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In dem Ausruf: got vil tougen hât! legt Trevrecent das Bekenntniß seines menschlichen Irrthums und seines Mißverständnisses der Verheißungsschrift des Grals ab: das Bekenntniß der Unerforschlichkeit von Gottes Rathschlüssen; denn gleich darauf spricht er ebenso in Beziehung auf Parcivals Heilserlangung: nu ist ez anders umb iuch komn; sich hat gehoehet iwer gewin, und fügt hinzu: nu kêrt an diemuot iwern sin! P. 798, 28. Auch mit diesem kam es anders, als die Templeisen meinten. Wir nannten vorher deren Irrthum als einen in seinen Folgen segensreichen. Wenn, wie wir das Orakel nur zu fassen vermögen, der Gral sich jener Schrift bediente, um dem Amfortas eine Prüfung bestehn zu lassen, an der er auch scheitern konnte, und den Parcival durch unverschuldetes Leid und unverdiente Schmach zur Einkehr in sich und Heimkehr zu Gott zu treiben, so war der Rathschluß der göttlichen Vorsehung damit erfüllt. Es ward für Beide, für Amfortas sogleich, für Parcival später der Wendepunkt zum Heile. In jenem menschlichen Irrthum der Templeisen liegt die tiefe, ewige Wahrheit, daß die Vorsehung ihr Warum dem Erdenauge verhüllt, und an beiden hier zunächst betroffnen Personen entwickelt sich in gleicher Weise die Lehre des Weges von der Hochfahrt durch die Buße zur Demuth, und mit ihr zur Gnade; und nicht als etwas Befremdliches und als ein Tadel, sondern als ein Lob des Dichters muß es erkannt werden, daß das Schicksal beider Personen an die Aufgabe desselben Orakels geknüpft ward, da zumal mit dessen endlicher Lösung ja auch in Betreff beider über die Gralskrone entschieden ward. Hochfahrt war die Sünde des Amfortas und Hochfahrt und Uebermuth personificirt in deren Namensträgerin Orgeluse (Orgueilleuse) war die Frau, welche den Amfortas zu seiner Schuld verführte. Nicht nach Willkür oder Zufall ist ihr dieser Name gegeben, und im folgenden Hefte werden wir zeigen, wie auch an ihr die christliche Lehre von der Hochfahrt und Demuth, wenngleich in romantisch-ritterlicher Weise entwickelt wird.

Die Schuld Parcivals bewegt sich auf einem andern Gebiete als die des Amfortas. Dieser hatte Ungehorsam gegen Gottes Gebot geübt, sich gegen sein Gescß aufgelehnt; Parcival ladet Schuld auf sich durch

ins grâles dienste strîten.

durch wîp gestrîte ich niemer mêr. ein wîp gab mir herzesêr.

P. 820, 1: Idoch ist iemmer al mîn baz

gein wîben vollcclîche laz:

hôch manlîch vreude kumt von in,
swie klein da waere mîn gewin.

seine Gerechtigkeit, so lange er unter dem Fluch des Gesetzes stand; der Sündenquell Beider ist jedoch derselbe, die Hochfahrt, und das Evangelium der Liebe erschließt sich gleichmäßig erst Beiden, nachdem sie zur Demuth zurückgekehrt sind.

Körperschönheit, Körperkraft, Muth, Thatendrang, ein unruhiges Streben hinaus in die weite Welt, das ist das Erbtheil Parcivals von Vaterseiten her; Liebe, Treue, warmes Mitgefühl für Andrer Leiden, ein reiches ahnungsvolles Gemüth ist sein Erbtheil von Mutterseiten. Das Kind, von der Natur für die große Welt so reich ausgestattet, wird mit überängstlicher Obhut von banger Muttersorge in tiefer Waldeinsamkeit erzogen. Dieser Widerspruch im äußern Leben wiederholt sich in seinem Innern. In knabenhafter Jagdlust schießt er die Vögel nicder (P. 118, 6.) und doch erfüllt ihr Gesang sein kleines Herzchen mit unaussprechlich banger aber auch so süßer Wehmuth und unendlicher Sehnsucht, daß beim Lauschen ihrer Lieder Thränen sein Auge füllen, er weiß nicht warum. Und als die Mutter des hochsten gotes gebot wendet *), und um diesen Kummer von ihm zu nehmen, befiehlt, alle Vögel zu vertilgen, da bittet er wieder Frieden für sie (P. 118, 119.), daß sie, die Freudenarme, beschämt sich fragen muß: „suln vogele durch mich freude lân? Schwarz und weiß, Licht und Finsterniß, Gottes Treue und des Bösen Untreue, Gottes Hülfe und des zwîvels wanc **), das sind die kurzen Grundzüge des kleinen Katechismus, die Herzeleide ihren Knaben lehrte und die der Dichter doch zugleich auch als goldne Ueberschrift hoch oben über den Eingang seines Gedichts schrieb (P. 1, 1-14.). Die Erscheinung der glänzenden Ritter reißt den Vorhang weg, der die Welt noch vor ihm barg, für die er erschaf= fen, und unbezwinglich erwacht der Drang, der ihm angeboren war. Die Mutter stattet ihn zu seiner Ausfahrt mit Klugheitsregeln aus (ich wil dich list ê lêren, P. 127, 14): dunkle Fährten zu meiden, Höflichkeit gegen jedermann, Folgsamkeit gegen Rath der Alten, Ring und Kuß gutes Weibes; und Nache gelobt er im Zorn seines Rechts

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*) „Dich sollen loben alle Kreaturen“, Tob. 8, 7. Lobet den Herrn, Thiere und alles Vieh, Gewürm und Vögel ... Alles was Odem hat, lobe den Herrn," Pf. 148, 10; 150, 6.

**) P. 119, 19:,,(got) ist noch lichter | sô heizet einr der helle wirt:

der antlitzes sich bewac nâch menschen antlitze. flêhe in umbe dîne nôt:

denne der tac,

sîn triwe der werlde ie helfe bôt.

der ist swarz, untriwe in niht verbirt.

von dem kêr dîne gedanke,

und och von zwîvels wanke."
sîn muoter underschiet im gar
daz vinster unt daz lieht gevar.

gefühls, als er hört, daß Lähelin von seinem Erbe zwei Lande an sich gerissen habe (P. 128, 11.). Fest hält der Knabe die Lehren der Mutter im Herzen und führt sie treulich auf den Lippen, wie die h. Schrift lehrt: „Mein Kind, bewahre die Gebote deines Vaters, und laß nicht fahren das Gesetz deiner Mutter," Spr. 6, 20 (1, 8.). Doch die buchstäblichste Erfüllung dieser Muttergebote schüßt ihn nicht vor schwerer Verirrung; der trogige Muth, die Ueberschätzung seiner Kraft, womit er der ihm neuen Welt gegenübertritt, schlägt ihm zwar scheinbar zur äußern Ehre, dennoch aber zum Unheil mit jedem Schritte aus, und mit Recht wird er in dieser Periode der tumbe knabe, der witze ein weise, der tumpheit genôz genannt, und sprechend umhüllt ein Narrenkleid den edlen herrlichen Leib, wie die tumpheit den föftlichen Kern seines Innern. In Erfüllung des unheilkündenden Traumes der Mutter vor seiner Geburt (P. 104.) tödtet sein Abschied von ihr sie; doch er weiß und ahnt es nicht in seinem Sturmdrang in die Ferne. Sein Ueberfall Jeschutens im Zelt zieht dieser grausame Behandlung des eifersüchtigen Gatten Orilus zu; seine lächerliche Erscheinung an Artus Hofe erwirkt Kunnewaren schmähliche Züchtigung, sein troßiges Streben nach Ritterschaft kostet seinem Blutsverwandten Ither von Gahevieß das Leben. — So gelangt er zu Gurnemanz, der wohl zu merken nicht zum Königsgeschlecht des Grals und nicht zu den Gliedern der Gralkirche gehört. Dieser macht ihn mit den äußern Formen der Kirche bekannt, belehrt ihn über die Bedeutung der Messe, der Kreuzigung und Segnung, lehrt ihn Schaam, Erbarmen, rechtes Maß, verständige Rede, Gnade und Hochsinn üben, belehrt ihn über treue Minne, über Einheit des Mannes und Weibes und unterweist ihn in ritterlichen Künsten; so schied er den Jüngling durch Unterricht in rîterlîcher zuht und fuoge von sîner tumpheit (P. 179, 23; 188, 18.). Unter diesen Lehren war auch eine, deren Befolgung dem unerfahrnen Zögling wieder verhängnißvoll ward: nicht zu viel zu fragen; auch nicht stets sich auf seine Mutter zu berufen, und wohl nahm er das sich zu Herzen: sîner muoter er gesweic, mit rede, und in dem herzen niht; als noch getriwem man geschiht (P. 173, 8.). Allein die Lehren äußerlicher Kultusformen und weltlicher Zucht und Sitte weckten sein Herz nicht zur Religion, wandten es wahrhaft nicht Gott zu, ließen ihn vielmehr in vollster Selbstbefriedigung mit seinem Ritterthum für diese Welt dem äußern Menschen genug, aber dem innern Menschen und für jene Welt nicht. Der Anblick Liaßens, des Gurnemanz Tochter, berührt sein Herz nur oberflächlich; er hat ja Weibes Minne noch nicht durch Thaten verdient (P. 179, 1—3.);

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doch dem Hülfeflehen Kundwiramurs kann er nicht widerstehn; er überwindet ihre Bedränger und vermählt sich ihr in keuschester Liebe. Doch mitten in diesem Glück, das ihn zu dem schönsten liebevollen Weibe, zu Thron und Land geführt, erwacht das Gewissen in ihm und weckt die Sorge, zu erfahren, was aus seiner Mutter geworden, die er so ungestüm verlassen hat (P. 223, 19.). All das äußere Glück und die Befriedigung ehelicher Liebe und Regentenpflicht gewährt ihm keine Beruhigung gegen den still nagenden Wurm im Herzen. Er fühlt, daß er lieblos gegen die zärtliche Mutterliebe gehandelt, und der Gewissensdrang, dies Unrecht gut zu machen, lenkt ihn von dem glücklichen Ziel seiner bisherigen Laufbahn zu deren Anfang zurück, die Mutter wieder aufzusuchen. So gelangt er zur Gralsburg, unbehindert das Gralgebiet betretend. Er gehörte ja zu den heilhaften, zu dem Saamen, der von Munsalwäsche in die Welt ausgestreut ward; der Gralkönig Amfortas war der Bruder seiner Mutter; der Herzeloyde bar, er was ouch ganerbe dar (P. 333, 30.), er gehörte ja zu den Gesammterben des Königsgeschlechts, somit zur Gralgemeinde; wenn auch nicht zu der dienenden Priesterschaft des Grals und dessen Auserwählten, so doch zu den Berufnen, wie es Gal. 3, 29 heißt: „Seid Ihr aber Christi, so seid Ihr ja Abrahams Saamen und nach der Verheißung Erben“ (Röm. 9, 8.). Er wußte noch nichts vom Gral, weder von seinem Dasein, noch von dessen Kraft und Bedeutung; d. h. weder das Licht des Glaubens noch auch die Sehnsucht darnach war seiner Seele aufgegangen. Er that nicht die verhängnißvolle Frage, wieder im engen Buchstabendienst der Gurnemanzlehre: nicht zuviel zu fragen; doch defsen andre Lehre drüber vergessend: überall rechtes Maas zu halten. Er beruhigt sich dabei: auch ohne Frage werde er das Nöthige erfahren, wie es ja auch zu Pelrapeir geschehn (P. 188, 20.). So ging denn das Leiden des Amfortas, die Wehklage der Ritterschaft, die blutende Lanze, das prächtige Schwert, die Wunderspende des heiligen Gefäßes an ihm vorüber, ohne den Glauben und die christliche Liebe in ihm zu erwecken; und weil ihm beide fehlten, so blieb ihm die Speise des Sacramentes gewöhnliches Brot und gewöhnlicher Wein, gleichwie die Hostie, welche die Maus verzehrt, nicht ihre heilige inwohnende Kraft äußert (§. 64 oben). Und erscheint hier Parcival anders, als die Millionen der Weltkinder, die Gottes Strafen und Segnungen mit offnen Augen sehen, sie mitdulden und mitgenießen, ohne jedoch eben Gottes Wirken darin zu erkennen? *) Es sind ihnen zufällige Erscheinungen

*) Vergl. Bible Guiot, v. 871.

wie Regen und Sonnenschein, der sie naß und trocken macht, aber ihre Seele ist unzugänglich für ihr Verständniß

bis ihnen das, und Und dies weckende

wahrlich selten in sanfter Weise, eröffnet wird. Donnerwort, das leise heranrollte in den Verwünschungen des Knappen und Sigunens, erscholl ihm unzweideutig und gewaltig mitten in höchster Feier seiner Heldenlaufbahn, bei seiner Aufnahme in die Genossen= schaft der Tafelrunde, Angesichts des Königs Artus und seines ganzen Hofes, durch den Fluch Kundriens, die ihn zur Hölle verdammte und jede göttliche Tugend ihm absprach.

Parcival durfte sich für gerecht halten. Sein angeborner Naturtrieb hatte ihn in die Welt gezogen und der Erfolg hatte seinen Trieb gekrönt und somit gerechtfertigt. Wo er unbewußt Schaden angerichtet, da hatte er ihn mit besten Kräften geheilt; die besiegten an Kunneware gesandten Ritter hatten ihrer schwer verletzten Ehre Genugthuung gegeben, er hatte Jeschuten die Huld des Gatten wieder erzwungen, hatte Keye für seine Mißhandlungen hart gestraft, überall in bester Absicht gehandelt; und nun sollte die unterlaßne Frage ihm zur Todsünde werden? War die strengste Befolgung der Lehren der Mutter und des greisen Gurnemanz ihm als Sünde anzurechnen? Hätte er nicht mehr gefehlt, wenn er dagegen that? Konnte ihm von allen Seiten so hohe Ehre dargebracht werden, wenn er sie nicht redlich und rühmlich erworben? Und dennoch wird ihm Fluch! In solcher Lage lehnt sich leicht das troßige Herz auf gegen den Schöpfer, da verachtet es feine Hülfe, schmäht seine Gnade, sagt es sich los von Gott und verfällt der Verzweiflung *). ,,Weh, was ist Gott?"**) ruft er

*) P. 319, 4: waz half in küenes
herzen rât,

unt wâriu zuht bî manheit?

und dennoch mêr was im bereit

scham ob allen sînen siten.

den rehten valsch het er vermiten.

P. 329, 18: ine bin doch trûrens niht erlôst,

und wil iuch des bescheiden.

ine mages sô niht geleiden,

als ez mir leide kündet,

daz sich nu manger sündet

P. 326, 4: reht werdekeit was sîn an mir, der niht weiz mîner klage,

gewete.

Auch an Gurnemanz Rath ward er irre:
P. 330, 1: sol ich durch mîner

zuht gebot

hoeren nu der werlte spot,

sô mac sîn râten niht sîn ganz.

und ich dâ bî sîn spotten trage.
ine wil deheiner freude jehn,

ine müeze alrêrst den grâl ge-
sehn...

mich jaget des endes mîn gedanc. dâ von gescheide ich nimmer

er riet mir daz ich vrävellîche vrâge mînes lebens immer.

...

mite,

und immer gein unfuoge strite.

**) P. 332, 1: wê, waz ist got? waer der gewaldec, sölhen spot

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