confessionen bieten aber auch die sichere Zuversicht, daß die Centrumsfraction im deutschen Reichstage eine Zukunft haben muß. So wahr und recht ihre Principien sind, so gewiß kann sie mit denselben nicht unterliegen, so

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