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Verirrung begingen aber die Dichter der Gralfage, welche in ihren Romanen ein wahres Treibjagen der Nitter nach dem Gral entstehn und sie beliebig dort einkehren lassen, ohne die tiefe Bedeutung, die in der Unfindbarkeit des Grals liegt, auch im Entferntesten nur zu ahnen. (Siche Leben und Dichten Wolframs von Eschenbach, Bd. II. S. 421 folg.)

Vierter Abschnitt.

Christenthum und Heidenthum und ihr Verhältniß

Das

zum Gral.

as Verhältniß, in welches Christenthum und Heidenthum in den beiden epischen Gedichten Wolframs zu einander gesezt sind, ist im ,,Wilhelm von Orange" ein wesentlich andres, als im,,Parcival “. Im Wilhelm“ wird ein Held als christlicher Streiter zur Ehre des Kreuzes und zur Heils- und Lebensrettung seines geliebten, dem Heidenthum durch die Taufe entrißuen Weibes vorgeführt. Sein Kampf gleicht einem Kreuzzuge und es treten daher auch Christen und Heiden als unversöhnlich feindliche Gegenfäße auf. Die christlichen Kämpfer erscheinen als Märthrer, welche durch ihren Tod die Bluttaufe empfan= gen, wodurch ihre Seelen sogleich zur Herrlichkeit Gottes eingehn; und wenn auch die heidnischen Helden als solche mit Achtung geschildert werden, so sind ihre Seelen doch der Hölle verfallen. Das Epos ist vollständig durchdrungen von den Grundsäßen der römischen Kirche und der Christenheit, welche diese jeder andern Gottesverehrung gegenüber festhielt, wenn es darauf ankam, die ihrige gegen Angriffe zu vertheidigen oder ihr zum glorreichen Siege zu verhelfen. Dieser Standpunkt ist bedingt und gerechtfertigt durch den Stoff, der die Legende eines Heiligen der römischen Kirche erzählt. Darum finden wir auch im,,Wilhelm“ bei weitem mehr Belegstellen für specielle positive Glaubenssäte der christlichen Kirchenlehre, als im, Barcival".

Im „Parcival" dagegen wird, haben wir nach S. 220 anders den Dichter richtig verstanden, eine christliche Genossenschaft, ein Reich

der Gläubigen und Auserwählten des Herrn ohne römische Hierarchie, ohne Pabst und bevorrechtete Priesterschaft, ohne Bann, Interdict und Ketergerichte geschildert, worin Gott selbst im Grale im Geist des reinen Evangeliums Herrscher und Richter seiner Gemeinde ist, und der Dichter entlich vom Tempelherrenorden die Hülle zu seiner idealen Gestaltung dieser Genossenschaft. Hier soll das Reich Gottes nicht außerhalb, sondern innen im Menschen gegründet und ausgebaut werden; seine angeborne Sündhaftigkeit soll ausgetilgt und zur Gralherrlichkeit geläutert werden. Diese evangelische, reformatorische, ja protestantische Idee, nach römischer Ansicht offenbar kezerisch, führte es mit sich, daß das allein seligmachende Gralreich ebenso zum römisch orthodoxen Christenthum, wie es durch die bestehende sichtbare Kirche repräsentirt ward, wie zum Heidenthum in Gegensat trat, aber es ist ein edler schöner Zug der Dichtung, daß sie sich durchaus aller Polemik gegen die römische Kirche und ihre Priesterschaft enthält, so zahlreich und gewichtig auch die Stimmen und selbst die Schwerter waren, welche ihre Schärfe damals derselben feindlich entgegenkehrten; und auch ebensowenig sich zum Fanatismus gegen das Heidenthum hinreißen läßt. Darum wird jeder, gleichviel ob Christ oder Heide, dem die Gnade des Grals nicht zu Theil geworden, der nicht zu den heilhaften gehört, von Terre de salvage abgewehrt. Allein das Gralreich wird in die wirklich bestehende Welt gesetzt, es werden daher in natürlicher Folge auch das Heidenthum wie die römische Kirche mit ihrer Gemeinde als in ihrer historischen Wirklichkeit bestehend vorausgesezt, wodurch die dichterische Darstellung einen völlig entsprechenden realen Boden gewinnt und der sublimen ungezügelten Phantastik enthoben wird. Die außerhalb der Gralkirche stehenden Christen üben daher auch die vorschriftsmäßigen Formen ihrer Kirche; Artus und die Tafelrundritter hören, wie die zum Kampf und Turnier ausziehenden Ritter regelmäßig ihre Messe, Gawan führt einen Kaplan, sogar einen Bischof und Kirchengewand mit sich auf seinen Fahrten (§. 65.). Gurnemanz belehrt den Parcival über die Bedeutung der gottesdienstlichen Formen, Gahmuret beichtet vor dem Tode (P. 106, 23.), Gawan betet in der Noth auf dem Zauberbette (P. 568, 1.), die Heidenehe wird nicht anerkannt u. s. w. Diese formale Frömmigkeit reicht indeß nicht hin, eine Verbindung dieser Christen mit dem Grale zu vermitteln, und es kann daher der weltliche Gawan, der an Ritterlichkeit und Kraft dem Parcival wenigstens gleichsteht, zwar die Zauber von Schastelmarveille besiegen, aber nicht den Gral erstreiten noch die Gralsburg finden, da ihn nicht die Gottesflamme erwärmt, welche Parcivals Seele zur Gralheiligkeit

läutert. All sein Streben kann nicht den wahren Gotteslohn, sondern nur der Welt Lohn erreichen. Ebenso weiß Artus, der Mittelpunkt und Träger der höchsten irdischen Herrlichkeit sich in so entschiednem Gegensatz zu den Templeisen, daß er auf der Fahrt zum Plimizol sogar ihren Angriff fürchtet und deßhalb seinen Rittern verbietet, wegen Einzelabentheuer sich von seinem Heere zu trennen (P. 280, 19-281, 9; 286, 2-14.).

In der Einleitung zu unsrer Parcivalüberseßung S. XCIV folg. haben wir ausgeführt, wie innig Religion und Leben verwoben und mit wie vielfachen Banden die Christenheit von der Hierarchie umschlungen war; andrer Seits aber auch (S. CIII folg.), wie trotz des Glaubenseifers gegen den Islam, wenn er einmal zur Flamme des Kampfes aufschlug, dennoch eine mildere Auffassung des Heidenthums Play griff, und hinwiederum auch vom Islam gegen die Christen die größte Toleranz geübt wurde. Denn die Heiden scheuten sich nicht, Christen in Dienst zu nehmen: Hafet, Chalif von Bagdad, machte 1134 einen armenischen Christen Baharam zu seinem Vessir; Ibn et Talmid († 1164) war Arzt und bürgerlicher Vorgeseßter der Christen beim Chalifen von Bagdad. Spanische Christen, Prinzen und EdelLeute, traten, trotz der unaufhörlichen Kriege, in arabische Dienste. Das Umgekehrte faud seltner statt, da der Muhamedaner unter den Christen vor der Verfolgung und Verdammung des Clerus nicht geschützt war, und wenn es geschah, daß z. B. Kaiser Friedrich II. sich darüber hinwegseßte, Araber in seinem Heere hatte und mit muhamedanischen Fürsten und Edlen enge Freundschaft hegte, so ward ihm. das von Pabst und Clerus im höchsten Grade übel genommen. Mit Recht hat der Dichter es nicht verschmäht, diese Zustände der Wirklichkeit in seinem großen Gemälde wiederzugeben, das dadurch an lebensfrischer Wahrheit und Natürlichkeit nur gewinnen konnte. Das Heer des mit dem Mohrenfürsten Razalik verbündeten Friedebrands sind getoufte von über mer (P. 31, 16.) und auch sein Verbündeter Kaylet ist Christ; der Dichter empfiehlt den Razalik, ungeachtet er Heide ist, der Gnade Gottes (43, 6.). Die hingebende treue Liebe Belakanens zu Eisenhart, der Schmerz über seinen Tod, ihr sanftes Dulden und ihre Schmerzensthränen geben ihr eine Weihe, wie sie die Taufe nur verleihen könnte (28, 10.). Klinschor hat auf seine Zauberburg Kristen und Sarrazîn in gleicher Weise hingebannt (700, 29.), die einträchtig ihr Loos tragen, wenngleich Arnive nur die christlichen Mitgefangnen bittet, mit ihr Gott für ihre Errettung durch Gawan zu danken (574, 28.). Gahmuret tritt unbedenklich in den Dienst des Heiden

pabstes von Bagdad, trägt sein Wappen und von seinem Gefolge von Junkern was etslicher ein Sarrazîn (18, 29.). Der Heide Feirefiß wird an Artus Hofe mit hohen Ehren aufgenommen und ebenso die reiche Heidin Eckuba von Janfuse, die aus dem Orient gekommen, um auch im Abendlande âventiure z'erkennen (329, 3.). Gahmuret ertheilt im heidnischen Zassamank mit christlichem Eide die Fahnenlehne seinen dasigen Fürsten und nach gleicher Sitte erhebt Belakane auf ihrem Fahnenbilde zwêne vinger ûz der hant gein dem eide (P. 31, 2.) zum Zeichen ihrer Unschuld. An deutsche Rechtssitte gemahnt es, wenn Isenharts Leiche als Blutzeuge vor das belagerte Patelamunt gebracht wird (53, 1.). Dankbar feiern die Heiden mit Opfern den Sieg Gahmurets über ihre Belagerer (45, 1.) und die größte Toleranz übt der Baruch selbst, indem er nicht blos gestattete, ein Kreuz an Gahmurets Grabe aufzurichten, sondern sogar auch die Kosten dazu hergab (107, 14.). Wir haben §. 78 bereits die Heidenehe und §. 41 und 42 die Heidengötter erwähnt, deren Verehrung der religiöse Christ nur als einen Teufelsdienst auffassen konnte, wie denn auch im „Wilhelm“ bei ihnen die Vernichtung der Christen geschworen wird. *). Im „Parcival" dagegen erscheint diese Götterverehrung ohne den feindseligen Beisaß und die Ritterwelt erkennt diese Frömmigkeit ehrend an. **) Wo aber das Heidenthum mit dem Gral in Berührung tritt, kommt

*) W. 34, 24: ûf ir goten swuor | daz ich den goten ir êre Terramêrs hervart. sô geraech

W. 339, 29: si wolden rechen her

zenleit

und al ir goten füegen prîs.

W. 340, 6: sînen goten prîs alsô

bewarn,

die Jesus helfe wolde lebn,

daz die dem tôde wurde gegebn.

...

**) P. 42, 18: die gote heten mir gesant

einen küenen werden gast.

P. 17, 6: si manten in bî ir goten daz er in hulfe.

P. 21, 7: daz ist ein rîter sô getâu,

W. 351, 20: die gote müezen dich daz wir ze vlêhen immer hân

bewarn.

unsern goten, die in uns brâhten

W. 217, 23: michs bî unserr ê daz si des ie gedâhten.

beswuor,

der bâruc unt de êwarten sîn

daz ich ûf dînen schaden fuor.

die gâben mirz für sünde mîn,

daz ich dich taete lîbelôs, sagt Terramer

zu Arabelle.

P. 27, 7: die rehten wârheit wizzen doch

mîne gote und ouch die sîne.

P. 43, 28: ein zornic got in daz gebôt,

dazs uns hie suohten mit ir her.

W. 107, 26: ûf mînen goten ich leber des Feirefiß Verehrung des Jupiter

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auch der religiöse Gegensaß in Geltung, wie im Kampf des Amfortas mit dem Heiden, welcher den Gral erstreiten wollte und mit seinem vergifteten Speer zum Werkzeuge gemacht ward, die von Amfortas gegen den Gral begangne Sünde durch die unheilvolle Verwundung zu strafen; ferner bei der Vermählung des Feirefiß mit Urepansen, wozn erst die Taufe und Absagung seiner Götter und Liebe zur heidnischen Secundille gefordert wird; und am entschiedensten in dem von Titurel bestätigten Umstand: daß kein Heide den Gral sehen kann, wenn er ihm auch, wie dem Feirefiß, unmittelbar vor Augen steht. Nicht minder erwähnten wir bereits bei der Sünde des Amfortas S. 252, daß alle die übernatürlichen Arzneimittel nebst den Edelsteinen, welche das Bettgestell des Amfortas schmücken, woran der Glaube gleichfalls aus dem wunder- und zauberreichen Orient zum Abendlande herübergewandert war, nichts, alles aber das inbrünstige Gebet des gläubigen Graldieners wirken.

In der sittlichen Weltordnung, wie in unsrer Dichtung offenbart sich ein dreifaches Verhältniß, in welches der in die Schöpfung gesette Mensch tritt: 1) Das Verhältniß des Menschen zu Gott. Dieses ist künstlerisch dargestellt in der Geschichte Parcivals und seinem Ringen nach dem Gral, durch Besiegung der eignen angebornen Sündhaftigkeit und des Bösen in ihm sich zur Herrlichkeit des Gralreiches zu läutern und zur Erlangung ewiger Seligkeit sich fähig und würdig zu machen.

2) Das Verhältniß des Menschen zum Bösen, personificirt durch Teufel und Teufelszauber, das von Außen an ihn herantritt, als Versucher und Widersacher des höchsten Gottes. Dies findet seine dichterische Gestaltung in der Geschichte Klinschors und der Orgeluse.

3) Das Verhältniß des Menschen zur irdischen Welt und als der Mittelpunkt ihrer Herrlichkeit, ihres Glanzes und ihrer Pracht mit der höchsten ritterlichen Würdigkeit in Minnedienst und Schildesamt tritt uns König Artus mit seiner Tafelrunde und deren vorzüglichstem Helden Gawan entgegen.

So fremdartig und ursprünglich getrennt von einander auf den ersten Anblick diese drei Elemente auch erscheinen mögen und so wenig

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