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Schlußwort.

Dieser Rückblick auf die Verhandlungen des Reichstages enthält zugleich die Motive, welche mich bestimmen, mein Mandat niederzulegen. Die heftigen Angriffe, welche soeben im preußischen Landtage gegen die Fraction gerichtet wurden, der ich anzugehören das Glück hatte, haben mir die Erwägung nahegelegt, ob ich den Entschluß, welchen ich bereits gegen Ende der zweiten Seffion des Reichstages gefaßt hatte, in diesem Augenblicke zur Ausführung bringen solle. Dieses Zusammentreffen könnte ja bei Solchen, denen mein Charakter und meine Art zu handeln unbekannt ist, die Vermuthung erwecken, als ob mein Rücktritt mit jenen Angriffen in Verbindung stehe. Diese Schrift wird aber zur Genüge das Gegentheil beweisen. Wenn jene heftigen Anfeindungen auf meinen Entschluß einen Einfluß hätten üben können, so hätte es nur der sein können, den Reichstag nicht zu verlassen, um mit den Männern vereint zu wirken, deren Grundsäße ich theile und deren Mäßigung, Einsicht und Muth ich bewundere.

Wenn ich dennoch mein Mandat niederlege, so geschieht es deßhalb, weil alle jene Voraussetzungen, welche allein mich in meiner Lage bestimmen konnten, ein Mandat für den Reichstag anzunehmen, inzwischen hinfällig geworden sind.

Ich habe nämlich nie geglaubt, die Pflichen meines bischöflichen Amtes mit einer parlamentarischen Thätigkeit anders als ausnahmsweise, wegen besonderer vorübergehender Gründe, vereinigen zu können. In gewöhnlichen Verhältnissen hat Gott mir ein anderes Gebiet angewiesen, um für das Wohl des christlichen Volkes zu arbeiten, welches seiner Natur nach sich nicht wohl lange mit den Pflichten eines Reichstagsmitgliedes vereinigen läßt. Ich glaubte mich aber in der Zeit der Reichstagswahlen in einer ähnlichen Lage wie im Jahre 1848 zu befinden, wo ich gleichfalls der außerordentlichen Verhältnisse wegen auf die dringenden Bitten meiner Wähler ein Mandat zur Nationalversammlung in Frankfurt annahm. Wie es sich da= mals hauptsächlich darum handelte, eine neue Verfassung für Deutschland zu berathen, so glaubte ich, daß es auch die Hauptaufgabe des Reichstags sein werde, auf Grundlage der Verfassung des Norddeutschen Bundes und der später ge= schlossenen Verträge für das gesammte Deutsche Reich eine allgemeine Verfassung zu berathen. Als daher auch jezt aus fünf verschiedenen Wahlbezirken mir ein Mandat_angeboten wurde, so erklärte ich mich zur Annahme desselben bereit und ich wählte den XIV. badischen Wahlbezirk insbesondere deßhalb, weil ich fast achtzehn Jahre lang in Baden, wenn auch nicht im Bezirke meines Wahlkreises, viele geist= liche Verrichtungen vorgenommen und dadurch so viele mir theure Beziehungen in diesem Lande geknüpft habe.

Das war für mich der allgemeine Grund, die Wahl anzunehmen, dieser fiel aber dadurch gänzlich weg, daß eine Reichsverfassung im Ganzen gar nicht zur Berathung kam und statt dessen die Verfassung des Norddeutschen Bundes

einschließlich der betreffenden Verträge lediglich zur Annahme vorgelegt wurde. Es liegt auf der Hand, wie dadurch die Aufgabe des Reichstages eine ganz andere geworden ist, als ich voraussehen konnte. An den regelmäßigen fortlaufenden Arbeiten des Reichstages kann ich mich nicht betheiligen, wäh= rend ich keinen Anstand genommen hätte, an den eigentlichen Verfassungsberathungen Antheil zu nehmen.

Zu diesem allgemeinen Grunde kamen aber noch beson= dere Gründe, welche demselben ein erhöhtes Gewicht verliehen und mich hoffen ließen, daß meine Anwesenheit bei der Neugestaltung aller Verhältnisse des Deutschen Reiches vielleicht nicht ohne allen Nußen sein könnte.

Wir befinden uns nämlich gegenwärtig in der größten Prinzipienkrisis, welche seit der Reformation über unser Vaterland gekommen ist, und welche gewissermaßen noch tiefer in die Grundlagen nicht der kirchlichen, aber der staatlichen Existenz des deutschen Vaterlandes eingreift wie jene. Die Reformation hat uns kirchlich zerrissen; aber in Betreff der lezten Prinzipien der staatlichen Ordnung hat fie eigentlich nichts geändert. Man hielt die alten, großen Grundsäge fest, daß das Christenthum die Grundlage der bürgerlichen Gesellschaft sei, daß die weltliche Obrigkeit auch eine Stellvertreterin Gottes sei, daß sie deßhalb den Geboten und dem Worte Gottes unterworfen und verpflichtet sei, die christliche Religion zu schüßen 1), daß endlich die

1) Dr. Otto Mejer sagt hierüber Zur Geschichte der römischdeutschen Frage" S. 400: 3ur Reformationszeit war das Verhältniß der protestantischen Landesobrigkeiten zur Kirche auf Grundlage der Lehre gestaltet worden, daß als Gottes Stellvertreterin jede Obrigkeit die Zehn Gebote im Lande aufrecht zu erhalten, unrichtigen Gottesdienst demgemäß nicht zu dulden, für genügendes Vorhandensein

Schule und die Kirche auf das Innigste verbunden sein müssen. Alle diese Grundsäße blieben von der Reformation unberührt, wenn auch über den Begriff der wahren Lehre und des wahren Gottesdienstes und über die Frage, wem hierüber die lezte Entscheidung zustehe, eine große Spaltung eingetreten war.

So blieb es bis zur französischen Revolution in allen christlichen Staaten Europas, in den katholischen, wie in den protestantischen — oder noch richtiger, bis dahin, wo die Grundsäße der französischen Encyklopädisten, der geistigen Väter der Revolution, an den Höfen der deutschen und nichtdeutschen Fürsten Aufnahme fanden. Das Wesen der französischen Revolution besteht in der grundsäßlichen Forderung der vollen Trennung der Kirche und des Christenthumes von der bürgerlichen Gesellschaft: eines Staatswesens, welches ohne alle Rücksicht auf eine besondere Religion, ohne Rücksicht auf die Lehre des Christenthums, ohne Rücksicht auf den Glauben des Volkes, ohne Rücksicht auf die Geschichte, beliebig nach dem Gutdünken der je= weiligen Träger der gefeßgebenden Gewalt nach ihren An

richtigen Gottesdienstes aber zu sorgen habe." Selbstverständlich ge= staltete sich diese Auffassung von dem Verhältniß der weltlichen Obrigkeit zur Kirche im Protestantismus anders, als in der katholischen Kirche, weil dort die weltliche und kirchliche Obrigkeit in Einer Person zusammenfiel. Hiervon aber abgesehen, wäre es ein Leichtes nachzuweisen, daß die reformatorische Lehre von der Pflicht jeder Obrigkeit, die Zehn Gebote im Lande aufrecht zu erhalten, unrichtigen Gottesdienst nicht zu dulden 2c.“ im Wesen mit der Lehre des verschrieenen Syllabus zusammenfällt und noch über sie hinausgeht. Es ist aber im Grunde die christliche Anschauung vom Verhältniß der geistlichen und weltlichen Obrigkeit, und die moderne Auffassung ist nicht eigentlich die protestantische, sondern die der französischen Res volution.

sichten eingerichtet wird. Diese Grundidee der französischen Revolution, diese Säcularisation der ganzen bürgerlichen Gesellschaft, diese Verbannung der Kirche und des Christenthums angeblich in das Innere, in das Gewissen des Menschen, aber mit der Modification, daß es sich nicht äußern, nicht nach Außen gestalten darf, wodurch diese angebliche Gewissensfreiheit in Wirklichkeit der größte Gewissenszwang ist, hat nun seitdem viele Phasen durchlaufen und ist in vielen Systemen und Verkleidungen aufgetreten. Die moderne Wissenschaft und Philosophie, namentlich der mächtige Einfluß der Hegel'schen, steht ihr zur Seite und unbewußt dient ihr sogar jene neuere weitverbreitete Schule protestantischer Theologen, welche behaupten, daß die christliche Kirche nur eine vorübergehende, relativ nothwen= dige Form des Christenthums gewesen, daß dagegen der Staat durch das Christenthum zu seiner höchsten sittlichen Vollendung geführt, selbst die lehte und höchste Gestalt des Christenthums sei. Die politische Partei, welche aber gegenwärtig diese Richtung vorwiegend vertritt, ist der Liberalismus des dritten Standes, der sogenannten Bourgeoisie, in Deutschland Nationalliberalismus genannt.

Diese Staatsidee der französischen Revolution hat nun in Frankreich seit fast hundert Jahren durch alle aufeinander folgenden Regierungen, zwar mit allerlei kleinen Schwankungen, aber immer durchaus maßgebend und entscheidend über den Gang der französischen inneren Politik geherrscht und sie ist recht eigentlich die Mutter der Zustände, welche wir jezt in Frankreich vor Augen sehen. Sie hat Frankreich zu Grunde gerichtet. Nicht das französische Volk in seiner Allgemeinheit trägt die Schuld, sondern die franzö=

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