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Herrn ist der Weisheit Anfang," Ps. 111, 10.-,,Darum ist Jemand in Christo, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, es ist Alles neu geworden," 2. Kor. 5, 17. — „Die Nacht ist vergangen, der Tag aber herbeikommen; so laßt uns ablegen die Werke der Finsterniß und anlegen die Waffen des Lichts," Röm. 13, 12. Nach dem Kirchenglauben des Dichters und seiner Zeit wirkte die Absolution aber nicht sichren Sündenerlaß, der vielmehr, wie im Gedicht, Gott selbst vorbehalten blieb, sondern nur Versicherung priesterlicher Fürbitte bei Gott um Erlaß der Strafe (f. §. 67, 68, 70.). Als ein neuer in Christo zum Glauben wiedergeborner Mensch sezt daher nun Parcival sein Forschen nach dem Gral fort; er will nicht mehr eine Versäumniß nachholen und damit ein Unrecht gut machen, sondern um seines eignen Heiles willen und im Glauben an die Kraft des Grales sucht er ihn; die Reue über das durch ihn dem Amfortas verlängerte Leiden macht die Fahrt ihm zu einer Bußfahrt, nicht zu einer Reise todter Werkheiligkeit. Nicht in troziger Gewißheit, er müsse ihn finden, er könne ihn erstreiten, reitet er hin, sondern in hoffender Demuth, Gott werde ihn in Gnaden dahin führen. Nicht nach dem Königthum des Grals strebt er, sondern nach dessen Heilsspendung und seinem befeligenden Anschaun. Er weicht dabei, als tapfrer Ritter, den Kämpfen nicht aus, aber es lenken ihn nicht die Versuchungen der reizenden Orgeluse, noch die Abentheuer der vierhundert Frauen auf Klinschors Zauberburg von seinem Wege ab. Und dabei begleitet ihn, wie ein lichter Schußengel, unwandelbar die Liebe zu seinem Weibe Kundwiramurs, die sacramentale Gattentreue, womit der Dichter die Bedeutung dieses Namens so unaussprechlich schön herausstellt. Beide, sein Weib und der Gral, erfüllen und umfassen seine ganze Welt, sein Diesseits und ewiges Jenseits.

Nach langer Fahrt, die uns den Helden in die Ferne rückt, doch so, daß wir ihn nie ganz aus den Augen verlieren, finden wir ihn auf Joflanze wieder und der Dichter kündigt die nahe Lösung der Katastrophe mit den Worten an (P. 678, 30): an den rehten stam diz maere ist komn. Aus den Verwechslungskämpfen mit Gawan und Gramoflanz geht er siegreich hervor, mit Freuden begrüßt seinen Ruhm die Tafelrunde, den Festlichkeiten reiht sich Hochzeit auf Hochzeit an, er aber vergißt darüber seine Bußfahrt nicht; für ihn ist sein Ziel nicht erfüllt. Er gedenkt seines Weibes, deren kiusche süeze ihm fern und noch versagt bleibt. Rührend sind die Klagen seiner Sehnsucht; noch einmal taucht ein Zweifel an Gottes Huld auf, und mit Resigna

tion scheidet er aus den festlichen Kreisen *), indem er heimlich vor Tagesanbruch sich hinwegstiehlt, um seinem höheren Ziele ferner nachzujagen. Sin altez wâpen bringt ihn sogleich in eine neue, aber auch lezte Gefahr, in dem Kampf mit dem ihm unbekannten Halbbruder Feirefiß wiederum unbewußt Verwandtentod zu üben. Seine Liebe und sein Gottvertrauen stärken ihn im nahen Unterliegen und im Moment, da sein gewaltiger Schlag dem schon sieghaften Gegner den Todesstreich versezen will, da zerbricht sein Schwert; indem Gott ihn vor dieser Sünde bewahrt, nimmt er zugleich die frühere an Ither begangene von ihm; und der Dichter läßt darüber keinen Zweifel, daß in selbem Augenblick die Absolution Trevrecents die Bestätigung Gottes erhalten und somit ihm wirklicher Sündenerlaß ertheilt ist. **) Diese göttliche Absolution ist aber gleichzeitig auch vom und am Gral verkündigt durch die Schrift: daß Parcival zu dessen König ernannt sei, und Kundrie naht, wie sie am Plimizol einst die Fluchbotschaft verkündigt, nun mit der höchsten Heilsbotschaft. Mit Parcivals Ernennung zum Gralkönig ist Amfortas als solcher abgesezt, aber die Schrift sagt nichts von seiner Genesung oder Heilung. Kundrie deutet dem Erwählten aber unzweideutig an, daß diese auf die von ihm nachzuholende Frage erfolgen werde. ***) Sie hält also an der früheren Auffassung der ersten Schrift fest, obwohl die Vorbedingungen derselben alle hinweggefallen sind: das Gesetz müsse erfüllt werden. So faßt es auch Parcival selbst auf, obwohl er ernannter König obwohl er die Folgen der

ist,

*) P. 732, 19: sol ich nach dem daz Parzivâl daz rê nemen

grâle ringen,

sô muoz mich immer twingen

ir kiuschlicher umbevanc...

P. 733, 8: got wil mîner freude

niht.

in sîner hende solde zemen.
daz swert er Ithêre nam,
als sîner tumpheit dô wol zam.
P. 744, 21: ez ist noch unge-

P. 733, 19: got gebe freude al di- zurteile stêtz in beiden

sen scharn.

ich wil ûz disen freuden varn.

**) P. 743, 12: ob im nu niht ge

helfen megen

Condwîr âmûrs noch der grâl

sô müezest einen trôst doch habn, daz die cláren süezen knabn Kardeiz unt Loherangrîn

sus fruo niht verweiset sîn.

scheiden;

vor der hôhsten hende.

***) P. 781, 23: waer dir niht mêr
saelden kunt,

wan daz dîn wârhafter munt
den werden unt den süezen
mit rede nu sol grüezen:
den künec Anfortas nu nert
dîns mundes vrâge, diu im wert

P. 744, 14; got des niht langer | siufzebaeren jâmer grôz:

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Frage nun weiß, obwohl er direct von Kundrie zur Gralsburg hingeführt wird; denn nach seiner menschlichen Einsicht kann er schließen, Gott erwarte noch die Frage, da er die erstverheißne Heilung noch nicht gewährt hat. Aber Parcival ist auch keineswegs des Erfolges der Frage so sicher, daß er sie für eine leere Form halten könnte; denn er weiß nun, daß er aus eigner Kraft nichts vermag, sondern alles nur durch Gottes Gnade, Liebe und Erbarmen erreicht werde. Und in diesem Glauben und in dieser Demuth wirft er sich dreimal, zur Trinität inbrünstig betend, vor dem Gral nieder und thut dann die Frage *). Das geschieht nicht in dem Sinne, wie Simrock meint, zur Erfüllung eines eigensinnigen Gebots des Grals, also in todter Werkheiligkeit; noch viel weniger wird die Frage zu einem bloßen, wir möchten sagen, lächerlichen Stich- oder Schlagwort, wie Reichel, S. 19 unsers Erachtens mit zu trivialer Auffassung behauptet; sondern es ist nach Parcivals Verständniß und im Sinne der Kirchenlehre die Frage nur die vollständige Vollendung des operis operati des ganzen Bußwerks des Helden, die er mit Recht zu seiner vollständigen Rechtfertigung für nothwendig hielt. Parcivaln war die Gnade gegeben ohne die Frage, ohne sein Zuthun, sonder Verdienst; aber des Amfortas Geschick war nach göttlichem Rathschluß untrennbar an das seine geknüpft; dessenthalb durfte er daher nicht nachlassen, bis zum legten Pünktchen das zu erfüllen, was ihm in der ersten Schrift schien anbefohlen zu sein. Wir finden in der ersten Schrift des Grals und in der zweiten in Verbindung mit der nachgeholten Frage und ihrer Heilsfolge ziemlich treu die alte Kirchenlehre des Athanasius, Chrills von Jerusalem und Alexandrien, Eusebius, Gregors von Nazianz u. A. wiedergespiegelt, wonach Gott den Menschen sich zum Ebenbild geschaffen, doch ihm den Tod im Fall der Sünde gedroht hatte; und diese Drohung konnte wegen Gottes Wahrhaftigkeit nicht unerfüllt bleiben. Da= gegen widersprach es seiner Liebe, alle von ihm erschaffne Menschen dem Untergange preiszugeben, darum sandte er den Sohn, den Erlösungstod für die Menschheit zu sterben, wodurch seine Wahrhaftigkeit wie seine Liebe aufrecht erhalten ward. Aehnlich faßte auch Augustinus diese Lehre: Gott hat Alle durch Adams Sünde verworfen; dabei muß es bleiben; aber er hat auch Gnade und diese verleiht er nach seiner

*) P. 795, 22: op diu gotes güete drîstunt zêrn der Trinitât.

an mir gesige,

des wirt wol innen disiu schar sîn venje er viel des endes dar

...

er warp, daz müese werden rât
des trûrgen mannes herzesêr.

(für uns freilich unbegreiflichen und unerforschlichen) Wahl. Daß der Dichter sich der Augustinischen Auffassung in der Lösung dieses dunklen und schwierigen Punktes nähert, scheint uns klar, um so mehr, als aus den beiden hinzugefügten Beispielen von St. Silvester und Lazarus (P. 795, 30-796, 4) bestimmt die Idee hervorleuchtet, daß mit dem Geseze der Tod, mit dem Evangelio der Liebe und Guade aber das Leben gewährt werde.

Mit der verbotnen Frage verhält es sich dagegen ganz anders. Die Geschichte nimmt nemlich die eigenthümliche Wendung, daß, nachdem Parcival die Genesung des Amfortas durch die nachgeholte Frage bewirkt hat, eine fernere Schrift am Gral erschien:

P. 818, 26: swelhen templeis | P. 819, 1: Sô diu vrâge wirt gein diu gotes hant im getân sô mugen sis niht langer hân.

gaeb ze hêrren vremder diete,

daz er vragen widerriete

sînes namen od sîns geslehtes,

unt daz er in hulfe rehtes.

wozu der seltsame Erläuterungsgrund gegeben wird:

durch daz der süeze Anfortas sô lange in sûren pînen was und in diu vrâge lange meit,

in ist immer mêr nu vrâgen leit.
al des grâles pflihtgesellen
von in vrågens niht enwellen.

Daher gebietet auch der vom Gral nach Brabant gesendete Loherangrin

P. 825, 19: gevråget nimmer wer

ich sî:

so habt ir minne an mir verlorn. ob ir niht sît gewarnet des,

sô warnt mich got, er weiz wol wes.

sô mag ich iu belîben bî. bin ich ziwerr vrâge erkorn, Danach beschwor auch bei ihrer Liebe die Herzogin, ihn nicht nach Namen und Herkunft zu fragen; endlich aber vergaß sie sich doch und ihre Frage trieb ihn von hinnen; es kam sein Freund der Schwan und holte ihn ab.

Die verbotne Frage wiederholt sich oft in Dichtung und Sage, besonders da, wo ein Höherer sich mit einer Geringeren, oder gar ein höheres Wesen mit einer Erdgebornen in ein Ehe- oder Liebesverhältniß begiebt. Das klassische Alterthum stellt uns ein Beispiel in Amor und Psyche, die mittelalterliche Dichtung in Friedrich von Schwaben und Angelburg, Partenuplis und Amelor, Raimund und Melusine, und in den beiden altbrittischen Lais (Méon, Fabl. et Contes, T. IV.) von

Graelant und der Fee und von Lanval auf. Immer ist es die Liebe, die das Band zwischen entgegengesetzten Naturen knüpft, und eine unzeitige Neugierde, die es zerreißt. — Andrerseits liebt es die Gottheit, sich in Dunkel zu hüllen. Die Geisterwelt ist dem Menschen verschlossen und er soll nicht in sie eindringen. Auch Diana ließ sich nicht ungestraft von Actäon belauschen. Man darf von Ereignissen, die man mit Geistern gehabt hat, nicht reden.

Diese und ähnliche Motive liegen der Schwansage in ihren höchst mannigfaltigen Gestaltungen und Wandlungen zum Grunde, auf die wir jedoch hier nicht eingehn können und finden da ihre vollgültige Erklärung. Diese Sage hat Kyot ohne innere Nothwendigkeit ebenso wie die vom Priester Johannes am Schlusse seines Werkes noch, fast gewaltsam in Lohengrins Sendung herangezogen und Wolfram, wie die Vergleichung mit dem jüngeren Titurel es wahrscheinlich macht, sie in kürzester Fassung mehr nur angedeutet als wiederholt. Damit verlassen wir aber auch den christlich - dogmatischen Boden, auf dem die Gral und Parcivalsage nach Wolframs Gestaltung auferbaut ist und gerathen in das Gebiet der heidnischen Mythologie. Das Gewaltsame der Verbindung so einander fremdartiger Sagen springt durch die Absurdität in die Augen, daß den Gralrittern und dem Gral in der hochheiligen Bedeutung, wie er bisher dargestellt ist, das Fragen nach ihm, seinen Gesandten und seinen Segnungen je zum Verdruß und Ueberdruß hätte gereichen können. Es ist zwar früher von Trevrecent erzählt, daß die Männer verholne vom Gral in die Lande gesandt werden, die einen Herren vom Gral begehren. Allein das entspricht dem Verhältniß des Grals, als christlichen Gott gedacht, zur Menschheit. Die mit seinen Sendboten gesegneten Völker sollen aus ihrer eignen innern Erfahrung heraus den Gottgefandten erkennen, nicht soll er ihnen, sich proclamirend, entgegentreten; denn nur wer die Gnade in sich erworben, ist ihrer werth. Sachgemäßer, wenn auch fast humoristisch, ist die Wendung, daß, nachdem bekannt geworden, daß der Gral nicht zu erstreiten und von Niemandem, der nicht dazu benannt, zu finden sei, die Ritter aufhörten, nach ihm zu forschen, weßhalb er noch heute unbekannt sei (P. 250, 29; 468, 13; 473, 5; 768, 11; 798, 25). Der Dichter entledigte sich damit aller weitern überlästigen Nachfragen, wo denn noch die fromme Brüderschaft des Grals etwa zu finden ebenso, wie die Märchenerzähler die naive Kindesfrage nach unendlicher Fortsetzung der Geschichte mit der Phrase abschneiden: „und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie heute noch." Die größte

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